Urteil des BVerwG vom 23.09.2008

Soldat, Bewegliche Sache, Batterie, Mobiltelefon

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 18.07
TDG N 7 VL 7/07
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
Herrn Oberfeldwebel …,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 23. September 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtliche Richterin Oberfeldarzt Dr. Jung und
ehrenamtlicher Richter Hauptfeldwebel Brühl
sowie
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der
7. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 17. April
2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Solda-
ten auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der jetzt 31 Jahre alte Soldat, der nach seinem Realschulabschluss erfolgreich
eine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur absolviert hatte, war am
1. Juli 1998 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingetreten. Aufgrund seiner
Verpflichtungserklärung wurde er am 26. Oktober 1998 in das Dienstverhältnis
eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine antragsgemäß wiederholt verlängerte
Dienstzeit beträgt letztlich insgesamt 12 Jahre und wird voraussichtlich mit Ab-
lauf des 30. Juni 2010 enden. Anträge des Soldaten auf Übernahme in das
Dienstverhältnis eines Berufssoldaten waren im Juli 2004 und Juli 2006 abge-
lehnt worden.
Der regelmäßig, zuletzt am 15. September 2003 zum Oberfeldwebel, beförderte
Soldat durchlief die für einen Portepeeunteroffizier der Panzerflugabwehrtruppe
typische Ausbildung. Ab dem 1. Oktober 2002 war er zur 5./…bataillon … in L.
versetzt worden, wo er als Flugabwehrkanonenfeldwebel und Gruppenführer,
sowie nach Bestehen des entsprechenden Verwendungslehrgangs im
September 2004 auch als Kraftfahrfeldwebel verwendet wurde. Im November
2005 wechselte er innerhalb der Batterie den Dienstposten als Flak-Feldwebel
am Waffensystem GEPARD und wurde nun als Erkundungsgruppenführer
eingesetzt. Wegen der Vorwürfe, die Gegenstand des vorliegenden
Disziplinarverfahrens sind, wurde der Soldat für die Zeit vom 16. Oktober 2006
bis 31. März 2007 zur 2./…bataillon … in H. kommandiert, wo er als Gruppen-
führer in der Allgemeinen Grundausbildung zum Einsatz kam. Vom 1. April
2007 an war der zum 1. Juli 2007 zur 4./…bataillon … versetzte Soldat durch-
gängig zum Ausbildungszentrum …truppe, …zentrum, in P. kommandiert, wo er
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als Flak-Feldwebel im Gerätezug I eingesetzt wurde. Seit dem 1. Juli 2008 ist er
im Rahmen des Berufsförderungsdienstes für eine Berufsausbildung
- Umschulung zum Kfz-Mechatroniker (Zweirad) - vollständig vom militärischen
Dienst freigestellt.
Die im Juni 2004 geschlossene und kinderlos gebliebene Ehe des Soldaten ist
eigenen Angaben zufolge seit 26. Juli 2007 geschieden. In der Berufungs-
hauptverhandlung hat der Soldat ergänzend erklärt, nach Übernahme der
Schulden aus der Ehe beliefen sich seine Kreditverpflichtungen derzeit auf etwa
40 000 €; Zahlungen würden zurzeit nicht erbracht. Seit dem 31. März 2008 sei
er wieder verheiratet. Seine Ehefrau, die aus ihrer ersten Ehe vier Kinder
zwischen drei und elf Jahren in die neue Ehe mitgebracht habe, könne wegen
der Kinder einer Berufstätigkeit derzeit nicht nachgehen.
II
1. In dem durch Verfügung vom 8. November 2006, dem Soldaten ausgehän-
digt am 15. November 2006, ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Diszip-
linarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Heeres-
truppenkommandos dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 22. Februar
2007 folgende Sachverhalte als schuldhafte Verletzungen seiner Dienstpflichten
gemäß §§ 7, 10 Abs. 3, § 12 Satz 2, § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 und § 17 Abs. 2
Satz 2 Alt. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 SG zur Last gelegt:
„1. Der Soldat hat am Abend des 21. Dezember 2004 auf
der Verabschiedungsfeier seines ehemaligen Batte-
riechefs, Hauptmann T. K., in dessen Wohnung in der
B…straße 1 in … R., die Fotokamera von Hauptmann
K., Typ CANON EOS 300 V, entwendet und bis zu
deren polizeilicher Sicherstellung am 05. September
2006 in seiner Stube in der Sch…-Kaserne in … L.
behalten.
2. Er hat in der Nacht vom 06. Juli 2006 zum 07. Juli
2006 im Eingangsbereich von Block 3 der S…-
Kaserne in … L. das dort auf dem Tisch liegende
Mobiltelefon, Typ Sony-Ericsson, eines Kameraden
seiner Einheit, Stabsunteroffizier M. Z., entwendet
und bis zu dessen polizeilicher Sicherstellung am 05.
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September 2006 in seiner Stube in der Sch…-
Kaserne in … L. behalten.
3. Er hat am Abend des 29. August 2006 beim Umzug
seiner Kameradin Stabsunteroffizier (w) B., und deren
Lebensgefährten, Stabsunteroffizier S. S., in deren
Wohnung am A…markt 1 - 3 in … …. das Mobiltele-
fon von Stabsunteroffizier S., Typ Motorola RAZR,
entwendet und bis zu dessen polizeilicher Sicherstel-
lung am 05. September 2006 in seiner Stube in der
Sch…-Kaserne in … … behalten.“
2. In dem sachgleichen Strafverfahren war gegen den Soldaten zuvor wegen
Diebstahls in drei Fällen durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts K.
vom 22. September 2006 eine Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je
40 € verhängt worden.
3. Die 7. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat durch Urteil vom
17. April 2007 entschieden, dass der Soldat in den Dienstgrad eines Kanoniers
herabgesetzt wird. Sie hat den angeschuldigten Sachverhalt, dessen Richtigkeit
der Soldat eingeräumt habe, als erwiesen angesehen. Durch sein Verhalten
habe er vorsätzlich die ihm obliegenden Pflichten zu treuem Dienen, Kamerad-
schaft und Wohlverhalten im dienstlichen Bereich (§§ 7, 12, 17 Abs. 2 Satz 1
SG) verletzt und dadurch ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Den
Soldaten belaste vor allem, dass er nicht nur einmal, sondern in drei Fällen
Kameraden bestohlen habe. Hinzu komme, dass er in zwei Fällen im sozialen
Nahbereich - der Wohnung seiner Gastgeber - das ihm u.a. durch eine Einla-
dung entgegengebrachte gesteigerte Vertrauen missbraucht habe. Mildernden
Umständen in der Person des Soldaten - Alkoholisierung unterhalb der Schwel-
le des § 21 StGB und Anspannungen im ehelichen Bereich - komme schon
deshalb kein Gewicht zu, weil der Soldat bei „nüchternem Kopf“ die sich ihm
wiederholt gebotenen Möglichkeiten der unauffälligen Rückgabe der gestohle-
nen Gegenstände nicht genutzt habe. Im Ergebnis habe es die Truppendienst-
kammer nur um „Haaresbreite“ bei einer Degradierung in den untersten Mann-
schaftsdienstgrad belassen.
4. Gegen das ihm am 3. Mai 2007 zugestellte Urteil hat der Soldat durch seinen
Verteidiger am Montag, dem 4. Juni 2007 Berufung eingelegt, mit der er den
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Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme begehrt. Zur Begründung
macht er im Wesentlichen geltend:
Unter Berücksichtigung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ hätte die Vorinstanz
nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, dass die Wegnahmehandlungen mit
Zueignungsabsicht erfolgt seien. Er habe die drei Gegenstände weder benutzt
noch veräußert oder weitergegeben. Die Wegnahmehandlungen seien unter
besonderen Umständen, nämlich in Lebenskrisen unter Alkoholeinfluss erfolgt,
ohne dass die Absicht bestanden habe, sich die fremden Sachen zuzueignen.
Auslöser seiner ersten Tat sei ein schwerer ehelicher Vertrauensbruch gewe-
sen. Bei seiner vorzeitigen Rückkehr vom Dienst habe er seine Frau mit seinem
besten Freund im Bett angetroffen. Er, der Soldat, sei „total am Boden zerstört“
und zu keiner angemessenen Reaktion fähig gewesen; er habe hilflos reagiert
und einfach abgewartet, dass sich alles wieder einrenke. Bis zu diesem Zeit-
punkt sei er im Kameradenkreis als „Soldat mit Leib und Seele“ angesehen
worden, der sein Privatleben dem Dienst absolut untergeordnet habe.
Danach sei er zwar äußerlich derselbe, den ihm gestellten Aufgaben aber nicht
(mehr) gewachsen gewesen, sodass es einen deutlichen Leistungseinbruch
gegeben habe, wie auch im Urteil festgestellt worden sei. Das Gericht habe
diese Umstände und ihre Ursachen aber nicht erkannt und zu Unrecht unbe-
rücksichtigt gelassen: Er, der vorbildliche und geschätzte Soldat, habe sich in
seinem privaten Bereich ganz anders, nämlich als ohnmächtig und hilflos er-
wiesen; er habe nicht mehr gewusst, wie er Ordnung in sein Leben bringen
könne und habe doch ein starkes Bedürfnis nach Regeln, Struktur und Hilfe
gehabt. Die Wegnahmehandlungen ohne Zueignungsabsicht stellten sich in
Wahrheit als solche „Hilferufe“ dar, die durch den enthemmenden und die Ein-
sichts- und Steuerungsfähigkeit herabsetzenden Alkoholkonsum ausgelöst
worden seien. Dies müsse angemessen berücksichtigt werden.
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III
Die Berufung des Soldaten hat keinen Erfolg.
1. Die gemäß § 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und
fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
2. Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Mit der Berufungs-
begründung werden sowohl die erstinstanzliche Schuldfeststellung zum subjek-
tiven Disziplinartatbestand als auch die Maßnahmebemessung angegriffen. Der
Senat hat deshalb im Rahmen der Anschuldigung (§ 107 Abs. 1 i.V.m. § 123
Satz 3 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu
würdigen und unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 331
Abs. 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1, § 123 Satz 3 WDO) gegebenenfalls über
die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
3. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Entscheidung der Truppen-
dienstkammer, den Soldaten in den Dienstgrad eines Kanoniers herabzusetzen,
ist nicht zu beanstanden. Der Soldat hat durch die festgestellten „Kamera-
dendiebstähle“ in drei Fällen seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt und da-
durch ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen.
a) Tatsächliche Feststellungen
Dem Soldaten wird in allen drei Anschuldigungspunkten zur Last gelegt, da-
durch schuldhaft gegen seine Dienstpflichten verstoßen zu haben, dass er Ka-
meraden bestohlen hat. Nach § 242 Abs. 1 StGB begeht einen Diebstahl, wer
eine fremde bewegliche Sache in Zueignungsabsicht wegnimmt; erforderlich ist
danach neben dem Bruch fremden und der Begründung neuen Gewahrsams
die nach außen erkennbare Manifestation der Zueignungsabsicht (vgl. z.B. Ur-
teil vom 5. Dezember 2000 - BVerwG 2 WD 38.00 - Buchholz 236.1 § 7 SG
Nr. 39). Auf bindende strafgerichtliche Feststellungen im Sinne des § 84 Abs. 1
Satz 1 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO kann sich der Senat in diesem Zusammen-
hang nicht stützen, da den Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl vom
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22. September 2006 keine Bindungswirkung zukommt (stRspr, z.B. Urteil vom
1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 34.02 - BVerwGE 118, 262 <267> = Buchholz
235.01 § 108 WDO 2002 Nr. 2 = NZWehrr 2004, 36 m.w.N.); sie können aller-
dings Indizwirkung für das Tatgeschehen haben (vgl. z.B. Beschluss vom
1. Dezember 1987 - BVerwG 2 WD 66.87 - BVerwGE 83, 373 <374>).
aa) Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Hauptverhandlung steht
aufgrund der geständigen Einlassungen des Soldaten zur Wegnahme der drei
für ihn fremden Gegenstände und deren Gewahrsamserlangung - soweit den
Einlassungen gefolgt werden kann -, der Anhörung des Sach- und Leumunds-
zeugen Hauptmann P., Batteriechef und Disziplinarvorgesetzter des Soldaten in
der Zeit vom 23. Dezember 2004 bis zu dessen Wegkommandierung nach H.,
sowie der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Urkunden zur
Überzeugung des Senats in den drei Anschuldigungspunkten folgender ob-
jektiver Geschehensablauf fest:
Zu Anschuldigungspunkt 1:
Auf Einladung des damaligen Batteriechefs der 5./…bataillon …, Hauptmann
K., fand aus Anlass seiner Verabschiedung in seiner Privatwohnung in R. am
Abend des 21. Dezember 2004 eine Feier statt, an der die Portepeeunteroffi-
ziere der Einheit, einschließlich des Soldaten etwa 20 Personen, teilnahmen.
Beim Weggehen nahm der angetrunkene Soldat, angeblich hatte er mehrere
Bier und mehrere Bacardi, d.h. Rum bzw. rumhaltige Mixgetränke getrunken,
die dem Gastgeber gehörende Spiegelreflexkamera Typ CANON EOS 300 V an
sich und behielt sie.
Zu Anschuldigungspunkt 2:
In der Nacht vom 6. auf den 7. Juli 2006 feierten die Unteroffiziere der Einheit
des Soldaten in Block 3 der Sch…-Kaserne in L. den Abschluss des sogenann-
ten Unteroffizierstages. Zu später Stunde legte der geschädigte Stabsunteroffi-
zier Z. auf einen Tisch im Eingangsbereich des Gebäudes sein Mobiltelefon,
Typ Sony-Ericsson, neben das von Oberfeldwebel Ba., um zwischen diesen
Daten zu übertragen. Während Oberfeldwebel Ba. am Ende der Feier sein
Handy wieder einsteckte, ließ Stabsunteroffizier Z. sein Mobiltelefon zumindest
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für kurze Zeit unbeaufsichtigt liegen, was der wiederum angetrunkene Soldat
nutzte, um es an sich zu nehmen; angeblich hatte er zuvor eine größere Menge
selbstgemachter, alkoholhaltiger Bowle konsumiert. Als am nächsten Morgen
Stabsunteroffizier Z. alle am Abend anwesenden Kameraden befragte, ob sie
wüssten, wo sein Handy sei, meldete sich der Soldat nicht und behielt das Mo-
biltelefon für sich.
Da sich das Handy nicht einfand und von einem „Kameradendiebstahl“ ausge-
gangen werden musste, machte sich in der Einheit Unruhe und ein gewisses
Misstrauen breit, was den damaligen Batteriechef, den Zeugen P., veranlasste,
Ermittlungen aufzunehmen. An deren Ende konnte der Kreis der Tatverdächti-
gen auf sechs Personen, darunter den Soldaten, eingegrenzt werden. Der Zeu-
ge versuchte zu Beginn der jeweiligen Vernehmungen der sechs Soldaten, die-
sen „goldene Brücken“ dahingehend zu bauen, dass sich durch eine anonyme
Rückgabe des Handys die Angelegenheit möglicherweise bereinigen ließe, wo-
zu es jedoch nicht kam.
Zu Anschuldigungspunkt 3:
Am 29. August 2006 half der Soldat zusammen mit etwa fünf oder sechs ande-
ren Kameraden seiner Kameradin, Frau Stabsunteroffizier B., und deren Le-
bensgefährten, Stabsunteroffizier S., beim Umzug in deren Privatwohnung in
der Stadt L. Nach Abschluss der Umzugsarbeiten wurde gegessen und getrun-
ken; eigenen Angaben zufolge nahm der Soldat während und nach dem Umzug
jeweils mehrere Bier zu sich. Als sich der angetrunkene Soldat auf den Heim-
weg machte, nahm er das offen herumliegende Mobiltelefon, Typ Motorola
RAZR, von Stabsunteroffizier S. an sich und behielt es.
Als die Lebensgefährtin des Geschädigten am nächsten Morgen in der Batterie
eine Verlustmeldung abgegeben hatte, ließ Hauptmann P. alle Kameraden, die
beim Umzug geholfen hatten, als Zeugen vernehmen. Da die Vernehmungen
erfolglos blieben, entstand erneut Unruhe in der Einheit.
Anlässlich einer Inspizierung des Kasernengebäudes durch den Batteriefeld-
webel Anfang September 2006 entdeckte dieser die gesuchten drei Gegen-
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stände in der vom Soldaten allein bewohnten Stube. Sie lagen dort auf einem
Aktenbock, der - von der Tür aus gesehen - an einer Seitenwand hinter dem
Spind stand. Die Fotokamera und die Mobiltelefone waren daher für einen
Fremden von der Stubentür aus nicht ohne Weiteres sichtbar. Dies hatte der
Soldat bereits in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht einge-
räumt, allerdings mit dem Hinweis auf eine „davorstehende Fahne“. Bei einer
polizeilichen Durchsuchung der Stube des Soldaten am Morgen des 5. Sep-
tember 2006 wurden die Gegenstände sichergestellt.
bb) Der Senat ist nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Hauptver-
handlung aufgrund der Einlassungen des Soldaten, soweit ihnen gefolgt werden
kann, der Anhörung des Zeugen P. sowie der zum Gegenstand der Haupt-
verhandlung gemachten Urkunden auch davon überzeugt, dass der Soldat die
Fotokamera und beide Handys schuldhaft weggenommen hat, um sie sich zu-
mindest vorübergehend rechtswidrig anzueignen.
Soweit der Soldat seine Zueignungsabsicht in Zweifel gezogen hat, wird er
durch die vom Senat getroffenen Feststellungen widerlegt. Nach Entdeckung
seines Fehlverhaltens hatte sich der Soldat am 5. und 6. September 2006 so-
wie am 31. Januar 2007 im Wesentlichen dahin eingelassen, er wisse selbst
nicht, warum er die Sachen weggenommen habe. Jeweils am Folgetag sei ihm
bewusst geworden, was er gemacht habe. Er habe jedoch aus Angst vor den
Konsequenzen nicht den Mut aufgebracht, die Sachen zurückzugeben. Nach
der Trennung von seiner Frau habe er viel Alkohol getrunken, sei aber nicht
alkoholkrank. Seit Entdeckung der Taten (etwa Mitte September 2006) habe er
nichts mehr getrunken. Er habe noch nie etwas gestohlen und habe selbst
mehrere Handys und eine Kamera. Es sei nie seine Absicht gewesen, die Sa-
chen zu verkaufen. Bei Stabsunteroffizier (w) B. und dem gesamten Unteroffi-
zierskorps habe er sich entschuldigt. Hauptmann K. und Stabsunteroffizier Z.
seien versetzt worden, sodass er noch keine Gelegenheit gehabt habe, sich bei
ihnen zu entschuldigen.
In der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht am 17. April 2007 hat
der Soldat, zum Teil durch seine Verteidiger, ergänzend bekundet, vor dem ers-
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ten Vorfall sei er - am 10. oder 11. Dezember 2004 - vom Dienst früher nach
Hause zurückgekehrt und habe seine Frau mit seinem besten Freund im Bett
vorgefunden. Dies habe ihn innerlich „zertrümmert“. Er habe an der Beziehung
festhalten wollen und versucht, sie wieder aufzubauen. Bei den anderen Vorfäl-
len sei es so gewesen, dass nur wenige Tage zuvor ein Schreiben eines
Rechtsanwalts mit dem Scheidungsbegehren seiner Frau (30. Juni 2006) bzw.
ein anwaltliches Schreiben zum Versorgungsausgleich eingetroffen sei. Aus
letzterem sei hervorgegangen, dass er den Kredit allein tragen müsse. Dies
habe ihn wieder völlig in die Tiefe gezogen. Mehr Alkohol trinke er nur hin und
wieder, insbesondere bei Feiern und Geburtstagen. Im Durchschnitt sei er ein-
mal im Monat „ordentlich stramm“. Er sei aber immer voll orientiert gewesen
und habe den Weg nach Hause gefunden. Wenn er etwas trinke, dann nicht so
viel, dass er nicht mehr „durchblicke“. An die Möglichkeit einer unauffälligen,
anonymen Rückgabe der Gegenstände habe er in seiner „Kopflosigkeit“ nicht
gedacht. Bei Frau B. und Herrn Z. habe er sich entschuldigt, bei Herrn K. noch
nicht, ohne dass er erklären könne „warum“, vielleicht wegen seines schlechten
Gewissens und aus Angst.
Mit seiner Berufung macht der Soldat durch seinen Verteidiger im Wesentlichen
geltend, die Wegnahmehandlungen seien ohne Zueignungsabsicht erfolgt. Er
habe die drei Gegenstände weder benutzt noch veräußert oder weitergegeben.
Die Wegnahmehandlungen seien unter besonderen Umständen, nämlich in
Ehekrisen unter Alkoholeinfluss geschehen, ohne dass die Absicht bestanden
habe, sich die fremden Sachen zuzueignen. In Wahrheit handele es sich bei
seinen Tathandlungen um „Hilferufe“ an seine Umgebung.
In der Berufungshauptverhandlung hat der Soldat seine bisherigen Einlassun-
gen im Wesentlichen wiederholt. Er wisse immer noch nicht, warum er die Sa-
chen mitgenommen habe. An den Folgetagen habe er jeweils normalen Dienst
geleistet.
Die Annahme des subjektiven Diebstahlstatbestandes muss sich auf die volle
Gewissheit des Senats stützen, die dieser aufgrund freier Beweiswürdigung aus
dem Inbegriff der Verhandlung gewonnen hat. Erforderlich ist ein nach der Le-
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benserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige
Zweifel nicht mehr aufkommen. Zur Überführung des angeschuldigten Soldaten
ist keine „mathematische Gewissheit“ von dessen Schuld erforderlich. Der Be-
weis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren und logischen Argumen-
ten geführt sein. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstan-
desmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruhen und erschöpfend sein. Der
Senat ist als Tatsacheninstanz gehalten, sich mit den von ihm festgestellten
Tatsachen und allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten aus-
einanderzusetzen und seine Beweiswürdigung in den Urteilsgründen darzule-
gen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Oktober 2007 - 2 BvR 1461/06 -
EuGRZ 2007, 730 <731>; BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2006 - BVerwG 2 WD
13.05 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 2 = NZWehrr 2007, 35, jeweils
m.w.N.). Dementsprechend muss der Senat mit dem nach der Lebenserfahrung
gebotenen - aber auch ausreichenden - Maß an Sicherheit davon überzeugt
sein, dass der Soldat jeweils mit Zueignungsabsicht gehandelt hat und zur
jeweiligen Tatzeit nicht schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB war. Beide
Voraussetzungen liegen in den drei Anschuldigungspunkten zur Überzeugung
des Senates vor.
(1) Der Soldat hat die Fotokamera und beide Mobiltelefone mit Zueignungsab-
sicht und mit Vorsatz weggenommen. Ein wichtiges Indiz für die Richtigkeit die-
ser Feststellung ist zunächst der rechtskräftige Strafbefehl. Auch wenn die Tat-
sache, dass der im Strafverfahren nicht durch einen Verteidiger vertretene Sol-
dat den Strafbefehl akzeptiert hat, nicht als Schuldeingeständnis gewertet wer-
den kann (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1995 - 2 BvR
1732/95 - NStZ-RR 1996, 168 zur rechtlichen Würdigung einer Zustimmung zur
Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO), so ist der Soldat immer-
hin wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 1 200 € ver-
urteilt worden, ein Geldbetrag, der ihn bei seinen finanziell angespannten Ver-
hältnissen sehr belastet; dies hat er bei seiner Anhörung am 31. Januar 2007
auch zu erkennen gegeben. Es ist kaum nachvollziehbar, dass ein unschuldiger
Soldat freiwillig eine solche Strafe auf sich nimmt, zumal er jetzt auch „vorbe-
straft“ ist und das festgestellte strafbare Verhalten für ihn schwerwiegende
dienstliche Auswirkungen hat.
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Diese erhebliche Indizwirkung für die Richtigkeit der Feststellung, mit Zueig-
nungsabsicht gehandelt zu haben, wird durch weitere, den Soldaten belastende
Umstände gestützt:
Schon die Gewahrsamsverhältnisse der drei weggenommenen Gegenstände
sprechen dafür, dass der Soldat sie endgültig behalten wollte. So hatte er die
Fotokamera bis zur Sicherstellung durch die Polizei bereits eindreiviertel Jahre
in Besitz. Hätte der Batteriefeldwebel die Stube des Soldaten nicht zufällig An-
fang September 2006 inspiziert, wären alle drei Sachen weiter im Besitz des
Soldaten geblieben; es gibt keine Anhaltspunkte dafür - und ist von ihm auch in
der Berufungshauptverhandlung nicht geltend gemacht worden -, dass er ernst-
haft und glaubhaft bereit war, wenigstens die beiden Mobiltelefone den Eigen-
tümern unverzüglich freiwillig zurückzugeben, und dass ihm die Polizei am
5. September 2006 nur zuvorgekommen war. Der Soldat hatte die drei Gegens-
tände in der von ihm allein bewohnten Stube nicht nur so aufbewahrt, dass er
sie jederzeit mit „schlechtem Gewissen“ ansehen konnte, wie er vor dem Trup-
pendienstgericht - nach Vorhalt in der Berufungshauptverhandlung unwider-
sprochen - ausgesagt hat - ein „Vergessen“ scheidet damit aus -, sondern hatte
sie auch so gelagert, dass sie von Fremden nicht ohne Weiteres entdeckt wer-
den konnten. Zudem hatte er zwischen dem 21. Dezember 2004 (erste Tat) und
der Sicherstellung der Gegenstände am 5. September 2006 mindestens einmal
seine Kasernenstube gewechselt und dabei die Fotokamera mitgenommen, wie
er in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt hat. Dies spricht ebenfalls für
einen Zueignungswillen.
Der Soldat hat auch noch nach Entdeckung seiner Taten den angeblich recht-
mäßigen Besitz an den drei Gegenständen verteidigt. So hat der Zeuge P. vor
dem Truppendienstgericht und vor dem Senat unwidersprochen und glaubhaft
ausgesagt, der Soldat habe im Verlauf seiner ersten Vernehmung am 5. Sep-
tember 2006 bis zuletzt bestritten, dass dies die entwendeten Gegenstände
seien. Die CANON-Fotokamera sei ihm von seinen Großeltern geschenkt wor-
den. Erst als eine Nachfrage bei der Ehefrau des Geschädigten zur Serien-
nummer der Kamera ergeben habe, dass es sich um die gestohlene Kamera
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handelte, habe der Soldat sein Leugnen aufgegeben und erklärt, er wisse nicht,
was er dazu sagen solle.
Auch die wiederholten Behauptungen des Soldaten, er habe die Sachen ei-
gentlich wieder zurückgeben wollen, stellen Schutzbehauptungen dar; sie wer-
den durch das tatsächliche anschließende Verhalten des Soldaten widerlegt,
das ihn belastet. Es gibt, wie erwähnt, keine Anhaltspunkte dafür, dass der Sol-
dat vor dem 5. September 2006 ernsthaft bereit war, wenigstens die beiden
Mobiltelefone den Eigentümern freiwillig zurückzugeben. Falls er sich wirklich
die drei Gegenstände nicht hätte zueignen wollen und deshalb willens gewesen
wäre, sie unverzüglich den Eigentümern zukommen zu lassen, hätte er auch
ohne die Gefahr einer Selbstbelastung die Möglichkeit gehabt, sich von den
Sachen anonym zu trennen, z.B. anonym den Geschädigten zuzuschicken oder
- entsprechend dem Hinweis des Zeugen P. in der Berufungshauptverhand-
lung - im Kummerkasten der Batterie einen anonymen Hinweis zu hinterlassen.
Der Zeuge P. hat sowohl vor dem Truppendienstgericht als auch vor dem Senat
unwidersprochen und glaubhaft ausgesagt, er habe im Fall 2 bei der Ver-
nehmung der Verdächtigen - einschließlich des Soldaten - alle darauf hinge-
wiesen, dass es gut wäre, wenn das Handy anonym zurückgegeben würde. Der
Soldat wusste also von dieser Möglichkeit, ohne dass er aber davon Gebrauch
gemacht hat. Eine Erklärung konnte er dafür nicht geben. Soweit sein Verteidi-
ger noch vor dem Truppendienstgericht zur Möglichkeit anonymer Rückgabe
der Gegenstände erklärt hatte, der Soldat sei „kopflos“ und sich alternativer
Handlungsmöglichkeiten wohl nicht bewusst gewesen, hat er in der Berufungs-
hauptverhandlung Entsprechendes nicht mehr vorgebracht. Es wäre auch nicht
überzeugend: Der Soldat war ausdrücklich auf die Möglichkeit der anonymen
Rückgabe hingewiesen worden. Nach Aussage des Zeugen P. ist es gerade ein
Wesenszug des Soldaten, dass er „unter Last den Überblick behält“. Zudem
kann der Soldat im Hinblick auf die erste Wegnahmehandlung nicht eindreivier-
tel Jahre „kopflos“ gewesen sein. Schließlich hat der Soldat vor dem Senat
auch seine Einlassung vor dem Truppendienstgericht zur zweiten Wegnahme-
handlung nicht wiederholt, er habe das Handy von Stabsunteroffizier Z. nur
deshalb mitgenommen, damit es nicht unbeaufsichtigt im Eingangsbereich des
Kasernengebäudes liegen geblieben wäre. Denn auch insoweit handelte es sich
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um eine Schutzbehauptung. Hätte die Einlassung dem wahren Willen des
Soldaten entsprochen, hätte er das Mobiltelefon mit dieser Erklärung ohne Wei-
teres Stabsunteroffizier Z. am nächsten Morgen zurückgeben können, zumal
dieser in der Einheit nach dem Verbleib seines Handy gefragt hatte. Dies hat
der Soldat aber nicht getan, was dafür spricht, dass er es für sich behalten woll-
te. Als ihm in der Berufungshauptverhandlung diese Rückgabemöglichkeit vor-
gehalten wurde, konnte er dazu keine Erklärung abgeben.
Die erstmals vor dem Truppendienstgericht geäußerten Deutungsversuche des
Verteidigers, die Wegnahmehandlungen des Soldaten stellten mangels der Fä-
higkeit, offen mit Dritten über seine Sorgen zu sprechen, „Hilferufe“ an seine
Umgebung dar, sind ebenfalls nicht geeignet, die Überzeugung vom damaligen
Zueignungswillen des Soldaten zu entkräften. Selbst wenn dem Soldaten nicht
widerlegt werden kann, dass es ihm kaum möglich sei, sich mit seinen Proble-
men nahen Angehörigen oder gar seinen Disziplinarvorgesetzten anzuvertrau-
en, nimmt ihm der Senat nicht ab, dass er Wegnahmehandlungen begehen
musste, um seine dienstliche Umgebung auf sich und seine Probleme auf-
merksam zu machen. Dies passt nicht zum Verhaltensmuster des Soldaten in
schwierigen Lagen, wie es sich insbesondere aufgrund der bis etwa Herbst
2005 guten dienstlichen Beurteilungen seiner damaligen Disziplinarvorgesetz-
ten darstellt. In der planmäßigen Beurteilung vom 18. September 2003 hatte der
nächsthöhere Vorgesetzte, Oberstleutnant und Bataillonskommandeur Kü., u.a.
ausgeführt, der Soldat sei auch in kritischen Situationen durchsetzungsfähig.
Wie bereits erwähnt, ist es nach Aussage des Zeugen P. gerade ein We-
senszug des Soldaten, dass er „unter Last den Überblick behält“. Als Praktiker
(bis November 2005) habe er ein großes Fachwissen vorweisen können, wel-
ches verbunden mit großer Tatkraft, Flexibilität und Entscheidungsfreude zu
sehr erfreulichen Ergebnissen geführt habe, gerade auch unter Belastung, etwa
während Übungen. Auch im privaten Bereich ist der Soldat durchaus in der La-
ge, Probleme zu lösen. So hat er in der Berufungshauptverhandlung angege-
ben, in seiner neuen Ehe habe es mit dem ersten Ehemann seiner Frau Ärger
wegen der Kinder gegeben. Diese Probleme habe er jedoch zusammen mit
seiner neuen Frau regeln können. Die Familie sei deshalb von L. nach S. bei
Hu. umgezogen, wo sie jetzt wohnten. Im Übrigen wäre der Deutungsversuch
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der Wegnahmehandlungen als „Hilferufe“ auch nur dann - ansatzweise - nach-
vollziehbar, wenn der Soldat wenigstens anlässlich der Anhörungen am Folge-
tag der Vorfälle im Anschuldigungspunkt 2 und 3 die Gelegenheit genutzt hätte,
verbal auf seine Lage aufmerksam zu machen. Dies hat der Soldat aber unter-
lassen. Die Wegnahmehandlungen waren für sich gesehen kein erkennbares
Indiz für private, insbesondere eheliche Probleme. Deshalb hat auch niemand
in seiner dienstlichen Umgebung die angeblichen „Hilferufe“ erkannt.
Bei der nach alledem eindeutigen Beweislage, die vernünftige Zweifel an der
Überzeugung von der in allen drei Fällen vorhanden gewesenen Zueignungs-
absicht des Soldaten nicht mehr aufkommen lässt, kann dieser sich nicht mit
Erfolg auf die angebliche „Unsinnigkeit seines Verhaltens“ berufen. Ein Handeln
mit Zueignungsabsicht entfällt nicht bereits deshalb, weil der Täter schon ver-
gleichbare Gegenstände wie das Diebesgut - hier eine Fotokamera und Mobil-
telefone - besitzt. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Senat für seine Über-
zeugungsbildung positiv feststellen muss, zu welchem Zweck und aus welchem
Motiv der Soldat die Sachen, die durchaus wertvoll und funktionsfähig waren,
an sich genommen hat. Entscheidend ist, dass dieser die Gegenstände weg-
genommen hat, um sie sich - zumindest vorübergehend - rechtswidrig zuzueig-
nen. Das war hier der Fall.
(2) Nach der Überzeugung des Senats gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür,
dass der Soldat zur jeweiligen Tatzeit in Folge Alkoholmissbrauchs schuldunfä-
hig im Sinne des § 20 StGB war.
Nach dieser Vorschrift handelt ohne Schuld, wer bei Begehung der Tat u.a.
wegen einer krankhaften seelischen Störung oder tiefgreifenden Bewusstseins-
störung - hier jeweils aufgrund starken Alkoholkonsums - unfähig war, das Un-
recht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Entsprechend
seiner eigenen Einlassungen, zuletzt in der Berufungshauptverhandlung, hat
der Soldat häufig Mittwoch abends - in Gesellschaft - mehr Alkohol als sonst zu
sich genommen, sei aber nicht alkoholkrank. Er sei nicht der Einzige gewesen,
so der Zeuge P. vor dem Truppendienstgericht und in der Berufungshauptver-
handlung, der auf Partys und beim Disko-Besuch am Mittwoch viel getrunken
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habe; er habe aber nie ein Alkoholproblem zu erkennen gegeben, weshalb der
Truppenarzt nicht eingeschaltet worden sei. Schließlich hat auch der in der Be-
rufungshauptverhandlung als Leumundszeuge angehörte Oberstleutnant Zi.
vom Ausbildungszentrum …truppe, …zentrum, in P. - früherer Disziplinarvorge-
setzter des Soldaten - ausgesagt, dieser sei nicht alkoholauffällig gewesen.
Selbst wenn - zugunsten des Soldaten - unterstellt würde, dass dieser an
krankhafter Alkoholsucht litte, ist in der Disziplinarrechtsprechung unter Hinweis
auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. dazu z.B. für
das Beamtendisziplinarrecht Urteil vom 11. Dezember 2002 - BVerwG 1 D
15.02 - m.w.N.) anerkannt, dass eine solche Abhängigkeit, auch wenn sie pa-
thologischer Natur ist, für sich allein nicht Schuldunfähigkeit des Betroffenen
bezüglich der in diesem Zustand begangenen Eigentums- oder Vermögensde-
likte zur Folge hat. Schuldunfähigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn die
Erkrankung zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt, der Betroffe-
ne Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen oder die Tat im Zu-
stand eines akuten Rausches verübt hat.
Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben. Unmittelbare Beschaf-
fungstaten unter starken Entzugserscheinungen lagen nicht vor. Der Soldat hat
auf eine Kamera und Mobiltelefone, d.h. nicht unmittelbar auf alkoholische Ge-
tränke zugegriffen. Anhaltspunkte für schwerste Persönlichkeitsveränderungen
zu den Tatzeiten, insbesondere bereits im Dezember 2004, gibt es ebenfalls
nicht. Wäre es aufgrund von Alkoholmissbrauch zu schwersten Persönlich-
keitsveränderungen gekommen, hätte dies in den dienstlichen Beurteilungen
nach 2004, d.h. in der planmäßigen Beurteilung vom 19. September 2005 durch
den damaligen Oberleutnant und Batteriechef P., in der schriftlichen Stel-
lungnahme von Hauptmann F., Batteriechef der 2./…bataillon …, vom 5. April
2007 und in der Sonderbeurteilung vom 8. November 2007 durch Hauptmann
J., Batteriechef der 5./…regiment …, zum Ausdruck kommen müssen. Dies ist
aber nicht der Fall. Auch der wiederholt verspätete Dienstantritt im Herbst 2005,
der Soldat hatte aus diesem Grund am 19. Oktober 2005 einen strengen Ver-
weis erhalten, und der vom Leumundszeugen P. mit dem Dienstpostenwechsel
im November 2005 in Zusammenhang gebrachte „Leistungseinbruch“ des Sol-
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daten sind keine Anzeichen für schwerste Persönlichkeitsveränderungen im
Sinne der genannten Rechtsprechung. Schließlich ist auch nichts dafür ersicht-
lich - und wird vom Soldaten auch nicht geltend gemacht -, dass er sich jeweils
zur Tatzeit in einem akuten Alkoholrausch befand. In einem solchen Zustand, in
dem der Betreffende regelmäßig nicht mehr in der Lage ist, das Unrecht seiner
Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, kann sich in Folge erheb-
lichen Alkoholgenusses allerdings auch ein Nicht-Alkoholkranker befinden. Der
Soldat hat sich jedoch wiederholt, zuletzt vor dem Senat, dahin eingelassen, er
sei immer voll orientiert gewesen und habe den Weg nach Hause gefunden;
einen „Filmriss“ habe er nie gehabt. Wenn er etwas trinke, dann nicht so viel,
dass er nicht mehr „durchblicke“.
b) Disziplinarrechtliche Würdigung
Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG):
Der Soldat hat durch die in allen drei Anschuldigungspunkten festgestellten
Diebstähle von Eigentum seiner Kameraden bewusst und gewollt, d.h. vorsätz-
lich gegen seine Pflicht zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG) verstoßen. Danach
sind alle Soldaten verpflichtet, die Würde, die Ehre und die Rechte der
Kameraden zu achten. Diese Verpflichtung gilt umfassend, d.h. inner- wie au-
ßerdienstlich.
Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG):
Mit dem „Kameradendiebstahl“ im Anschuldigungspunkt 2 hat der Soldat
zugleich seine Fürsorgepflicht als Vorgesetzter gemäß § 10 Abs. 3 SG vorsätz-
lich verletzt. Es gehört zur Pflicht eines jeden Soldaten in Vorgesetztenstellung
gegenüber einem Untergebenen - hier des Soldaten im Rang eines Oberfeld-
webels gegenüber Stabsunteroffizier Z. (vgl. dazu § 4 Abs. 3 VorgV) -, diesen
vor Schaden zu bewahren und ihm erst Recht keinen Schaden zuzufügen. Der
schuldhafte Verstoß gegen die Fürsorgepflicht steht gleichrangig neben der
innerdienstlichen Verletzung der Kameradschaftspflicht (vgl. dazu Urteile vom
21. Juli 1994 - BVerwG 2 WD 6.94 - BVerwGE 103, 143 <147> und vom
7. September 1994 - BVerwG 2 WD 15.94 -
NZWehrr 1995, 77>).
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Innerdienstliche Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1
SG):
Darüber hinaus hat der Soldat mit seinem innerdienstlichen Diebstahl eines im
Eigentum eines Kameraden stehenden Wertgegenstandes (Anschuldigungs-
punkt 2) auch seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im
Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) vorsätzlich verletzt. Diese Vorschrift findet im
Falle des gleichzeitigen Verstoßes gegen andere Dienstpflichten zwar nur dann
Anwendung, wenn das Verhalten nicht nur der anderen Pflichtverletzungen we-
gen ansehensschädigend wirkt. Dem festgestellten Verhalten muss vielmehr
unabhängig von dem anderweitigen Pflichtenverstoß bereits die Eignung zur
Ansehens- der Vertrauensschädigung innewohnen. Die Vorschrift stellt allein
auf diese Eignung ab. Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten
können durch sein Verhalten aber schon dann Schaden nehmen, wenn dieses
Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für
die jeweilige Verwendung in Frage stellt (vgl. z.B. Urteil vom 13. März 2008
- BVerwG 2 WD 6.07 - m.w.N.,
stRspr). Letzteres ist hier der Fall. Der Soldat hat die grundrechtlich und straf-
rechtlich geschützte Eigentumssphäre seines Kameraden, Stabsunteroffizier Z.,
verletzt.
Außerdienstliche Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2
SG):
Zugleich hat der Soldat durch das in den Anschuldigungspunkten 1 und 3 fest-
gestellte außerdienstliche Fehlverhalten - hier in Privatwohnungen von Kame-
raden - seine Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2
SG) vorsätzlich verletzt.
Nach der genannten Vorschrift hat sich der Soldat außer Dienst und außerhalb
der dienstlichen Unterkünfte so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bun-
deswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung
erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Für die Feststellung eines Verstoßes
gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchti-
gung des Ansehens der Bundeswehr oder der Achtungs- und Vertrauenswür-
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digkeit im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass
das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine solche Wirkung auszulösen.
Denn die Vorschrift stellt allein auf das Verhalten des Soldaten ab, ohne dass
es für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung auf den konkreten Eintritt
einer solchen Beeinträchtigung ankommt. Die Achtungs- und Vertrauens-
würdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden
nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt
oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung infrage stellt (vgl. z.B. Urteil
vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 -
in Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 23> m.w.N., stRspr). Dies ist zweifellos
dann der Fall, wenn ein Soldat - wie hier - wiederholt Diebstähle begangen hat,
die mit einer Geldstrafe geahndet worden sind. Dabei ist besonders zu berück-
sichtigen, dass der Soldat als Oberfeldwebel Vorgesetztenfunktionen innehatte.
Nach § 10 Abs. 1 SG soll der Vorgesetzte in seiner Haltung und Pflichterfüllung
ein Beispiel geben. Diese Pflicht ist nicht auf den dienstlichen Bereich be-
schränkt. Ein Soldat, der Kameraden in deren Privatwohnung bestiehlt, macht
sich nicht nur strafbar, sondern disqualifiziert sich auch in seiner Dienststellung
als Vorgesetzter.
Ob dabei die tatbestandlich sehr weite Fassung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG un-
ter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in jeder Hinsicht bedenkenfrei ist, bedarf
hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls eine Dienstpflicht
des Inhalts, außerhalb des Dienstes keine mit Freiheits- oder Geldstrafe be-
drohte Straftat zu begehen, begegnet aus Sicht des Bestimmtheitsgebots kei-
nen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu auch Urteil vom 12. Juni 2007
- BVerwG 2 WD 11.06 - Buchholz 449.7 § 27 SBG Nr. 3 = NZWehrr 2007, 256
m.w.N.).
Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG):
Der innerdienstliche „Kameradendiebstahl“ im Anschuldigungspunkt 2 stellt
zugleich auch einen vorsätzlichen Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen
(§ 7 SG) dar. Die in der genannten Vorschrift normierte allgemeine Pflicht zum
„treuen Dienen“, die durch die in den §§ 8 ff. SG aufgestellten speziellen
Dienstpflichten in deren Anwendungsbereich konkretisiert wird, gebietet jedem
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Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig
und loyal gegenüber dem Dienstherrn zu erfüllen. Das schließt ein, innerhalb
und außerhalb des Dienstes mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften dazu
beizutragen, dass die Streitkräfte der Bundeswehr ihre durch die Verfassung
festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, sowie alles zu unter-
lassen, was diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in unzulässiger Weise
schwächen könnte.
Zu der in § 7 SG normierten Pflicht zum „treuen Dienen“ gehört insbesondere
die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung (vgl.
z.B. Urteil vom 22. August 2007 - BVerwG 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 =
Buchholz 449 § 11 SG Nr. 2 = NZWehrr 2008, 76 m.w.N., stRspr). Denn die An-
forderungen an die insoweit von den Soldatinnen und Soldaten geforderte
„Treue“ - zum Dienstherrn Bundesrepublik Deutschland - werden in der rechts-
staatlich parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes in erster Linie
durch den vom Volk gewählten Gesetzgeber und innerhalb dieses Rahmens
von der parlamentarisch verantwortlichen Exekutive festgelegt.
Die Vorschrift des § 7 SG kommt bei der Prüfung von Dienstpflichtverletzungen
jedoch nur insoweit zur Anwendung, als die in den §§ 8 ff. SG normierten
Dienstpflichten für ihren jeweiligen Anwendungsbereich ihr nicht als speziellere
Vorschrift vorgehen (vgl. z.B. Urteil vom 22. August 2007 a.a.O.).
Der zu Anschuldigungspunkt 2 festgestellte innerdienstliche „Kameradendieb-
stahl“ wird in seinem Unrechtsgehalt von § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1
SG nur insoweit erfasst, als der Soldat dienstrechtlich gegen seine Kamerad-
schaftspflicht und seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten
im Dienst verstoßen hat. Darüber hinaus hat der Soldat aber auch einen Dieb-
stahl (§ 242 Abs. 1 StGB), d.h. kriminelles Unrecht begangen, sodass insoweit
noch eine vorsätzliche Verletzung von § 7 SG in Gestalt eines Verstoßes gegen
die Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung vorliegt.
Aber auch in beiden außerdienstlichen Fällen des als Straftat geahndeten „Ka-
meradendiebstahls“ (Anschuldigungspunkte 1 und 3) hat der Soldat zugleich
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seine Dienstpflicht gemäß § 7 SG - Loyalitätspflicht gegenüber der Rechtsord-
nung - vorsätzlich verletzt. Bei den außerdienstlichen Straftaten gemäß § 242
Abs. 1 StGB handelt es sich um Rechtsverstöße von Gewicht, die im engen
Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen (vgl. dazu Urteil vom 24. April
2007 - BVerwG 2 WD 9.06 - BVerwGE 128, 319 <326> = Buchholz 449 § 10
SG Nr. 57). Der Soldat schädigte im Rahmen privater Einladungen mit dienstli-
chem Bezug - Verabschiedung des Batteriechefs und Umzug einer Kameradin -
jeweils Bundeswehrkameraden und beeinträchtigte dadurch den Dienstbetrieb
erheblich. Vor allem der zweite Vorfall löste in der Batterie des Soldaten Unruhe
und gegenseitiges Misstrauen aus, sodass dieser nach Aufdeckung seiner
Verfehlungen wegkommandiert werden musste. Die in den Anschuldigungs-
punkten 1 und 3 festgestellten außerdienstlichen Fälle von „Kameradendieb-
stahl“ werden in ihrem Unrechtsgehalt von § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 2
SG auch nur insoweit erfasst, als der Soldat dienstrechtlich gegen seine Kame-
radschaftspflicht und seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Ver-
halten außer Dienst verstoßen hat. Darüber hinaus hat der Soldat aber auch
Diebstähle (§ 242 Abs. 1 StGB), d.h. kriminelles Unrecht begangen, sodass
insoweit noch vorsätzliche Verletzungen von § 7 SG in Gestalt von Verstößen
gegen die Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung vorliegen.
c) Bemessung der Disziplinarmaßnahme
Die von der Truppendienstkammer verhängte Disziplinarmaßnahme einer Her-
absetzung des Soldaten in den Dienstgrad eines Kanoniers ist wegen des vor-
sätzlich begangenen Dienstvergehens gemäß § 23 Abs. 1 i.V.m. §§ 7, 10
Abs. 3, § 12 Satz 2, § 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 SG, wobei der Soldat als Vorge-
setzter gemäß § 10 Abs. 1 SG der verschärften Haftung unterliegt, nicht zu be-
anstanden. Der gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 62 Abs. 1 Satz 4 WDO zuläs-
sige Ausspruch der Maßnahme ist angemessen und geboten.
Bei der Maßnahmebemessung ist von der von Verfassungs wegen (Art. 20
Abs. 1, Art. 103 Abs. 3 GG) allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdiszipli-
narrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen,
einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und aufrechtzuer-
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halten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der
Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu zuletzt Urteil vom 11. Juni 2008
- BVerwG 2 WD 11.07 -
m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7
i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine
Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung
und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
aa) Das Dienstvergehen des Soldaten wiegt schwer. Dies ergibt sich bereits
daraus, dass er kriminelles Unrecht begangen hat und gegen ihn wegen Dieb-
stahls in drei Fällen durch Strafbefehl rechtskräftig eine Gesamtgeldstrafe in
Höhe von 30 Tagessätzen zu je 40 € verhängt worden ist.
Wie das Truppendienstgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt der dienstliche
wie außerdienstliche Zugriff auf Eigentum und Vermögen von Kameraden oder
Kameradengemeinschaften („Griff in die Kameradenkasse“) nach ständiger
Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteile vom 19. Oktober 2000 - BVerwG
2 WD 16.00 - Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 14, vom 28. Oktober 2003 - BVerwG
2 WD 8.03 - DokBer 2004, 178, vom 26. November 2003 - BVerwG 2 WD 7.03 -
Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 14 und vom 29. August 2007 - BVerwG
2 WD 14.06 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 22, jeweils m.w.N.) ein so
schwerwiegendes Dienstvergehen dar, dass grundsätzlich die
Dienstgradherabsetzung bis in einen Mannschaftsdienstgrad Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen ist und Erschwerungsgründe sogar eine Entfer-
nung des Soldaten aus dem Dienstverhältnis gebieten können. Ein Eigentums-
oder Vermögensdelikt zum Nachteil von Kameraden lässt nicht nur negative
Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Soldaten zu und berührt die Möglich-
keit seiner dienstlichen Verwendungen, sondern ist auch stets geeignet, das
gegenseitige Vertrauen und die Bereitschaft, füreinander einzustehen, zu ge-
fährden, sowie die Kameradschaft und den militärischen Zusammenhalt, auf
dem die Bundeswehr nach § 12 Satz 1 SG beruht, zu untergraben. Ein solches
Verhalten löst häufig, wie hier, neben Ermittlungen des Disziplinarvorgesetzten
auch solche der Strafverfolgungsorgane aus. All dies führt regelmäßig zu ge-
genseitigen Verdächtigungen und Anschuldigungen und kann damit ein Klima
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der Unruhe und des Misstrauens schaffen, das dem Dienstbetrieb höchst ab-
träglich ist; das war auch hier der Fall.
Erheblich ins Gewicht fällt ein solches Fehlverhalten bei einem Soldaten in
Vorgesetztenstellung; denn dieser hat nach § 10 Abs. 1 SG in seiner Haltung
und Pflichterfüllung ein Beispiel zu geben. Vergreift sich ein Soldat in Vorge-
setztenstellung am Eigentum und/oder Vermögen seiner Kameraden, so dis-
qualifiziert er sich mit diesem Verhalten grundsätzlich auch für seine weitere
Verwendung als Vorgesetzter. Er untergräbt dadurch regelmäßig seine Autori-
tät, erschüttert sein Ansehen tiefgreifend und beeinträchtigt nachhaltig das ge-
genseitige Vertrauen. Damit lockert er zugleich den Zusammenhalt der Truppe.
Ein solcher Vorgesetzter versagt in dieser Eigenschaft und erweist sich grund-
sätzlich als ungeeignet zur Führung und Erziehung Untergebener (vgl. Urteil
vom 19. Oktober 2000 m.w.N.).
Als weitere belastende Umstände kommen hier hinzu, dass der Soldat nicht nur
innerhalb von etwa eineinhalb Jahren - in zwei Fällen innerhalb von knapp zwei
Monaten - wiederholt, nämlich dreimal Kameraden bestohlen hat, sondern dass
er auch zwei der drei Verfehlungen im sozialen Nahbereich - in der Privatwoh-
nung seiner Kameraden - begangen hat. Ein Soldat, der in der Wohnung seiner
Gastgeber das ihm aufgrund einer Einladung entgegengebrachte gesteigerte
Vertrauen durch kriminelles Verhalten missbraucht, erweckt dadurch nicht nur
tiefgreifende Zweifel an seiner charakterlichen Integrität und Zuverlässigkeit,
sondern beeinträchtigt dadurch in besonderem Maße auch seine dienstliche
Verwendungsfähigkeit (vgl. z.B. Urteil vom 27. November 1996 - BVerwG 2 WD
33.96 - BVerwGE 113, 40 <42> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 23 = NZWehrr
1997, 214 und auch Urteil vom 25. Januar 1996 - BVerwG 2 WD 24.95 -
BVerwGE 103, 295 <297> = Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 3 = NZWehrr 1996,
257). Schließlich hat der Soldat durch sein wiederholtes Fehlverhalten jeweils
einen kleinen Kreis bestimmter anderer, zur Tatzeit am Tatort ebenfalls anwe-
sender Kameraden in Diebstahlsverdacht gebracht.
bb) Die Auswirkungen des Dienstvergehens belasten den Soldaten in mehrfa-
cher Hinsicht. Durch die Diebstähle war den betroffenen Kameraden
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- zumindest vorübergehend - ein Vermögensschaden in Höhe von insgesamt
mehreren 100 € entstanden. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen P. vor
dem Truppendienstgericht und dem Senat hatten die Vorfälle, da sie nicht
sogleich aufgeklärt werden konnten, auch zu Unruhe und Misstrauen im Unter-
offizierskorps der Batterie geführt. Das Vertrauen der Unteroffizierskameraden
sei so tief erschüttert gewesen, dass man die spätere Entschuldigung des Sol-
daten nicht angenommen habe. Er sei zum „Außenseiter“ geworden, der im
Unteroffizierskorps keine Daseinsberechtigung mehr gehabt habe und „raus
gehöre“. Dies führte dann dazu, dass der Soldat Mitte Oktober 2006 von seiner
Batterie nach H. wegkommandiert wurde. Auch diese negativen Auswirkungen
seines Dienstvergehens muss sich der Soldat zurechnen lassen. Das Be-
kanntwerden der Verfehlungen des Soldaten bei der Polizei und den sonstigen
mit der Strafverfolgung und Durchführung des Strafverfahrens befassten Per-
sonen ist ebenfalls zu seinen Lasten zu berücksichtigen (vgl. dazu Urteil vom
29. August 2007 a.a.O. m.w.N.), da die Vorfälle bei Außenstehenden ein
schlechtes Licht auf den Ruf der Bundeswehr und ihrer Angehörigen geworfen
hat, in deren Reihen sich der Soldat noch befindet.
cc) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er
vorsätzlich gehandelt hat.
Da dem Soldaten nicht widerlegt werden kann, in den drei Diebstahlsfällen an-
getrunken gewesen zu sein, geht der Senat zugunsten des Soldaten davon
aus, dass dieser zur jeweiligen Tatzeit alkoholbedingt erheblich vermindert
schuldfähig im Sinne des § 21 StGB war (vgl. dazu Urteil vom 7. November
2007 - BVerwG 2 WD 1.07 - BVerwGE 130, 12 = Buchholz 450.2 § 120 WDO
2002 Nr. 2 m.w.N.). Auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme hat dieser
Umstand jedoch keinen schuldmindernden Einfluss. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD
13.07 - m.w.N.) ist bei selbst-
verschuldeter Trunkenheit und dadurch bewirkter verminderter Schuldfähigkeit
eine - nach dem Gesetz (§ 21 StGB analog) im Ermessen des Gerichts stehen-
de - Maßnahmemilderung nicht geboten, weil eine solche sonst der Prämierung
des Fehlverhaltens nahekäme, was mit dem legislatorischen Zweck der Milde-
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rungsvorschrift nicht vereinbar wäre. Ein Fall selbstverschuldeter Trunkenheit
liegt jedenfalls dann vor, wenn der betreffende Soldat - wie hier - für Art und
Umfang des Alkoholgenusses selbst verantwortlich war.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten min-
dern könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Sie wären nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG
2 WD 14.06 -
Nr. 22 m.w.N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt
hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet wäre, dass ein
an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher
auch nicht vorausgesetzt werden könnte. Dazu hat der Senat in seiner gefestig-
ten Rechtsprechung verschiedene - nicht abschließende - Fallgruppen entwi-
ckelt, z.B. ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten
wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ein Han-
deln unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang oder unter Umstän-
den, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat
eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen las-
sen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesitua-
tion (vgl. u.a. Urteil vom 29. August 2007 a.a.O. m.w.N., stRspr).
Die Voraussetzungen eines solchen Milderungsgrundes haben hier zur jeweili-
gen Tatzeit aber nicht vorgelegen.
Dies gilt zunächst für ein mögliches Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage.
Dafür gibt es keine Anhaltspunkte; vom Soldaten wird insoweit auch nichts gel-
tend gemacht. Er hat weder vorgebracht, dass er die gestohlenen Gegenstände
dringend benötigt habe noch dass er sie zu Geld habe verwerten wollen; des-
halb konnten sie auch polizeilich sichergestellt werden. Zwar ist der Soldat in-
zwischen in erheblichem Umfang verschuldet. Diese ungünstige finanzielle Si-
tuation beruht jedoch im Wesentlichen auf der scheidungsbedingten Übernah-
me der Schulden aus der ersten Ehe des Soldaten, wie dieser in der Beru-
fungshauptverhandlung erklärt hat. Die Ehe wurde erst nach Begehung des
Dienstvergehens geschieden.
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Das dreimalige Bestehlen von Kameraden innerhalb eines Zeitraums von etwa
eineinhalb Jahren schließt es ferner aus, von einem einmaligen persönlichkeits-
fremden Versagen eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Solda-
ten in einer außergewöhnlichen Lebensphase zu sprechen (vgl. dazu z.B. Urteil
vom 23. Juni 1981 - BVerwG 2 WD 2.81 - BVerwGE 73, 203 <205>).
Dem Soldaten kann in den drei Diebstahlsfällen auch nicht der Tatmilderungs-
grund des Handelns in einer psychischen Ausnahmesituation zugebilligt wer-
den. Insbesondere vor dem Truppendienstgericht hat sich der Soldat dahin
eingelassen, etwa zehn bis elf Tage vor der ersten Diebstahlshandlung habe er
seine Frau mit seinem besten Freund im Bett vorgefunden; das habe ihn inner-
lich „zertrümmert“. Bei den anderen Vorfällen sei es so gewesen, dass nur we-
nige Tage zuvor ein Schreiben eines Rechtsanwalts mit dem Scheidungsbe-
gehren seiner Frau bzw. ein anwaltliches Schreiben zum Versorgungsausgleich
eingetroffen sei. Aus letzterem sei hervorgegangen, dass er den Kredit allein
tragen müsse. Dies habe ihn wieder völlig in die Tiefe gezogen.
Zwar kann eine durch familiäre Belastung bedingte psychische Ausnahmesitua-
tion eines Soldaten im Einzelfall einen entsprechenden Tatmilderungsgrund
darstellen (vgl. z.B. Urteil vom 1. September 1997 - BVerwG 2 WD 13.97 -
BVerwGE 113, 128 <130 f.> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 16 = NZWehrr 1998,
83). Bei den vom Soldaten geschilderten Umständen handelt es sich jedoch
nicht um so außergewöhnliche, psychisch belastende Situationen, in denen ein
an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht mehr erwartet
werden konnte. Ein Soldat muss auch dann das Eigentum seiner Kameraden
respektieren, wenn er erhebliche eheliche Probleme hat, z.B. seine Frau
„fremdgeht“ oder ihn Anwaltsschreiben seiner scheidungswilligen Ehefrau errei-
chen. Dies gilt umso mehr dann, wenn - wie im Anschuldigungspunkt 1 - der die
angebliche psychische Ausnahmesituation auslösende Vorfall bereits etwa ein-
einhalb Wochen zurückliegt. Schließlich spricht gegen ein Versagen in psychi-
schen Ausnahmesituationen auch der Umstand, dass der Soldat im unmittelba-
ren Anschluss an die drei Diebstahlshandlungen normalen Truppendienst ge-
leistet hat.
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dd) Die Beweggründe für das Fehlverhalten des Soldaten, der sich in der
Hauptverhandlung vor dem Senat als relativ verschlossen gezeigt hat, sind
nicht deutlich geworden. Sowohl nach Entdeckung seiner Taten als auch in der
Berufungshauptverhandlung hat er sich wiederholt dahin eingelassen, er wisse
immer noch nicht, warum er die Sachen mitgenommen habe. Er könne sich
sein Verhalten selbst nicht erklären. Das vermag ihn nicht zu entlasten.
ee) Die vom Soldaten erbrachten dienstlichen Leistungen waren ausweislich
der vom Senat anhand der bei den Akten befindlichen und in die Berufungs-
hauptverhandlung eingeführten dienstlichen Beurteilungen (vom 18. September
2003 und 19. September 2005) bis etwa November 2005 („Leistungseinbruch“)
zufriedenstellend und fielen dann ab; sie können deshalb insoweit nicht zu sei-
nen Gunsten berücksichtigt werden. Nach Aussage des Leumundszeugen P.
vor dem Truppendienstgericht und dem Senat lässt sich das dienstliche Bild
des Soldaten in zwei Phasen aufteilen: Die Zeit von Dezember 2004 bis No-
vember 2005 (erste Phase, Einsatz als Flak-Feldwebel am Waffensystem
GEPARD) und die Zeit danach (zweite Phase, Einsatz als Erkundungsgruppen-
führer). Während der ersten Phase habe er handwerklich sehr gute Leistungen
gezeigt. Als Praktiker mit langjähriger Erfahrung habe er insoweit ein „1A-
Fachwissen“ vorweisen können, welches verbunden mit großer Tatkraft, Flexi-
bilität und Entscheidungsfreude zu sehr erfreulichen Ergebnissen geführt habe,
gerade auch unter Belastung, etwa während Übungen. Unter Last behalte er
den Überblick. Dies sei ein Wesenszug des Soldaten. Heikel sei allerdings sein
gegenüber Mannschaften nicht zeitgemäßer, sehr autoritärer Führungsstil ge-
wesen, was wegen seiner fachlichen Fähigkeiten über intensivere Dienstauf-
sicht und Ermahnungen hinaus keine weiteren Folgen gehabt habe. Ab No-
vember 2005 (zweite Phase) sei der Soldat mit dem Ziel größerer Verwen-
dungsbreite (Antrag auf Übernahme als Berufssoldat) als Erkundungsgruppen-
führer eingesetzt worden, was eine Schwerpunktverlagerung in Richtung theo-
retische Ausbildung und Administration bedeutet habe. Hier habe er sich nicht
bewährt; private Probleme hätten dafür erkennbar keine Rolle gespielt. Es habe
einen Leistungseinbruch gegeben, dessen Umfang erst nach seiner Wegkom-
mandierung deutlich geworden sei. Im Leistungsvergleich sehe er, der Zeuge,
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den Soldaten bezogen auf „Phase 1“ im oberen Drittel, dort aber wegen seines
autoritären Führungsstils am unteren Rand. In der zweiten Phase habe er im
letzten Drittel, und selbst dort noch weit hinten gelegen. In der Gesamtschau sei
er als unterdurchschnittlich zu bezeichnen.
Dem Soldaten ist allerdings zugute zu halten, dass er nach Entdeckung seines
Fehlverhaltens vom Juli 2006 und seiner im Oktober 2006 erfolgten Komman-
dierung nach H. wiederum ansprechende dienstliche Leistungen erbrachte (vgl.
die schriftliche Stellungnahme des Hauptmanns F. vom 5. April 2007 und die
Sonderbeurteilung vom 8. November 2007). Für den Soldaten spricht auch,
dass er sich wenigstens bei den Geschädigten im Fall 2 und 3 entschuldigt hat.
Sein „Geständnis“ kann ihn nicht entlasten. Dem Soldaten blieb nach Entde-
ckung der Taten in aussichtsloser Beweislage praktisch nichts anderes übrig,
als sein Fehlverhalten einzuräumen. Ferner ist zu Lasten des Soldaten zu be-
rücksichtigen, dass er - wenn auch nicht einschlägig - durch den strengen Ver-
weis vom 19. Oktober 2005 wegen wiederholten Zuspätkommens vorbelastet
ist. Dass er strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten war, ist demge-
genüber für die disziplinarische Bemessungsentscheidung nicht von entlasten-
der Bedeutung, da straffreies Verhalten von jedem Soldaten erwartet werden
muss.
Schließlich hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung weder zu erken-
nen gegeben, dass er sich mit seinem Fehlverhalten auseinandergesetzt hat
noch dass er es bedauert. Er wolle es gern rückgängig machen, so sein „letztes
Wort“. Reue kommt darin nicht zum Ausdruck.
ff) Bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastender Umstände ist im Hin-
blick auf Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, das Maß der Schuld so-
wie die Persönlichkeit und bisherige Führung des Soldaten auch nach Auffas-
sung des Senats der Ausspruch einer Dienstgradherabsetzung bis in einen
Mannschaftsdienstgrad unerlässlich. Ob sogar eine Entfernung des Soldaten
aus dem Dienstverhältnis in Betracht käme, brauchte der Senat nicht zu ent-
scheiden. Denn dem Ausspruch einer solchen Maßnahme stünde das Ver-
schlechterungsverbot entgegen.
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Das Gewicht des Dienstvergehens wird geprägt durch eine Reihe erheblich be-
lastender Umstände. Der Soldat, der zur jeweiligen Tatzeit aufgrund seines
Dienstgrades als Oberfeldwebel eine Vorgesetztenstellung inne hatte, hat in
diesem Status nicht nur einmal versagt, sondern hat in drei Fällen „Kamera-
dendiebstähle“ begangen, die zugleich kriminelles Unrecht darstellen. In zwei
Fällen hat er, was ebenfalls schwer wiegt, unter Ausnutzung des sozialen Nah-
bereichs - im Anschuldigungspunkt 3 außerdem der Umzugssituation - das
häusliche Vertrauen der Gastgeber und Wohnungsinhaber missbraucht. Der
Soldat hatte auch wiederholt Gelegenheit, über sein pflichtwidriges Verhalten
nachzudenken, das - nicht geringwertige - Diebesgut (vgl. zur Bagatellgrenze
bei vermögensrechtlichen Dienstvergehen zuletzt Urteil vom 13. Februar 2008
- BVerwG 2 WD 5.07 - m.w.N.) anonym zurückzugeben, insbesondere von wei-
teren Verfehlungen abzusehen. Davon hat er mehr als eineinhalb Jahre keinen
Gebrauch gemacht. Das Fehlverhalten des Soldaten führte zudem nicht nur zu
großer Unruhe im Unteroffizierskorps der Batterie, sondern auch zu der nach-
vollziehbaren Reaktion der Kameraden, dass sie seine Entschuldigung nicht
annahmen und der Meinung waren, „er gehöre raus“.
Nach den eingangs benannten Bemessungsmaßstäben ist aufgrund des erheb-
lichen Gewichts des Dienstvergehens bei der gebotenen objektiven Betrach-
tungsweise (vgl. z.B. Urteil vom 14. November 2007 - BVerwG 2 WD 29.06 -
m.w.N.)
die Dienstgradherabsetzung in einen Mannschaftsdienstgrad Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen. Der Soldat konnte nicht mehr in einem Vorge-
setztendienstgrad verbleiben. Dafür spricht auch der Zweck des Wehrdiszipli-
narrechts, aus spezial- und generalpräventiven Gründen durch die im Gesetz
vorgesehene Disziplinarmaßnahme dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen
Dienstbetrieb wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Neben spezialpräven-
tiven Erwägungen, insbesondere im Hinblick auf seine zuletzt noch in der Beru-
fungshauptverhandlung gezeigte Uneinsichtigkeit in sein Fehlverhalten, war
eine Degradierung in einen Mannschaftsdienstgrad auch deshalb auszuspre-
chen, weil diese Maßnahme über ihren (engeren) Zweck hinaus bekannterma-
ßen auch pflichtenmahnende Wirkung auf die Angehörigen der Bundeswehr im
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Allgemeinen hat (Generalprävention). Der Soldat hat nicht nur in der Mitte sei-
nes auf insgesamt zwölf Jahre angelegten Dienstverhältnisses dreimal schwer
versagt, sondern hat insoweit auch als Vorgesetzter seinen Untergebenen wie-
derholt ein schlechtes Beispiel gegeben. Da sich bei dem engen Zusammenle-
ben und -wirken der Angehörigen der Truppe vielfältige Zugriffsmöglichkeiten
auf fremdes Eigentum und Vermögen nicht vermeiden lassen, ist eine strenge
disziplinarische Reaktion - Zurückstufung in einen Mannschaftsdienstgrad - so-
wohl als angemessene Ahndung eines solchen Fehlverhaltens angezeigt als
auch zur Abschreckung potenzieller Täter geboten.
Mangels Bedeutung und Gewicht der den Soldaten entlastenden Umstände ist
die vom Truppendienstgericht ausgesprochene Herabsetzung des Soldaten in
den Dienstgrad eines Kanoniers letztlich nicht zu beanstanden. Dem Soldaten
stehen keine durchgreifenden Milderungsgründe zur Seite. Auch sein dienstli-
ches Leistungsbild sowie die Tatsache, dass er nicht einschlägig vorbelastet ist,
lassen es angesichts der Schwere der Verfehlungen nicht für geboten erschei-
nen, von einer Degradierung in den untersten Mannschaftsdienstgrad abzuse-
hen und nur eine Zurückstufung, z.B. zum Hauptgefreiten, auszusprechen. Eine
solche Entscheidung wäre allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn in der
Berufungshauptverhandlung im Hinblick auf eine günstige Zukunftsprognose
erkennbar geworden wäre, dass sich der Soldat mit seinem schweren Fehlver-
halten glaubhaft auseinandergesetzt und auch Reue gezeigt hat. Dies war aber
nicht der Fall.
4. Da die Berufung des Soldaten keinen Erfolg hat, hat er gemäß § 139 Abs. 2
WDO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die ihm darin erwachse-
nen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen, ist
gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO unzulässig.
Golze Dr. Müller Dr. Deiseroth
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