Urteil des BVerwG vom 25.09.2008

Soldat, Uniform, Straftat, Disziplinarverfahren

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 19.07
TDG S 7 VL 13/07
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
Herrn Oberfeldwebel der Reserve ...,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 25. September 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Breitkreutz und
ehrenamtlicher Richter Oberfeldwebel der Reserve Flacke,
Leitender Regierungsdirektor Breitwieser
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Geschäftsstellenverwalterinnen ...
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Berufung des früheren Soldaten wird das Urteil der
7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 31. Juli
2007 aufgehoben.
Der frühere Soldat hat ein Dienstvergehen begangen.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem früheren Soldaten
erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund
auferlegt.
G r ü n d e :
I
Die zuletzt auf zwölf Jahre festgesetzte Dienstzeit des jetzt 40 Jahre alten frü-
heren Soldaten endete mit Ablauf des 30. September 2004. Sein Antrag auf
Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes vom 12.
Juni 1998 sowie seine Anträge vom 13. August 1998 und 24. September 2001
auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten waren erfolglos
geblieben.
Während seiner Dienstzeit war der frühere Soldat zuletzt seit dem 1. Juli 1997
als Luftfahrzeugmechanikermeister F-4F und 1. Wart in der Wartungsstaffel des
...geschwaders ... "..." in W. eingesetzt. Am 10. Juli 1997 war er zum Feldwebel
und am 10. Juli 1998 zum Oberfeldwebel befördert worden.
Der Auszug aus dem Zentralregister vom 29. August 2008 weist folgende Ein-
tragungen auf:
1. Strafbefehl des Amtsgerichts Leipzig vom 1. November
2004, rechtskräftig seit dem 19. November 2004;
Tatbezeichnung: vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis
(§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG)
30 Tagessätze zu je 15 € Geldstrafe
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2. Strafbefehl des Amtsgericht Leipzig vom 6. Januar 2006,
rechtskräftig seit dem 31. März 2006;
Datum der (letzten Tat): 13. September 2005
Tatbezeichnung: Zwei tateinheitliche Fälle des Missbrauchs
von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen (§ 132a
Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, § 52 StGB);
10 Tagessätze zu je 20 € Geldstrafe
3. 5. Juli 2007 Amtsgericht Leipzig, rechtskräftig seit dem 25.
Juli 2007;
Tatbezeichnung: Erschleichen von Leistungen in drei Fällen
(§ 265a Abs. 1, Abs. 3, § 248a, § 53 StGB)
60 Tagessätze zu je 10 € Geldstrafe
4. 28. April 2008 Staatsanwaltschaft Leipzig
Gesucht wegen Festnahme aufgrund Vollstreckungshaftbe-
fehl
5. 15. Mai 2008 Staatsanwaltschaft Leipzig
Gesucht wegen Strafverfolgung wegen Aufenthaltsermitt-
lung.
Die 1989 von dem früheren Soldaten eingegangene Ehe, aus der zwei Töchter
(geb. 1989 und 1993) hervorgegangen sind, wurde am 11. Januar 2001 ge-
schieden.
Der frühere Soldat studiert Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Aka-
demie Wi. Außerdem führt er einen selbständigen Betrieb (Herstellung von
Werbeaufklebern), aus dem er monatliche Bruttoeinkünfte von durchschnittlich
ca. 1.000 bis 1.200 € erzielt. Außerdem hat er Mieteinnahmen aus einer Immo-
bilie in Höhe von 500 € pro Monat. Nach seinen Angaben in der Berufungs-
hauptverhandlung ist die wirtschaftliche Situation seiner Familie angespannt.
Auf die während seiner früheren Ehe entstandenen Verbindlichkeiten in Höhe
von nunmehr noch ca. 70.000 € zahlt der frühere Soldat monatlich 400 € für
Zinsen und Tilgung.
II
Nach zuvor erfolgter Anhörung des früheren Soldaten leitete der Befehlshaber
des Wehrbereichskommandos ... mit Verfügung vom 18. Januar 2007, zuge-
stellt am 1. Februar 2007, das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn ein, in
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dem ihm die Wehrdisziplinaranwaltschaft mit Anschuldigungsschrift vom 6. Juni
2007 folgendes Verhalten zur Last legte:
„1. Der frühere Soldat fuhr am 14.08.2004 gegen
00:50 Uhr mit dem PKW Ford, Kennzeichen ..., auf der ...
Straße in L., obwohl er, was er wusste, nicht die erforderli-
che Fahrerlaubnis hatte.
2. Er erschien am 13.09.2005 gegen 14:00 Uhr in der
Bundespolizeiinspektion L., ...-Platz ..., um den Diebstahl
seiner Brieftasche - aus seinem am Hauptbahnhof gepark-
ten PKW - anzuzeigen.
a) Dabei trug er eine Uniform (Fliegerkombi grau) mit den
Schulterklappen eines ‚Major’, obwohl er mit Wirkung vom
10.07.1998 lediglich zum Dienstgrad ‚Oberfeldwebel’ er-
nannt worden war.
b)
aa)
Er gab ferner wahrheitswidrig an, dass soeben u.a. sein
Truppenausweis gestohlen worden sei, obwohl er diesen
bereits in einer ‚Dienstlichen Erklärung’ vom 14.10.2004
gegenüber dem Staffelchef Wartungsstaffel
...ge-
schwader ... als im April 2003 gestohlen gemeldet hatte.
bb)
Den seinerzeit ebenfalls als gestohlen gemeldeten Sperr-
zonenausweis Nr. ... führte er bei sich. Diesen hätte er mit
seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr gemäß Ge-
schwaderbefehl ...geschwader ... ‚... Nr. 32/00, Kommodo-
re - Az: 06-05-01 vom 15.05.2000, Anlage 1, Abs. 2 (ana-
log) an den Dienstherrn zurückgeben müssen und nicht
behalten dürfen, was ihm bekannt war bzw. was er zumin-
dest hätte kennen können und müssen.
Durch sein Verhalten hat der frühere Soldat die ihm oblie-
gende Dienstpflicht verletzt, sich außer Dienst und außer-
halb umschlossener militärischer Anlagen so zu verhalten,
dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstli-
che Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt (zu
1.), sowie seinen Vorgesetzten zu gehorchen und ihre Be-
fehle nach besten Kräften, vollständig, gewissenhaft und
unverzüglich auszuführen (zu 2. b) bb)).
Ferner hat er die nachwirkende Dienstpflicht verletzt, nach
seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst nicht durch un-
würdiges Verhalten nicht der Achtung und dem Vertrauen
gerecht zu werden, die für seine Wiederverwendung als
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Vorgesetzter in seinem Dienstgrad erforderlich sind (zu
2.).
Dienstvergehen
Nach § 23 Abs. 1 Soldatengesetz (SG) i.V.m. § 17 Abs. 2
Satz 2 Alt. 2 SG (zu 1.), § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG (zu
2. b) bb)),
fiktives Dienstvergehen
nach §§ 23 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 17 Abs. 3 SG (zu 2.).“
Mit Urteil vom 31. Juli 2007 hat die 7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd
den früheren Soldaten auf der Grundlage dieser Anschuldigungsschrift wegen
eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Unteroffiziers der Reserve her-
abgesetzt. Dabei hat die Kammer gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 WDO nach zuvor
erfolgter Anhörung der Wehrdisziplinaranwältin und deren Zustimmung den in
der Anschuldigungsschrift unter 2 b) bb) zur Last gelegten Vorwurf aus dem
gerichtlichen Disziplinarverfahren ausgeklammert. Den von Anschuldigungs-
punkt 1 erfassten Vorwurf hat sie in Abwesenheit des zur Hauptverhandlung
ordnungsgemäß geladenen früheren Soldaten aufgrund der Akten festgestellt
und als Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG gewertet. Das von den Anschul-
digungspunkten 2 a) und 2 b) aa) erfasste und aufgrund der Aktenlage festge-
stellte Fehlverhalten hat die Truppendienstkammer als Verstoß des früheren
Soldaten gegen seine nachwirkende Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht
gemäß § 17 Abs. 3 SG gewertet. Der frühere Soldat habe damit insgesamt ein
Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG bzw. ein fiktives Dienstvergehen nach
§ 23 Abs. 2 Nr. 2 SG begangen.
Gegen das ihm am 11. August 2007 zugestellte Urteil hat der frühere Soldat zur
Niederschrift der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts am
10. September 2007 Berufung in vollem Umfang eingelegt und beantragt,
auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
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- 6 -
Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, er habe zwar die Flieger-
kombi mit den Schulterstücken eines Majors getragen, als er in das Büro der
Polizeiinspektion in L. gegangen sei, um dort eine Strafanzeige zu erstatten. Er
habe aber nie gesagt, dass er den Dienstgrad eines Majors innehabe. Des Wei-
teren sei die Darstellung der Aussagen des Zeugen Major F. im angefochtenen
Urteil unzutreffend. Sein persönlicher Werdegang bei der Bundeswehr sei nicht
durchschnittlich gewesen; seine guten Leistungen hätten überhaupt keine Be-
rücksichtigung gefunden. Einige Sonderlehrgänge seien zudem überhaupt nicht
erwähnt worden. Angesichts dessen sei die von der Truppendienstkammer
ausgesprochene Disziplinarmaßnahme einer Herabsetzung in den Dienstgrad
eines Unteroffiziers der Reserve unverhältnismäßig hoch.
III
1. Die fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht eingegangene Berufung des
früheren Soldaten ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt
(§ 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WDO).
2. Das Rechtsmittel ist ausdrücklich in vollem Umfang eingelegt worden. Die
Berufungsbegründung des früheren Soldaten wendet sich zudem nicht nur ge-
gen die Maßnahmebemessung, sondern auch gegen die Schuldfeststellungen
der Truppendienstkammer. Zwar beziehen sich diese Ausführungen nur auf die
Vorgänge im Büro der Bundespolizeiinspektion in L., also den Anschuldigungs-
punkt 2. Daraus ergibt sich jedoch keine Beschränkung der Berufung.
Eine Beschränkung der Berufung auf einzelne Anschuldigungspunkte wäre zu-
dem ohnehin nicht zulässig (stRspr, vgl. u.a Urteile vom 12. Mai 1971 - BVerwG
2 WD 2.69 -, vom 10. Juni 1970 - BVerwG 2 WD 73.69 - und vom 13. Juni 2006
- BVerwG 2 WD 1.06 -; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 116 Rn. 16). Dies folgt dar-
aus, dass gemäß § 18 Abs. 2 WDO mehrere Pflichtverletzungen eines Solda-
ten, über die gleichzeitig entschieden werden kann, als ein Dienstvergehen zu
ahnden sind. Hat ein Soldat oder früherer Soldat in mehrfacher Weise gegen
seine Pflichten verstoßen, ist das Urteil darüber, ob und wie er disziplinar zu
maßregeln ist, nicht jeder einzelnen in den verschiedenen Anschuldigungspunk-
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ten vorgeworfenen Pflichtverletzung zu entnehmen. Vielmehr hat die disziplinar-
rechtliche Beurteilung auf der Grundlage aller Pflichtverletzungen, soweit sie
entscheidungsreif sind, zu erfolgen. Denn erst aus der Würdigung aller Pflicht-
verletzungen kann das Wehrdienstgericht die Beurteilungsgrundlage dafür ge-
winnen, welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, um den Zweck des
Wehrdisziplinarrechts zu erfüllen, dazu beizutragen, den ordnungsgemäßen
Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen (vgl. u.a. Urteil vom
13. Juni 2006 - BVerwG 2 WD 1.06 -).
Mangels einer wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels auf die Maßnahme-
bemessung ist mithin von einer vollen Berufung des früheren Soldaten auszu-
gehen, so dass der Senat daher im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 3
i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, sie
rechtlich zu würdigen und über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu be-
finden hat, wobei er angesichts des Umstandes, dass allein der frühere Soldat
Berufung eingelegt hat, an das Verschlechterungsverbot (§ 91 Abs. 1 Satz 1
WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) gebunden ist.
3. Tatsächliche Feststellungen
Die vom Senat in der Berufungshauptverhandlung getroffenen tatsächlichen
Feststellungen haben ergeben, dass der frühere Soldat die in der Anschuldi-
gungsschrift unter den Anschuldigungspunkten 1 und 2 a) ihm vorgeworfenen
Taten begangen hat. Der in Anschuldigungspunkt 2 b) aa) erhobene Vorwurf,
der frühere Soldat habe wahrheitswidrige Angaben zum Diebstahl seines Trup-
penausweises gemacht, hat ihm nicht nachgewiesen werden können. Hinsicht-
lich des Anschuldigungspunkte 2 b) bb) verbleibt es bei der von der Truppen-
dienstkammer nach § 107 Abs. 2 WDO beschlossenen Ausklammerung des
Tatvorwurfs aus dem Disziplinarverfahren, so dass insoweit eigene Feststellun-
gen des Senats entbehrlich gewesen sind.
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Anschuldigungspunkt 1:
Der frühere Soldat fuhr am 14. August 2004 gegen 00:50 Uhr mit dem PKW
Ford, Kennzeichen ..., auf der ... Straße in L., obwohl er, was er wusste, nicht
die erforderliche Fahrerlaubnis hatte. Dies ist vom früheren Soldaten in der Be-
rufungshauptverhandlung auch ausdrücklich eingeräumt worden. Sein Ges-
tändnis deckt sich im Kern mit den Ausführungen, die er durch seinen damali-
gen Verteidiger bereits im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren unter dem
20. Oktober 2004 abgegeben hatte. Soweit der frühere Soldat nach wie vor gel-
tend gemacht hat, er sei durch die Fahrertür und nicht über seine Beifahrerin
hinweg aus der Beifahrertür ausgestiegen, kann diese Detailfrage offen bleiben.
Denn der frühere Soldat besaß zum Tatzeitpunkt am 14. August 2004 jedenfalls
nicht die erforderliche Fahrerlaubnis. Wegen dieses nach § 21 Abs. 1 Nr. 1
StVG strafbaren Verhaltens wurde der frühere Soldat durch den Strafbefehl des
Amtsgerichts L. vom 1. November 2004 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis rechtskräftig zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu
je 15 € verurteilt.
Anschuldigungspunkt 2:
Teil a)
Am 13. September 2005 erschien der frühere Soldat gegen 14.00 Uhr in der
Bundespolizeiinspektion am Hauptbahnhof in L., ...-Platz ..., in einer Flieger-
kombination der Bundesluftwaffe mit den Schulterstücken eines Majors und er-
stattete Strafanzeige mit der Begründung, seine Brieftasche, in der sich mehre-
re Ausweise befunden hätten, sei ihm aus seinem am Hauptbahnhof L. gepark-
ten Pkw gestohlen worden.
Dieses bereits im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts L. vom 6. Januar
2006 zur Last gelegte Verhalten hat der frühere Soldat in der Berufungshaupt-
verhandlung ausdrücklich eingeräumt. Der Senat hat keine Veranlassung, an
der inhaltlichen Richtigkeit dieses Geständnisses zu zweifeln.
Soweit der frühere Soldat geltend gemacht hat, er habe sich nicht als Major
ausgewiesen, meint er damit offenbar, er habe in der Bundespolizeiinspektion
in L. nicht verbal ausdrücklich erklärt, dass er den Dienstgrad eines Majors tra-
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ge („Ich habe nie ausdrücklich gesagt, dass ich den Dienstgrad Major inneha-
be“). Das ist ihm aber auch nicht vorgeworfen worden. Entscheidend ist, dass
er - wie ihm vorgeworfen wird - eine Fliegerkombination der Bundesluftwaffe mit
den Schulterstücken eines Majors an dem bezeichneten Tag in der Bundespoli-
zeiinspektion in L. tatsächlich trug, was der Soldat im Übrigen bereits in seiner
Berufungsbegründung eingeräumt hatte („ich habe diese Kombi mit den Schul-
terstücken angehabt, als ich in das Büro der Polizeiinspektion … gegangen
bin“). Dieses Verhalten ist zudem auch von dem als Zeugen vernommenen Po-
lizeihauptmeister B. glaubhaft bestätigt worden. Außerdem hatte der frühere
Soldat das ihm vorgeworfene Verhalten bereits zuvor im strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren nicht bestritten und dementsprechend auch den zunächst gegen
den sachgleichen Strafbefehl eingelegten Einspruch vom 23. Januar 2006 am
31. März 2006 zurückgenommen, nachdem er offenkundig sein hauptsächli-
ches Verfahrensziel erreicht hatte, dass nämlich bestimmte Gegenstände von
der angeordneten Einziehung ausgenommen und an ihn zurückgegeben wur-
den (u.a. Staffelaufnäher/A 10, Rettungsstaffelaufnäher, Aufnäher des Luftwaf-
fenausbildungskommando USA, Kennungsmarke mit Luftwaffe, Aufnäher mit
Hoheitsflagge der USA und Staffelabzeichen MAPLE FLAG/Kanada).
Teil b)
aa) Der frühere Soldat gab am 13. September 2005 vor der Bundespolizeiin-
spektion in L., ...-Platz ..., an, in der ihm gestohlenen Brieftasche habe sich u. a.
sein Truppenausweis der Bundeswehr befunden. Diesen Truppenausweis hatte
er in einer Dienstlichen Erklärung vom 14. Oktober 2004 gegenüber dem Staf-
felchef der Wartungsstaffel des ...geschwaders ... in W. als im April 2003 ge-
stohlen gemeldet. Nach seinen unwiderlegten Angaben in der Berufungshaupt-
verhandlung war ihm dieser Truppenausweis damals tatsächlich gestohlen und
später nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr anonym per Post wieder
zugesandt worden. Beweismittel, mit denen dem früheren Soldaten nachgewie-
sen werden könnte, dass ihm sein in der vorbezeichneten Dienstlichen Erklä-
rung vom 14. Oktober 2004 als gestohlen gemeldeter Truppenausweis danach
nicht wieder zugesandt worden war und dass demzufolge seine am 13. Sep-
tember 2005 bei der Bundespolizeiinspektion in L. erfolgte Strafanzeige inso-
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weit oder sonst unrichtig war, sind von der Wehrdisziplinaranwaltschaft nicht
vorgelegt oder bezeichnet worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich.
bb) Der in Anschuldigungspunkt 2 b) bb) erhobene Vorwurf, der frühere Soldat
habe „den seinerzeit ebenfalls als gestohlen gemeldeten Sperrzonenausweis
Nr. 878“ bei sich geführt, den „er mit seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr
gemäß Geschwaderbefehl ...geschwader ... ‚... Nr. 32/00, Kommodore - Az: 06-
05-01 vom 15.05.2000, Anlage 1, Abs. 2 (analog) an den Dienstherrn hätte zu-
rückgeben müssen und nicht behalten dürfen, was ihm bekannt war bzw. was
er zumindest hätte kennen können und müssen“, ist nicht mehr Gegenstand
des vorliegenden Berufungsverfahrens.
Denn die Truppendienstkammer hat gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 WDO diesen
Vorwurf einer Pflichtverletzung mit Zustimmung der Wehrdisziplinaranwaltschaft
mit der Begründung aus dem gerichtlichen Disziplinarverfahren ausgeklammert,
er falle angesichts der zu den Anschuldigungspunkten 1, 2 a) und 2 b) aa) ge-
troffenen Feststellungen für die Art und Höhe der zu verhängenden Disziplinar-
maßnahme nicht entscheidungserheblich ins Gewicht.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erneute Einbeziehung dieses Vor-
wurfs in das Disziplinarverfahren hat der Senat im Berufungsverfahren nicht als
gegeben erachtet. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die sich angesichts des
Beschlusses des Truppendienstgerichts aus § 107 Abs. 2 Satz 2 WDO erge-
bende Sperre für eine Wiedereinbeziehung der vorgeworfenen Pflichtverletzung
in das gerichtliche Disziplinarverfahren entfallen ist. Nur dann, wenn die vorge-
worfene Pflichtverletzung für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinar-
maßnahme aufgrund nachträglich eingetretener Umstände nunmehr voraus-
sichtlich doch ins Gewicht fällt, könnte der Senat das unter Anschuldigungs-
punkt 2 b) bb) dem früheren Soldaten zur Last gelegte Verhalten erneut in das
gerichtliche Disziplinarverfahren einbeziehen. Fehlt es hieran, verbleibt es bei
der vom Truppendienstgericht beschlossenen Ausklammerung. Dabei bedarf es
keines diese von der Truppendienstkammer vorgenommene Ausklammerung
ausdrücklich bestätigenden Beschlusses des Senats. Ein gerichtlicher Be-
schluss ist, wie sich aus dem Wortlaut der Norm und aus dem Regelungszu-
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sammenhang ergibt, nur dann erforderlich, wenn die Voraussetzungen des
§ 107 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 WDO erfüllt sind, d.h. wenn die Beschränkungs-
voraussetzungen nachträglich entfallen sind.
Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar könnten nachträglich
eingetretene Umstände hinsichtlich der Beschränkungsvoraussetzungen darin
gesehen werden, dass nach der Einlassung des früheren Soldaten in der Beru-
fungshauptverhandlung der Anschuldigungspunkt 2 b) aa) nicht nachgewiesen
werden kann. Der mit dem Anschuldigungspunkt 2 b) bb) erhobene Vorwurf
entfällt aber aus Rechtsgründen, auch wenn unterstellt wird, dass der frühere
Soldat am 13. September 2005 bei der Bundespolizeiinspektion in L. den auf
seinen Namen ausgestellten Sperrzonenausweis ...G ... „...“ bei sich trug und
dass er diesen vor seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr ausweislich sei-
ner Dienstlichen Erklärung vom 14. Oktober 2004, die er gegenüber dem Staf-
felchef der Wartungsstaffel ...geschwader ... „...“ abgegeben hatte, als gestoh-
len gemeldet und bei seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr nicht an die
zuständige Stelle zurückgegeben hatte.
Denn hinsichtlich des von Anschuldigungspunkt 2 b) bb) erfassten Fehlverhal-
tens wird dem früheren Soldaten allein vorgeworfen, entgegen dem näher be-
zeichneten Geschwaderbefehl (...geschwader ... „...“ Nr. 32/00, Kommodore
- Az.: 06-05-01 vom 15. Mai 2000, Anlage 1, Abs. 2 ) den seinerzeit
am 14. Oktober 2004 als gestohlen gemeldeten Sperrzonenausweis Nr. 878
nicht an den Dienstherrn zurückgegeben zu haben. Wie sich aus der Anschul-
digungsschrift vom 6. Juni 2007 unmissverständlich ergibt, legt die Wehrdiszip-
linaranwaltschaft damit dem früheren Soldaten insoweit ausschließlich zur Last,
mit seinem diesbezüglichen Verhalten gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG ver-
stoßen zu haben, also seinen Vorgesetzten nicht gehorcht sowie diesen Ge-
schwaderbefehl nicht nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unver-
züglich ausgeführt zu haben.
Der Geschwaderbefehl 32/00 des ...geschwaders ... „...“ vom 15. Mai 2000, der
in der Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft vom 6. Juni 2002
allein als vom früheren Soldaten missachteter Befehl (§ 11 Abs. 1 Satz 1 und 2
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SG) bezeichnet worden ist (vgl. zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der
Anschuldigungsschrift beim Vorwurf des Ungehorsams u.a Urteile vom 6. Mai
2003 --= Buchholz 235.01 § 107
WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31, vom 18. September 2003 -
-= Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 =
vom 21. Juni 2005 --
<306 ff.> =<641> und vom 13. März 2008 - BVerwG 2
WD 6.07 - ), enthält jedoch kei-
ne u.a. an den früheren Soldaten gerichtete Anweisung zur Rückgabe seines
Sperrzonenausweises bei Ausscheiden aus der Bundeswehr. Die in der An-
schuldigungsschrift ausdrücklich in Bezug genommene „Anlage 1, Abs. 2 (ana-
log)“ des Geschwaderbefehls beinhaltet lediglich nähere Angaben zu den militä-
rischen Sperrzonen im ...geschwader ... „...“. Dieser Absatz 2 lautet:
„Durch den zuständigen Disziplinarvorgesetzten ist daher
ein strenger Maßstab bei der Beantragung der Zugangs-
berechtigungen anzulegen.“
Angesichts der dem Geschwaderbefehl bereits nicht zu entnehmenden Anwei-
sung zur Rückgabe des Sperrzonenausweises kann offenbleiben, ob dem frü-
heren Soldaten dieser Geschwaderbefehl überhaupt zur Kenntnis gebracht
wurde. Ebenfalls kann dahingestellt bleiben, ob der frühere Soldat hinsichtlich
des von ihm in seiner Dienstlichen Erklärung vom 14. Oktober 2004 behaupte-
ten Diebstahls des bezeichneten Sperrzonenausweises die Wahrheit gesagt hat
oder nicht. Selbst wenn Letzteres der Fall wäre, wäre eine etwaige - vor dem
Ausscheiden aus der Bundeswehr erfolgte - Wahrheitspflichtverletzung nicht
angeschuldigt. Unter diesen Umständen kommt jedenfalls eine Wiedereinbe-
ziehung der nach § 107 Abs. 2 Satz 1 WDO ausgeklammerten Pflichtverletzung
nicht in Betracht.
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4. Disziplinarrechtliche Würdigung
Anschuldigungspunkt 1:
Das Fehlverhalten des früheren Soldaten am 14. August 2004 erfolgte noch vor
dem Ablauf seiner Dienstzeit (30. September 2004), jedoch außer Dienst und
außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen. Mit diesem außerdienstli-
chen Verhalten verletzte der frühere Soldat seine Achtungs- und Vertrauens-
wahrungspflicht im außerdienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG), wobei er
vorsätzlich handelte, da er wusste und wollte, was er tat.
Für die Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschrift kommt es nicht dar-
auf an, ob eine Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr oder der Ach-
tungs- und Vertrauenswürdigkeit im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist.
Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten geeignet war, eine solche Wirkung
auszulösen. Denn die Vorschrift stellt allein auf das Verhalten des betreffenden
Soldaten ab, ohne dass es für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung auf
den konkreten Eintritt einer solchen Beeinträchtigung ankommt (stRspr, u.a.
Beschluss vom 12. Oktober 1993 - BVerwG 2 WDB 15.92 - BVerwGE 103, 12 =
NZWehrr 1994, 27 m.w.N. sowie Urteile vom 6. Mai 2003 a.a.O.
veröffentlicht> und vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 - insoweit
nicht veröffentlicht in Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 23). Die Achtungs-
und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten kann durch sein Verhalten schon
dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuver-
lässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt
(vgl. u.a. Urteile vom 2. April 1974 - BVerwG 2 WD 5.74 - NZWehrr 1975, 69
<71 f.> und vom 6. Mai 2003 a.a.O.).
Ob dabei die tatbestandlich sehr weitgehende und sprachlich relativ unbe-
stimmte Fassung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG in jeder Hinsicht rechtsstaatlich
unbedenklich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn eine
Dienstpflicht des Inhalts, außerhalb des Dienstes jedenfalls keine mit Freiheits-
oder Geldstrafe bedrohte Straftat zu begehen, begegnet aus Sicht des Be-
stimmtheitsgebotes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch Urteile
vom 3. April 2003 - BVerwG 2 WD 46.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002
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Nr. 3 = NZWehrr 2003, 259 und vom 12. Juni 2007 - BVerwG 2 WD 11.06 -
Buchholz 449.7 § 27 SBG Nr. 3 = NZWehrr 2007, 256). Die Straftat des Fah-
rens ohne Fahrerlaubnis wird nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG mit Freiheitsstrafe
bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Der Gesetzgeber hat damit das-
jenige, was von einem Soldaten jedenfalls im Hinblick auf das Verhältnis zum
Strafrecht außerdienstlich zu erwarten ist, in dieser Strafvorschrift klar und un-
missverständlich bestimmt.
Da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des erken-
nenden Senats die allgemeine Gesetzestreue eines Beamten - und nichts an-
deres gilt für Soldaten - eine wesentliche Grundlage des öffentlichen Dienstes
ist, dem nach Art. 33 Abs. 4 GG die Ausübung hoheitlicher Befugnisse obliegt
(vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 2002 - 2 BvR 2257/96 - DÖD 2003,
37; BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD 13.07 -), ist (auch) ein
außerdienstlicher Verstoß gegen eine mit Freiheits- oder Geldstrafe bedrohte
Strafnorm, die wie § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG andere Verkehrsteilnehmer vor der
Gefährdung durch unzuverlässige und ungeeignete Fahrer schützt, die keine
Fahrerlaubnis besitzen, allgemein geeignet, das Vertrauen auch in eine ord-
nungsgemäße Dienstausübung des straffälligen Soldaten erheblich zu beein-
trächtigen. Denn der Straftäter zeigt mit seinem Verhalten, dass er zur Verfol-
gung seiner privaten Ziele auch vor der Begehung von Straftaten nicht zurück-
schreckt. Dies beeinträchtigt seine persönliche Integrität in erheblichem Maße.
Diese ist unteilbar und kann nicht in einen dienstlichen und in einen nichtdienst-
lichen Teil aufgespalten werden.
Das - außerdienstliche - Fehlverhalten des früheren Soldaten verstieß aller-
dings nicht gegen § 7 SG.
Die Verpflichtung zum treuen Dienen gebietet jedem Soldaten, seine dienstli-
chen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber sei-
nem Dienstherrn zu erfüllen. Dies schließt insbesondere auch die Verpflichtung
zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem die Beachtung
der Strafgesetze ein (vgl. Urteile vom 28. September 1990 - BVerwG 2 WD
27.89 - BVerwGE 86, 321 <326>, vom 28. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 13.03 -
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BVerwGE 120, 105 <107> und vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 -
BVerwGE 127, 1 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79, jeweils
m.w.N.). Allerdings stellt nicht jede Verletzung einer Rechtsvorschrift (z.B. ein
einmaliges Missachten einer „roten Ampel“) bereits eine Verletzung der Pflicht
zum treuen Dienen dar. Es muss sich vielmehr um einen Rechtsverstoß von
Gewicht handeln, der zudem in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhält-
nis steht (vgl. Urteil vom 24. April 2007 - BVerwG 2 WD 9.06 - BVerwGE 128,
319 <326> = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 57). Die Vorschrift des § 7 SG kommt
bei der Prüfung von Dienstpflichtverletzungen zudem nur insoweit zur Anwen-
dung, als die in den §§ 8 ff. SG normierten Dienstpflichten für ihren jeweiligen
Anwendungsbereich ihr nicht als speziellere Vorschrift vorgehen (vgl. u.a. Urtei-
le vom 20. Mai 1981 - BVerwG 2 WD 9.80 - BVerwGE 73, 187 <191>, vom
26. September 2006 a.a.O. jeweils m.w.N. und vom 22. August 2007 - BVerwG
2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 = Buchholz 449 § 11 SG Nr. 2 = NZWehrr
2008, 76).
Ein „dienstlicher Zusammenhang“, also eine Verbindung der vorliegenden au-
ßerdienstlichen Straftat des früheren Soldaten nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG
(vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis) vom 14. August 2004 mit der
Dienstausübung oder dem Dienstablauf ist im vorliegenden Falle nicht ersicht-
lich, so dass ein Verstoß gegen § 7 SG ausscheidet. Bundeswehrsoldaten wa-
ren davon nicht betroffen. Durch die Straftat erfolgte weder eine Verletzung der
Dienstleistungspflicht noch eine Beeinträchtigung des Dienstbetriebes. Dienstli-
che Rückwirkungen hatte das außerdienstliche Fehlverhalten lediglich im Hin-
blick auf die Schädigung des Ansehens sowie der persönlichen Integrität des
früheren Soldaten. Diese Folgen und Auswirkungen eines außerdienstlichen
Fehlverhaltens werden jedoch durch die insoweit speziellere Vorschrift des § 17
Abs. 2 Satz 2 SG erfasst.
Anschuldigungspunkt 2:
a) Das Tragen einer Uniform (graue Fliegerkombination der Bundesluftwaffe)
mit den Schulterklappen eines Majors am 13. September 2005 in der Bundes-
polizeiinspektion in L. war strafbar. Denn nach § 132a Abs. 1 Nr. 4 StGB wird
mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer unbefugt
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inländische Uniformen, Amtskleidung oder Amtsabzeichen trägt. Die Regelung
in Abs. 1 Nr. 4 schützt - abweichend von Nr. 1 - nicht Bezeichnungen, sondern
Uniformen, Amtskleidung und -abzeichen, also durchweg äußere Kennzeichen
(vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 132a Rn. 15 m.w.N.). Ihr Zweck besteht
darin, die Allgemeinheit davor zu bewahren, dass Einzelne im Vertrauen darauf,
eine bestimmte Person bekleide eine bestimmte Stellung, für sich selbst oder
andere schädliche Handlungen vornehmen könnten (vgl. Dau, NZWehrr 1987,
133 <135> m.w.N.). Nach § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich auch derjenige
strafbar, der unbefugt inländische Amts- oder Dienstbezeichnungen führt.
Bei der vom früheren Soldaten am 13. September 2005 in der Bundespolizeiin-
spektion in L. getragenen grauen Fliegerkombination der Bundesluftwaffe mit
den Dienstgradabzeichen eines Majors handelte es sich um eine Uniform im
Sinne des Gesetzes, zu deren Tragen der frühere Soldat nicht berechtigt war.
Nach § 4a SG kann zwar Soldaten der Bundeswehr nach ihrem Ausscheiden
aus dem Wehrdienst genehmigt werden, außerhalb eines Wehrdienstverhält-
nisses „die Uniform des Soldaten mit dem Abzeichen des Dienstgrades, den zu
führen sie berechtigt sind, und mit der für ausgeschiedene Soldaten vorgese-
henen Kennzeichnung zu tragen“. Das Nähere regelt die gemäß § 4a Satz 2
SG erlassene Verordnung über die Berechtigung zum Tragen der Uniform au-
ßerhalb eines Wehrdienstverhältnisses (Uniformverordnung - UnifV) vom
14. Dezember 1999 (BGBl I 2000 S. 9). Weitere Einzelheiten sind in der „An-
zugsordnung für die Soldaten der Bundeswehr“ (ZDv 37/10) und in den „Be-
stimmungen zum Tragen der Uniform außerhalb eines Wehrdienstverhältnisses
(Uniformbestimmungen)“ vom 2. Februar 2000 (VMBl S. 55) festgelegt.
Die in diesen Regelungen aufgestellten Voraussetzungen sind vorliegend nicht
erfüllt. Die in Rede stehende Fliegerkombination war nach den Bestimmungen
der ZDv 37/10 lediglich als Dienstbekleidung des luftfahrzeugtechnischen Per-
sonals innerhalb militärischer Anlagen der Bundesluftwaffe zugelassen. Zudem
war der frühere Soldat, der während seiner Dienstzeit zuletzt am 10. Juli 1998
zum Oberfeldwebel befördert worden war, nicht berechtigt, jedenfalls die Abzei-
chen des Dienstgrades eines Majors zu tragen. Außerdem fehlten den Schul-
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terklappen offenkundig die für ausgeschiedene Soldaten vorgesehene Kenn-
zeichnung. Eine Ausnahmegenehmigung zum Tragen einer (grauen) Flieger-
kombination der Bundesluftwaffe nach § 4a SG besaß der Soldat, wie er in der
Berufungshauptverhandlung eingeräumt hat, nicht. Er hatte sich diese Flieger-
kombination nach seinem unwiderlegten Vorbringen von einem Freund schen-
ken lassen. Das angeschuldigte Verhalten des früheren Soldaten verstieß damit
jedenfalls gegen § 132a Abs. 1 Nr. 4 StGB.
Das Verhalten des früheren Soldaten verstieß ferner gegen § 132a Abs. 1 Nr. 1
StGB, der das unbefugte Führen u.a. einer inländischen Amts- oder Dienstbe-
zeichnung unter Strafe stellt.
„Amtsbezeichnung“ ist die gesetzlich, d.h. förmlich in einer Besoldungsordnung
festgesetzte Bezeichnung für ein übertragbares öffentliches Amt. Sie ergibt sich
aus der Ernennungsurkunde. Ihr entspricht bei Soldaten der Dienstgrad (§ 16
BBesG, vgl. Fischer, a.a.O. § 132a Rn. 5 m.w.N.). Die Tathandlung des Füh-
rens einer solchen Bezeichnung im Sinne des § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist er-
füllt, wenn seitens des Betreffenden eine sich gegenüber der Umwelt äußernde
aktive Inanspruchnahme des Dienstgrades für sich im sozialen Leben in einer
Weise erfolgt, durch welche die Interessen der Allgemeinheit tangiert werden
können (vgl. Fischer, a.a.O. § 132a Rn. 21 m.w.N.; Dau, NZWehrr 1987, 134 f).
Entscheidend für eine Strafbarkeit nach § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist mithin, ob
sich der Täter durch die vorübergehende Inanspruchnahme der geschützten
Berufsbezeichnung oder des Dienstgrades zu dem von ihm verfolgten Zweck
der Allgemeinheit gegenüber als besonderes Vertrauen erheischende Person
ausgegeben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1982 - 3 StR 118/82
-
BGHSt 31, 62 und BayObLG, Beschluss vom 29. Juni 1979 - RReg 2 St 125/79
- NJW 1979, 2359).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Denn der frühere Sol-
dat trat am 13. September 2005 in der Bundespolizeiinspektion in L. unbefugt in
der bezeichneten Uniform mit den Schulterklappen eines Majors auf. Nach sei-
nem objektiven Erscheinungsbild nahm er damit jedenfalls durch schlüssiges
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Verhalten den Dienstgrad eines Majors der Bundeswehr in diesem sozialen Zu-
sammenhang für sich in Anspruch. Ein objektiver Betrachter musste sein Auf-
treten in dieser Uniform mit den Dienstgradabzeichen eines Majors dahin ver-
stehen, dass es sich bei ihm offensichtlich um einen Major der Bundeswehr
handelte. Für einen leicht durchschaubaren offensichtlichen Scherz oder Ähnli-
ches fehlte es an jedem Anhaltspunkt. Auch der frühere Soldat macht dies letzt-
lich nicht geltend.
Ihm kann allerdings nicht widerlegt werden, dass er vor seinem Erscheinen in
der Bundespolizeiinspektion an jenem 13. September 2005 die in Rede stehen-
de Fliegerkombination mit den Schulterklappen eines Majors an diesem Tag,
wie er in der Berufungshauptverhandlung erstmals angegeben hat, auf einer
Baustelle einer ihm gehörenden Immobilie als „Arbeitsschutzkleidung“ getragen
und dass er sich anschließend zum Kauf einer Fahrkarte kurz mit seinem Pkw
zum Hauptbahnhof begeben habe, wobei es dann zum Diebstahl seiner Briefta-
sche aus dem abgestellten Pkw gekommen sei. Selbst wenn man dieses Vor-
bringen als inhaltlich zutreffend unterstellt, ändert dies aber nichts daran, dass
er unbefugt in der Fliegerkombination mit den Schulterklappen eines Majors in
der Bundespolizeiinspektion auftrat und dort einen entsprechenden Eindruck
hinsichtlich seines soldatenrechtlichen Status und seines (angeblichen)
Dienstranges vermittelte.
Dadurch konnten die Interessen der Allgemeinheit tangiert werden. Denn jeden-
falls den dort anwesenden und mit ihm kommunizierenden Angehörigen der
Bundespolizei konnte der Eindruck vermittelt werden, sie hätten es mit einem
aktiven Soldaten der Bundeswehr mit dem Dienstgrad eines Majors zu tun.
Soweit der frühere Soldat im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, er habe
sich „nicht als Major ausgewiesen“, sondern lediglich „diese Kombi mit den
Schulterstücken angehabt“, ändert dies nichts an einem Verstoß gegen § 132a
Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn Tathandlung für das unbefugte Führen einer inländi-
schen Amts- oder Dienstbezeichnung ist, wie dargelegt, bereits eine sich ge-
genüber der Umwelt äußernde aktive Inanspruchnahme der Amtsbezeichnung
bzw. des Dienstgrades. Ein ausdrücklicher verbaler Hinweis auf den Dienstgrad
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ist nicht erforderlich. Es reicht die schlüssige Inanspruchnahme durch Führen
der Schulterklappen eines Majors aus.
Die Strafbarkeit des nach Ausscheiden aus dem Wehrdienstverhältnis erfolgten
Fehlverhaltens (unbefugtes Tragen der Fliegerkombination mit den Schulter-
klappen eines Majors) nach § 132a Abs. 1 Nr. 1 und 4 StGB rechtfertigt jedoch
im vorliegenden Fall nicht die Schlussfolgerung, dass sich der frühere Soldat
dadurch im Sinne des § 17 Abs. 3 SG für eine Wiederverwendung in seinem
Dienstgrad Oberfeldwebel der Reserve insgesamt disqualifiziert hat.
Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 SG setzt zunächst voraus, dass der betreffende
Unteroffizier nach den für seine Wiederverwendung maßgeblichen Rechtsvor-
schriften erneut in ein Wehrdienstverhältnis berufen werden kann (vgl. dazu
Beschluss vom 22. Mai 1995 - BVerwG 2 WDB 4.95 - BVerwGE 103, 237 =
Buchholz 236.1 § 53 SG Nr. 1 und Urteil vom 28. November 2007 - BVerwG
2 WD 28.06 -
Nr. 1>; Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 17 Rn. 39). Denn anderenfalls käme
eine Wiederverwendung, auf die die Vorschrift abstellt, nicht mehr in Betracht.
Dies war vorliegend der Fall. Zum Tatzeitraum am 13. September 2005 war der
am 27. Dezember 1967 geborene frühere Soldat 37 Jahre alt. Auch zum Zeit-
punkt der Entscheidung des Senats kommt seine Wiederverwendung gemäß
§ 3 Abs. 4 WPflG nach wie vor in Betracht. Denn bei Unteroffizieren endet die
Wehrpflicht gemäß § 3 Abs. 4 WPflG erst mit Ablauf des Jahres, in dem sie das
60. Lebensjahr vollenden. Bei dem am 27. Dezember 1967 geborenen Soldaten
endet diese Frist mithin erst mit Ablauf des 31. Dezember 2027.
Das Verhalten des früheren Soldaten verletzte jedoch nicht seine in § 17 Abs. 3
SG normierte nachdienstliche Pflicht, der Achtung und dem Vertrauen gerecht
zu werden, die für seine (mögliche) Wiederverwendung in seinem Dienstgrad
erforderlich sind.
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Bei der Beurteilung des Verhaltens eines ausgeschiedenen Unteroffiziers (mit
oder ohne Portepee) kommt es dabei darauf an, ob dieses Verhalten objektiv
geeignet ist, ihn für eine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad zu disqualifi-
zieren (vgl. Urteile vom 2. April 1974 - BVerwG 2 WD 5.74 - BVerwGE 46, 244
<249> = NZWehrr 1975, 69 und vom 28. November 2007 a.a.O.). Bei der Prü-
fung kann nach der Rechtsprechung des Senats dagegen nicht darauf abge-
stellt werden, ob - in einer Parallelwertung - bei einem aktiven Offizier oder Un-
teroffizier unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Tatmerkmale
und der gesetzlichen Zumessungsgesichtspunkte eine Dienstgradherabsetzung
im konkreten Fall geboten wäre. Vielmehr ist zu prüfen, ob bei einem entspre-
chenden Verhalten eines aktiven Offiziers oder Unteroffiziers nach Eigenart und
Schwere der Tat die Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen zu machen wäre (vgl. Urteile vom 2. April 1974 a.a.O. und
vom 28. November 2007 a.a.O.; Scherer/Alff, a.a.O. § 17 Rn. 40). Daran hält
der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit fest.
Nicht bei jeder Straftat, die ein aktiver Unteroffizier außerhalb des Dienstes und
außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Einrichtungen begeht, ist eine Dienst-
gradherabsetzung als gerichtliche Disziplinarmaßnahme zum Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen zu machen. Letzteres ist aber zwingende Voraus-
setzung dafür, dass das Verhalten eines früheren Soldaten nach dessen Aus-
scheiden aus dem Wehrdienstverhältnis nach § 17 Abs. 3 SG als Dienstverge-
hen „gilt“.
So nimmt der Senat bei einem aktiven Soldaten, der eine Straftat nach § 145d
StGB (strafbares Vortäuschen einer rechtswidrigen Tat) begangen hat, in stän-
diger Rechtsprechung regelmäßig ein Beförderungsverbot, nicht jedoch eine
Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen
(vgl. u.a. Urteil vom 13. November 2007 - BVerwG 2 WD 20.06 - Buchholz
450.2 § 38 WDO Nr. 24).
Ferner stuft der Senat in ständiger Rechtsprechung die - außerdienstlich be-
gangene - Straftat eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort als Dienstverge-
hen ein, bei dem im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ebenfalls ein
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Beförderungsverbot, nicht jedoch eine Dienstgradherabsetzung in Betracht zu
ziehen ist (Urteile vom 13. Mai 1986 - BVerwG 2 WD 2.86 -, vom 15. November
1990 - BVerwG 2 WD 34.90 - BVerwGE 86, 357, vom 15. November 1990
- BVerwG 2 WD 42.90 -, vom 27. Juni 1991 - BVerwG 2 WD 23.91 - BVerwGE
93, 119, vom 17. Januar 1992 - BVerwG 2 WD 65.91 -, vom 26. Oktober 1993
- BVerwG 2 WD 20.93 - BVerwGE 103, 32 = NZWehrr 1994, 79, vom
6. Dezember 2000 - BVerwG 2 WD 39.00 - vom 16. Oktober 2002 - BVerwG
2 WD 23.01, 32.02 - BVerwGE 117, 117 = Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 9 und
vom 17. Oktober 2006 - BVerwG 2 WD 21.05 -).
Auch bei strafbaren außerdienstlichen Verfehlungen eines Soldaten gegen Ei-
gentum und Vermögen Dritter, soweit es sich bei dem Verletzten nicht um einen
Bundeswehrsoldaten oder den Dienstherrn handelt, hat der Senat in seiner ge-
festigten Rechtsprechung (u.a. Urteile vom 26. Juni 1985 - BVerwG 2 WD
5.85 - BVerwGE 83, 28, vom 10. Juni 1987 - BVerwG 2 WD 12.87 -, vom 14.
März 1989 - BVerwG 2 WD 41.88 - BVerwGE 86, 133 = NZWehrr 1989, 209,
vom 13. Juni 1989 - BVerwG 2 WD 2.89 - NZWehrr 1990, 77, vom 25. Oktober
1990 - BVerwG 2 WD 26.90 -, vom 2. Dezember 1999 - BVerwG 2 WD 42.99 -
Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 29 = NZWehrr 2000, 253, vom 17. Februar 2000
- BVerwG 2 WD 45.99 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 35 = NZWehrr 2001, 79 und
vom 23. November 2005 - BVerwG 2 WD 35.04 - NZWehrr 2006, 125) im Re-
gelfall eine laufbahnhemmende Maßnahme in Form eines Beförderungsverbots
zum Ausgangspunkt seiner Zumessungserwägungen genommen.
Bei einem nach § 132a Abs. 1 Nr. 1 und 4 StGB strafbaren außerdienstlichen
Fehlverhalten eines Soldaten ist im Regelfall ebenfalls ein Beförderungsverbot,
gegebenenfalls verbunden mit einer Gehaltskürzung, zum Ausgangspunkt der
Erwägungen für die Bemessung der angemessenen gerichtlichen Disziplinar-
maßnahme zu nehmen. Zwar kann im Einzelfall insbesondere bei Vorliegen
erschwerender Umstände (z.B. bei besonders schwerwiegenden Folgen des
Fehlverhaltens für den Dienstbetrieb) oder bei unzureichender Aufarbeitung
oder bei nach wie vor fehlender Einsicht des Soldaten in das Fehlverhalten
auch eine schärfere gerichtliche Disziplinarmaßnahme, etwa eine Herabsetzung
in einen niedrigeren Dienstgrad, zu verhängen sein. Nach der Überzeugung des
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Senats ist es jedoch nicht geboten, dass ein (aktiver) Soldat der Bundeswehr
mit dem Dienstgrad eines Oberfeldwebels bei einem strafbaren Fehlverhalten
der hier in Rede stehenden Art grundsätzlich degradiert werden muss.
Denn bei der Maßnahmebemessung ist von der von Verfassungs wegen
(Art. 20 Abs. 1, Art. 103 Abs. 3 GG) allein zulässigen Zwecksetzung des Wehr-
disziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizu-
tragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten und wieder-
herzustellen („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens
und der Disziplin der Bundeswehr“,
vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai
1967 - 2 BvL 1/66 - BVerfGE 21, 391, <406> = NJW 1967, 1654, und vom
26. Mai 1970 - 1 BvR 668/68, 1 BvR 710/68, 1 BvR 337/69 - BVerfGE 28, 264 =
NJW 1970, 1731; BVerwG, Urteile vom 2. Juli 1997 - BVerwG 2 WD 12.97 -
BVerwGE 113, 108 = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 33, vom 13. Juli 1999
- BVerwG 2 WD 4.99 - BVerwGE 113, 367 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 30 =
NZWehrr 2000, 162, vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 8.03 - DokBer
2004, 78 und vom 13. November 2007 a.a.O.). Dagegen geht es weder um eine
(neben der strafrechtlichen Sanktionierung erneute) Bestrafung durch das
Wehrdienstgericht noch gar um Vergeltung oder Sühne für ein begangenes
Fehlverhalten. Für die Bestimmung des Ausgangspunktes der Zumessungser-
wägungen ist ferner auf die Regelung in § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO
abzustellen. Danach sind bei der Bemessung von Art und Maß der Disziplinar-
maßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen,
das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweg-
gründe des betreffenden Soldaten zu berücksichtigen, wobei in jedem Falle das
- auch verfassungsrechtlich gewährleistete - Verhältnismäßigkeitsgebot zu be-
achten ist.
Bei einem außergerichtlichen Fehlverhalten der hier in Rede stehenden Art sind
deshalb bei der Bestimmung des Ausgangspunktes der Zumessungserwägun-
gen typisierend zunächst die bereits eingetretenen konkreten Auswirkungen der
Pflichtverletzung(en) auf den Dienstbetrieb der Bundeswehr in den Blick zu
nehmen. Zudem sind im Hinblick auf die generalpräventive Funktion des Wehr-
disziplinarrechts auch die erkennbar zu erwartenden Auswirkungen einer diszip-
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linarrechtlichen Würdigung und Ahndung des Fehlverhaltens auf das Rechts-
bewusstsein anderer Soldaten und der Bundeswehr insgesamt zu berücksichti-
gen.
Bei einer solchen typisierenden Betrachtung des hier in Rede stehenden, von
Anschuldigungspunkt 2 a) erfassten strafbaren außerdienstlichen Fehlverhal-
tens des früheren Soldaten sind konkrete Auswirkungen auf den Dienstbetrieb
der Bundeswehr nicht festzustellen. In der früheren Einheit des früheren Solda-
ten und auch sonst in der Bundeswehr (außerhalb der dienstlich damit unmittel-
bar befassten Feldjäger und Soldaten) ist das am 13. September 2005 in der
Bundespolizeiinspektion in L. erfolgte und allein vom früheren Soldaten zu ver-
antwortende unbefugte Tragen der Fliegerkombination mit den Schulterklappen
eines Majors nicht bekannt geworden. Dies hat der in der Berufungshauptver-
handlung als Zeuge vernommene Oberstleutnant F. als früherer Disziplinarvor-
gesetzter ausdrücklich und glaubhaft bestätigt. Für eine gegenteilige Annahme
fehlt es an jedem konkreten Anhaltspunkt.
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass das in Rede stehende Fehlverhalten
des früheren Soldaten am Tattag darauf gerichtet war oder dass er damit gar
Erfolg hatte, durch das unbefugte Tragen der Uniform mit den Schulterklappen
eines Majors die Art der Dienstausübung durch die Bediensteten der Bundespo-
lizeiinspektion in L. zu beeinflussen. Der in der Berufungshauptverhandlung
vernommene Zeuge Polizeihauptmeister B. hat einen solchen Versuch des frü-
heren Soldaten ausdrücklich verneint, zumal er, der Zeuge, seinerzeit nicht
einmal erkannt hatte, dass es sich um die Schulterklappen eines Majors handel-
te, die der frühere Soldat trug. Der Zeuge hat auch nicht bestätigen können,
dass der frühere Soldat am Tattag gegenüber anderen Bediensteten der Bun-
despolizeiinspektion in L. mit einer solchen Zielrichtung auftrat oder gar damit
Erfolg hatte. Dem früheren Soldaten hat zudem nicht widerlegt werden können,
dass er die Fliegerkombination mit den Schulterklappen eines Majors in der
Bundespolizeiinspektion in L. nur deshalb trug, weil er es für zu aufwändig
gehalten und es deshalb aus Nachlässigkeit versäumt habe, diese Kleidung, die
er zuvor bereits auf einer Baustelle seiner Immobilie getragen habe, vor der
Fahrt zum Bahnhof oder jedenfalls vor dem Aufsuchen der Bundespolizeiin-
spektion zu wechseln oder zumindest die Schulterklappen abzunehmen.
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Auch spätere oder künftige negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb der
Bundeswehr lassen sich nicht feststellen. Gegenteiliges hat auch die Verneh-
mung des Zeugen F. in der Berufungshauptverhandlung nicht erbracht. Solche
Auswirkungen sind bei typisierender Betrachtung auch dann nicht zu befürch-
ten, wenn bei einer von einem Soldaten begangenen und vom zuständigen
Strafgericht bereits rechtskräftig geahndeten Straftat der vorliegenden Art zu-
sätzlich keine Herabsetzung des betreffenden Soldaten in einen niedrigeren
Dienstgrad, sondern ein Beförderungsverbot längerer Dauer, gegebenenfalls
verbunden mit einer erheblichen Kürzung der Dienstbezüge, zum Ausgangs-
punkt der Zumessungserwägungen gemacht wird.
Fehlt es damit im vorliegenden Fall bereits an der Erfüllung der tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 SG, kann offen bleiben, ob der frühere Sol-
dat, wovon die Truppendienstkammer im angefochtenen Urteil – ohne Begrün-
dung – ausgegangen ist, nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst im
Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SG durch unwürdiges Verhalten nicht der
Achtung und dem Vertrauen gerecht geworden ist, die „für seine Wiederver-
wendung als Vorgesetzter“ erforderlich sind. Denn ohne eine Pflichtverletzung
nach § 17 Abs. 3 SG kann eine Handlungsweise eines früheren Soldaten nicht
als fiktives Dienstvergehen („gilt als …“) gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SG ein-
gestuft werden.
b) Aufgrund der getroffenen und oben im Einzelnen dargelegten tatsächlichen
Feststellungen war der frühere Soldat von dem in Anschuldigungspunkt 2 b) aa)
erhobenen Vorwurf freizustellen.
c) Da das von Anschuldigungspunkt 2 b) bb) erfasste Fehlverhalten des frühe-
ren Soldaten aus den oben dargelegten Gründen aus dem vorliegenden Diszip-
linarverfahren ausgeklammert bleibt, unterliegt es keiner disziplinarrechtlichen
Würdigung.
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5. Maßnahmebemessung
Der Maßnahmebemessung ist damit allein das von Anschuldigungspunkt 1 er-
fasste Fehlverhalten zugrunde zu legen, mit dem der frühere Soldat im außer-
dienstlichen Bereich während seines Wehrdienstverhältnisses vorsätzlich ge-
gen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verstieß.
a) Die „Eigenart und Schwere“ dieses Dienstvergehens bestimmt sich nach
dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, mithin also nach der Bedeutung und Ei-
genart der verletzten Dienstpflicht(en), der Dauer und Häufigkeit der Pflichten-
verstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkma-
le).
Die festgestellte Verletzung der in § 17 Abs. 2 Satz 2 SG normierten Pflicht ei-
nes jeden Soldaten, sich außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte
und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine
dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt, wiegt nicht leicht. Es
geht dabei nicht um eine bloße Nebenpflicht. Denn sie hat wegen ihres funktio-
nellen Bezugs zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte
und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs erhebliche Bedeutung.
Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kamera-
den und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner militärischen Vorgesetzten,
um seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der ordnungsgemäße Ablauf des militä-
rischen Dienstes gewährleistet ist (stRspr., vgl. u.a. Urteil vom 22. Mai 2007
- BVerwG 2 WD 13.06 - juris Rn. 28 f). Da, wie bereits oben in anderem Zu-
sammenhang angeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts und des erkennenden Senats die allgemeine Gesetzestreue eines Beam-
ten - und nichts anderes gilt für Soldaten - eine wesentliche Grundlage des öf-
fentlichen Dienstes ist, dem nach Art. 33 Abs. 4 GG die Ausübung hoheitsrecht-
licher Befugnisse obliegt (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 2002 - 2 BvR
2257/96 - DÖD 2003, 37; BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD
13.07 -), ist auch ein außerdienstlicher Verstoß gegen Rechtsnormen, die Men-
schen vor schweren Straftaten der hier in Rede stehenden Art schützen, allge-
mein geeignet, das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Dienstausübung erheb-
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lich zu beeinträchtigen. Die Art und Weise, wie ein Soldat sich im allgemeinen
Rechtsverkehr verhält, insbesondere ob er strafrechtliche Ge- und Verbote ach-
tet, lässt Rückschlüsse auf seine charakterliche Zuverlässigkeit, auf sein Ver-
antwortungsbewusstsein und auf seine moralische Integrität zu und ist daher
dienstrechtlich von erheblicher Relevanz (stRspr, vgl. Urteile vom 25. Juli 1990
- BVerwG 2 WD 9.90 - und vom 26. Oktober 1993 - BVerwG 2 WD 20.93 -
BVerwGE 103, 32 <35> = NZWehrr 1994, 79).
Des Weiteren ist zu Lasten des früheren Soldaten zu berücksichtigen, dass er
aufgrund seines Dienstgrades als Oberfeldwebel eine Vorgesetztenstellung hat-
te. Mit diesem Dienstgrad ist eine erhöhte Verantwortung und Verantwortlichkeit
verbunden (§ 10 Abs. 1 SG).
b) Das Dienstvergehen hatte nach den vom Senat getroffenen Feststellungen
allerdings keine negativen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Der als Zeuge
vernommene frühere Disziplinarvorgesetzte Oberstleutnant F. hat dies in der
Berufungshauptverhandlung glaubhaft bestätigt. Es ist auch nicht ersichtlich,
dass durch dieses außerdienstliche Fehlverhalten das Ansehen der Bundes-
wehr konkret beeinträchtigt worden ist.
c) Das Maß der Schuld des in seiner Schuldfähigkeit nicht eingeschränkten frü-
heren Soldaten wird von der vorsätzlichen Begehungsweise des Dienstverge-
hens bestimmt.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Sol-
daten mindern würden, liegen nicht vor. Sie wären nach der ständigen Recht-
sprechung des Senats dann gegeben, wenn die Situation, in der der frühere
Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet
war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwar-
tet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte (vgl. u.a. Urteile vom
18. März 1997 - BVerwG 2 WD 29.95 -
GE 113, 70 = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 28 = NZWehrr 1997, 212> und
vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 -
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BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr
2004, 31> m.w.N.). Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte.
Der Milderungsgrund einer unbedachten persönlichkeitsfremden Augenblickstat
eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten liegt nicht vor.
Dabei kann offenbleiben, ob das erstmalige Fahren ohne Fahrerlaubnis auf-
grund der vom früheren Soldaten in der Berufungshauptverhandlung dargeleg-
ten besonderen Umstände (Gefälligkeitsfahrt für seine Begleiterin) als eine un-
bedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat qualifiziert werden kann, woran
allerdings schon deshalb Zweifel bestehen, da der frühere Soldat vor Antritt der
Fahrt hinreichend Gelegenheit hatte, sein Vorgehen zu bedenken und sich über
die Strafbarkeit seines Verhaltens klar zu werden. Jedenfalls handelt es sich
nicht um eine „persönlichkeitsfremde“ Tat eines einen „ansonsten tadelfreien“
Soldaten. Der frühere Soldat hat - wie der Auszug aus dem Zentralregister
ausweist - offenbar keine Hemmung, zur Verfolgung persönlicher Ziele auch vor
Straftaten nicht zurückzuschrecken.
Sonstige außergewöhnliche Besonderheiten, wonach ein an normalen Maßstä-
ben orientiertes Verhalten vom früheren Soldaten nicht mehr erwartet und nicht
vorausgesetzt werden konnte, sind nicht erkennbar.
d) Hinsichtlich seiner Beweggründe für sein Fahren ohne Fahrerlaubnis kann
dem früheren Soldaten sein Vorbringen nicht widerlegt werden, er habe seine
auf dem Beifahrersitzes des Pkw sitzende Begleiterin nach Hause fahren wol-
len, weil diese dazu aufgrund ihres körperlichen oder geistigen Zustandes nicht
mehr in der Lage gewesen sei.
e) Zugunsten des früheren Soldaten sprechen seine während seiner Dienstzeit
erbrachten dienstlichen Leistungen, die insbesondere in den vorliegenden
Laufbahnbeurteilungen, aber auch in der letzten planmäßigen Beurteilung vom
12. Juli 2001 sowie in dem Leumundszeugnis des in der Berufungshauptver-
handlung vernommenen früheren Disziplinarvorgesetzten Oberstleutnant F.
zum Ausdruck kommen. In der aus Anlass der beantragten Übernahme in das
Dienstverhältnis eines Berufssoldaten erstellten Laufbahnbeurteilung vom
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19. Oktober 2001 hielten sowohl der Staffelchef Hauptmann H. als auch Kom-
mandeur Oberstleutnant S. den früheren Soldaten aufgrund seiner erbrachten
dienstlichen Leistungen, seiner Qualifikation und seiner Persönlichkeit für die
Laufbahn eines Berufssoldaten für „gut geeignet“. Auch in der Laufbahnbeurtei-
lung vom 19. November 2002 beurteilte der Staffelchef den früheren Soldaten
als „gut geeignet“ für die Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssolda-
ten. Der Kommandeur, Oberstleutnant S., beurteilte den früheren Soldaten so-
gar als für den beantragten Statuswechsel „besonders geeignet“ und führte zur
Begründung aus:
„Oberfeldwebel O. hat sich in seiner Tätigkeit als Flug-
GerMechFw F-4 FR Wartung als äußerst verantwortungs-
bewusst erwiesen. Seine Art, sich in den Dienst der Sache
zu stellen, ist von fundiertem Fachwissen und einem ho-
hem Maß an persönlichem Einsatz geprägt. Die ihm un-
terstellten Soldaten schätzt er sehr genau ein und setzt sie
entsprechend ihrer Fähigkeiten folgerichtig ein. Aufgrund
seiner langjährigen Erfahrung, gepaart mit einer gereiften
Fachexpertise, gelingt es ihm treffend, adäquate Lösungs-
vorschläge zu unterbreiten. Bei seinen Bewertungen stellt
er ständig einen klaren Bezug zur Flugsicherheit her. Sie
auf einem hohen Niveau zu halten, liegt ihm besonders
am Herzen. Oberfeldwebel O. besitzt eine sehr gefestigte
Einstellung zum Soldatenberuf, was sich in seinem exak-
ten militärischen Auftreten und zutiefst soldatischen Ver-
halten widerspiegelt. Aus dem direkten Leistungsvergleich
und dem eigenen Erleben leite ich ein ‚besonders geeig-
net’ für den Statuswechsel ab. Diese Einschätzung ent-
spricht dem heutigen Leistungsbild des Beurteilten.“
Auch in der letzten planmäßigen Beurteilung vom 12. Juli 2001 durch den da-
maligen Staffelchef und Disziplinarvorgesetzten Hauptmann H. wurden dem
früheren Soldaten ansprechende dienstliche Leistungen und ein tadelfreies
Verhalten attestiert:
„Oberfeldwebel O. zeigt ein außergewöhnlich hohes Maß
an Verantwortungsbewusstsein nicht nur als Techniker,
sondern auch als Soldat. Er vertritt die soldatische Pflicht-
erfüllung mit Entschlossenheit nach außen und artikuliert
dies auch gegenüber seinen Kameraden. Damit nimmt er
eine nicht stromlinienförmige Position ein, die sowohl sei-
ne Untergebenen als auch Kameraden zum Nachdenken
anregt. Mit seiner gefestigten Persönlichkeit und seinem
selbstsicheren Auftreten strahlt er Souveränität aus und
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die Entschlossenheit, seine Entscheidungen vollends zu
vertreten.“
Dies wurde durch den nächsthöheren Vorgesetzten, Oberstleutnant und Kom-
mandeur der Technischen Gruppe des ...geschwaders ... „...“ in W. bestätigt,
der ergänzend ausführte:
„Oberfeldwebel O. versteht es, sich uneigennützig in den
Dienst der Sache zu stellen und dabei ein hohes Maß an
Engagement zu vermitteln. Die von ihm eingenommene
Position innerhalb der Einheit wird nicht nur durch seine
bemerkenswert gereifte Expertise in Theorie und Praxis
untermauert. Auch die verinnerlichten Werte eines Vorge-
setzten und das damit einhergehende ausgeprägte Ver-
antwortungsbewusstsein tragen dazu nicht unwesentlich
bei.“
Zugunsten des früheren Soldaten spricht auch, dass er in der Berufungshaupt-
verhandlung eine deutliche und glaubhafte Einsicht in sein Fehlverhalten ge-
zeigt hat.
f) Die auf der Grundlage dieser Feststellungen vorzunehmende Gesamtwürdi-
gung des Dienstvergehens ergibt, dass eine der beiden für Soldaten der Reser-
ve nach § 58 Abs. 3 WDO allein zulässigen gerichtlichen Disziplinarmaßnah-
men (Dienstgradherabsetzung oder Aberkennung des Dienstgrades) nicht in
Betracht kommt.
Bei einer erstmaligen außerdienstlichen Straftat in Gestalt eines Fahrens ohne
Fahrerlaubnis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine Dienst-
gradherabsetzung in aller Regel nicht geboten. Zwar stellt das Fahren ohne
Fahrerlaubnis für sich allein die dienstliche Zuverlässigkeit eines Vorgesetzten
in Frage. Denn die Nichtbeachtung verkehrsrechtlicher Vorschriften, die zum
Schutze der Allgemeinheit erlassen sind, lassen zwangsläufig Rückschlüsse auf
eine mangelnde charakterliche Qualifikation zu. Ein Vorgesetzter, der verpflich-
tet ist, in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel zu geben (§ 10 Abs. 1 SG),
zieht dadurch sein Verantwortungsbewußtsein und seine Autorität erheblich in
Zweifel. Dies gilt auch dann, wenn es sich um außerdienstliches Fehlverhalten
handelt (vgl. Urteile vom 23. Juni 1992 - BVerwG 2 WD 16.92 - und vom 11.
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März 1999 - BVerwG 2 WD 29.98 - Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 26). Als ange-
messene gerichtliche Disziplinarmaßnahme kommt dafür jedoch eine Gehalts-
kürzung oder allenfalls ein Beförderungsverbot in Betracht (vgl. u.a. Urteile vom
21. Februar 1990 - BVerwG 2 WD 43.89, vom 15. November 1990 - BVerwG 2
WD 34.90 - BVerwGE 86, 357 und vom 30. Januar 1991 - BVerwG 2 WD
33.90 -). Soweit der Senat in seinem Urteil vom 11. März 1999 bei einem au-
ßerdienstlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis die Herabsetzung eines Unteroffi-
ziers in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten als angemessene Disziplinarmaß-
nahme angesehen hat, ist zu berücksichtigen, dass der in jenem Verfahren ver-
urteilte Soldat mehrfach ohne Fahrerlaubnis gefahren war. Hinzu kam noch das
Fahren im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss.
Da somit hinsichtlich des von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Fehlverhaltens
die Verhängung einer der nach § 58 Abs. 3 WDO bei Soldaten der Reserve al-
lein in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahmen ausscheidet, ist das Ver-
fahren gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 108 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 WDO („wenn …
eine Disziplinarmaßnahme nicht zulässig ist“) bei gleichzeitiger Feststellung,
dass der frühere Soldat ein Dienstvergehen begangen hat, einzustellen (vgl.
Urteil vom 12. Februar 1988 - BVerwG 2 WD 55.87 -; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002,
§ 108 Rn. 8).
5. Da mithin das angefochtene erstinstanzliche Urteil aufzuheben und das Ver-
fahren bei Feststellung eines Dienstvergehens insgesamt nach § 123 Satz 3
i.V.m. § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO einzustellen ist, sind die Kosten des Verfah-
rens nach §§ 139 Abs. 1 Satz 1, 138 Abs. 3 WDO dem Bund aufzuerlegen, der
auch die notwendigen Auslagen des früheren Soldaten zu tragen hat (§ 140
Abs. 1 WDO).
Golze
Dr. Müller
Dr. Deiseroth
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