Urteil des BVerwG vom 14.10.2009

Soldat, Laden, Gerät, Urkunde

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 16.08
TDG N 7 VL 18/07
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der
nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 14. Oktober 2009, an der teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Pinkwart und
ehrenamtliche Richterin Oberfeldwebel Gockel,
Leitender Regierungsdirektor …
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt …,
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der
7. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 6. De-
zember 2007 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnah-
me geändert.
Gegen den Soldaten wird ein Beförderungsverbot für die
Dauer von drei Jahren verhängt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen
werden dem Bund zur Hälfte auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der jetzt 37 Jahre alte Soldat war nach dem Hauptschulabschluss und seiner
Ausbildung zum Maschinenschlosser als Wehrpflichtiger am 1. Oktober 1992
zum Grundwehrdienst bei der …/Luftwaffenausbildungsregiment … in U. einbe-
rufen worden. Aufgrund seiner Verpflichtungserklärung wurde er am 20. Juni
1993 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Nachdem seine
Dienstzeit mehrfach verlängert worden war, erfolgte am 6. Juli 1999 seine Er-
nennung zum Berufssoldaten. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich im Jahr
2026.
Der Soldat wurde regelmäßig befördert. Zuletzt wurde ihm als Oberfeldwebel
am 1. Oktober 2003 der Dienstgrad eines Oberfähnrichs übertragen; zuvor war
er mit Verfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 22. August 2003 als
Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes (§ 40
SLV) zugelassen worden. Über den aus Anlass des vorliegenden Disziplinar-
verfahrens gestellten Antrag des damaligen nächsthöheren Disziplinarvorge-
setzten, Oberst Sch., auf Rückführung des Soldaten in die Laufbahngruppe der
Unteroffiziere gemäß § 55 Abs. 4 SG soll, wie das Personalamt dem Soldaten
am 25. April 2008 mitgeteilt hat, nach dem rechtskräftigen Abschluss des Ver-
fahrens entschieden werden.
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Nach mehreren Vorverwendungen im Umgang mit Flugabwehrraketen wurde
der Soldat zum 1. August 2005 zur …/Flugabwehrraketengruppe … nach H.
versetzt, wo er als Flugabwehrraketenoffizier Patriot Technik eingesetzt wurde.
Im Zuge seiner weiteren Ausbildung wurde der Soldat vom 26. April bis zum
10. November 2006 zum Taktischen Aus- und Weiterbildungszentrum Flugab-
wehrraketen der Luftwaffe USA nach F. in Texas kommandiert. Bereits 1994,
1997 und 2000 hatte er sich dort als Lehrgangsteilnehmer aufgehalten. Trotz
des Vorfalls in F., USA, am 9. September 2006, der Gegenstand des vorlie-
genden Disziplinarverfahrens ist, wurde der Soldat nicht vorzeitig zurückkom-
mandiert. Er beendete seinen Ausbildungsabschnitt planmäßig und wurde nach
seiner Rückkehr aus den USA am 13. November 2006 in seiner Staffel in H.
wieder als Flugabwehrraketenoffizier eingesetzt. Am 7. Dezember 2007 - einen
Tag nach der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht - wurde er auf
den neu geschaffenen Unteroffiziers-Dienstposten eines Leiters der Zentralen
Fahrbereitschaft der Flugabwehrraketengruppe umgesetzt, auf dem er sich
derzeit noch befindet.
Ausweislich des Auszugs aus dem Disziplinarbuch vom 28. September 2009
wurde dem Soldaten in den Jahren 2000 und 2002 jeweils eine förmliche An-
erkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung ausgesprochen. Im Jahr 2002
wurde er auch mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr in Bronze ausgezeichnet.
In der letzten planmäßigen Beurteilung zum 30. September 2001 erhielt er im
Bereich „F. Leistungen im Beurteilungszeitraum, Einzelmerkmale“ siebenmal
die Wertung „5“, achtmal die Wertung „6“ und einmal die Wertung „7“, d.h. die
Durchschnittsbewertung „5,62“. In der Laufbahnbeurteilung vom 2. August
2002, die aus Anlass der Zulassung des Soldaten zur Laufbahn der Offiziere
des militärfachlichen Dienstes erteilt wurde, erachtete der Beurteilende den
Soldaten für den Laufbahnwechsel als in außergewöhnlichem Maß geeignet.
Zusammenfassend begründet er dies damit, dass der Soldat ein bemerkens-
wert willensstarker Portepeeunteroffizier sei, der sich durch höchste Geradlinig-
keit, persönliche Integrität und beeindruckende Fachexpertise auszeichne. Er
gehöre zur Spitzengruppe vergleichbarer Dienstgrade innerhalb der Stabsstaf-
fel. Seine hervorragende körperliche und geistige Konstitution ließen Oberfeld-
webel G. sein beeindruckendes Potenzial auch unter Übungs- und Einsatzbe-
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dingungen mit souveräner Leichtigkeit entfalten. Aufgaben, die über sein origi-
näres Tätigkeitsfeld bisweilen deutlich hinausgingen, stelle sich der Soldat mit
professioneller Neugier und hohem persönlichen Engagement. Sein umgängli-
ches und freundliches Wesen garantierten ihm in Verbindung mit seinen exzel-
lenten fachlichen Fertigkeiten eine hohe persönliche Autorität und die natürliche
Gefolgschaft seiner Untergebenen. Im Kreise seiner Kameraden sei der Soldat
anerkannt und beliebt. Er sei ein Soldat aus absolut innerster Überzeugung, der
seine hohen Moral- und Wertvorstellungen jeden Tag vorbildlich selber lebe und
diese Einstellung in mitreißender Weise nach außen trage. In der Beurteilung
vom 9. Juni 2008, die gemäß ZDv 20/6 Nr. 407 b angefordert worden war,
erhielt der Soldat im Bereich „Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten“ im
Durchschnittswert die Note „5,89“.
Der verheiratete Soldat hat einen jetzt elfjährigen Sohn. Die Eheleute verfügen
nach den Angaben des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung über mo-
natlich insgesamt etwa 3 040 € netto. Ein Darlehensvertrag über 10 000 € wer-
de in monatlichen Raten von 320 € bedient.
II
1. In dem durch Verfügung vom 28. Februar 2007, dem Soldaten ausgehändigt
am 6. März 2007, ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfah-
ren
hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich der
... Luftwaffendivision dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 24. Mai 2007
folgenden Sachverhalt als schuldhafte Verletzung seiner Dienstpflichten gemäß
§ 17 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 SG zur Last gelegt:
„Während seines fachlichen Laufbahnlehrgangs an dem
Taktischen Aus- und Weiterbildungszentrum … USA
nahm der Soldat am Samstag, den 09.09.2006 in dem
Geschäft POST EXCHANGE in F., Texas, USA, einen
gelben 75%-Nachlassaufkleber von einem Artikel ab und
klebte diesen über das Preisschild auf der Verkaufsverpa-
ckung einer in dem Regal der Ausverkaufsartikel liegen-
den PANASONIC Stereoanlage, die regulär mit einem
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Preis von 259,00 US$ und einem Aufkleber für einen 50%-
Nachlass versehen war, um sich einen Preisvorteil zu
verschaffen und verließ den Elektronik-Bereich des La-
dens. Nach Ablauf von ca. 20 Minuten begab sich der
Soldat erneut zu der Stereoanlage, nahm diese mit zur
Kasse 16 und bezahlte entsprechend seiner Absicht der
Preismanipulation nur 64,75 US$, obwohl er hätte
129,50 US$ zahlen müssen, was zu seiner Festnahme
durch die Militärpolizei führte.“
In der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht am 6. Dezember 2007
hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft mit Nachtragsanschuldigungsschrift vom
selben Tag dem Soldaten hilfsweise den gleichen Lebenssachverhalt zur Last
gelegt, allerdings ohne den Vorwurf, in betrügerischer Absicht gehandelt zu ha-
ben; der Soldat und sein Verteidiger haben insoweit auf eine Einlassungsfrist
verzichtet.
2. Das sachgleiche Strafverfahren gegen den Soldaten wegen Betruges und
Urkundenfälschung war zuvor von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Fl.
am 14. März 2007 gemäß § 153a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt worden,
nachdem der Soldat eine Geldbuße in Höhe von 600 € gezahlt hatte.
3. Die 7. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Urteil vom 6. De-
zember 2007 entschieden, dass der Soldat in den Dienstgrad eines Oberfeld-
webels (OA) herabgesetzt wird, wobei die Wiederbeförderungssperrfrist auf
zwei Jahre verkürzt worden ist. Sie hat den Vorwurf in der Anschuldigungs-
schrift vom 24. Mai 2007 als erwiesen angesehen. Dabei hat die Kammer die
Einlassung des Soldaten zum subjektiven Disziplinarvorwurf, wonach es ihm
nicht darum gegangen sei, sich einen Preisvorteil zu verschaffen, als Schutz-
behauptung gewürdigt. Der Soldat habe durch sein Fehlverhalten seine Pflich-
ten zur Kameradschaft (§ 12 SG), zur Wahrung des Ansehens der Bundeswehr
(§ 17 Abs. 1 Halbs. 1, richtig: § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SG) und zum außer-
dienstlichen Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) vorsätzlich verletzt und da-
durch ein schweres Dienstvergehen begangen. Zwar habe die Kammer wegen
der drohenden Rückführung des Soldaten in die Laufbahn der Feldwebel - bei
zur Tatzeit absehbarer Beförderung zum Leutnant - erwogen gehabt, es bei ei-
nem Beförderungsverbot im gesetzlichen Höchstmaß, verbunden mit einer
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deutlichen Kürzung seiner Bezüge zu belassen. Die unzureichende Bereitschaft
des Soldaten, sich mit seinem Fehlverhalten einsichtig auseinanderzusetzen
und sein Beharren auf seinen gewagten Schutzbehauptungen in aussichtsloser
Beweislage hätten diese Erwägungen jedoch gegenstandslos gemacht.
4. Gegen das ihm am 15. Januar 2008 zugestellte Urteil hat der Soldat durch
seinen Verteidiger am 11. Februar 2008 in vollem Umfang Berufung eingelegt.
In der Hauptverhandlung hat er beantragt, bei Feststellung eines Dienstverge-
hens das Disziplinarverfahren einzustellen. Zur Begründung macht er im We-
sentlichen geltend:
Das erstinstanzliche Urteil sei aus mehreren Gründen fehlerhaft. Ein Verstoß
gegen die Kameradschaftspflicht (§ 12 SG) liege nicht vor. Dem Begriff Kame-
radschaft komme schon definitionsgemäß eine rein militärspezifische Bedeu-
tung zu. Gemeint sei damit nur die „echte“ Kameradschaft. Der Gesetzgeber
habe diesen Kameradschaftsbegriff bis heute inhaltlich nicht verändert. Er, der
Soldat, habe lediglich zivile Einkaufsprivilegien zu seinen Gunsten ausgenutzt,
was nicht mit einem „Kameradendiebstahl“ gleichzusetzen sei. Privilegien seien
keine Besitzrechte. Sie könnten jederzeit und ohne irgendein Zutun entzogen
werden.
Die Wahrung des Ansehens der Bundeswehr sei nicht in § 17 Abs. 1 Halbs. 1,
sondern in § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SG geregelt. Eine Ansehensschädigung
der Bundeswehr liege aber ebenfalls nicht vor. Die Beweisaufnahme habe ein-
deutig ergeben, dass der „gute Ruf“ der Bundeswehr zu keinem Zeitpunkt auch
nicht ansatzweise gefährdet gewesen sei. Der Vorfall sei den Amerikanern le-
diglich eine allgemeine Bemerkung am Rande einer nicht öffentlichen Bespre-
chung wert gewesen, wobei damit allenfalls der Soldat als Person, nicht die
Bundeswehr als Institution in Verbindung gebracht worden sei. Im Übrigen sei
eine konkrete Ansehensschädigung auch nicht erwiesen; eine bloße Geeignet-
heit eines solchen Tatverhaltens erfülle den Tatbestand der Ansehensschädi-
gung nicht.
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Ferner habe das Truppendienstgericht § 17 Abs. 2 Satz 2 SG fehlerhaft ange-
wandt. Die Tatbestandsmerkmale „außer Dienst“ und „außerhalb der dienstli-
chen Unterkünfte und Anlagen“ müssten kumulativ vorliegen. Es sei aber nicht
geklärt worden, wo sich der PX(Post Exchange)-Laden befunden habe. Unge-
achtet dessen sei der PX-Laden keine dienstliche Anlage im Sinne des § 17
Abs. 2 Satz 2 SG. Es komme allein darauf an, zu welchem Zweck der
PX-Laden errichtet sei. Die US-Army wolle damit lediglich den Soldaten eine
preisgünstige Einkaufsmöglichkeit bieten. Es sei nichts anderes als ein ge-
wöhnlicher Discounter. Die Einlasskontrollen hätten lediglich einen ordnungs-
politischen Sinn, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Dies sei kein militä-
rischer Zweck. Der zivile Charakter des PX-Ladens werde zudem dadurch ge-
kennzeichnet, dass dort auch Zivilpersonen einkaufen dürften.
Die Vorinstanz habe außerdem § 263 StGB fehlerhaft angewandt. Schon ob-
jektiv erfülle sein Verhalten nicht den Tatbestand des Betruges. Er, der Soldat,
habe zu keinem Zeitpunkt über den wahren Wert der Stereoanlage getäuscht.
Nach seiner Vorstellung habe er lediglich den zuvor bestehenden Zustand wie-
derhergestellt. Auf dem Überwachungsvideo sei nicht zu sehen, dass ein 75%-
Nachlassaufkleber ursprünglich nicht vorhanden gewesen sei. Er, der Soldat,
habe auch keinen Irrtum erregt. Noch in der Hauptverhandlung sei das Trup-
pendienstgericht davon ausgegangen, dass die Kassiererin telefonisch ange-
wiesen worden sei, ihn, den Soldaten, nicht auf den gelben Nachlassaufkleber
anzusprechen. Eine Kassiererin, die aber wisse, dass der ausgezeichnete Preis
falsch sei, könne diesbezüglich keinem Irrtum mehr unterliegen. Er, der Soldat,
habe auch weder mit Vorsatz noch mit Bereicherungsabsicht gehandelt. Dage-
gen spreche schon, dass ihn alle Vorgesetzten als außergewöhnlich und gera-
dezu vorbildhaft ehrlich, offen und pflichtbewusst beschrieben hätten. Mit den
Aussagen der Leumundszeugen habe sich die Kammer nicht ausreichend aus-
einander gesetzt. Sie hätte auch die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die
Sache strafrechtlich nicht weiterzuverfolgen, angesichts des Prinzips der Einheit
der Rechtsordnung nicht einfach ignorieren dürfen.
Schließlich sei auch unberücksichtigt geblieben, dass er sich damals an Ort und
Stelle mit seiner Frau gestritten habe. Bei dem Streit habe es sich keineswegs
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um den Teil eines Plans gehandelt, sein Verhalten im PX-Laden zu kaschieren.
Dies könne seine Ehefrau bezeugen.
III
Die gemäß § 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und frist-
gerecht eingelegte Berufung des Soldaten hat teilweise Erfolg.
1. Das Rechtsmittel ist nach der Erklärung zum Umfang der Berufung und dem
Inhalt ihrer Begründung unbeschränkt eingelegt worden. Der Soldat rügt die
erstinstanzlichen Schuldfeststellungen zum subjektiven Disziplinartatbestand,
die disziplinarrechtliche Würdigung des Sachverhalts sowie die Maßnahmebe-
messung mit dem Ziel einer Verfahrenseinstellung. Der Senat hat deshalb im
Rahmen der Anschuldigung (§ 107 Abs. 1 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO) eigene
Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und unter
Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 331 Abs. 1 StPO i.V.m.
§ 91 Abs. 1 Satz 1, § 123 Satz 3 WDO) gegebenenfalls über die angemessene
Disziplinarmaßnahme zu befinden.
2. Die Berufung des Soldaten ist teilweise begründet. Der Senat ist aufgrund
der Berufungshauptverhandlung - insoweit in Übereinstimmung mit der Vorin-
stanz - zur Überzeugung gelangt, dass der Soldat das ihm in der Anschuldi-
gungsschrift vom 24. Mai 2007 zur Last gelegte Dienstvergehen begangen hat.
Anstelle der vom Truppendienstgericht verhängten Dienstgradherabsetzung
hält es der Senat jedoch für ausreichend, nur ein Beförderungsverbot auszu-
sprechen.
a) Tatsächliche Feststellungen
aa) Nach dem Ergebnis der vom Senat in der Hauptverhandlung durchgeführ-
ten Beweisaufnahme ist aufgrund der geständigen Einlassungen des Soldaten,
soweit ihnen gefolgt werden kann, der Inaugenscheinnahme der Videoauf-
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zeichnungen der Überwachungskameras des PX-Ladens F. vom 9. September
2006 (14:39 Uhr bis 14:58 Uhr), der zum Gegenstand der Hauptverhandlung
gemachten Urkunden, der dienstlichen Auskunft der Wehrdisziplinaranwalt-
schaft zu den Rechtsverhältnissen, zur Lage und Nutzung des PX-Ladens in F.
sowie der Aussage der Zeugin G., Ehefrau des Soldaten, folgender objektiver
Geschehensablauf erwiesen:
Für die Zeit vom 26. April bis zum 10. November 2006 war der Soldat zum Tak-
tischen Aus- und Weiterbildungszentrum Flugabwehrraketen der Luftwaffe USA
nach F. in Texas kommandiert worden, um dort den fachlichen Teil seiner Offi-
zierausbildung zu durchlaufen. Bereits 1994, 1997 und 2000 hatte er sich dort
als Lehrgangsteilnehmer aufgehalten. Die Ehefrau und der im Jahr 2006 acht-
jährige Sohn des Soldaten waren damals ebenfalls mit nach … gezogen.
Am dienstfreien Samstag, dem 9. September 2006, waren der Soldat und seine
Frau für 15:00 Uhr zur Geburtstagsfeier einer Bekannten eingeladen. Um ein
Geburtstagsgeschenk zu besorgen, fuhren die Eheleute - der Soldat in Zivil-
kleidung - an jenem Tag mit ihrem Sohn zunächst nach … . Da sie in den dorti-
gen Geschäften nichts Passendes fanden, begaben sie sich gegen 14:00 Uhr in
den Verkaufsbereich des PX-Ladens, der sich im Militärstützpunkt F. befindet.
Bei den PX(Post Exchange)-Verkaufsstellen handelt es sich um militärische
Einrichtungen. Sie werden von den „Army & Air Force Exchange Services“
(AAFES) des US-Verteidigungsministeriums, in der Regel unter der Führung
eines Generalmajors, betrieben und dienen der günstigen (überwiegend steuer-
freien) Versorgung des militärischen Personals und seiner Familienangehörigen
mit Konsumgütern (insbesondere Bekleidung, Haushaltswaren, Kosmetika und
elektronischen Geräten). Voraussetzung zur Nutzung der PX-Läden ist grund-
sätzlich eine von den amerikanischen Streitkräften ausgestellte „Military ID-
Card“. In F. erhalten dorthin kommandierte deutsche Soldaten und ihre Fami-
lienangehörigen - wie auch der Soldat und seine Frau - regelmäßig ebenfalls
eine Military ID-Card. Zuvor waren die deutschen Soldaten über die „Einkaufs-
vergünstigungen“ und das Verhalten im PX-Laden belehrt und darauf hingewie-
sen worden, dass die Amerikaner Verstöße gegen die Vorschriften streng ahn-
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deten. Da nur zugangsberechtigte Personen den eigentlichen Verkaufsbereich
des PX-Ladens betreten dürfen, muss dort die Military ID-Card vorgezeigt wer-
den.
Während die Ehefrau des Soldaten an dem genannten Samstag im PX-Laden
nach einem Geburtstagsgeschenk suchte, begab sich der Soldat in die Elektro-
nikabteilung. Im Regal für Ausverkaufsware („clearance“) war ihm schon Wo-
chen vorher eine Stereoanlage aufgefallen, die er eventuell für seinen Sohn
erwerben wollte. Es handelte sich um ein Gerät von Panasonic, fest verpackt in
einer Schrumpffolie und ausgezeichnet mit einem Preisetikett (259 US$) sowie
einem roten 50%-Nachlassaufkleber. Nachdem sich der Soldat die Stereoanla-
ge nochmals näher angesehen hatte, trat er einige Schritte nach rechts und
löste von einem anderen Artikel im Regal - wohl einer CD- oder Videokassette -
einen gelben 75%-Nachlassaufkleber ab.
Eine zu diesem Zeitpunkt schon misstrauisch gewordene Aufsichtsperson des
PX-Ladens startete daraufhin die Videoaufzeichnung einer Überwachungska-
mera; die Videouhranzeige stand in diesem Augenblick auf 14:39:04 Uhr. Der
Soldat befand sich in diesem Moment noch im Bereich des Regals mit den
CDs, Videofilmen etc. Er ging dann nach links zur Stereoanlage zurück und
legte den abgelösten gelben Aufkleber unauffällig links vor sich auf den mittle-
ren Regalboden. Er nahm nun die Stereoanlage in beide Hände, betrachtete
und bewegte sie dabei. Dann legte er seine Geldbörse und ein Kleidungsstück
auf den oberen Regalboden, hob das Gerät aus dem Regal und drehte es so,
dass die schmalere Seite, auf der der rote Nachlassaufkleber angebracht war,
zu ihm zeigte. Dieser „Begutachtungsvorgang“ dauerte insgesamt ca.
20 Sekunden. Um 14:39:41 Uhr nahm er mit der linken Hand das bereitliegende
gelbe Etikett, klebte es unmittelbar in die Nähe des roten Aufklebers, strich es
nochmals fest und sah das Gerät ca. weitere 10 Sekunden intensiv an, ohne es
dabei zu bewegen. Dann drehte er die Anlage auf die Seite und betrachtete sie
noch einmal für wenige Sekunden. In der Videoaufzeichnung ist nun deutlich zu
sehen, dass sich ein gelber und roter Nachlassaufkleber auf der rechten Seite
der Anlage befinden. Er drehte dann die Anlage so, dass die Nachlassetiketten
zu ihm zeigten, legte das Gerät ab, prüfte kurz den Halt des gelben Aufklebers
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und strich um 14:40:12 Uhr noch zweimal fest darüber. Danach betrachtete er
ein weiteres Mal für wenige Sekunden die Schmalseite der Stereoanlage mit
den Etiketten. Um 14:40:23 Uhr drehte er das Gerät so, dass die Fläche mit
dem gelben Aufkleber zur Seite zeigte und schob es weit in das Regal zurück.
Es lag nun deutlich weiter hinten als zu dem Zeitpunkt, als es der Soldat
erstmals angehoben hatte. Die Stereoanlage war rechts und links von anderen
Elektronikartikeln eng flankiert, sodass die Etiketten von vorn nicht zu sehen
waren. Der Soldat griff sodann nach Geldbörse und Kleidungsstück, schlen-
derte durch die Herrenbekleidungsabteilung und traf gegen 14:45 Uhr noch im
Ladenbereich mit Frau und Sohn zusammen.
Zwischen den drei Personen entwickelte sich ein längeres, streitiges Gespräch,
in dem es - in der Videoaufzeichnung erkennbar - u.a. um vom Sohn ge-
wünschtes Spielzeug ging. Gegen 14:54 Uhr trennten sich alle drei wieder. Der
Soldat begab sich erneut in die Elektronikabteilung zu dem Regal mit der Aus-
verkaufsware, blickte einige Sekunden suchend umher und begab sich dann
zielstrebig zu der Stereoanlage von Panasonic. Er hob die zu ihm zeigende Sei-
te des Geräts an, betrachtete es erneut mehrere Sekunden lang, zog es um
14:54:33 Uhr aus dem Regal heraus, musterte nochmals kurz die beiden
Schmalseiten und begab sich um 14:54:43 Uhr ohne weiteren Aufenthalt zur
Kasse. Auf dem Weg dorthin blickte er noch einmal auf die Schmalseite des
Geräts und strich mit dem Daumen kurz darüber. Um 14:55:25 Uhr traf er vor
der Kasse ein. Während er in einem Abstand von ca. einem Meter zum Vor-
dermann wartete, sah er sich prüfend um (14:55:30 Uhr). Die Kassiererin war
zu diesem Zeitpunkt mit dem vor dem Soldaten stehenden Kunden beschäftigt.
Um 14:55:57 Uhr erhielt sie einen Anruf. Sie telefonierte bis 14:56:12 Uhr, wo-
bei sie sich von dem Kunden, den sie gerade bediente, abwandte. Um
14:56:11 Uhr drehte sie sich um und fixierte, bevor sie den Hörer auflegte, kurz
den Soldaten. Anschließend beendete sie den Kassiervorgang und wandte sich
dem Soldaten zu. Dieser sah sich nochmals prüfend um und legte die folien-
verpackte Stereoanlage auf den Kassentisch. Als die Kassiererin das Preiseti-
kett suchte (14:56:38 Uhr), deutete der Soldat auf das Etikett. Er bezahlte dann
die 64,75 US$ mit Kreditkarte und blickte sich dabei wiederum prüfend um. So-
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dann nahm er die Ware nebst Belegen entgegen und entfernte sich vom Kas-
senbereich des PX-Ladens Richtung Ausgang.
Die Augenscheinseinnahme der Videoaufzeichnungen endete mit den um
14:58 Uhr aufgenommenen Bildern, die den Soldaten im Büro der Aufsicht des
PX-Ladens zeigen. Der Soldat war zuvor außerhalb des Verkaufsbereichs von
zwei Frauen des Sicherheitsdienstes angehalten und - an seiner wartenden
Ehefrau nebst Sohn vorbei - in das Büro der Ladenaufsicht geleitet und dort
angehört worden. Wie der Soldat in der Berufungshauptverhandlung angege-
ben hat, wurde er später von der amerikanischen Militärpolizei in Handschellen
abgeführt, musste die Stereoanlage vor Ort lassen und 200 US$ zahlen. Die
Military ID-Card wurde ihm entzogen, was mit einem Hausverbot für den PX-
Laden verbunden war.
bb) Der Soldat, der das äußere Tatgeschehen auch in der Hauptverhandlung
vor dem Senat eingeräumt hat, macht jedoch wie schon vor dem Truppen-
dienstgericht weiter geltend, er habe nicht betrügen wollen. Er sei von einer
75%igen Rabattierung des Gerätes ausgegangen, zumal es damals schon
mehrere Wochen bei der Ausverkaufsware gestanden und er auf der Verpa-
ckung Reste eines gelben Aufklebers gesehen habe; heute wolle er allerdings
nicht darauf schwören, dass es sich tatsächlich um einen 75%-
Nachlassaufkleber gehandelt habe. Da er damals von einer entsprechenden
Rabattierung ausgegangen sei, habe er dies mit dem Anbringen des gelben
Aufklebers nach außen hin dokumentieren wollen. Zwar sei ihm inzwischen klar,
dass er wegen des Preisnachlasses im Zweifel beim Verkaufspersonal hätte
nachfragen müssen. Mit Bereicherungsabsicht habe er jedoch nicht gehandelt.
Gegen eine solche Annahme spreche auch, dass ihn seine Vorgesetzten als
außergewöhnlich und geradezu vorbildhaft ehrlich, offen und pflichtbewusst
beschrieben hätten. Schließlich hat der Soldat zu seinen damaligen
Handlungsabsichten ergänzend vorgebracht, er habe das Gerät ursprünglich
„zurückgelegt“ gehabt, um über einen Kauf noch einmal nachzudenken. Nach
dem familiären Streitgespräch sei ihm dann - quasi stressbedingt - die Idee ge-
kommen: Nimm die Stereoanlage, sonst verpasst du ein „Schnäppchen“. Er sei
dann direkt zur Kasse gegangen.
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Der Senat hält die Einlassung des Soldaten zum Tatvorwurf in subjektiver Hin-
sicht, es sei ihm nicht um einen Preisvorteil gegangen, in Übereinstimmung mit
der Vorinstanz für eine Schutzbehauptung. Aufgrund der bereits genannten und
zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Beweismittel
steht zur Überzeugung des Senats (§ 261 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1
WDO) fest, dass der Soldat damals in der Absicht gehandelt hat, sich beim
Kauf des Geräts einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.
Es spricht bereits viel dafür, dass der Soldat am Tattag von vornherein, d.h.
gegen 14:39 Uhr, zum Kauf der Stereoanlage entschlossen war und es ihm
auch schon zu diesem Zeitpunkt darauf ankam, das Gerät um weitere 25% bil-
liger zu erwerben als mit dem roten Nachlassaufkleber vom Verkaufspersonal
ausgezeichnet. Das ergibt sich aufgrund der widersprüchlichen Einlassungen
des Soldaten, der Auswertung des Tatablaufs anhand der in der Hauptverhand-
lung in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen sowie der Aussagen
der Zeugin G. .
Ein starkes Indiz für ein von Anfang an bestehendes Kaufinteresse an der Ste-
reoanlage von Panasonic ist zunächst der Umstand, dass die Anlage mit ihrem
50%igen Nachlassaufkleber schon längere Zeit vorher unter „besonderer Be-
obachtung“ des Soldaten stand. Dieser hat wiederholt angegeben, das Gerät
sei schon seit Wochen im Regal gelegen. Auch die Ehefrau des Soldaten
wusste von der Stereoanlage und dem Preisnachlass. In der Hauptverhandlung
vor dem Senat hat die Zeugin glaubhaft ausgesagt, über das Gerät sei zwar
nicht an jenem Samstag, wohl aber zu einem früheren Zeitpunkt gesprochen
worden.
Die Einlassungen des Soldaten zur angeblich fehlenden Bereicherungsabsicht
sind widersprüchlich und im Ergebnis nicht glaubhaft. Einerseits hat der Soldat
wiederholt ausgesagt, er sei damals auf „Schnäppchensuche“ gewesen und
habe nach preisermäßigten Angeboten Ausschau gehalten. Für die Richtigkeit
dieser Einlassung spricht auch der Umstand, dass er damals immer wieder das
Regal mit der Ausverkaufsware aufgesucht hat. Demgegenüber sind die wie-
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derholten Behauptungen des Soldaten, es sei ihm nicht um Preisvorteile ge-
gangen, er habe keine entsprechenden „Hintergedanken“ gehabt, nicht nach-
vollziehbar. Das gilt auch im Hinblick auf die wiederholte Behauptung, am Gerät
habe sich ein Rest eines gelben Aufklebers - wohl 75%-Nachlassaufklebers -
befunden, der abgefallen sei, als er das Gerät in die Hand genommen habe.
Dies hält der Senat aus zwei Gründen für eine Schutzbehauptung: Wenn sich
tatsächlich noch ein gelber Rest eines Aufklebers auf der Verpackung befand,
muss dieser wohl besser gehalten haben als der bereits fehlende Teil. Es
spricht dann wenig dafür, dass gerade dieser gut klebende Rest in dem Mo-
ment abgefallen sein soll, als der Soldat die Stereoanlage in die Hand nahm.
Der Soldat konnte dazu in der Berufungshauptverhandlung auch keine Erklä-
rung geben. Er hat sich vielmehr auf die Aussage zurückgezogen, er wolle heu-
te nicht darauf schwören, dass es sich wirklich um einen 75%-
Nachlassaufkleber gehandelt habe. Wäre ein gelber Restaufkleber tatsächlich
auf den Boden gefallen gewesen, hätte es nahe gelegen, dass der Soldat nach
seiner „Festnahme“ zu seiner Verteidigung nach dem Restaufkleber gesucht
hätte. Dies hat er aber nicht getan. Dritte haben den Restaufkleber nie gese-
hen. Bei seiner Anhörung am Tattag in F. hat der Soldat selbst eingeräumt, er
habe keine Möglichkeit zu beweisen, dass der gelbe Aufkleber da gewesen sei.
Schließlich lässt die wiederholte Einlassung des Soldaten, er sei vielleicht des-
wegen von einem 75%-Nachlass ausgegangen, weil das Gerät schon seit meh-
reren (6 bis 8) Wochen im Regal gestanden habe - andernfalls würde ihn die
Verkäuferin/Kassiererin schon auf den richtigen Preis hinweisen -, erkennen,
dass der Soldat sein Fehlverhalten bewusst und gewollt in die Tat umgesetzt
hat.
Aber auch das objektive Tatverhalten des Soldaten - einschließlich seiner Kör-
persprache - sind ein starkes Indiz für die Richtigkeit des subjektiven Tatvor-
wurfs, dass er sich beim Kauf des Gerätes absichtlich einen rechtswidrigen
Vermögensvorteil verschaffen wollte. Das insgesamt etwa 15minütige Tatge-
schehen gliedert sich in zwei zusammengehörige Tatabschnitte: die Preismani-
pulation und den eigentlichen Kaufvorgang der Stereoanlage. Der Soldat
scheint beide Handlungsabschnitte bewusst getrennt zu haben, um die Preis-
manipulation zu tarnen. Zunächst hat er den gelben 75%-Nachlassaufkleber auf
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- 15 -
der Verpackung des Geräts angebracht und die Anlage so im Regal platziert,
dass der Aufkleber von vorn nicht zu sehen war. Das Gerät war auf diese
Weise für Dritte als „Schnäppchen“ nicht sofort erkennbar und damit für den
Soldaten als Kaufgegenstand relativ gesichert. Der Kaufvorgang wurde dann für
etwa 9 Minuten unterbrochen. Da die Preismanipulation zwischenzeitlich zu
keinen für ihn erkennbar nachteiligen Reaktionen des Verkaufs- und Überwa-
chungspersonals geführt hatte, kehrte der Soldat zielgerichtet - in den Augen
eines mit seinem Vorverhalten nicht vertrauten Dritten wie ein Neukunde - an
das Regal für Ausverkaufsware zurück und manifestierte innerhalb von 10 Se-
kunden seinen von vornherein bestehenden Entschluss zum Kauf des mit dem
falschen Nachlassetikett versehenen Geräts.
Ferner wird die Annahme, dass der Soldat mit Bereicherungsabsicht gehandelt
hat, auch durch sein sonstiges Verhalten zur Tatzeit, insbesondere seine da-
malige Körpersprache, bestätigt. Er hat nicht nur den von ihm angebrachten
gelben 75%-Nachlassaufkleber wiederholt fest angedrückt, dass er bis zur Ab-
rechnung an der Kasse hält, sondern hat das Etikett auch mehrmals kontrolliert
und hat sich auf dem Weg zur Kasse wiederholt mit prüfendem Blick umgese-
hen. Dieses Verhalten deutet darauf hin, dass sich der Soldat den weiteren
25%igen Preisvorteil sichern wollte, dabei aber ein schlechtes Gewissen hatte
und sich deshalb bei seiner Festnahme letztlich auch nicht überrascht gezeigt
hat; weder nach der Videoaufzeichnung noch nach dem Protokoll (Überset-
zung) seiner Anhörung vor Ort hat er sich gegen den Manipulationsvorwurf und
seine Festnahme deutlich gewehrt.
Schließlich steht dem Beweisergebnis - Handeln mit Bereicherungsabsicht -
nicht entgegen, dass der Soldat sonst als außergewöhnlich und geradezu vor-
bildhaft ehrlich, offen und pflichtbewusst beschrieben worden ist. Es ist nicht
denknotwendig ausgeschlossen, dass sich ein so qualifizierter Soldat unter be-
stimmten Umständen im Einzelfall verhält, wie hier vom Senat festgestellt.
Aber auch dann, wenn der Senat zu Gunsten des Soldaten davon ausginge,
dass dieser sich erst nach dem familiären Streitgespräch, d.h. gegen 14:54 Uhr,
zum Kauf der Stereoanlage entschlossen haben sollte, hätte der Soldat zur
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Überzeugung des Senats in der Absicht gehandelt, sich einen entsprechenden
rechtswidrigen Preisvorteil zu verschaffen. In diesem Fall hätte er die von ihm
zuvor selbst herbeigeführte günstige Lage - Preismanipulation - bewusst aus-
genutzt. Es wäre nichts dafür ersichtlich - und widerspräche auch jeglicher
Lebenserfahrung -, dass der Soldat zu diesem Zeitpunkt „stressbedingt“ sein
manipulatives Vorverhalten vielleicht „vergessen“ oder „verdrängt“ gehabt
haben könnte. Gerade sein anschließendes - bereits erwähntes - Tatverhalten
einschließlich seiner Körpersprache bis zur Festnahme durch die Militärpolizei
bestätigte die Annahme, dass es ihm auch in diesem Fall um die Verschaffung
eines rechtswidrigen Preisvorteils gegangen wäre.
b) Disziplinarrechtliche Würdigung
aa) Durch das vorstehend festgestellte Verhalten im PX-Laden von F. hat der
Soldat nicht gegen seine außerdienstliche Achtungs- und Vertrauenswah-
rungspflicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verstoßen, wie in der Anschuldi-
gungsschrift - für den Senat rechtlich unverbindlich - angenommen wird, son-
dern hat insoweit seine entsprechende innerdienstliche Achtungs- und Vertrau-
enswahrungspflicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 SG vorsätzlich verletzt.
Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG muss das Verhalten eines Soldaten dem Ansehen
der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die
sein Beruf als Soldat erfordert. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass sich der
Soldat außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu
verhalten hat, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das
Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.
§ 17 Abs. 2 SG regelt damit die Anforderungen an die allgemeine Wohl-
verhaltenspflicht eines Soldaten in räumlicher und zeitlicher Hinsicht - im und
außer Dienst sowie innerhalb und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anla-
gen - umfassend und abschließend. Das Verhalten eines Soldaten ist entweder
nach § 17 Abs. 2 Satz 1 oder nach Satz 2 SG zu beurteilen. Nur wenn sich der
Soldat außer Dienst und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen im
Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG befindet - beide Voraussetzungen müssen
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kumulativ vorliegen -, bestehen weniger strenge Anforderungen an seine all-
gemeine Wohlverhaltenspflicht.
Zwar fand das festgestellte Verhalten des Soldaten im PX-Laden von F. außer
Dienst, jedoch innerhalb einer dienstlichen Anlage im Sinne des § 17 Abs. 2
Satz 2 SG und damit im Anwendungsbereich der Pflichtenregelung des § 17
Abs. 2 Satz 1 SG statt. Der Begriff „dienstliche Anlagen“, den der Gesetzgeber
u.a. auch in § 15 Abs. 2 Satz 1 SG (Politische Betätigung) verwendet, ist schon
von seinem Wortlaut her inhaltlich umfassender und weitergehender zu verste-
hen als z.B. der Begriff „umschlossene militärische Anlagen“ in § 4 Abs. 3
VorgV oder der Begriff „Kasernenbereich“ in § 32 Abs. 2 SBG (vgl. zu letztge-
nanntem Begriff Beschluss vom 22. Juli 2009 - BVerwG 1 WB 15.08 - PersV
2009, 424). „Dienstliche Anlagen“ im Sinne des Gesetzes erfassen nach Nut-
zungsart und Verwendungszweck schon Flächen und Räumlichkeiten, die von
ihrer Umgebung erkennbar abgegrenzt sind - ohne umschlossen sein zu müs-
sen - und im weitesten Sinne dem militärischen Dienstbetrieb dienen. Da der
Gesetzeswortlaut keine Beschränkung auf deutsche Anlagen bzw. Anlagen der
Bundeswehr enthält, schließt er auch „dienstliche Anlagen“ von verbündeten
Streitkräften im Ausland ein. Auch wenn sich ein Soldat nicht im Dienst, d.h. in
der Freizeit befindet, hat er innerhalb des räumlichen Bereichs „dienstlicher An-
lagen“ mit Rücksicht auf die dort bestehenden militärischen Erfordernisse und
mit Rücksicht auf seine Kameraden (vgl. z.B. § 15 Abs. 2 Satz 1 SG) umfas-
sendere dienstliche Pflichten als außerhalb solcher Anlagen.
Unter diesen Voraussetzungen fällt das festgestellte Verhalten des Soldaten im
PX-Laden in den Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 Satz 1 SG. Denn es fand
im Militärstützpunkt F. und damit innerhalb einer „dienstlichen Anlage“ im Sinne
des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG statt. Nach der dienstlichen Auskunft der
Wehrdisziplinaranwaltschaft, deren inhaltliche Richtigkeit der Soldat in der
Hauptverhandlung bestätigt hat, ist das gesamte F., eine „militärisch geprägte
Kleinstadt“, in der sich ständig etwa 38 000 Angehörige der US-Streitkräfte ein-
schließlich ihrer Familien sowie Zivilbediensteter aufhalten, von einem Zaun
umgeben. An den Ein- und Ausfahrten befinden sich Kontrollpunkte
(„Check-Points“). Der Zugang zur gesamten militärischen Liegenschaft ist vom
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Besitz eines gültigen Ausweisdokuments abhängig. Alle sich in F. regelmäßig
aufhaltenden Personen (Soldaten der US-Army und verbündeten Streitkräfte,
Familienangehörige, Zivilbedienstete) sind durch ihre unmittelbare oder mittel-
bare Zugehörigkeit zu den Streitkräften „militärdienstlich“ miteinander verbun-
den.
Entgegen der Auffassung des Truppendienstgerichts hat der Soldat durch sein
Verhalten im PX-Laden von F. aber nicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 SG das
„Ansehen der Bundeswehr“ beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung des Ansehens
der Bundeswehr, also ihres „guten Rufs“ bei Außenstehenden, liegt nur dann
vor, wenn der Soldat als Repräsentant der Bundeswehr anzusehen ist und sein
Verhalten negative Rückschlüsse auf die qualitative Ausbildung, moralische
Integrität und allgemeine Dienstauffassung oder generell auf die militärische
Disziplin in der Truppe bzw. die Rechts- und Gesetzestreue des Offizierskorps
zulässt (vgl. Urteile vom 28. September 1990 - BVerwG 2 WD 27.89 - BVerwGE
86, 321 <329 f.> = NZWehrr 1991, 32, vom 18. Juli 1995 - BVerwG 2 WD
32.94 - BVerwGE 103, 257 <259> = Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 2 = NZWehrr
1996, 34 und vom 31. Juli 1996 - BVerwG 2 WD 21.96 - BVerwGE 103, 361
<369> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 9 = NZWehrr 1997, 117). Das festgestellte
Verhalten des Soldaten war in diesem Sinne schon deshalb nicht geeignet, den
guten Ruf der Bundeswehr bei Außenstehenden zu beeinträchtigen, weil dem
Soldaten auch im Rahmen seiner damaligen Auslandsverwendung keine
repräsentative Funktion für die Bundeswehr zukam (vgl. dazu auch Urteil vom
22. August 2007 - BVerwG 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 <190 ff.> =
Buchholz 449 § 11 SG Nr. 2 = NZWehrr 2008, 76). Er befand sich im
Dienstgrad eines Oberfähnrichs (BesGr A 8 BBesG) und hatte während seiner
Freizeit in Zivilkleidung gehandelt. Sein Verhalten wurde von den
US-Dienststellen nicht der Institution Bundeswehr, sondern ihm selbst zuge-
rechnet. Nur ihm - nicht seinen Kameraden - wurde wegen des Vorfalls die Mili-
tary ID-Card entzogen und ein Hausverbot für den PX-Laden erteilt.
Der Soldat hat durch sein Verhalten im PX-Laden von F. aber seine Pflicht zu
achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 SG
vorsätzlich verletzt. Für die Feststellung eines solchen Verstoßes kommt es
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nicht darauf an, ob tatsächlich ein entsprechender Achtungs- und Vertrauens-
verlust eingetreten ist, sondern es reicht aus, wenn das Verhalten geeignet war,
Zweifel an der Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Soldaten zu wecken oder
seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage zu stellen (stRspr, z.B.
Urteil vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - m.w.N.). Ein solcher Fall ist hier
gegeben. Der Soldat hat kriminelles Unrecht begangen, indem er sich innerhalb
„dienstlicher Anlagen“ gemäß § 267 Abs. 1 StGB (Urkundenfälschung) und
gemäß § 263 Abs. 1 und 2, § 22 StGB (versuchter Betrug) i.V.m. § 1a Abs. 2
WStG (Auslandstat eines Soldaten) strafbar gemacht hat; das sachgleiche
Strafverfahren ist nach Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 600 Euro gemäß
§ 153a Abs. 1 StPO eingestellt worden.
Nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. z.B. OLG Köln, Urteil vom 4. Juli 1978
- 1 Ss 231/78 - NJW 1979, 729 f; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1982
- 5 Ss 174/82 I - NJW 1982, 2268) liegt eine Urkundenfälschung vor, wenn der
Täter in einem Selbstbedienungsladen das zu einer preiswerteren Ware
gehörige und mit dieser fest - wenn auch nicht unlösbar - verbundene
Preisetikett abtrennt, dieses auf eine teurere Ware aufklebt und sodann durch
Vorlage dieser Ware mit dem nicht dazugehörigen Preisetikett bei der Kasse
von der so verfälschten zusammengesetzten Urkunde Gebrauch macht.
Eine solche Fallkonstellation ist auch hier gegeben. Der rote
50 %-Nachlassaufkleber erfüllte eine einem Preisetikett vergleichbare Funktion.
Beide Aufkleber stellen zusammen mit der Ware (Bezugsobjekt) eine Gedan-
kenerklärung dar, indem sie bestimmen, dass die Ware (nur noch) halb so viel
kostet, wie auf dem Preisetikett angegeben. Die Stereoanlage war in einer
Schrumpffolie fest verpackt, auf der das Preisetikett (259 US$) und das rote
Nachlassetikett - wenn auch nicht unlösbar - aufgeklebt waren. Insgesamt war
die Verbindung zwischen dem fest verpackten Gerät und den beiden Etiketten
so beständig, dass es sich um eine zusammengesetzte Urkunde und damit um
eine Urkunde im Sinne des § 267 StGB handelte. Durch das zusätzliche An-
bringen des gelben 75 %-Nachlassaufklebers hat der Soldat, als Kunde unbe-
fugt, die ursprüngliche Gedankenerklärung - das Gerät kostet 129,50 US$ -
verändert und dadurch die zusammengesetzte Urkunde zur Täuschung im
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Rechtsverkehr verfälscht; die neue zusammengesetzte Urkunde mit der zu-
grunde liegenden Gedankenerklärung - die Stereoanlage kostet (nur noch)
64,75 US$ - stammte nicht vom Aussteller der Urkunde (Ladeninhaber, Ver-
kaufspersonal). Anschließend hat der Soldat von dieser von ihm verfälschten
Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr Gebrauch gemacht, als er die Ste-
reoanlage mit dem falschen Nachlassetikett der Kassiererin vorgelegt hat. We-
gen der der verfälschten Urkunde innewohnenden Beweiskraft wurde dem Sol-
daten daraufhin ein um 75 % anstelle von 50 % ermäßigter Kaufpreis in Rech-
nung gestellt.
Der Soldat hat insoweit auch vorsätzlich gehandelt. Er kannte den Beweiswert
des Nachlassaufklebers und wusste in seiner Laiensphäre, dass seine Manipu-
lation zu einer Veränderung der der zusammengesetzten Urkunde zugrunde lie-
genden Gedankenerklärung - Reduzierung des Verkaufspreises - führte. Dies
wollte der Soldat auch, um eine ihm nicht zustehende Verbilligung der Ware zu
erreichen.
Für die Feststellung, dass der Soldat im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB zur Täu-
schung im Rechtsverkehr eine echte Urkunde verfälscht und von dieser dann
anschließend Gebrauch gemacht hat, ist es unerheblich, wann sich der Soldat
zum Kauf der Stereoanlage - vor oder nach dem familiären Streitgespräch -
entschlossen hat. In jedem Fall hat er die Urkunde zunächst selbst verfälscht
und zu einem späteren Zeitpunkt diese falsche Urkunde - ob von vornherein
beabsichtigt oder erst aufgrund eines späteren Entschlusses - dann im Rechts-
verkehr benutzt.
Der Soldat hat sich außerdem zumindest eines versuchten Betruges (§ 263
Abs. 1 und 2, § 22 StGB) schuldig gemacht. Wie bereits dargelegt, steht zur
Überzeugung des Senats fest, dass sich der Soldat beim Kauf des Gerätes ei-
nen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen wollte; sein Handeln erfolgte
also in betrügerischer Absicht. Der Soldat wollte durch das Vorspiegeln falscher
Tatsachen, die Vorlage des Stereogerätes an der Kasse mit dem zu Unrecht
aufgeklebten gelben 75 %-Nachlassetikett, bei der Kassiererin einen entspre-
chenden Irrtum über den Kaufpreis erregen, 64,75 anstelle von 129,50 US$, mit
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der Folge, dass durch die Gewährung des rechtswidrigen Preisnachlasses
seitens der Kassiererin dem PX-Laden unmittelbar der entsprechende und vom
Soldaten beabsichtigte Schaden entsteht. Der Soldat hat, wie dargestellt, auch
begonnen, sein betrügerisches Handeln in die Tat umzusetzen. Letztlich geht
der Senat jedoch davon aus, dass es deshalb nicht zu einem vollendeten Be-
trug im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB gekommen ist, weil die Kassiererin im
Zeitpunkt des Kassiervorgangs den wahren Preis der Stereoanlage kannte, da
sie kurz zuvor durch den Telefonanruf über die vom Überwachungspersonal
beobachtete Preismanipulation des Soldaten aufgeklärt worden war. Der Senat
unterstellt zu Gunsten des Soldaten einen entsprechenden Inhalt des von der
Videokamera (bildlich) aufgezeichneten Telefongesprächs, das die Kassiererin
kurz vor der Bedienung des Soldaten mit einem - den Verfahrensbeteiligten
nicht bekannten - Anrufer geführt hatte. Mangels eines durch die Täuschungs-
handlung bei der Kassiererin verursachten Irrtums über den wahren Kaufpreis
des Gerätes hat der Soldat lediglich einen strafbaren Betrugsversuch began-
gen.
Der Soldat hat hinsichtlich der objektiven Merkmale des Betrugstatbestandes
auch vorsätzlich gehandelt. Er hat willentlich und in Kenntnis seiner vorange-
gangenen Preismanipulation die Stereoanlage der Kassiererin vorgelegt, um die
von ihm gewünschte Vermögensverfügung - Verzicht auf die Geltendmachung
des wahren Kaufpreises - zu bewirken. Zudem hatte der Soldat die Absicht,
rechtswidriger und stoffgleicher Eigenbereicherung in Höhe von 64,75 US$.
bb) Die im PX-Laden von F. begangene Urkundenfälschung sowie der Betrugs-
versuch stellen zugleich auch einen vorsätzlichen Verstoß des Soldaten gegen
seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) dar. Die in der genannten Vorschrift
normierte allgemeine Pflicht zum „treuen Dienen“, die durch die in den §§ 8 ff.
SG aufgestellten speziellen Dienstpflichten in deren Anwendungsbereich kon-
kretisiert wird, gebietet jedem Soldaten, im Inland wie bei Auslandsverwendun-
gen seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und lo-
yal gegenüber dem Dienstherrn zu erfüllen. Das schließt ein, innerhalb und au-
ßerhalb des Dienstes mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften dazu bei-
zutragen, dass die Streitkräfte der Bundeswehr ihre durch die Verfassung fest-
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gelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, sowie alles zu unterlas-
sen, was diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in unzulässiger Weise
schwächen könnte.
Zu der in § 7 SG normierten Pflicht zum treuen Dienen gehört insbesondere die
Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem
die Beachtung der Strafgesetze (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 25. Juni 2009
- BVerwG 2 WD 7.08 - m.w.N.). Denn die Anforderungen an die insoweit von
den Soldaten geforderte „Treue“ - zum Dienstherrn Bundesrepublik Deutsch-
land - werden in der rechtsstaatlich parlamentarischen Demokratie des Grund-
gesetzes in erster Linie durch den vom Volk gewählten Gesetzgeber und inner-
halb dieses Rahmens von der parlamentarisch verantwortlichen Exekutive fest-
gelegt. Allerdings stellt nicht jede Verletzung einer Rechtsvorschrift (z.B. ein
einmaliges Missachten einer „roten Ampel“) bereits eine Verletzung der Pflicht
zum treuen Dienen dar. Es muss sich vielmehr um einen Rechtsverstoß von
Gewicht handeln, der zudem in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhält-
nis steht. Die Vorschrift des § 7 SG kommt bei der Prüfung von Dienstpflichtver-
letzungen schließlich nur insoweit zur Anwendung, als die in den §§ 8 ff. SG
normierten Dienstpflichten für ihren jeweiligen Anwendungsbereich ihr nicht als
speziellere Vorschrift vorgehen (vgl. dazu z.B. Urteil vom 25. September 2008
- BVerwG 2 WD 19.07 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 42 = NZWehrr 2009, 73
m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben hat der Soldat zugleich auch seine Dienstpflicht ge-
mäß § 7 SG - Loyalitätspflicht gegenüber der Rechtsordnung - vorsätzlich ver-
letzt. Bei den in den USA begangenen Straftaten (vgl. dazu § 1a Abs. 2 WStG)
gemäß § 267 Abs. 1, § 263 Abs. 1 und 2, § 22 StGB handelt es sich um
Rechtsverstöße von Gewicht, die in ihrem Unrechtsgehalt von der Pflichtenre-
gelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 SG - Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdi-
gem Verhalten im Dienst oder innerhalb dienstlicher Anlagen - nicht voll erfasst
werden. Das strafbare Fehlverhalten des Soldaten steht auch in engem Zu-
sammenhang mit seinem Dienstverhältnis. Der Soldat schädigte bzw. gefährde-
te im Militärstützpunkt F., d.h. innerhalb einer „dienstlichen Anlage“ u.a. Eigen-
tum und Vermögen der verbündeten US-Streitkräfte und beeinträchtigte da-
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durch auch das Ansehen der deutschen Soldaten, was sich jedenfalls vorüber-
gehend negativ auf den dortigen Dienstbetrieb ausgewirkt hat. Der Soldat hat
insoweit zumindest auch bedingt vorsätzlich gehandelt. Er war zuvor bereits
dreimal zu Lehrgängen nach F. kommandiert und wiederholt über die „Ein-
kaufsvergünstigungen“ und das Verhalten im PX-Laden einschließlich möglicher
Sanktionen bei Verstößen gegen die Vorschriften belehrt worden. Die Folgen
seines Fehlverhaltens waren dem Soldaten demnach bewusst. Gleichwohl hat
er im genannten Umfang Straftaten begangen und war mit dem Eintritt des
Handlungserfolges in dem Sinne einverstanden, dass er ihn zumindest billigend
in Kauf nahm.
cc) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist das festgestellte Fehlverhalten
des Soldaten allerdings nicht als Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht
(§ 12 SG) zu werten. Es fehlt insoweit bereits an der erforderlichen Anschuldi-
gung.
Zum Gegenstand der Urteilsfindung dürfen gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 107
Abs. 1 WDO nur diejenigen Pflichtverletzungen gemacht werden, die in der An-
schuldigungsschrift und ihren Nachträgen dem Soldaten als Dienstvergehen zur
Last gelegt worden sind. Dies setzt voraus, dass die angeschuldigte Verlet-
zungshandlung, hier ein Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht (§ 12 SG), in
der Anschuldigungsschrift überhaupt bezeichnet worden ist. Eine solche durch
§ 107 Abs. 1 WDO gebotene Konkretisierung eines Vorwurfs ist aus rechts-
staatlichen Gründen unerlässlich, weil sich ein Soldat gegen einen solchen
Vorwurf anders nicht hinreichend verteidigen kann (stRspr, vgl. u.a. Beschluss
vom 19. August 2009 - BVerwG 2 WD 31.08 -; Urteile vom 6. Mai 2003
- BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO
2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD
3.03 - BVerwGE 119, 76 = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr
2005, 122 und vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - BVerwGE 127, 302 =
Buchholz 236.1 § 11 SG Nr. 1 = NZWehrr 2005, 254). An einer solchen
Konkretisierung fehlt es jedoch hier. Der Vorwurf einer Verletzung der Kame-
radschaftspflicht lässt sich weder dem Inhalt der Anschuldigungsschrift noch
dem der Nachtragsanschuldigungsschrift, auch nicht im Wege der Auslegung,
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entnehmen. Es hätte zumindest eines Hinweises darauf bedurft, dass der Sol-
dat durch sein Verhalten in Rechtspositionen seiner Kameraden eingegriffen
haben könnte, z.B. durch Gefährdung ihrer „Einkaufsvergünstigungen“. Solche
Hinweise sind weder in den Verfügungssätzen noch in den Ermittlungsergeb-
nissen beider Anschuldigungsschriften enthalten. Darüber hinaus mangelt es an
einer entsprechenden disziplinarrechtlichen Würdigung; § 12 SG ist als ver-
letzte Vorschrift auch nicht erwähnt.
c) Bemessung der Disziplinarmaßnahme
Durch die vorsätzliche Verletzung seiner Dienstpflichten gemäß § 7, § 17 Abs. 2
Satz 1 SG i.V.m. § 267 Abs. 1, § 263 Abs. 1 und 2, § 22 StGB, § 1a Abs. 2
WStG hat der Soldat ein schwerwiegendes Dienstvergehen im Sinne des § 23
Abs. 1 SG begangen, das den Ausspruch eines Beförderungsverbotes für die
Dauer von drei Jahren erforderlich macht; der Verhängung einer wei-
tergehenden Disziplinarmaßnahme bedarf es nicht.
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs we-
gen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen.
Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen
Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstel-
lung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bun-
deswehr“, vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz
450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaß-
nahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere
des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Per-
sönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu be-
rücksichtigen.
aa) Eigenart und Schwere eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem
Unrechtsgehalt der Verfehlung, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienst-
pflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen des Soldaten schwer.
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Der Schwerpunkt der Verfehlung liegt in der Verletzung der Pflicht zum treuen
Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre
Verletzung hat in der Regel schon deshalb erhebliches Gewicht. Der besondere
Unrechtsgehalt des Dienstvergehens ergibt sich vor allem daraus, dass der
Soldat im Rahmen seiner Auslandsverwendung innerhalb einer „dienstlichen
Anlage“ kriminelles Unrecht (Urkundenfälschung und versuchten Betrug) zu
Lasten der verbündeten US-Streitkräfte begangen hat. Zwar wurde das sach-
gleiche Strafverfahren gemäß § 153a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt, jedoch
nur gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 600 €. Der Umstand, dass es
strafrechtlich nur zu einem Betrugsversuch gekommen ist, führt hier disziplinar-
rechtlich nicht zu einer milderen Einstufung des Dienstvergehens. Der Versuch
einer Straftat stellt bereits ein vollendetes Dienstvergehen dar (vgl. Urteil vom
13. Juni 1989 - BVerwG 2 WD 2.89 - NZWehrr 1990, 77). Disziplinarrechtlich
belastet deshalb ein Dienstvergehen als versuchte Straftat einen Soldaten
grundsätzlich genauso wie eine vollendete Straftat. Etwas anderes kann aber
dann gelten, wenn der Nichteintritt des Taterfolges auf zurechenbarem Verhal-
ten des Soldaten beruhte (vgl. Beschluss vom 29. Januar 2009 - BVerwG 2 B
34.08 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 8 m.w.N. zum Beamtendisziplinarrecht).
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Der Soldat hat nur deshalb keinen voll-
endeten Betrug begangen, weil der Senat zu seinen Gunsten davon ausgeht,
dass die Kassiererin des PX-Ladens sich über den wahren Verkaufspreis der
Stereoanlage nicht geirrt hatte; die Kassiererin war zuvor durch den Telefonan-
ruf über die vom Überwachungspersonal beobachtete Preismanipulation des
Soldaten aufgeklärt worden.
Die Pflicht zum treuen Dienen ist gerade bei solchen Vorgängen, die erfah-
rungsgemäß schwer kontrolliert werden können, von besonderer Bedeutung.
Dies gilt auch im Kontakt mit verbündeten Streitkräften und deren Verwaltung.
So ist die Bundeswehr beim Umgang ihrer Soldaten mit dienstlich eingeräumten
Sonderrechten, Privilegien und Vergünstigungen ausländischer Einrichtungen
- hier im Hinblick auf die Einkaufsbedingungen in amerikanischen PX-Läden - in
hohem Maße auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten angewiesen.
Erfüllt ein Soldat in strafbarer Weise diese dienstlichen Erwartungen nicht, so
stört er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig und be-
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gründet ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Integrität. Auch die
verbündeten Streitkräfte haben in einem solchen Fall - wie hier - kein Ver-
ständnis dafür, wenn ein deutscher Soldat versucht, sich durch strafbares Ver-
halten auf ihre Kosten zu bereichern.
Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem
Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von
Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug
zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Ge-
währleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere ein
Vorgesetzter - wie hier -, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Unterge-
benen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu
erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und
Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das
festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. Urteil vom 19. April 2007
- BVerwG 2 WD 7.06 -
WDO 2002 Nr. 21>). Das war hier der Fall.
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier schließlich auch da-
durch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberfähn-
rich in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 SG i.V.m. § 4 Abs. 1
Nr. 2 und Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine erhöhte
Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner heraus-
gehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ord-
nungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt
damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetz-
te in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1
SG). Dies gilt umso mehr dann, wenn - wie hier - der Soldat bereits für die
Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen worden war.
Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten inner-
halb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen
lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des
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Dienstgrades aus (vgl. dazu Urteil vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 -
m.w.N.).
bb) Die Auswirkungen des Fehlverhaltens für den dienstlichen Bereich belasten
den Soldaten in mehrfacher Hinsicht. Der Vorfall ist - auf Veranlassung des
Soldaten selbst - im Kameradenkreis, aber auch im Bereich der Verbündeten
bekannt geworden; er hat für Unruhe gesorgt. Auch wenn die Aufklärung des
Sachverhalts und die Verfolgung des pflichtwidrigen und strafbaren Verhaltens
der Bundeswehr überlassen wurde, waren doch die US-Streitkräfte (örtlicher
Sicherheitsdienst, Militärpolizei) zunächst im Einsatz, was nicht nur personellen
und materiellen Aufwand verursachte, sondern auch das Ansehen der deut-
schen Soldaten beeinträchtigte. Das Fehlverhalten des Soldaten war überdies
geeignet, die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und
den US-Streitkräften zu belasten. Aufgrund der Aufmerksamkeit des örtlichen
Sicherheitsdienstes konnte allerdings verhindert werden, dass der mit der Be-
trugshandlung angestrebte Taterfolg eingetreten ist. Es blieb letztlich bei einer
Vermögensgefährdung in Höhe von 64,75 US$.
Ferner hatte das Fehlverhalten für die Personalplanung und -führung insoweit
negative Auswirkungen, als daraufhin ein Antrag auf Rückführung des Soldaten
in die Laufbahngruppe der Unteroffiziere gestellt worden ist, über den noch
nicht entschieden ist. Der dadurch ausgelöste Prüfvorgang könnte den Dienst-
herrn zu weiteren personellen Umplanungen zwingen; bereits seit dem
7. Dezember 2007 wird der Soldat unterwertig und ausbildungsfremd einge-
setzt. Die damit verbundenen nachteiligen Folgen für den Dienstbetrieb muss
sich der Soldat zurechnen lassen. Auch das Bekanntwerden seiner Verfehlung
bei den mit der Strafverfolgung und Durchführung des Strafverfahrens befass-
ten Personen ist zu seinen Lasten zu berücksichtigen, da der Vorfall bei Au-
ßenstehenden ein schlechtes Licht auf den Ruf der Bundeswehr und ihrer An-
gehörigen geworfen hat.
cc) Zu den Beweggründen seines Fehlverhaltens befragt, hat sich der Soldat in
der Berufungshauptverhandlung u.a. dahin eingelassen, er könne es sich selbst
nicht erklären, warum er so gehandelt habe; er würde es gern ungeschehen
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machen. Er wolle nichts verschleiern, betone aber nochmals, dass die Tat nicht
auf einem Tatplan beruht habe. Diese verbalen Äußerungen können den Sol-
daten nicht entlasten. Im Vergleich zu seinem objektiven Tatverhalten, wie es
auch in der Videoaufzeichnung zum Ausdruck kommt, sind seine Einlassungen
wenig glaubhaft. Bereits das Truppendienstgericht hatte dem Soldaten eine
unzureichende Bereitschaft zur einsichtigen Auseinandersetzung mit seinem
Fehlverhalten und ein „Beharren auf gewagten Schutzbehauptungen in aus-
sichtsloser Beweislage“ (Urteilabdruck S. 12) entgegengehalten. Aufgrund des
Gesamteindrucks, den der Soldat in der Hauptverhandlung vor dem Senat hin-
terlassen hat, kommt dieser zu einer ähnlichen Einschätzung. In Wahrheit dürf-
te es dem Soldaten damals allein darum gegangen sein, 64,75 US$ zu „spa-
ren“.
dd) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass
er vorsätzlich und mit der Absicht der Eigenbereichung gehandelt hat. Hinrei-
chende Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit i.S.d. § 21 StGB erheblich
vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich und werden
auch nicht geltend gemacht.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten min-
dern könnten, sind ebenfalls nicht erkennbar. Sie wären nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008
- BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der
der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekenn-
zeichnet gewesen wäre, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhal-
ten nicht mehr hätte erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden kön-
nen. Dazu hat der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung verschiedene
- nicht abschließende - Fallgruppen entwickelt, z.B. ein Handeln in einer aus-
weglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf ande-
re Weise nicht zu beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem
psychischen Zwang oder unter Umständen, die es als unbedachte, im Grunde
persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst
bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen
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oder seelischen Ausnahmesituation (vgl. u.a. Urteil vom 23. September 2008
- BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N., stRspr).
Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen eines solchen
Milderungsgrundes zur Tatzeit (9. September 2006) vorgelegen haben, sind
nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für den Milderungsgrund eines „Augen-
blicksversagens“. Auf eine solche unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfrem-
de Augenblickstat kann sich der Soldat schon deshalb nicht mit Erfolg berufen,
weil er sehr überlegt und planvoll vorgegangen ist. Entweder hatte er die Tat
von vornherein zielgerichtet vorbereitet, indem er die beiden insgesamt etwa
15 Minuten dauernden Tatabschnitte - Preismanipulation und eigentlicher
Kaufvorgang der Stereoanlage - zu Tarnungszwecken bewusst getrennt hat
oder aber er hat unter bewusster Ausnutzung der von ihm vorher selbst vor-
sätzlich geschaffenen, ihn begünstigenden Lage (Urkundenfälschung) gehan-
delt. In beiden Fällen läge kein „kopfloses Verhalten“ vor.
ee) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige
Führung“ sprechen für den Soldaten seine ihm in den Beurteilungen zum
30. September 2001 (Durchschnittsbewertung „5,62“) und vom 9. Juni 2008
(Durchschnittsbewertung „5,89“) attestierten guten Leistungen sowie die ihm
verliehenen förmlichen Anerkennungen und Auszeichnung.
Major P., seit Rückkehr des Soldaten aus den USA am 13. November 2006
dessen Disziplinarvorgesetzter, hatte als Leumundzeuge bereits vor dem Trup-
pendienstgericht ausgesagt, er sehe den Soldaten leistungsmäßig im oberen
Drittel und dort ebenfalls oben. Er sei intelligent, und sein Denkvermögen liege
deutlich über dem Schnitt. Zudem sei er aufrichtig und ein Vorbild für seine
Soldaten. Selbst im Falle einer Rückführung des Soldaten in die Laufbahn-
gruppe der Unteroffiziere würde er ihn, falls ein adäquater Dienstposten frei sei,
weiter in seiner Staffel behalten. In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat
der Leumundszeuge seine bisherige Beurteilung des Soldaten im Wesentlichen
wiederholt, aber betont, dass die charakterliche Eignung für die Offizierslauf-
bahn maßgebend sei.
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Oberstleutnant S., nächsthöherer Disziplinarvorgesetzter des Soldaten seit dem
19. Mai 2008, hat diesen als charakterstarken Offiziersanwärter qualifiziert, mit
dem er voll zufrieden sei. Er würde den Soldaten weiter als Technischen Offi-
zier einsetzen.
Ferner ist zu Gunsten des Soldaten zu berücksichtigen, dass dieser bisher we-
der disziplinar- noch strafrechtlich in Erscheinung getreten war.
Auch wenn der Soldat bis zuletzt - nach Überzeugung des Senats erfolglos -
bestritten hat, sich damals einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen
zu wollen, kann dieses Aussageverhalten nicht als negatives Persönlichkeits-
merkmal bewertet werden. Im Rahmen eines anhängigen Straf- und Diszipli-
narverfahrens ist ein Soldat als Angeschuldigter nicht verpflichtet, sich selbst zu
belasten und ist insoweit von der Wahrheitspflicht gemäß § 13 Abs. 1 SG ent-
bunden (vgl. zuletzt Urteil vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 -
m.w.N.). Ein solches Aussageverhalten ist bemessungsneutral, steht zugleich
aber einer günstigen Persönlichkeitsbeurteilung des Inhalts entgegen, der Sol-
dat habe Einsicht gezeigt und sich umfassend mit seiner Tat sowie Schuld und
Verantwortung auseinandergesetzt.
ff) Bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastender Umstände ist insbeson-
dere im Hinblick auf Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, das Maß der
Schuld sowie die Persönlichkeit und bisherige Führung des Soldaten der Aus-
spruch eines - gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 60 WDO zulässigen - Beförde-
rungsverbots für die Dauer von drei Jahren erforderlich, aber auch ausreichend;
der Verhängung einer weitergehenden Disziplinarmaßnahme bedarf es nicht.
Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in sei-
ner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfschema aus:
(1) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbe-
handlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechts-
staatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinar-
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maßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als
„Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“.
Begeht ein Soldat mit herausgehobenem Dienstgrad im Rahmen seiner Aus-
landsverwendung innerhalb einer „dienstlichen Anlage“ vorsätzlich Straftaten zu
Lasten von Eigentum und Vermögen verbündeter Streitkräfte, so indiziert ein
solches Dienstvergehen in der Regel den Ausspruch einer laufbahnhemmenden
Maßnahme in Form eines Beförderungsverbotes.
Bei dieser ersten Einstufung der Verfehlung lässt sich der Senat von der Über-
legung leiten, dass es sich hier nicht um einen innerdienstlichen Zugriff auf Ei-
gentum und Vermögen des Dienstherrn oder eines Kameraden handelt, bei
dem wegen des besonderen Gewichts des Dienstvergehens regelmäßig eine
Degradierung Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist (vgl. z.B. Urteile
vom 25. Juni 2009 a.a.O. und vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD
28.08 -, jeweils m.w.N.). Das Fehlverhalten des Soldaten richtet sich vielmehr
gegen einen Dritten - die verbündeten US-Streitkräfte - in Form einer Art „Wa-
renhausdiebstahl“. Beim außerdienstlichen Warenhausdiebstahl hat der Senat
in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteile vom 17. Februar 2000
- BVerwG 2 WD 45.99 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 35 = NZWehrr 2001, 79 und
vom 29. Februar 2000 - BVerwG 2 WD 5.00 -) grundsätzlich mildernd be-
rücksichtigt, dass der Anreiz, der von den „unbewachten“ Waren ausgeht, eine
große Versuchung darstellt, sich zu bereichern, und dass die Anonymität des
Eigentümers die Hemmschwelle zusätzlich herabsetzt. Anders als bei einem
außerdienstlichen Kameradendiebstahl oder einem rechtswidrigen Zugriff im
sozialen Nahbereich, wo wegen der personellen Beziehung des Täters zum
Opfer eine erheblich höhere Hemmschwelle besteht, deren Überwindung eine
erhöhte kriminelle Intensität erfordert, hat der Senat daher den Warenhaus-
diebstahl in der Regel „nur“ mit einer laufbahnhemmenden Maßnahme, einem
Beförderungsverbot, geahndet.
Diese Erwägungen zur bemessungsrechtlichen Ersteinstufung eines außer-
dienstlichen Warenhausdiebstahls sind auch im vorliegenden Fall geeignet, den
Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu bestimmen. Je nach der
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Schwere des Dienstvergehens kommt danach ein Beförderungsverbot von
mindestens einem Jahr und höchstens vier Jahren in Betracht (§ 60 Abs. 2
Satz 1 WDO), ggf. verbunden mit einer zusätzlichen Gehaltskürzung (§ 58
Abs. 4, § 59 WDO). Dies ist dann aber eine Frage der Bestimmung der ange-
messenen Disziplinarmaßnahme im Einzelfall auf der zweiten Prüfungsstufe,
soweit es überhaupt bei einem Beförderungsverbot verbleibt und nicht wegen
erheblicher Erschwerungs- oder Milderungsgründe der Ausspruch einer der Art
nach schwereren oder milderen Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. dazu Ur-
teil vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 -).
(2) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hin-
blick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien Umstände
vorliegen, die die Möglichkeit einer Verschärfung oder Milderung gegenüber der
auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist
vor allem hinsichtlich der „Eigenart und Schwere“ sowie der „Auswirkungen“ des
Dienstvergehens zu klären, ob es sich um einen schweren, mittleren oder leich-
ten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer („durch-
schnittlicher Fall“), sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist
gegenüber der Regeleinstufung (= „Ausgangspunkt der Zumessungserwägun-
gen“) die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“
zu modifizieren. Für die „Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z.B.
von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte,
einmalig oder wiederholt versagt hat, etwa in einem besonders wichtigen Pflich-
tenbereich. Bei den „Auswirkungen“ des Fehlverhaltens sind die konkreten
Folgen für den Dienstbetrieb (insbesondere die weitere Verwendbarkeit des
Soldaten, Rückwirkungen auf Vorgesetzte und Untergebene, negative
personalwirtschaftliche Konsequenzen) sowie schädliche Weiterungen für das
Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich
des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ hat der Senat neben der Schuld-
form (Vorsatz, Fahrlässigkeit) und der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB analog)
das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen
bei der endgültigen Bestimmung der Disziplinarmaßnahme in Betracht zu zie-
hen.
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Nach diesen Kriterien ist hier von einem „mittleren Fall“ auszugehen, der keine
hinreichenden Anhaltspunkte für eine Modifizierung der zu verhängenden Dis-
ziplinarmaßnahme nach „oben“ oder „unten“ bietet, sodass es bei der Regel-
einstufung „Beförderungsverbot“ verbleibt. Der Senat hält dabei im Ergebnis
allerdings wegen des Gewichts der Verfehlung ein über die mittlere Laufzeit von
zweieinhalb Jahren (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 1 WDO: mindestens ein Jahr und
höchstens vier Jahre) hinausgehendes Beförderungsverbot von drei Jahren für
erforderlich, aber auch ausreichend.
Den Soldaten belastet zunächst erheblich, dass es sich hier nicht um einen
„normalen“ außerdienstlichen Warenhausdiebstahl handelt, sondern um ein
strafbares Fehlverhalten im Ausland innerhalb einer „dienstlichen Anlage“ im
militärischen Nahbereich zu Lasten der verbündeten US-Streitkräfte, ohne dass
dem Soldaten durchgreifende Tatmilderungsgründe zur Seite stehen. Der Sol-
dat hat durch sein schweres Fehlverhalten nicht nur das Ansehen der deut-
schen Soldaten bei den Verbündeten sehr beeinträchtigt, sondern hat auch als
Vorgesetzter erheblich versagt mit der Folge, dass er zur Zeit unterwertig und
ausbildungsfremd eingesetzt wird.
Zu Gunsten des Soldaten lässt sich jedoch anführen, dass es sich um ein erst-
und einmaliges Fehlverhalten handelt - der Soldat ist weder straf- noch diszipli-
narrechtlich vorbelastet - und sich der Betrugsversuch im Bagatellbereich be-
wegt. Nach dem Wechselkurs vom 9. September 2006 entsprachen 64,75 US$
wertmäßig 50,96 €. Die von der Disziplinarrechtsprechung bei sogenannten
Zugriffsdelikten angenommene Bagatellgrenze von etwa 50 € (vgl. dazu Urteil
vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - m.w.N.) ist nicht überschrit-
ten. Den Soldaten entlasten außerdem die ihm attestierten guten dienstlichen
Leistungen, die ihm verliehenen förmlichen Anerkennungen und Auszeichnung
sowie die Tatsache, dass er auch nach seiner Umsetzung vom 7. Dezember
2007 in seinem Leistungsverhalten nicht nachgelassen hat (Nachbewährung).
Gleichwohl hält es der Senat, auch aus spezial- und generalpräventiven Erwä-
gungen, für erforderlich, eine spürbare Disziplinarmaßnahme zu verhängen; er
hat deshalb die Laufzeit des Beförderungsverbotes im Ergebnis auf drei Jahre
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festgesetzt. Der Soldat stand damals kurz vor der Beförderung zum Leutnant
(Offizier). Der Dienstherr hatte ihm besonderes Vertrauen entgegengebracht
und einen Laufbahnwechsel befürwortet. Diesem Vertrauen ist der Soldat nicht
gerecht geworden. Dies gilt auch im Hinblick auf die ihm entgegengebrachten
günstigen Bewertungen, z.B.
in
der dienstlichen Beurteilung zum
30. September 2001 (…„Geradlinigkeit…persönliche Integrität…charakterlich
höchst tugendhaft…besonders stark ausgeprägtes, sehr gefestigtes Werte- und
Moralgefüge, welches er für jedermann sichtbar konsequent nach außen ver-
tritt…“) und in der Laufbahnbeurteilung vom 2. August 2002 (…der seine hohen
Moral- und Wertvorstellungen jeden Tag vorbildlich selber lebt…“). Auch inso-
weit hat der Soldat enttäuscht. Er ließ sich am Tattag nicht lediglich zu seinem
Fehlverhalten hinreißen, sondern ging - wie dargelegt - insgesamt gezielt und
überlegt vor. Dies lässt einen erheblichen Charaktermangel erkennen. Der
Charakter eines Menschen und die Wertung seiner Festigkeit und Lauterkeit
sind unteilbar. Ein im Charakter deutlich werdender Persönlichkeitsmangel kann
nicht dadurch relativiert oder sogar kompensiert werden, dass der Soldat sonst
im dienstlichen Bereich die erforderliche Disziplin wahrt, sich tadelfrei führt und
in seinen dienstlichen Leistungen die Erwartungen des Dienstherrn erfüllt oder
sogar übertrifft.
Den zusätzlichen Ausspruch einer Gehaltskürzung hält der Senat gemäß § 58
Abs. 4 WDO nicht für erforderlich, zumal dem Soldaten im Rahmen des sach-
gleichen Strafverfahrens bereits eine Geldbuße in Höhe von 600 € auferlegt
worden war.
3. Da die Berufung des Soldaten, gemessen am Rechtsmittelantrag und
-begehren, zum Teil Erfolg hat, waren die Kosten des Berufungsverfahrens
zwischen dem Bund und dem Soldaten aufzuteilen (§ 139 Abs. 3 WDO). Ent-
sprechendes gilt für die notwendigen Auslagen des Soldaten (§ 140 Abs. 5
Satz 1 i.V.m. Abs. 2 WDO).
Golze
Dr. Dette
Dr. Müller
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