Urteil des BVerwG vom 18.04.2013

Soldat, Entsorgung, Gleichheit im Unrecht, Einstellung des Verfahrens

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 16.12
TDG N 7 VL 6/11
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
Herrn Stabsunteroffizier der Reserve …
…,
…,
…,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 18. April 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Schürmann und
ehrenamtlicher Richter Stabsunteroffizier Gambach,
Leitender Regierungsdirektor …
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt …, …,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
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Die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft gegen das
Urteil der 7. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom
2. November 2011, soweit es den Stabsunteroffizier der
Reserve … betrifft, wird mit der Maßgabe zurückgewie-
sen, dass der frühere Soldat wegen eines Dienstverge-
hens in den Dienstgrad eines Unteroffiziers der Reserve
herabgesetzt wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
dem früheren Soldaten darin erwachsenen notwendigen
Auslagen werden dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der 30 Jahre alte frühere Soldat absolvierte nach dem Hauptschulabschluss
eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und leistete Grundwehrdienst.
Zum … 2005 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen.
Seine Dienstzeit wurde auf acht Jahre festgesetzt und endete mit dem … 2012.
Der frühere Soldat wurde im … 2006 zum Stabsunteroffizier befördert.
Seinen Dienst trat er als Unteroffizier bei der …/…bataillon … in R. an, wo er
als Geräteunteroffizier verwendet wurde. Vom … bis zum … 2008 wurde der
frühere Soldat zum Einsatzverband ISAF kommandiert und bei der …kompanie
PRT F. als Geräteunteroffizier verwendet. 2009 wurde sein Dienstposten nach
B. verlegt und er dorthin versetzt.
Seine Leistungen wurden in der planmäßigen Beurteilung vom 15. Dezember
2005 einmal mit „6“, und achtmal mit „5“ bewertet.
In der freien Beschreibung heißt es, er sei ein noch junger und leistungsbereiter
Unteroffizier, der seine Vorgesetzten überzeuge, ohne sich in den Vordergrund
zu drängen. Unauffällig erledige er ihm anvertraute Aufträge mit sehr viel Enga-
gement, Übersicht und stets hoher Qualität. Dabei sei zu bemerken, dass er mit
den ihm anvertrauten Aufgaben wachse. Trotz der noch fehlenden Ausbildung
beherrsche er das Verfahren der dezentralen Beschaffung von Ersatzteilen und
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bringe sich in diese Aufgabe voll und ganz ein. Vor allem in den vergangenen
drei Monaten habe Unteroffizier … sich diesbezüglich stark entwickelt. Seine
Arbeitsweise sei bei der Buchführung sehr ordentlich, übersichtlich und jeder-
zeit nachvollziehbar. Im Umgang mit den zivilen Vertragspartnern zeige er im-
mer mehr Verhandlungsgeschick, sei höflich und dennoch konsequent. Gegen-
über seinen Kameraden sei er kameradschaftlich und hilfsbereit. Vorgesetzten
zolle er stets den angemessenen Respekt und sei loyal. Für unbequeme Auf-
träge und Dienste, selbst wenn diese kurzfristig zu erledigen seien und einer
schnellen Entscheidung bedürften, stehe er bereitwillig zur Verfügung. Dabei
zeige sich seine Flexibilität und erneut seine hohe Einsatzbereitschaft. Außer-
dem sei sein Ehrgeiz zu erkennen, den größten Teil der Arbeit in seiner Hand
zu behalten und persönlich zu erledigen. Hier müsse Unteroffizier … noch ler-
nen, Teilaufgaben zu delegieren und so alle ihm zur Verfügung stehenden Kräf-
te und Mittel zur Auftragserfüllung zu nutzen. Er sei psychisch sowie physisch
voll belastbar, zeige gute sportliche Leistungen und zähle aufgrund seiner ho-
hen Leistungsbereitschaft und -fähigkeit zur oberen Halbgruppe der Unteroffi-
ziere ohne Portepee der Kompanie.
Der stellvertretende Bataillonskommandeur stimmte der Beurteilung des Kom-
paniechefs zu. Unteroffizier … sei ein motivierter, junger Unteroffizier ohne Por-
tepee, der trotz der noch ausstehenden Ausbildung durch die hohe Qualität sei-
ner Arbeitsergebnisse besteche. Vom Naturell her eher zurückhaltend, erfülle er
die an ihn gestellten Anforderungen eigenständig und zur vollen Zufriedenheit
seiner Vorgesetzten. Er sei teamfähig und wisse, sich angemessen durchzuset-
zen. Unteroffizier … zeige eine gute physische und psychische Belastbarkeit. Er
solle zunächst die Ausbildung für den Dienstposten des Geräteunteroffiziers
abschließen und danach auf diesem Dienstposten verbleiben, um sich weiterhin
positiv zu entwickeln. Über die in Ansätzen schon erkennbare Eignung für die
Laufbahn der Unteroffiziere mit Portepee solle erst nach ausreichender Bewäh-
rungszeit geurteilt werden.
Ein Beurteilungsbeitrag des Kompaniechefs der …kompanie des PRT in F. vom
21. Oktober 2008 führt als wesentliche Aufgaben des früheren Soldaten den
Empfang, die Prüfung, Lagerung, Bereitstellung, Ausgabe und Rücklieferung
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von NVG/EVG einschließlich Austauschteilen sowie dezentral beschafftem Ma-
terial, die Ausgabe von Material, das in der Materialgruppe gelagert worden sei,
sowie die Verwaltung und Bewirtschaftung der Bettwäsche an.
Stabsunteroffizier … habe durch seine herausragende Leistungsfähigkeit und
persönliche Einsatzbereitschaft bestochen. Auf ihn sei jederzeit Verlass und er
arbeite die umfassenden Aufträge stets zeitnah, vollumfänglich und zur vollsten
Zufriedenheit seiner Vorgesetzten ab. Seine Fachkompetenz sei beispielhaft
ausgeprägt, sein Antrieb vorbildlich entwickelt und seine Dienstauffassung als
vorzüglich zu bezeichnen. Er gehöre in der Materialgruppe zu den absoluten
Leistungsträgern, der durch großes Engagement, Fähigkeit zur Priorisierung
und Schwerpunktbildung, positive Gelassenheit und ausgesprochen bemer-
kenswerte Loyalität gegenüber Auftrag und Vorgesetzten zu überzeugen ver-
mocht habe. Er habe die an ihn gestellten Erwartungen bei weitem übertroffen,
was mit einem Bestpreis gewürdigt worden sei. Stabsunteroffizier … sei den
Herausforderungen eines Einsatzes in N. aufgrund seiner hohen physischen
und psychischen Belastbarkeit vollauf gewachsen und habe sich herausragend
bewährt. Die Erfüllung der Aufgaben wurde mit der Höchstnote „D“ bewertet.
Die Sonderbeurteilung vom 8. März 2012 bewertete die Aufgabenerfüllung auf
dem Dienstposten im Durchschnitt mit „5, 25“.
Sowohl der beurteilende Vorgesetzte als auch der nächsthöhere Vorgesetzte
haben klar gestellt, dass sie den seit dem 1. Dezember 2011 die Bundeswehr-
fachschule in H. besuchenden früheren Soldaten nicht persönlich kennen und
ihre Bewertungen auf die Beurteilungen und Beiträge früherer Disziplinarvorge-
setzter stützen würden.
In der Berufungshauptverhandlung hat der frühere Disziplinarvorgesetzte,
Hauptmann S., als Leumundszeuge zu Person und Führung des früheren Sol-
daten ausgeführt, abgesehen von dem Vorfall habe der frühere Soldat gute bis
sehr gute Arbeit insbesondere im Bereich der dezentralen Beschaffung geleis-
tet. Probleme habe es mit ihm nie gegeben. Es sei alles reibungslos gelaufen.
Der frühere Soldat habe sehr oft einen dienstlich abwesenden Oberfeldwebel
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vertreten müssen und dies auch gut bewältigt. In seiner Vergleichsgruppe sei er
einer der Besten, wenn auch nicht der Beste. Unregelmäßigkeiten oder diszipli-
narisch relevante Auffälligkeiten habe es nie gegeben. Wenn er den früheren
Soldaten im Jahr 2010 noch hätte beurteilen müssen, hätte er die Aufgabener-
füllung auf dem Dienstposten im Schnitt mit „7“ bewertet.
Der frühere Soldat ist Träger u.a. der Schützenschnur Stufe III und der Ein-
satzmedaille ISAF für den Afghanistan-Einsatz in Bronze.
Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 20. April 2010 und die Auskunft aus
dem Zentralregister vom 23. Januar 2013 enthalten keinen Eintrag.
Das mit diesem Verfahren sachgleiche Strafverfahren wurde am 17. Mai 2010
nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt.
Der frühere Soldat ist ledig und hat keine Kinder. Nach der Auskunft der Wehr-
bereichsverwaltung Nord vom 6. Februar 2013 wird die mit 12 346, 20 € brutto
errechnete Übergangsbeihilfe wegen des laufenden Verfahrens nicht ausge-
zahlt. Hiernach stehen dem früheren Soldaten bis zum 3. Januar 2014 Über-
gangsgebührnisse zu, die mit monatlich 1 544,03 brutto € errechnet werden.
In der Berufungshauptverhandlung hat der Soldat ergänzend zu seiner persön-
lichen Situation erläutert, er habe den Realschulabschluss erworben und befin-
de sich in einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung, die er voraussichtlich An-
fang Juli 2013 abschließen werde. Die von ihm in der Hauptverhandlung beim
Truppendienstgericht angegebenen Verbindlichkeiten habe er zwischenzeitlich
beglichen. Er lebe noch bei seinen Eltern und zahle diesen keine Miete.
II
1. Nach ersten Ermittlungen in Afghanistan zur Unterschlagung von Ausrüs-
tungsgegenständen im PRT F. durch den Hauptfeldwebel K. und andere, da-
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runter den früheren Soldaten, sind auf der Grundlage eines Durchsuchungs-
und Beschlagnahmebeschlusses des Truppendienstgerichts Nord vom 2. De-
zember 2008 am Standort des früheren Soldaten im Inland seine Gepäckstücke
aus Afghanistan durchsucht, eine Oakley-Brille mit Etui und Austauschgläsern
gefunden und beschlagnahmt worden.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 13. Mai 2009 den Kommandeur
der …division zur zuständigen Einleitungsbehörde unter anderem in dem Ver-
fahren gegen den früheren Soldaten bestimmt. Das Verfahren ist nach Anhö-
rung des früheren Soldaten mit Verfügung des Kommandeurs der …division
vom 22. Februar 2010 eingeleitet worden. Die Vertrauensperson ist angehört
und ihre Stellungnahme dem früheren Soldaten bekannt gegeben worden.
Dem Verteidiger des früheren Soldaten ist Einsicht in die Ermittlungsakte und
im Rahmen des Schlussgehörs nach Mitteilung der gegenüber der Einleitungs-
verfügung modifizierten Vorwürfe Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme
gewährt worden, von der er auch Gebrauch gemacht hat.
Daraufhin hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldi-
gungsschrift vom 3. Januar 2011 die Annahme einer Einsatzbrille zu privaten
Zwecken ohne Unterschrift in einer Materialausgabeliste, die Annahme zweier
dienstlicher GPS-Geräte zu privaten Zwecken ohne Unterschrift in einer Mate-
rialausgabeliste sowie die gemeinsam mit einem Oberbootsmann durchgeführte
Entsorgung von 25 funktionstüchtigen GPS-Geräten auf einem Müllabladeplatz
in F. als Dienstvergehen zur Last gelegt. Mit einer in der Hauptverhandlung vor
dem Truppendienstgericht ausgehändigten Nachtragsanschuldigungsschrift
vom 2. November 2011 sind zusätzlich hilfsweise der Vorwurf bezüglich der
Annahme der Einsatzbrille hinsichtlich des Tatzeitpunktes und der Vorwurf be-
züglich der Entsorgung von funktionstüchtigen GPS-Geräten hinsichtlich der
Anzahl der entsorgten Geräte modifiziert worden.
Durch Beschluss des Vorsitzenden der Truppendienstkammer vom 18. Oktober
2011 sind die Verfahren gegen den früheren Soldaten und den an der Entsor-
gung der GPS-Geräte auf einem afghanischen Müllabladeplatz beteiligten
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Oberbootsmann zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden
worden.
In der unter Beteiligung eines Fregattenkapitäns und eines Hauptfeldwebels als
ehrenamtliche Richter am 1. und 2. November 2011 durchgeführten Hauptver-
handlung hat die Truppendienstkammer auf eine Rüge der fehlenden Zustän-
digkeit der Einleitungsbehörde und einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens
am 1. November 2011 die Fortsetzung des Verfahrens und die Zurückweisung
der Besetzungsrüge der Verteidiger der angeschuldigten Soldaten beschlossen.
2. Die 7. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Urteil vom 2. No-
vember 2011 den damals noch aktiven Soldaten in den Dienstgrad eines Un-
teroffiziers herabgesetzt.
Ihrer Entscheidung legt die Kammer folgende Sachverhaltsfeststellungen zu-
grunde:
„Zu Anschuldigungspunkten 2 und 3 betreffend den Sol-
daten zu 2. (StUffz …):
Aufgrund eines Buchungsfehlers außerhalb der Material-
gruppe kam es zu einem größeren rechnerischen Überbe-
stand an GPS-Geräten ,GARMIN Typ 72’ in dem vom
Zeugen zu führenden Lagerbereich. Zu einem nicht mehr
näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen etwa Anfang …
und Mitte … 2008, wahrscheinlich in der 2. …woche 2008,
kam der Zeuge HptFw K. auf die Idee, aus diesem Über-
bestand heraus ,Leistungsprämien’ als ,Dankeschön’ ins-
besondere an die ihm unterstellten Soldaten, ,an seine
Mannschaft’, zu verteilen. Zusammen mit wenigstens noch
einem weiteren Angehörigen der MatGrp begab er sich
deshalb zu einem der Lagercontainer, entnahm einige
Kartons mit GPS-Geräten und kehrte mit seinem Begleiter
in den Aufenthaltsbereich der MatGrp zurück, wohin er die
ihm unterstellten Soldaten ,zusammengetrommelt’ hatte,
um ihnen jeweils einen GPS-Empfänger zu überreichen
oder durch seinen Helfer überreichen zu lassen. Die Ver-
teilung erfolgte wie von K. geplant, wobei er sinngemäß
äußerte: ,Weil ihr gute Arbeit gemacht habt, könnt ihr die
behalten, die sind für euch!’.
Neben einer Reihe von Kameraden erhielt auch der Soldat
zu 2. ein solches GPS-Gerät ,geschenkt’. Darüber hinaus
erbat er sich vom Zeugen HptFw K., nach seiner Schilde-
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rung nicht allzu lange danach, einen weiteren GPS-
Empfänger, den er auch wunschgemäß vom Zeugen er-
hielt, um ihn für sich zu behalten und sei es auch nur der-
gestalt, dass er ihn ggf. als lagerinternes Tauschobjekt
nutzen könnte.
Das zuerst von K. erhaltene Navigationsgerät gab der Sol-
dat zu 2. an einen ,guten Kumpel’, einen Stabsunteroffizier
(StUffz) H., der ,als Sani oft draußen auf »Long Time Pa-
trol«’ war, ohne buchungsmäßige Erfassung weiter.
Der Soldat zu 2. hat sich eingelassen, er habe einen GPS-
Empfänger überhaupt nicht brauchen können, er könne
damit nicht einmal umgehen, er sei kein Bergsteiger oder
ähnliches. Er habe deshalb das bei ihm verbliebene Gerät
originalverpackt in einer Schublade im NVG/EVG-Lager
verstaut, sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht
und sich insbesondere auch nichts Böses dabei gedacht.
Was die Überlassung eines GPS-Empfängers an den
StUffz H. anbelange, habe er sich gedacht, ,dem tue ich
was Gutes’. Es sei ja nicht verkehrt, wenn ein zusätzlicher
Mann bei einer solchen Patrouille über ein GPS-Gerät ver-
füge. Was damit dann später passieren sollte, habe ihn in
diesem Augenblick überhaupt nicht beschäftigt, daran ha-
be er keinen Gedanken verschwendet. Er habe zudem zu
diesem Zeitpunkt auch noch nicht erkannt gehabt, dass es
sich um dienstliche Geräte gehandelt habe.
Die Kammer hat dem Soldaten zu 2. nicht abgenommen,
er sei hinsichtlich des an StUffz H. weitergegebenen GPS-
Empfängers davon ausgegangen, es hätte sich nicht um
ein dienstlich geliefertes Gerät aus dem Bestand des
Bundes gehandelt. Dass der Soldat zu 2. geglaubt haben
will, sein TEFhr habe auf eigene Kosten für die ihm unter-
stellten Soldaten für mehrere hundert Euro GPS-
Empfänger beschafft, um diese als Anerkennung für ge-
leistete Unterstützung damit zu beschenken, konnte die
Kammer als völlig lebensfremd nicht nachvollziehen. Der
Soldat zu 2. hat sich auch insoweit ,festgelogen’, als er ei-
nerseits vorgab, an einem GPS-Gerät gar kein Interesse
gehabt zu haben, aber andererseits nach der Weggabe
des zuerst von K. im Rahmen der Verteilaktion empfange-
nen Gerätes diesen wegen eines zweiten GPS angespro-
chen und daraufhin ein weiteres Gerät erhalten hat.
Der Kammer ist insoweit nicht entgangen, dass ein GPS-
Empfänger nicht nur zur Positionsbestimmung sondern
auch als Tausch- oder Verkaufsobjekt genutzt werden
kann.“
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„Zu den unter 1. gegen die Soldaten in den verfügenden
Teilen der Anschuldigungsschriften bzw. der Nachtrags-
anschuldigungsschriften erhobenen Vorwürfen (,Schutz-
brillen’):
Ungefähr in der Mitte der Stehzeit der Soldaten in Afgha-
nistan wurden in der MatGrp ballistische Schutzbrillen der
Marke OAKLEY angeliefert, die für diejenigen Angehöri-
gen des Folgekontingents bestimmt waren, die aufgrund
ihrer Aufgaben, z.B. in der Sicherungstruppe, erhöhten
Gefahren ausgesetzt waren. Diese ,OAKLEY SIM-Frame-
Array-Brillen’ dienen u.a. dem Schutz des Augenlichts vor
kleinen Granat- und Sekundärsplittern und konnten sei-
nerzeit wegen Lieferengpässen nicht in ausreichendem
Maße an die Truppe ausgegeben werden. Vor diesem
Hintergrund kam etwa Mitte/Ende … 2008 ein Soldat auf
den Zeugen HptFw K. zu und fragte, ,ob er eine der
OAKLEY-Brillen ohne Unterschrift bekommen könnte’. Der
Zeuge ging daraufhin u.a. mit dem Soldaten zu 1. zum
entsprechenden Lagercontainer, öffnete vorsichtig einige
Kartons, entnahm jeweils eine geringe Menge von Brillen
und verschloss die Kartonagen so, dass die Manipulatio-
nen kaum zu bemerken waren. Von den über zehn auf
diese Weise entwendeten Brillen gab der Zeuge dem Bitt-
steller eine und verteilte später (aber noch am selben Tag)
den Rest wie gehabt: Er rief die ihm unterstellten Soldaten
zusammen und kommentierte die von ihm vorgenommene
Verteilung sinngemäß mit den Worten: ,Es handelt sich
um ein Bonbon für die gute Arbeit, die geleistet wurde, die
könnt ihr behalten.’
Auch die beiden Soldaten erhielten bei dieser Verteilaktion
jeweils eine solche Brille, obwohl sie als ,Nachschieber’
nur selten das Feldlager und seinen Nahbereich, wie das
Flugfeld, verließen und deshalb nicht zu den Soldaten ge-
hörten, welche auf die Brillen wegen der Gefährlichkeit ih-
rer Einsatzaufgaben besonders angewiesen waren.
(…)
Der Soldat zu 2. verschickte die Brille am Ende seiner
Stehzeit mit seinem sogenannten ,unbegleiteten Gepäck’
in die Heimat. Er hat angegeben, wie auch den anderen
Kameraden habe der Zeuge HptFw K. ihm das Etui mit
der Brille zugeworfen, weitere Details seien ihm nicht erin-
nerlich. Für ihn habe es sich um eine normale Sonnenbril-
le gehandelt, wie man sie auch auf dem Markt der Afgha-
nen innerhalb des Feldlagers für 10,00 € erhalte, von ihrer
besonderen Funktion, ihrer Schutzwirkung, habe er keine
Kenntnis gehabt. Eine Gravur ,BUND’ oder Ähnliches ha-
be er nicht bemerkt. Er habe sich keine weiteren Gedan-
ken gemacht, woher die Brillen stammten; es sei ein Ge-
schenk gewesen und gut. Auf Nachfrage bestätigte er, die
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Vorschriftenlage über die Nachweisführung sei ihm be-
kannt gewesen. Die vom Soldaten zu 2. behauptete, ja ge-
radezu zur Schau gestellte Gutgläubigkeit hat ihm die
Kammer auch hier nicht abgenommen. So großzügig auf
eigene Kosten an Untergebene Geschenke verteilende
Vorgesetzte sind nämlich der Kammer bislang noch nicht
untergekommen. Und dass der Soldat zu 2. - ein durchaus
wacher junger Mann - die Gravur nicht bemerkt haben will,
erscheint nicht als plausibel. Ganz davon abgesehen,
dass es sich mit Blick auf den Vorlauf hinsichtlich der
GPS-Empfänger etc., aber auch auf die versorgungs-
dienstliche und soldatische Berufserfahrung des Mannes
für ihn geradezu aufdrängen musste: ,Die Sache stinkt!’“
„Zu Hilfsanschuldigungspunkt 3 (OBtsm T.) bzw. Hilfsan-
schuldigungspunkt 4 (StUffz …) - Komplex ,Entsorgung
von GPS-Geräten’:
Gegen Ende der Stehzeit der Soldaten und des Zeugen in
Afghanistan wurde seitens der J4-Leiste im Einsatzland
plötzlich nach den GPS-Empfängern gesucht. Als die
Nachforschungen keinen Erfolg hatten, wurde seitens der
Vorgesetzten der Druck erhöht, bis schließlich sogar der
,J4’ , ein Oberstleutnant H., den Zeugen und die noch im
Einsatzland verbliebenen Angehörigen der MatGrp inten-
siv nach dem Verbleib des Materials befragte.
Da der Zeuge HptFw K. und die beiden Soldaten wussten,
dass aufgrund der ,Schenkungsaktion’ die in die MatGrp
gelieferten Empfänger nicht mehr vollzählig waren und ei-
ne zügige Rückholung der verteilten Geräte nicht möglich
war, weil ein Teil der ,Beschenkten’ bereits in die Heimat
zurückgekehrt war, beratschlagten sie, wie sie vermeiden
könnten, ,dass das Fehlen der verschenkten GARMINS
aufkommt’.
Der Zeuge HptFw K. hat den Hintergrund dieser Beratung
wie folgt gekennzeichnet: ,Wenn ich nicht mehr weiter
weiß, bild' ich einen Arbeitskreis.’ Man habe hin- und he-
rüberlegt, die gemeinsam gefundene Lösung sei gewesen,
die ,Dinger’ beiseite zu schaffen. Das Problem habe darin
bestanden, sie so zu verstecken, dass sie nicht gefunden
werden, weshalb sie schließlich auf die Idee verfallen sei-
en, die verbliebenen GPS-Geräte, etwa ein Dutzend, über
den Müll zu entsorgen. Er, K., habe dann hierzu das Start-
signal gegeben.
Die beiden Soldaten holten daraufhin mit einem Gabel-
stapler die Boxpalette mit den GPS-Empfängern von ei-
nem Containerdach, wohin sie vorübergehend aus dem
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Blickfeld geräumt worden waren, herunter, packten sie in
baue Müllsäcke und warfen sie in einen nahe der MatGrp
befindlichen Müllcontainer.
Einige Zeit nach dessen Leerung durch eine Vertragsfirma
des Bundes meldete sich der afghanische Aufseher der
örtlichen Müllkippe bei den Feldjägern und machte sie auf
die von ihm entdeckten, größtenteils noch originalverpack-
ten Geräte aufmerksam, wodurch sieben GPS-Empfänger
zurückgeführt werden konnten, und die vorliegenden Ver-
fahren mit ausgelöst wurden.
Beide Soldaten haben die ,Entsorgungsaktion’ einge-
räumt, jedoch den vom Zeugen HptFw K. beschriebenen
,Kriegsrat’ bestritten. Sie hätten von HptFw K. nur den Be-
fehl erhalten, die GPS-Geräte über den Müll zu entsorgen
und diesen Befehl hätten sie ohne weitere Nachfrage, oh-
ne sich dabei etwas zu denken, ausgeführt.
Die Kammer hat diese Einlassungen als nicht glaubhafte
Schutzbehauptungen gewertet. Dass ein erfahrener Por-
tepeeunteroffizier und ein erfahrener Stabsunteroffizier
,nagelneue’, zum Teil originalverpackte, voll funktionstüch-
tige GPS-Geräte aus Beständen der Bundeswehr auf Be-
fehl ihres Teileinheitsführers, eines Portepeeunteroffiziers,
ohne Not und widerspruchslos, sogar ohne jegliche nähe-
re Nachfrage, vernichtet haben wollen, ist völlig fernlie-
gend. Beide Soldaten sind nämlich alles andere als intel-
lektuell minderbegabt oder von Schüchternheit geprägt. Im
Gegenteil, sind sie doch durchaus selbstbewusst und auf-
geweckt vor der Kammer aufgetreten.
Der Zeuge HptFw K. hat ferner ohne jeglichen Belas-
tungseifer, ruhig und sachlich ausgesagt, sein eigenes
Fehlverhalten nicht beschönigt, seine Verantwortung als
Impulsgeber für die den Soldaten zur Last liegenden
Sachverhalte eingeräumt und insbesondere erklärt, er ha-
be nach der Beratung mit den beiden Soldaten das Start-
signal zur Entsorgung der GPS-Geräte gegeben.
Der Zeuge hatte darüber hinaus auch kein Motiv für eine
Falschaussage, denn wie er durchaus treffend ausgeführt
hat, sei er unabhängig von seiner Aussage ,doch so oder
so fällig’. Er habe zunächst, zu Beginn seiner Vernehmun-
gen, alles auf sich genommen, um seine Leute soweit als
möglich zu decken. Erst nach einem Gespräch mit dem
Militärpfarrer habe er ,reinen Tisch’ gemacht und eine wei-
tere Vernehmung initiiert. Umfang und Tragweite der Sa-
che wäre bei so vielen Beteiligten ohnehin nicht zu ver-
bergen gewesen.“
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Der Soldat habe damit ein Dienstvergehen begangen. Durch die Weitergabe
eines GPS-Gerätes an Stabsunteroffizier H. und die Entgegennahme eines wei-
teren Gerätes für sich jeweils ohne die befohlene Nachweisführung habe er
vorsätzlich die Pflichten zum treuen Dienen, zum Gehorsam und die Wohlver-
haltenspflicht verletzt. Die Annahme der ballistischen Schutzbrillen ohne die
befohlene Nachweisführung verletze ebenfalls vorsätzlich die Pflichten zum
treuen Dienen, zum Gehorsam und die Wohlverhaltenspflicht. Durch die Mitwir-
kung an der „Entsorgung“ von mindestens sieben GPS-Geräten habe der Sol-
dat vorsätzlich gegen die Pflichten zum treuen Dienen und zu dienstlichem
Wohlverhalten verstoßen.
Zur Bemessung der Maßnahme führt das Truppendienstgericht im Wesentli-
chen Folgendes aus: Der Vernichtung von für den Einsatz vorgesehenen
Wehrmaterials komme besondere Bedeutung zu. Die Materialien seien dem
Soldaten zwar nicht anvertraut gewesen, als langjährigem Angehörigen der
Versorgungsdienste habe er aber eine Garantenstellung inne gehabt. Der Sol-
dat habe das Vertrauen in seine persönliche Integrität durch den Zugriff auf Ei-
gentum des Dienstherrn und die Vereitelung einer einsatzgemäßen Ausstattung
von Kontingentsangehörigen erheblich beschädigt. Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen sei eine Dienstgradherabsetzung in den Mannschaftsstand.
Als Milderungsgrund sei die Veranlassung zum Tun durch einen Vorgesetzten
zu werten, zumal der Soldat über lange Jahre ansprechende Leistungen er-
bracht habe. Eine Herabsetzung um einen Dienstgrad sei daher ausreichend.
Dass andere beteiligte Soldaten nur mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme
gemaßregelt worden seien, verlange kein Absehen von dieser Maßnahme, da
es keine Gleichheit im Unrecht gebe. Ob die Differenzierungen zwischen ein-
zelnen Fällen von Beteiligung verschiedener Soldaten angemessen sei, sei da-
her unerheblich.
3. Gegen das ihr am 27. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat die Wehrdiszipli-
naranwaltschaft am 23. Januar 2012 beschränkt auf die Bemessung der Maß-
nahme zu Ungunsten des früheren Soldaten Berufung eingelegt.
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Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei die Herabsetzung in einen
Mannschaftsdienstgrad. Der Soldat habe als Angehöriger der Versorgungs-
dienste im Einsatzgebiet Verantwortung für die angemessene Ausstattung der
Kontingentsangehörigen und ein Näheverhältnis zum Material gehabt. Diese
Nähe habe er für den Zugriff ausgenutzt und eine angemessene Ausstattung
der Kontingentsangehörigen konterkariert. Die Veranlassung durch einen Vor-
gesetzten sei kein anerkannter Milderungsgrund und gelte nicht für alle An-
schuldigungspunkte. Der frühere Soldat sei von dem Vorgesetzten nicht ge-
drängt oder genötigt worden. Das Dienstvergehen sei besonders verwerflich,
weil das Vermögen des Dienstherrn vorsätzlich geschädigt und in einem gefähr-
lichen Einsatz besonders gefährdeten Patrouillesoldaten wichtige Ausrüstungs-
gegenstände entzogen worden seien. Zudem sei durch die Entsorgung von
GPS-Geräten die Gefahr ihres Missbrauches durch Aufständische geschaffen
worden. Die unverhältnismäßige Milde zeige der Vergleich mit dem Urteil gegen
den weniger intensiv beteiligten, aber in gleichem Umfang degradierten Ober-
bootsmann.
III
Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 WDO form-
und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Maß-
gabe dient der Klarstellung des Entscheidungstenors im Hinblick auf das nach
dem Urteil der Vorinstanz erreichte Dienstzeitende des früheren Soldaten.
Das von der Wehrdisziplinaranwaltschaft eingelegte Rechtsmittel ist auf die
Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt. Der Senat hat daher gemäß
§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und Schuld-
feststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstge-
richts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage über
die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
1. Das Truppendienstgericht hat festgestellt, dass der frühere Soldat zwei GPS-
Geräte, die - wie er gewusst habe - aus dem Bestand des Bundes stammten,
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bewusst ohne listenmäßige Erfassung als Geschenk für gute Arbeit angenom-
men, und eines der Geräte an einen Kameraden weitergegeben, das andere für
sich behalten habe. Damit habe er vorsätzlich die Pflichten aus §§ 7, 11 Abs. 1
und 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. Weiter habe der Soldat auch eine ballistische
Schutzbrille, die - wie er gewusst habe - aus dem Bestand des Bundes stamme,
bewusst ohne die befohlene Nachweisführung als Geschenk angenommen.
Damit habe er vorsätzlich die Pflichten aus §§ 7, 11 Abs. 1 und 17 Abs. 2
Satz 1 SG verletzt. Schließlich habe der Soldat gemeinsam mit dem Ober-
bootsmann und nach Absprache mit dem dieses Vorgehen initiierenden Haupt-
feldwebel K. weitere mindestens sieben GPS-Geräte aus dem Bestand des
Bundes in einem Müllcontainer entsorgt. Damit habe er vorsätzlich die Pflichten
aus §§ 7 und 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt.
Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Se-
nat damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstge-
richt rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden.
Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Be-
rufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern
nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Ur-
teils bestimmt.
Der Senat ist allerdings nicht gehindert, zusätzliche für die Maßnahmebemes-
sung erhebliche Feststellungen zum Tathergang zu treffen, solange dies weder
im Widerspruch zu den Tat- und Schuldfeststellungen der Truppendienstkam-
mer steht noch dadurch deren rechtliche Würdigung in Frage gestellt wird. Dies
betrifft vorliegend die Frage des „Anvertrautseins“ der in Rede stehenden Zu-
griffsobjekte. Die tatsächlichen Feststellungen des Truppendienstgerichts und
seine diesbezügliche rechtliche Würdigung sind Teil der Bemessungserwägun-
gen und daher für den Senat nicht bindend.
wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen.
Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen
Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstel-
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lung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bun-
deswehr“, vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz
450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinar-
maßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwe-
re des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Per-
sönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten
zu berücksichtigen. Hiernach ist das Dienstvergehen durch eine Dienstgradhe-
rabsetzung angemessen, durch eine Herabsetzung zum Unteroffizier aber auch
ausreichend sanktioniert.
a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Un-
rechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienst-
pflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen, dessen Schwerpunkt im Zugriff
auf bzw. in der unberechtigten Entsorgung von im Eigentum des Dienstherrn
stehenden Ausrüstungsgegenständen liegt, schwer.
aa) § 7 SG umfasst auch die Pflicht, das Vermögen des Dienstherrn zu schüt-
zen. Für einen im Bereich der Materialverwaltung eingesetzten Soldaten han-
delt es sich um eine Kernpflicht, deren Verletzung durch den eigen- oder
fremdnützigen Zugriff auf Objekte im Eigentum des Dienstherrn oder deren
Vernichtung bzw. unberechtigte Entsorgung schwer wiegt.
Auch die mit den Zugriffsdelikten zugleich verwirklichte Verletzung der Pflicht zu
achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt
schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbst-
zweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen
Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbe-
triebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Ach-
tung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorge-
setzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militä-
rischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Be-
einträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten
ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war
(stRspr, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 -
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m.w.N. - und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris - Rn. 29). Dies war
hier der Fall.
bb) Das Gewicht der Pflichtverletzung wird aber nicht dadurch erhöht, dass die
fraglichen Objekte dem früheren Soldaten anvertraut gewesen wären.
aaa) Anvertraut ist ein Objekt einem Soldaten, wenn diesem dafür eine beson-
dere dienstliche Schutz- und Verwendungspflicht und damit auch eine Garan-
tenstellung übertragen worden ist. Denn Anvertrauen ist - im Wehrdisziplinar-
recht nicht anders als im Strafrecht - die Hingabe oder das Belassen einer Sa-
che durch den Eigentümer oder sonst Berechtigten zum Verwalten und Ver-
wenden in dem Vertrauen, der Besitzer werde mit der ihm überlassenen Sache
ausschließlich i.S.d. Anvertrauenden verfahren, sie also nur in seinem Sinne
aufbewahren, verwenden und sie schützen. Eine demjenigen Soldaten ver-
gleichbare Vertrauensposition, dem Material dienstlich zur Verwahrung und
Verwaltung anvertraut ist, hat auch derjenige, der dafür Sorge zu tragen hat,
dass Material ausschließlich zu dienstlichen Zwecken angefordert und verwen-
det wird (Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 25). Al-
lein die Möglichkeit des Zugriffs auf diese Gegenstände reicht für eine Feststel-
lung des Anvertrautseins nicht aus (vgl. Urteil vom 13. Januar 2011 a.a.O.
Rn. 23 m.w.N.).
Von einem Zugriff auf einen einem Soldaten anvertrauten Gegenstand ist nur
dann auszugehen, wenn er sich bei gewöhnlichem Ablauf regulär im Arbeitsbe-
reich des Soldaten befindet und dieser sich auch faktisch gewöhnlich mit der
Verwahrung und Verwaltung von derartigen Gegenständen befasst. Dass eine
Befassung mit dem fraglichen Objekt aufgrund von Einzelweisungen im Be-
darfsfall nicht auszuschließen ist, rechtfertigt dagegen die mit der Feststellung
des Anvertrautseins regelmäßig verbundene höhere Sanktionsdrohung nicht.
bbb) Hiernach war im Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungshaupt-
verhandlung nicht feststellbar, dass dem früheren Soldaten seitens des Dienst-
herrn eine Pflichtenstellung übertragen worden war, die bei einem Versagen die
Verhängung der Höchstmaßnahme gerechtfertigt hätte.
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Nach der Einlassung des früheren Soldaten befand sich sein Arbeitsplatz inner-
halb des Tornadozeltes in einem abgetrennten Bereich, in dem aus Metallkisten
Ausgabefächer errichtet worden waren, in die er die für die einzelnen Teileinhei-
ten angeforderten Verbrauchsmaterialien einzusortieren und an diese auszuge-
ben hatte. Dort hätten sich auch Regale mit Schubladen für Mengenver-
brauchsgüter (MVG) befunden. In diesen Schubläden habe er auch mehrere
GPS-Geräte vorgefunden, ohne dass diese dort allerdings korrekt einsortiert
worden seien. Außerhalb des Zeltes hätten sich Container befunden. Der Con-
tainer mit der Bettwäsche habe regelmäßig offengestanden und er habe - wie
andere Kameraden der Materialgruppe auch - Bettwäsche hieraus ausgegeben.
Was sich in den verschlossenen Containern im Umfeld des Bürocontainers des
Leiters der Materialgruppe befunden habe, habe er nicht genau gewusst. Einen
Schlüssel für diese Container habe er nicht gehabt.
Weder der damalige Fachvorgesetzte, der Zeuge Oberstleutnant H., noch der
für ihn regelmäßig Aufgaben der Dienstaufsicht über die Materialgruppe wahr-
nehmende Zeuge Stabsfeldwebel a.D. R., haben sich an die konkrete Aufga-
benverteilung innerhalb der Materialgruppe erinnern können. Beide haben da-
her auch nicht bestätigen können, dass der frühere Soldat mit der Verwaltung
oder Verteilung von ballistischen Schutzbrillen oder GPS-Geräten befasst war.
Sie haben darauf verwiesen, dass die konkrete Aufgabenverteilung dem Leiter
der Materialgruppe, dem Zeugen Hauptfeldwebel K., oblegen habe, wobei al-
lerdings unter den Bedingungen eines Auslandseinsatzes jeder in der Material-
gruppe beschäftigte Soldat in die Erledigung aller schnell zu erledigenden Auf-
gaben eingebunden worden sei, wenn Sachzwänge dies erforderten.
Der Zeuge Hauptfeldwebel K. hat in der Berufungshauptverhandlung den Ar-
beitsplatz des früheren Soldaten als eine abgetrennte Ecke im hinteren Bereich
des Tornadozeltes im MVG/EVG-Lager beschrieben, in dem kleinteilige Ver-
brauchsgüter unterschiedlichster Art gelagert worden seien. Die ballistischen
Schutzbrillen und die GPS-Geräte seien in den verschlossenen Containern
außerhalb des Tornadozeltes gelagert gewesen. Er selbst habe Schlüssel zu
diesen Containern gehabt. Weitere Schlüssel hätten sich in seinem im - tags-
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über regelmäßig unverschlossenen - Bürocontainer befindlichen Schlüsselkas-
ten befunden, dessen Schlüssel dort im Schloss gesteckt habe. Jeder Mitarbei-
ter der Materialgruppe habe Zugang zu seinem Bürocontainer gehabt. Im
Arbeitsbereich des früheren Soldaten hätten sich normalerweise weder Brillen
noch GPS-Geräte befinden sollen. Wenn GPS-Geräte dort in Schubladen auf-
gefunden worden seien, seien sie vermutlich von dem Oberfeldwebel Kl. in Vor-
bereitung einer Verteilung solcher Geräte an die Kameraden der Materialgruppe
dort hingelegt worden.
Der Senat glaubt dem früheren Soldaten die Darstellung seines Zuständigkeits-
bereichs innerhalb der Materialgruppe des PRT F. deshalb, weil sie in Überein-
stimmung mit den Angaben der Zeugen steht und weil der frühere Soldat auch
ein für ihn ungünstiges Faktum - das Vorhandensein einzelner GPS-Geräte in
Schubladen innerhalb des Tornadozeltes - eingeräumt und damit deutlich ge-
macht hat, dass er an einer wahrheitsgemäßen Aufklärung des Sachverhaltes
uneingeschränkt mitwirken will.
Hiernach ist nicht feststellbar, dass ballistische Schutzbrillen und GPS-Geräte
nach der Organisation des Materiallagers durch den Materialverantwortlichen,
den Zeugen Hauptfeldwebel K., regulär innerhalb des Tornadozeltes aufbe-
wahrt werden sollten. Die insoweit übereinstimmenden Angaben der Zeugen
und des früheren Soldaten sind auch deshalb plausibel, weil nachvollziehbar ist,
dass in dem gegen unberechtigten Zugriff von außen schlecht zu sichernden
Zelt gewöhnlich nicht sicherheitsempfindliche und nicht besonders wertvolle
Verbrauchsgüter aufbewahrt waren, während wertvollere Ausrüstungsgegen-
stände in den verschließbaren Containern gelagert wurden. Damit ist unerheb-
lich, dass sich einzelne GPS-Geräte irregulär in Schubladen des
MVG/NVG-Lagers befanden.
Es ist auch nicht festzustellen, dass der frühere Soldat auf seinem Dienstposten
regelmäßig mit den fraglichen Zugriffsobjekten befasst war. Der Senat geht vor
dem Hintergrund der insoweit übereinstimmenden Aussagen aller Zeugen da-
von aus, dass die Aufgabenbeschreibung aus dem Beurteilungsbeitrag für den
Auslandseinsatz des früheren Soldaten unrichtig ist, soweit er von einer Zu-
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ständigkeit für „NVG“ spricht, während zutreffend nur von einer Zuständigkeit
für „MVG“ gesprochen werden kann.
Dass der frühere Soldat die Möglichkeit gehabt hätte, sich aus dem Schlüssel-
kasten im Bürocontainer des Materialgruppenleiters einen Schlüssel zu einem
der Container zu nehmen, in dem Schutzbrillen bzw. GPS-Geräte eingelagert
waren, ist unerheblich, weil dieser Umstand nur die Möglichkeit eines Zugriffs
begründet, aber keine Folge einer Übertragung einer Schutzpflicht ist. Wie aus-
geführt ist auch unerheblich, dass der frühere Soldat unter den Bedingungen
einer Arbeitsorganisation im Auslandseinsatz bei Bedarf im Einzelfall auch Auf-
gaben hinsichtlich der in Rede stehenden Gegenstände hätte wahrnehmen
müssen.
cc) Der Gehorsamsverstoß wiegt ebenfalls schwer. Die Pflicht zum Gehorsam
(§ 11 Abs. 1 SG) gehört zu den zentralen Dienstpflichten eines jeden Soldaten.
Alle Streitkräfte beruhen auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Vorsätzli-
cher Ungehorsam stellt daher stets ein sehr ernstzunehmendes Dienstvergehen
dar (Urteil vom 16. März 2011 - BVerwG 2 WD 40.09 - juris Rn. 52 m.w.N.).
Fehlt die Bereitschaft zum Gehorsam, kann die Funktionsfähigkeit der Bundes-
wehr in Frage gestellt sein.
dd) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren da-
durch bestimmt, dass der frühere Soldat aufgrund seines Dienstgrades als
Stabsunteroffizier in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1
und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstel-
lung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen.
Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem
Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich
und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung,
da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen
(§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem
Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Bei-
spielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetzten-
stellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009
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- BVerwG 2 WD 7.08 - Rn. 37 m.w.N. - vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD
20.09 - Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - Rn. 30).
ee)
Schließlich sind bei der Bemessung auch die Schwere des Dienstvergehens
erhöhende, besondere Tatumstände zu berücksichtigen: Hier fällt zum einen ins
Gewicht, dass der frühere Soldat wiederholt gegen dieselben Pflichten, die
Schutzpflicht zugunsten des Vermögens des Dienstherrn und die Gehorsams-
pflicht, verstoßen hat und dabei zudem durch die Nachfrage nach einem weite-
ren GPS-Gerät selbst initiativ geworden ist. Zum anderen erfolgten die Pflicht-
verletzungen während eines Auslandseinsatzes und betrafen für Kameraden
vorgesehene einsatzwichtige Ausrüstungsgegenstände.
b) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen für die Vermögensinte-
ressen des Dienstherrn. Diese wurden durch die Zueignung und die Entsorgung
zumindest gefährdet. Die Höhe des dem Dienstherrn infolge der vom Truppen-
dienstgericht festgestellten Pflichtverletzungen (drohenden) Schadens bewegte
sich im unteren vierstelligen Bereich, da die - in die Berufungshauptverhandlung
durch Verlesung der Angaben des Kommandeurs des …bataillons … an die
Kreispolizeibehörde L. vom 8. Juli 2009 eingeführten - Anschaffungspreise für
die Bundeswehr mit 268 € für die Schutzbrillen und mit 200 € für die GPS-
Geräte anzusetzen sind. Selbst wenn man die niedrigeren Erwerbspreise bei
einem Erwerb im Internet zugrunde legen würde, läge weder hinsichtlich der
einzelnen Pflichtverletzungen noch bei einer Gesamtbetrachtung ein Vermö-
gensschaden bzw. eine Vermögensgefährdung im Bagatellbereich (vgl. Urteil
vom 16. März 2011 - BVerwG 2 WD 40.09 - juris Rn. 30 m.w.N.) vor.
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Für konkrete Auswirkungen der Pflichtverletzungen auf die Erfüllung des Auf-
trages des PRT F. im Rahmen des Auslandseinsatzes gibt es keine Anhalts-
punkte. Die Unterschlagung bzw. unberechtigte Entsorgung einsatzwichtiger
Ausrüstungsgegenstände ist allerdings abstrakt geeignet, Kameraden zu ge-
fährden und ihnen die Erfüllung ihres Auftrages zu erschweren. Eine abstrakte
Gefährdung von Kameraden folgt auch aus der Gefahr eines Missbrauchs von
Elektronikteilen der unberechtigt entsorgten GPS-Geräte durch Aufständische.
c) Die Beweggründe des früheren Soldaten sprechen gegen ihn: Er hat aus
wirtschaftlichem Eigennutz und um eine Straftat zu verdecken gehandelt.
d) Das Maß der Schuld des früheren Soldaten wird durch sein vorsätzliches
Handeln bestimmt.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Sol-
daten mindern könnten, wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats
(vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - Rn. 59
m.w.N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat,
von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an
normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch
nicht vorausgesetzt werden konnte. Dazu hat der Senat in seiner gefestigten
Rechtsprechung verschiedene - nicht abschließende - Fallgruppen entwickelt,
z.B. ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder unter
Umständen, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augen-
blickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten er-
scheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Aus-
nahmesituation.
aa) Um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten
tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten handelt es sich schon angesichts
des in jeder einzelnen vom Truppendienstgericht festgestellten Pflichtverletzung
mehraktigen und darüber hinaus wiederholten Handelns nicht. Der frühere Sol-
dat befand sich nicht in einer seelischen Ausnahmesituation und stand auch
nicht unter einem ihn in einen Handlungszwang versetzenden Schock.
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Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der frühere Soldat, dessen wirtschaftli-
che Verhältnisse aktuell geordnet sind, sich zum Tatzeitpunkt in einer wirt-
schaftlichen Notlage befunden haben könnte. Er hat - insbesondere bei der
Weitergabe an Dritte - auch nicht zur Behebung einer Notlage gehandelt.
Der Milderungsgrund eines Mitverschuldens von Vorgesetzten in der Form ei-
ner mangelhaften Dienstaufsicht greift mangels einer Überforderungssituation
(vgl. z.B. Urteile vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01
§ 38 WDO 2002 Nr. 2 und vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris
Rn. 37) nicht ein. Es bedurfte keines hilfreichen Eingreifens der Dienstaufsicht
um zu erkennen, dass sich Soldaten nicht „in Selbstbedienung“ eine Gratifika-
tion aus dem für dienstliche Zwecke angeschafften Material des Dienstherrn
verschaffen oder dieses zur Verdeckung einer Straftat vernichten dürfen.
bb) Maßnahmemildernd ist nach der neueren Rechtsprechung des Senats auch
das Verleiten zu einer Pflichtverletzung durch einen Vorgesetzten zu berück-
sichtigen, wenn ein Soldat durch die Ausnutzung der besonderen Autorität des
Vorgesetzten oder der Befehlsgewalt zur Überwindung von Zweifeln oder Wi-
derständen bzw. durch Umstände in seiner Person unter außergewöhnlichem
Druck steht, der Versuchung, eine unrechtmäßige Handlung zu begehen, nach-
zugeben.
aaa) Wird durch einen Vorgesetzten eine besondere Versuchungssituation ge-
schaffen, die die Hemmschwelle zum Zugriff herabsetzt, bedarf es geringerer
krimineller Energie zu ihrer Überwindung. Diesem geringeren Maß an kriminel-
ler Energie kann ausreichend auch noch mit einer weniger stark eingreifenden
pflichtenmahnenden Maßnahme begegnet werden (vgl. Urteil vom 13. Dezem-
ber 2012 - BVerwG 2 WD 29.11 - juris Rn. 80). In einer stark hierarchisch ge-
prägten Organisationsstruktur wie der Bundeswehr kommt dem beispielgeben-
den Verhalten eines Vorgesetzten hohe Bedeutung zu, wie § 10 Abs. 1 SG zum
Ausdruck bringt. Setzt ein Vorgesetzter durch eigene Pflichtverletzungen und
dem Verleiten Untergebener zur Beteiligung hieran ein schlechtes Beispiel, ist
dies auch in besonderer Weise geeignet, Wertmaßstäbe der Untergebenen zu
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verwirren und deren Hemmschwelle herabzusetzen. Das Verhältnis zwischen
Vorgesetzten und Untergebenen ist allgemein durch Befehlsautorität auf der
einen und Gehorsamsbereitschaft auf der anderen Seite gekennzeichnet (vgl.
Beschluss vom 19. März 1976 - BVerwG 2 WDB 1.76 - BVerwGE 53, 146
<157>). In einem so charakterisierten Verhältnis setzt eine Verleitung zu
pflichtwidrigem Handeln durch einen Vorgesetzten einen Untergebenen auch
dann psychisch unter einen Teilnahmedruck, wenn formal kein Befehl erteilt
wird. Dem Umstand, dass die Verstrickung von Untergebenen in das Fehlver-
halten den Unrechtsgehalt der Pflichtverletzungen des Vorgesetzten erhöht,
korrespondiert eine Minderung der Verantwortlichkeit des Untergebenen für die
Teilnahme, der bei der Bestimmung der angemessenen Sanktion Rechnung zu
tragen ist (vgl. Urteil vom 16. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 11.10 - Rn. 28).
bbb) Diesem Umstand ist auch hier maßnahmemildernd Rechnung zu tragen.
Denn nach dem Eindruck des Senats von der Person des Hauptfeldwebels K.,
seiner in den bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts zu den
Schuldfeststellungen beschriebenen Einflussnahme auf die Soldaten der Mate-
rialgruppe und der besonderen Stellung des früheren Soldaten innerhalb dieser
Gruppe ist durch diesen Vorgesetzten eine besondere Versuchungssituation
geschaffen worden, durch die der frühere Soldat zu den festgestellten Pflicht-
verletzungen verleitet wurde.
Hauptfeldwebel K. hat die Verteilung von Ausrüstungsgegenständen als „Grati-
fikation“ für gute Arbeit initiiert. Er hat bestimmt, welche Gegenstände an wel-
che Soldaten verteilt wurden und damit - auch wenn er einzelne Unterstüt-
zungsfunktionen an Untergebene delegiert hatte - die Herrschaft über das Ge-
schehen behalten und es in seinen wesentlichen Abläufen gesteuert. Auch hin-
sichtlich der „Entsorgung“ der nicht verteilten GPS-Geräte auf einer afghani-
schen Müllhalde hat er nach den Feststellungen des Truppendienstgerichts
nach einer Beratung „das Startsignal gegeben“. Wer auf diese Weise die Um-
setzung eines Beratungsergebnisses initiiert, manifestiert damit die eigene be-
stimmende Stellung innerhalb der beratenden Gruppe und gibt die Autorität des
Vorgesetzten gerade nicht auf.
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Hauptfeldwebel K. ist in der Berufungshauptverhandlung selbstbewusst und
sicher aufgetreten und hat seine kommunikativen Fähigkeiten deutlich gemacht.
Der Zeuge Oberstleutnant H. hat ihn als eher autoritär auftretenden Vorgesetz-
ten mit guter Fachkompetenz und für den Einsatz sehr gut nutzbarer Ausbil-
dung beschrieben. Auch der Zeuge Stabsfeldwebel a.D. R. hat ausgeführt, dass
Hauptfeldwebel K. als Führer im Bereich der Materialgruppe bei den ihm dort
unterstellten Soldaten akzeptiert war. Diese Charaktereigenschaften und Fähig-
keiten sowie sein Verhalten im Zusammenhang der hier in Rede stehenden
Pflichtverletzungen machen ihn zur Zentralgestalt des Geschehens und charak-
terisieren ihn als Haupttäter mit besonders hoher Autorität.
Hinzu kommt auf Seiten des früheren Soldaten, dass dieser gleichsam als „Ex-
terner“ im Rahmen eines Auslandseinsatzes an einem Standort eingesetzt wur-
de, der maßgeblich von einer Stammeinheit betreut wurde, der er selbst nicht
angehörte. In dieser Situation war er - wie er selbst nachvollziehbar und damit
plausibel in der Berufungshauptverhandlung beschrieben hat - in besonderer
Weise auf die Unterstützung seines Teileinheitsführers angewiesen und für die-
se auch dankbar. Er musste sich in den konkreten Kameradenkreis integrieren
und hatte es daher besonders schwer, durch Verweigerung der Teilnahme an
dem Fehlverhalten sich gegen einen autoritär und kompetent auftretenden Teil-
einheitsführer zu stellen. Zudem war er zum Tatzeitpunkt dem Lebensalter nach
deutlich jünger als der Hauptfeldwebel K. und verfügte erst über einen niedrigen
Vorgesetztendienstgrad, während der verleitende Vorgesetzte eine Dienstgrad-
gruppe und drei Dienstgrade über ihm stand. Diese objektiven Umstände las-
sen es nachvollziehbar erscheinen, dass ihm Hauptfeldwebel K. als Autoritäts-
person erschien, deren Einfluss auf ihn nachdrücklich wirken konnte.
e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Füh-
rung“ sprechen die durch die Beurteilungen und den Leumundszeugen Haupt-
mann S. bekundeten Leistungen für den früheren Soldaten. Er hat nicht nur
konstant überdurchschnittliche Leistungen erbracht, sondern war durch die zeit-
intensive Vertretung eines Feldwebeldienstgrades faktisch überwiegend mit den
Aufgaben eines höherwertigen Dienstpostens befasst. Ihm war im Inland im
Bereich der dezentralen Beschaffung eine Vertrauensstellung übertragen, de-
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ren Anforderungen er gerecht wurde. Ins Gewicht fällt vor allem, dass er auch
nach dem Vorfall und unter dem Eindruck der ihn belastenden Ermittlungen in
seinen Leistungen nicht nachgelassen hat.
Für ihn spricht auch die fehlende disziplinäre und strafrechtliche Vorbelastung,
auch wenn diesem Umstand kein großes Gewicht zukommt, da der Soldat
hiermit nur die Mindesterwartungen seines Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt,
aber keine Leistung erbringt, die ihn aus dem Kreis der Kameraden heraushebt.
Nachdrücklicher für ihn spricht, dass die Pflichtverletzungen insoweit persön-
lichkeitsfremd waren, als ihm weder vor noch nach dem Auslandseinsatz Unre-
gelmäßigkeiten oder Unkorrektheiten im Bereich der Materialbewirtschaftung
oder der Buchführung vorgeworfen werden konnten, er sich vielmehr in diesem
Bereich bewährt hatte.
Positiv fällt auch seine Bereitschaft ins Gewicht, an der Aufklärung der Ge-
schehnisse durch seine Aussagen vollumfänglich mitzuwirken. Darin kommt
Unrechtseinsicht zum Ausdruck.
f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstän-
de ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die
Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts eine Dienstgradherabsetzung um ei-
nen Dienstgrad erforderlich, aber auch angemessen. Da dem früheren Soldaten
die Übergangsbeihilfe noch nicht ausgezahlt wurde und er außerdem auch
noch Übergangsgebührnisse erhält und damit als Soldat im Ruhestand gilt (§ 1
Abs. 3 WDO i.V.m. § 3 Abs. 4 Nr. 3 SVG), sind die Maßnahmen nach § 58
Abs. 2 WDO, mithin auch die Dienstgradherabsetzung, rechtlich zulässig.
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Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in sei-
ner gefestigten Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG
2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
handlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen
Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regel-
maßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zu-
messungserwägungen“.
Vergreift sich ein Soldat in Vorgesetztenstellung vorsätzlich an Eigentum oder
Vermögen seines Dienstherrn, so indiziert ein solches schweres Fehlverhalten
nach der Senatsrechtsprechung (vgl. zum Diebstahl z.B. Urteil vom 13. Februar
2008 - BVerwG 2 WD 9.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 4, zur ver-
suchten oder vollendeten Schädigung bzw. Gefährdung des Vermögens des
Dienstherrn durch Betrug z.B. Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 -
Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26) regelmäßig eine Dienstgradherabset-
zung. Erfolgt der vorsätzliche Zugriff im Bereich der dienstlichen Kernpflichten
des Soldaten (z.B. Entwendung „anvertrauten“ dienstlichen Geldes oder Gutes
oder Ausnutzung einer vergleichbaren Vertrauensstellung etwa als Material-
nachweisfeldwebel), so ist bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise in
der Regel die Entfernung aus dem Dienstverhältnis Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen (vgl. z.B. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 -
Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 29 m.w.N. und vom 13. Januar 2011
- BVerwG 2 WD 20.09 - Rn. 44).
Vorliegend ist auf dieser ersten Stufe die Dienstgradherabsetzung in den Blick
zu nehmen, weil - wie ausgeführt - die fraglichen Ausrüstungsgegenstände dem
früheren Soldaten nicht anvertraut waren.
bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hin-
blick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die
Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglich-
keit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der
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auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist
vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie
dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlas-
tenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuld-
haften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw.
niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw.
nach „unten“ zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemes-
sungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn
die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet,
dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.
Hiernach liegen keine erschwerenden Umstände vor, die die Verhängung der
Höchstmaßnahme verlangen würden. Insbesondere rechtfertigt die Höhe des
Schadens bzw. das Ausmaß der Vermögensgefährdung dies noch nicht. Die
Höhe des verursachten Schadens im unteren vierstelligen Eurobereich verleiht
dem Fehlverhalten noch nicht den für die Verhängung der Höchstmaßnahme
notwendigen Schweregrad (vgl. Urteile vom 31. Januar 1991 - BVerwG 2 WD
48.90 - BVerwGE 93, 34 und vom 28. September 1994 - BVerwG 2 WD 22.94
- BVerwGE 103, 172 <175>). Dies wäre erst bei einer Schadenssumme im fünf-
oder sechsstelligen Betragsbereich in Betracht zu ziehen (vgl. Urteile vom
21. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 10.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 7
Rn. 41 und vom 11. Januar 2012 - BVerwG 2 WD 40.10 - juris Rn. 37). Da den
oben angeführten mildernden Umstände allerdings auch gewichtige erschwe-
rende Umständen gegenüber stehen, ist ein Übergehen zu der nächst milderen
Maßnahmeart ebenfalls nicht veranlasst.
Da sich die für den früheren Soldaten sprechenden mildernden Gesichtspunkte
- vor allem die Verleitung durch einen Vorgesetzten, aber auch die guten dienst-
lichen Leistungen, seine Bewährung in verschiedenen Vertrauensstellungen
und die Persönlichkeitsfremdheit der Taten - und die gegen ihn sprechenden
erschwerenden Umstände - namentlich die Wiederholung des Zugriffs und die
Vertiefung des Fehlverhaltens durch das Fragen nach einem weiteren GPS-
Gerät, der Vorgesetztenstellung des früheren Soldaten und sein Versagen ge-
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rade unter den Bedingungen eines Auslandseinsatzes - nahezu gleichgewichtig
gegenüberstehen, hält der Senat eine Herabsetzung in einen Mannschafts-
dienstgrad noch nicht für geboten und eine Herabsetzung um einen Dienstgrad
für ausreichend.
Dass andere am Gesamtgeschehen beteiligte Soldaten nur mit einfachen Maß-
nahmen sanktioniert worden sind, ist für die Bemessung unerheblich und recht-
fertigt auch unter Gleichheitsgesichtspunkten keine mildere Maßnahme. Denn
diese Disziplinarentscheidungen sind zum einen nicht vom Senat getroffen
worden und weisen zum anderen schon wegen der anderen Personen und ih-
res unterschiedlichen Soldatenstatus andere Einzelfallumstände auf (Urteil vom
16. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 11.10 - juris Rn. 32).
Weder § 16 Abs. 1 WDO noch § 17 Abs. 2 bis 4 WDO stehen einer Dienstgrad-
herabsetzung entgegen.
Dass das Strafverfahren nach § 153 StPO ohne Auflage eingestellt wurde, ist
für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nicht erheblich: Strafverfahren
und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe
unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinar-
maßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergel-
tung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden
dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb
aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm
obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzie-
herische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus
dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme aus-
spricht (vgl. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 49,
m.w.N., vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 51 und vom 28. Juni
2012 - BVerwG 2 WD 34.10 - Rn. 112).
3. Da die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft erfolglos geblieben ist, sind
dem Bund gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens auf-
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zuerlegen. Nach § 140 Abs. 3 Satz 1 WDO trägt er auch die dem Soldaten da-
rin erwachsenen notwendigen Auslagen.
Dr. von Heimburg
Dr. Burmeister
Dr. Eppelt
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Wehrdisziplinarrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
WDO
§ 38 Abs. 1, § 58 Abs. 7
SG
§ 7, § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 17 Abs. 2 Satz 1
Stichworte:
Zugriff; Zugriffsobjekt; Entsorgung; anvertraut; Anvertrautsein; Materialgruppe;
Kernpflichtverletzung; Ausrüstungsgegenstand; maßnahmemildernd, mildernder
Umstand; Verleiten; Verstricken; Vorgesetzter; Autorität; Befehlsgewalt; Hemm-
schwelle; hierarchisch geprägte Organisationsstruktur; Versuchungssituation.
Leitsätze:
1. Von einem Zugriff auf einen einem Soldaten anvertrauten Gegenstand ist nur
dann auszugehen, wenn dieser sich bei gewöhnlichem Ablauf regulär im Ar-
beitsbereich des Soldaten befindet und der Soldat sich auch faktisch gewöhn-
lich mit der Verwahrung und Verwaltung von derartigen Gegenständen befasst.
2. Das Verleiten zu einer Pflichtverletzung durch einen Vorgesetzten ist maß-
nahmemildernd zu berücksichtigen, wenn ein Soldat durch die Ausnutzung der
besonderen Autorität des Vorgesetzten oder der Befehlsgewalt zur Überwin-
dung von Zweifeln oder Widerständen und durch Umstände in seiner Person
unter außergewöhnlichem Druck steht, der Versuchung nachzugeben.
Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 18. April 2013 - BVerwG 2 WD 16.12
I. TDG Nord vom 02.11.2011 - Az.: TDG N 7 VL 6/11 -