Urteil des BVerwG vom 15.10.2008

Soldat, Durchsuchung, Rechtliches Gehör, Beschlagnahme

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 16.07
TDG S 6 VL 21/06
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
Herrn Stabsunteroffizier der Reserve ...,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der öffentlichen
Hauptverhandlung am 15. Oktober 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Major Müller und
ehrenamtlicher Richter Stabsunteroffizier Hundt
sowie
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsassessor ...
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 2 -
Auf die Berufung des früheren Soldaten wird das Urteil der
6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 8. Mai
2007 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme
geändert.
Der frühere Soldat wird in den Dienstgrad eines Hauptge-
freiten der Reserve herabgesetzt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
dem früheren Soldaten darin erwachsenen notwendigen
Auslagen haben dieser und der Bund je zur Hälfte zu tra-
gen.
G r ü n d e :
I
Der jetzt 31 Jahre alte frühere Soldat, der nach dem Realschulabschluss eine
Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert hatte, war auf seine Bewerbung hin
zum 5. Januar 1998 im Dienstgrad Stabsunteroffizier zu einer viermonatigen
Eignungsübung in die Bundeswehr einberufen worden. Mit Wirkung vom 5. Mai
1998 wurde er unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit
zum Stabsunteroffizier ernannt. Seine zunächst auf vier Jahre festgesetzte und
später auf acht Jahre verlängerte Dienstzeit endete mit Ablauf des 4. Januar
2006. Der verheiratete frühere Soldat, der eine zweijährige Tochter hat, hat
sein Studium abgebrochen und ist zurzeit arbeitsuchend. Seine Ehefrau ist
nicht berufstätig.
Nachdem der frühere Soldat zuletzt Unteroffizierlehrgänge an der Schule für
Personal in integrierter Verwendung mit gutem Erfolg absolviert hatte, wurde er
mit Wirkung vom 1. Oktober 1999 zum Deutschen Anteil S.../B. zur dortigen
Stabs- und Versorgungskompanie versetzt, wo er im ...büro als ...unteroffizier
eingesetzt wurde. Im Jahr 2000 befand er sich für vier Monate im SFOR-
Auslandseinsatz in Bosnien. Aufgrund der Vorfälle, die Gegenstand des vorlie-
genden Disziplinarverfahrens sind, wurde die Verwendung des früheren Solda-
ten in B. durch Versetzung zur .../Stabsfernmelderegiment ... (später Stabs-
kompanie Heeres...kommando) in K. zum 1. April 2003 vorzeitig beendet. Be-
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- 3 -
reits am Montag, dem 24. Februar 2003 war dem früheren Soldaten die Aus-
übung des Dienstes sowie das Tragen der Uniform verboten worden mit der
Folge, dass er nach Abgabe seines S...-Ausweises noch am selben Tage das
Hauptquartier in B. verlassen musste. Mit Verfügung vom 10. März 2003 wurde
er vorläufig des Dienstes enthoben und ein Uniformtrageverbot ausgesprochen.
Zugleich wurde mit Wirkung vom 1. April 2003 angeordnet, dass die Hälfte
seiner Dienstbezüge einbehalten wird. Antrag und Beschwerde des früheren
Soldaten gegen die letztgenannten Maßnahmen blieben in beiden Instanzen
ohne Erfolg (vgl. Beschluss vom 18. November 2003 - BVerwG 2 WDB 2.03 -
BVerwGE 119, 206 ff.). Die bei Ablauf der Dienstzeit angeordnete vorläufige
Einbehaltung von 30 % der Versorgungsbezüge des früheren Soldaten wurde
mit Wirkung vom 1. September 2006 auf dessen Antrag hin aus Fürsorgegrün-
den aufgehoben.
II
1. In dem durch Verfügung vom 10. März 2003 ordnungsgemäß eingeleiteten
gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den
Bereich des ...amtes dem früheren Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom
3. Juli 2006 in der Fassung der Nachtragsanschuldigungsschrift vom 17. Januar
2007 folgende Sachverhalte als schuldhafte Verletzungen seiner
Dienstpflichten zur Last gelegt:
„1. Der frühere Soldat entzog sich am 22. Februar 2003
zwischen 19:20 Uhr und Mitternacht in K. auf der
B...straße einer allgemeinen Fahrzeug- und Perso-
nenkontrolle, bei der er mit seinem Pkw durch die Po-
lizei angehalten worden war, durch Flucht zu Fuß und
leistete dem ihn verfolgenden Polizeibeamten, als die-
ser den früheren Soldaten ergriff, Widerstand durch
Wegdrücken mit der Hand.
2. Ab einem nicht näher zu bestimmenden Zeitpunkt bis
zum 22. Februar 2003 hatte der frühere Soldat zwei
Handfeuerwaffen, 1 EA Browning Arms Company
Morgan Utah Montreal 9 mm x 19 NATO mit zwei Ma-
gazinen (Waffen-Nr.: 245 PN 01787) und einen
Trommelrevolver, sechsschüssig, Smith & Wesson
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357 Magnum, Modell 586 (Waffen-Nr.: ADZ 1380),
nebst Munition in Besitz, ohne eine Berechtigung zum
Besitz nach §§ 10 ff. Waffengesetz zu haben.
3. Der frühere Soldat brachte in einem nicht näher be-
stimmbaren Zeitraum zwischen dem 01. Oktober 1999
und dem 23. Februar 2003 in seine Unterkunftsstube
228 im Gebäude 312 in S.../B. sowie zwischen dem
01. Oktober 1999 und dem 25. Februar 2003 in sein
Dienstzimmer im Gebäude ..., Office H-... in S.../B.
entgegen der Bestimmung aus der ZDv 10/5 Nr. 311
Bild-, Ton- und Datenträger sowie Schriften rechtsext-
remistischen Inhalts ein. Darunter befanden sich unter
anderem Bilder und Tonträger mit verfassungswidri-
gen und im Inland gemäß § 86a StGB unter Strafe
gestellten Kennzeichen, wobei er zuvor bezüglich die-
ser Kennzeichen sowie der Gegenstände, deren Be-
sitz als Propagandamittel nach § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB
im Inland strafbar ist, über die dienstrechtlichen Fol-
gen aktenkundig belehrt wurde.
In die Unterkunftsstube hatte der frühere Soldat ein-
gebracht:
eine Kopie der Broschüre ‚Antwort auf die Goldhagen-
und Spielberglügen’,
ein Schriftstück ‚SS-Family’,
ein[en] Ordner mit Kopien des ‚Kühnen-Buchs’,
ein[en] Ordner mit Kopien des Buches ‚Das goldene
Band. Esoterischer Hitlerismus’ von Miguel Serrano,
das Buch ‚Der Mythos des 20. Jahrhunderts’ von Alf-
red Rosenberg,
neun Kopien von Abbildungen, die zum Teil Runen-
Zeichen aufweisen;
In sein Dienstzimmer hatte der frühere Soldat einge-
bracht:
ein[en] Hefter mit dem Parteiprogramm der NPD,
ein Buch ‚Volk und Reich der Deutschen’,
ein[en] Hefter ‚Runen und Rituale’,
eine CD-ROM mit Bild-, Ton- und Videomaterial mit
folgendem Inhalt:
eine Videodatei ‚Triumph Of The Will 07 - Hitler
Youth Ralley - Rare Nazi-Film’,
mehrere Ton-Dateien mit folgenden Titeln:
‚Noie Werte - Rudolf Hess’,
‚Horst-Wessel-Lied’ (‚Das Horst-Wessel-Lied-SA
Chor’),
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‚Wehrmacht - Leibstandarte SS Adolf Hitler - Die
Fahne hoch’,
‚Wehrwolf - geboren um zu hassen’,
‚Wehrwolf - Herz aus Stahl’,
‚Wehrwolf - Volk steh auf’,
‚gestapo white power’,
‚reichskammermusik - Waffen-SS-Treue’,
‘White Power Techno - Adolf Hitler’,
zwei farbige Computerausdrucke, die jeweils die Über-
schrift ‚Die Wehrmacht’ tragen und einen darüber be-
findlichen symbolisierten Adler mit Hakenkreuz aufwei-
sen.
Durch sein Verhalten hat der Soldat die ihm obliegende
Dienstpflicht verletzt,
− durch sein gesamtes Verhalten für die Erhaltung der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne
des Grundgesetzes einzutreten (zu Anschuldigungs-
punkt 3),
− seinen Vorgesetzten zu gehorchen (zu Anschuldi-
gungspunkt 3),
− sich im Dienst so zu verhalten, dass er die Achtung
und das Vertrauen, die sein Dienst erfordert, nicht be-
einträchtigt (zu Anschuldigungspunkt 3),
− sich außer Dienst und außerhalb militärischer Anlagen
so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrau-
en, die sein Dienst erfordert, nicht ernsthaft beein-
trächtigt (zu Anschuldigungspunkten 1 und 2),
wobei er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung
ein schlechtes Beispiel gegeben hat.
Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 Soldatengesetz (SG) in
Verbindung mit §§ 8, 11 Satz 1, 17 Abs. 2 Satz 1 und 2,
jeweils 2. Alt. SG unter den erschwerenden Vorausset-
zungen des § 10 Abs. 1 SG.“
2. a) In dem mit den Anschuldigungspunkten 1 und 2 sachgleichen Strafverfah-
ren war der frühere Soldat zuvor durch rechtskräftiges (Berufungs-)Urteil des
Landgerichts K. vom 14. September 2005 wegen unerlaubten Führens einer
halbautomatischen Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm in
Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe und Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1, § 52 StGB, § 53 Abs. 1 Nr. 3b, Abs. 3
Nr. 1b WaffG a.F.) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden,
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deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Das Landgericht
hatte folgende Feststellungen getroffen:
„Am 22. Februar 2003 gegen 19.20 Uhr war bei der Poli-
zeiinspektion K. telefonisch mitgeteilt worden, dass zwei
Personen über das Tor des Hauptfriedhofes in K. geklet-
tert seien. Zwei uniformierte Beamte der Polizeiinspekti-
on ... in K., die Zeugen H. und B., begaben sich daraufhin
mit ihrem Dienstwagen zur Örtlichkeit, wo sie das abge-
stellte Fahrzeug des Angeklagten, einen Pkw Mercedes
mit belgischem Kennzeichen, observierten. Kurze Zeit
später kam der Angeklagte und der Zeuge N., die sich
nach ihren Angaben auf den Friedhof begeben hatten, um
spazieren zu gehen und sich in Ruhe zu unterhalten, zu
dem Fahrzeug zurück. Der Zeuge H. und die Zeugin B.
unterzogen den Angeklagten und den Zeugen N. einer
Personenkontrolle. Im Hinblick auf verschiedene Strafta-
ten, die in letzter Zeit auf dem Friedhof begangen worden
waren (Sachbeschädigungen, Drogendelikte u.a.) wurde
eine Durchsuchung des Fahrzeuges durchgeführt. Wäh-
rend der Kontrolle seines Fahrzeuges gab der Angeklagte
vor, zu frieren. Unter dem Vorwand, sich eine Jacke holen
zu wollen, ergriff er einen im Kofferraum des Pkw abge-
legten Rucksack und flüchtete. Die Zeugin B. nahm zu-
nächst zu Fuß die Verfolgung auf, brach diese aber wegen
offensichtlicher Aussichtlosigkeit nach kurzer Zeit ab. Der
Zeuge H. nahm sodann die Verfolgung des Angeklagten
mit dem Streifenwagen auf. Er erreichte den Angeklagten
und fuhr mit dem Fahrzeug, dessen Fahrgeschwindigkeit
er reduziert hatte, schräg vor den laufenden Angeklagten.
Dieser stieß gegen den Streifenwagen und stürzte zu
Boden. Der Angeklagte erhob sich und flüchtete zu Fuß
weiter. Der Zeuge H. folgte ihm mit gezogener
Dienstpistole. Ihm gelang es, nahe an den Angeklagten
heranzukommen. In diesem Augenblick spürte er aufgrund
einer schon bestehenden Knieverletzung starke
Schmerzen, die ihm eine Fortsetzung der Verfolgung un-
möglich machten. Der Zeuge H., der davon ausging, dass
der fliehende Angeklagte in seinem Rucksack Drogen in
erheblichen Mengen mit sich führte, sah einen Schlag mit
seiner Dienstwaffe als einzige Möglichkeit an, die Flucht
des Angeklagten noch erfolgreich zu verhindern. Ein Er-
greifen des Angeklagten mit der linken Hand - in der rech-
ten Hand hielt der Zeuge die Dienstpistole - schien dage-
gen nicht mehr möglich. Der Angeklagte wurde durch den
Schlag des Zeugen H. - vermutlich mit dem Lauf der
Dienstpistole - am Kopf getroffen und ging zu Boden. Der
Angeklagte und der Zeuge H. stürzten und überschlugen
sich. Auf dem Boden liegend versuchte der Zeuge H. den
Angeklagten - zum Zwecke der vorläufigen Festnahme -
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zu fixieren. Hierbei leistete der Angeklagte Gegenwehr,
indem er sich wand und gleichzeitig versuchte, den Zeu-
gen H. mit der Hand von sich zu drücken. Dem Zeugen H.
gelang es gleichwohl, den Angeklagten zu fixieren. Er ver-
brachte ihn zum Streifenwagen. Der Angeklagte verhielt
sich nunmehr ruhig. Bei der Durchsuchung des Rucksa-
ckes des Angeklagten wurden zwei Schusswaffen gefun-
den, die der Angeklagte mit sich geführt hatte. Es handelte
sich um einen Revolver der Marke Smith & Wesson,
Modell 586, Kaliber 357 Magnum, Serien-Nr.: ADZ 1380
und eine Pistole der Marke FN, Modell HP, Modell 9 mm
Luger, Serien-Nr.: 245 PN 01787. Die Pistole stellt eine
halbautomatische Selbstladewaffe im Sinne des Waffen-
gesetzes dar.
Die erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnisse für die
Waffen besaß der Angeklagte nicht. Er führte die Waffen
bewusst und in Kenntnis aller waffenrechtlich relevanten
Umstände mit sich; woher der Angeklagte die Waffen er-
halten hat und was er mit ihnen beabsichtigte, konnte in
Ermangelung entsprechender Angaben und weiterer Er-
mittlungen nicht geklärt werden.“
b) Als anlässlich der strafbaren Vorfälle von Samstag, dem 22. Februar 2003
bei dem früheren Soldaten rechtsextremistisches Material aufgefunden worden
war - ohne dass dieser dadurch Strafgesetze verletzt hatte - und in Folge des-
sen der Verdacht entstanden war, dieser habe entsprechendes Material in den
dienstlichen Bereich eingebracht, wurde wegen „Verdunkelungsgefahr“ noch
am Sonntag, dem 23. Februar 2003, in Anwesenheit des früheren Soldaten
dessen Unterkunftsstube 228 im Gebäude 312 in S.../B. durch seinen damali-
gen Disziplinarvorgesetzten, den Kompaniechef der Deutschen ...kompanie
S..., Major L., durchsucht; dieser hatte zuvor den zuständigen Rechtsberater
konsultiert. Am Dienstag, dem 25. Februar 2003, öffneten der G 2-Offizier, Fre-
gattenkapitän S., nebst einem weiteren Stabsoffizier sowie zwei Unteroffizieren
mit Portepee in Abwesenheit des früheren Soldaten dessen Schreibtisch in sei-
nem Dienstzimmer im Gebäude ... in S.../B. In beiden Räumen wurden u.a. die
im Anschuldigungspunkt 3 aufgeführten Gegenstände gefunden und beschlag-
nahmt bzw. sichergestellt. Dem Fax-Antrag des Kompaniechefs vom 24. Feb-
ruar 2003 auf nachträgliche Genehmigung der am 23. Februar 2003 erfolgten
Durchsuchung der dienstlichen Unterkunft des früheren Soldaten stimmte der
Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts Süd durch Beschluss
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vom 24. Februar 2003 zu. Der Beschluss wurde dem Kompaniechef am 27.
Februar 2003, dem früheren Soldaten am 7. März 2003 zugestellt.
3. Die ... Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat durch Urteil vom 8. Mai
2007 entschieden, dass dem früheren Soldaten das Ruhegehalt aberkannt wird.
Hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 und 2 hat sich die Truppen-
dienstkammer an die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafur-
teils gebunden gesehen und hat insoweit eine Verletzung seiner außerdienstli-
chen Wohlverhaltenspflicht angenommen. Zu Anschuldigungspunkt 3 hat das
Gericht festgestellt, dass die dort aufgeführten Bücher, Schriftstücke und Da-
tenträger im Zuge einer Durchsuchung der Unterkunftsstube und des Arbeits-
platzes des früheren Soldaten im Hauptquartier S... aufgefunden und be-
schlagnahmt worden seien. Durch sein Verhalten im Anschuldigungspunkt 3
habe er gegen seine Gehorsamspflicht, seine Dienstpflicht zum Eintreten für die
freiheitliche demokratische Grundordnung und seine Pflicht zu achtungs- und
vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst verstoßen. Dem früheren Soldaten sei
bekannt gewesen, dass es gemäß Nr. 311 der ZDv 10/5 verboten sei, Ton-,
Bild- oder Datenträger, Schriften, Abzeichen oder ähnliche Gegenstände, die
sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten oder
Kennzeichen oder Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen ent-
hielten, auch nur vorübergehend in den dienstlichen Bereich einzubringen. Ins-
gesamt habe er ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das mangels
durchgreifender Milderungsgründe mit der Aberkennung des Ruhegehalts ge-
ahndet werden müsse.
4. Gegen das ihm am 12. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der frühere Soldat
durch seinen Verteidiger am 12. Juli 2007 Berufung eingelegt mit dem Antrag,
ihn von allen Vorwürfen freizusprechen, hilfsweise das Verfahren einzustellen.
Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:
Die Vorwürfe in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 würden zu Unrecht erho-
ben. Da die Personen- und Fahrzeugkontrolle bereits beendet gewesen sei,
hätte die Polizei ihn nicht verfolgen dürfen. Die gegen ihn gerichteten körperli-
chen Zwangsmaßnahmen stellten eine strafbare Verfolgung Unschuldiger dar.
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Seine Widerstandshandlungen seien daher gerechtfertigt gewesen. Die aufge-
fundenen Waffen unterlägen folglich einem strafprozessualen Verwertungsver-
bot.
Ferner sei gegen das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) ver-
stoßen worden. Es habe keinen disziplinarischen Überhang gegeben, der nicht
zugleich von den geahndeten Straftaten konsumiert worden sei. Da eine dop-
pelte Bestrafung unzulässig sei, hätte nur eine Gesamtstrafe unter mildernder
Berücksichtigung seiner Soldateneigenschaft gebildet werden dürfen. Als Soldat
sei er generell befugt gewesen, Waffen zu tragen. So stehe es auch in seinem
Truppenausweis. Deshalb entfalle der Gefahrenaspekt, der mit unerlaubtem
Waffenbesitz generell verbunden sei. Er, der frühere Soldat, habe lediglich die
falschen Waffen zur falschen Zeit am falschen Ort geführt. Dies sei faktisch nur
eine Ordnungswidrigkeit, sodass die Anwendung des Waffengesetzes un-
angemessen sei. Entsprechendes gelte für den Widerstand gegen Vollstre-
ckungsbeamte. Da er als Soldat Teil der vollziehenden Staatsgewalt gewesen
sei, hätten die Polizisten von jeder weiteren Maßnahme gegen ihn absehen
müssen.
Im Anschuldigungspunkt 3 greife bereits das Verwertungsverbot aus dem
rechtswidrigen Polizeihandeln der Anschuldigungspunkte 1 und 2 durch. Ohne
den illegal erlangten Waffenfund wäre es nicht zur Stubenkontrolle gekommen,
sodass alle dort aufgefundenen und beanstandeten Gegenstände ebenfalls ei-
nem Verwertungsverbot unterlägen. Außerdem sei die Durchsuchung seiner
Wohnung gemäß § 20 WDO rechtswidrig gewesen. Da er nicht zum Wohnen in
der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet gewesen sei, habe er seine Wohnung
gegen Entgelt privatrechtlich gemietet gehabt. Sie unterfalle daher dem Schutz
des Art. 13 GG.
Auch das Räumen seines Arbeitsplatzes im Dienstzimmer sei fehlerhaft gewe-
sen. Man habe ihm zuvor den S...-Ausweis abgenommen gehabt, sodass er
sich in der militärischen Anlage nicht mehr habe aufhalten dürfen. Auf diese
Weise habe man verhindert, dass er seine persönlichen Sachen an sich nehme,
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um diese dann durch „Ersatzvornahme“ disziplinarisch gegen ihn zu ver-
wenden; sie unterlägen ebenfalls einem Verwertungsverbot.
Dessen ungeachtet sei er berechtigt gewesen, die beschlagnahmten Gegen-
stände zu besitzen. Es habe sich um zeitgeschichtliche Dokumente und Streit-
schriften gehandelt, die sich mit der Deutung der Ereignisse von 1933 bis 1945
befasst und seiner Weiterbildung gedient hätten. Daraus könne nicht gefolgert
werden, dass er pflichtwidrig nicht für die freiheitliche demokratische Grundord-
nung eingetreten sei. Zudem sei das Verbot, Gegenstände rechtsextremisti-
schen Inhalts in den Unterkunftsbereich bzw. den Bereich der militärischen
Dienststelle einzubringen, wegen mangelnder Bestimmtheit unverbindlich.
Schließlich verzichte er, der frühere Soldat, nicht auf seinen gesetzlichen Rich-
ter, der nur durch Volksrichterwahl auf Zeit in sein Amt gelangen könne und so
von Exekutive und Legislative unabhängig sei. Diese Voraussetzungen lägen
hinsichtlich der Richter am Truppendienstgericht, die vom Bundesministerium
der Verteidigung ernannt worden seien, derzeit nicht vor.
III
Die Berufung des früheren Soldaten hat zum Teil Erfolg.
1. Die gemäß § 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und
fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig.
2. Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Mit der Berufungs-
begründung werden neben Zuständigkeits- und Verfahrensrügen sowohl die
tatsächlichen Feststellungen wie auch die rechtliche Würdigung im erstinstanz-
lichen Urteil angegriffen. Der Senat hat deshalb im Rahmen der Anschuldigung
(§ 107 Abs. 1 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen
zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und gegebenenfalls über die angemes-
sene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
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3. Der Senat ist zur Entscheidung in der Sache befugt. Es sind keine schwer-
wiegenden Verfahrensmängel ersichtlich, die zu einer Einstellung des Diszipli-
narverfahrens oder einer Zurückverweisung der Sache an das Truppendienst-
gericht führen (vgl. § 108 Abs. 3 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO sowie § 121 Abs. 2
WDO).
Die Durchführung des Disziplinarverfahrens ist nicht wegen Verstoßes gegen
das Doppelbestrafungsverbot unzulässig. Art. 103 Abs. 3 GG, wonach niemand
wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft
werden darf, gilt wegen des systematischen Unterschieds zwischen Strafrecht
und Disziplinarrecht nicht im Verhältnis beider zueinander (stRspr, vgl. z.B.
BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 668, 710/68 und 337/69 - BVerf-
GE 28, 264 <276 ff.>; Senatsurteil vom 14. November 2007 - BVerwG 2 WD
29.06 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 4, jeweils m.w.N.). Die strafrechtli-
che Verurteilung des früheren Soldaten schließt deshalb die Verhängung einer
Disziplinarmaßnahme wegen derselben Tat nicht aus.
Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Entscheidungsbefugnis der Trup-
pendienstkammer. Die Disziplinargerichtsbarkeit über Soldaten ist mit dem
Grundgesetz vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen Art. 101 GG.
Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten und deren Besetzung sind verfas-
sungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies hat der Senat mit Urteil vom
24. September 1992 - BVerwG 2 WD 13.91, 7.92 - BVerwGE 93, 287 ff. zu den
§§ 62 ff. WDO a.F. entschieden; darauf wird Bezug genommen. An dieser
Rechtslage hat sich durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung des Wehrdiszip-
linarrechts vom 16. August 2001, BGBl I S. 2093, in Kraft getreten am 1. Januar
2002, nichts geändert. Die Gesetzesnovelle hat in den neuen §§ 68 ff. WDO die
bisherige Struktur der Wehrdienstgerichte, insbesondere die Vorschriften über
ihre Errichtung, Zuständigkeit, Zusammensetzung und Besetzung, weitgehend
unberührt gelassen. Sowohl die Truppendienstkammer als auch der Senat
waren - und sind - daher von Verfassungs wegen berufen, über das
disziplinargerichtliche Verfahren gegen den früheren Soldaten zu entscheiden.
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4. Die Berufung ist zum Teil begründet. Von den Vorwürfen im Anschuldi-
gungspunkt 3 war der frühere Soldat freizustellen. Die bindenden strafgerichtli-
chen Feststellungen einschließlich des vom Senat ergänzend festgestellten
Sachverhalts zu den Anschuldigungspunkten 1 und 2 stellen ein Dienstverge-
hen dar, das mit einer Herabsetzung des früheren Soldaten in den Dienstgrad
eines Hauptgefreiten der Reserve zu ahnden war.
a) Von den Vorwürfen im Anschuldigungspunkt 3, entgegen Nr. 311 der
ZDv 10/5 Bild-, Ton- und Datenträger sowie Schriften rechtsextremistischen
Inhalts in seine Unterkunftsstube sowie in sein Dienstzimmer in S.../B. einge-
bracht zu haben, war der frühere Soldat freizustellen. Die in der Unterkunfts-
stube und im Dienstzimmer beschlagnahmten bzw. sichergestellten Gegens-
tände dürfen dem früheren Soldaten disziplinarrechtlich nicht zur Last gelegt
werden; für sie besteht ein Beweisverwertungsverbot. Weitere Beweismittel zu
Anschuldigungspunkt 3 sind nicht vorhanden. Der Vertreter des Bundeswehr-
disziplinaranwalts hat in der Berufungshauptverhandlung auf ausdrückliche
Nachfrage erklärt, er könne zur Stützung der Vorwürfe keine weiteren Beweis-
mittel vorlegen.
Die in der Unterkunftsstube und im Dienstzimmer in S.../B. durchgeführten Be-
schlagnahmen bzw. Sicherstellungen waren schon aus formellen Gründen
rechtswidrig und haben zu einem Beweisverwertungsverbot geführt:
aa) Rechtsgrundlage für die Beschlagnahme von Gegenständen in der Unter-
kunftsstube des früheren Soldaten in S.../B. zur Aufklärung eines Dienstverge-
hens war § 20 WDO. Die Befugnis, in B. gegen dort Dienst leistende Soldaten
der Bundeswehr disziplinarrechtliche Maßnahmen nach deutschem Recht tref-
fen zu dürfen, beruht auf Art. VII Abs. 1 Buchst. a NATO-Truppenstatut. Danach
haben die Militärbehörden des Entsendestaates - hier Deutschland - das Recht,
innerhalb des Aufnahmestaates - hier B. - die gesamte Straf- und Dis-
ziplinargerichtsbarkeit auszuüben, die ihnen durch das Recht des Entsende-
staates über alle dem Militärrecht dieses Staates unterworfenen Personen
übertragen ist.
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(1) Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO darf der Disziplinarvorgesetzte zur Aufklä-
rung eines Dienstvergehens Durchsuchungen und Beschlagnahmen nur au-
ßerhalb von Wohnungen und nur auf Anordnung des Richters des zuständigen,
notfalls des nächsterreichbaren Truppendienstgerichts vornehmen. Bei Gefahr
im Verzug darf der Disziplinarvorgesetzte Maßnahmen nach Absatz 1 auch oh-
ne richterliche Anordnung treffen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 WDO). Die richterliche
Genehmigung ist unverzüglich zu beantragen. Der Antrag auf richterliche Zu-
stimmung oder Genehmigung ist zu begründen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 und 3
WDO). Der Soldat ist vor allen Entscheidungen, welche die Bestätigung von
Maßnahmen nach Absatz 1 zum Gegenstand haben, zu hören. Die Entschei-
dungen sind ihm zuzustellen (§ 20 Abs. 2 Satz 9 und 10 WDO).
Der damalige Disziplinarvorgesetzte, der in der Berufungshauptverhandlung als
Zeuge angehörte Oberstleutnant L., hatte nach Rücksprache mit dem zuständi-
gen Rechtsberater die Unterkunftsstube des eines Dienstvergehens verdächti-
gen früheren Soldaten am Sonntag, dem 23. Februar 2003, durchsucht und dort
Beschlagnahmen vorgenommen, ohne zuvor gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO
dafür eine truppendienstrichterliche Anordnung eingeholt zu haben. Erst
nachträglich, auf Antrag des Disziplinarvorgesetzten vom 24. Februar 2003,
stimmte der Vorsitzende des zuständigen Truppendienstgerichts durch Be-
schluss vom selben Tag - ohne vorherige Anhörung des früheren Soldaten - der
Durchsuchung zu. Die anlässlich der Durchsuchung der Unterkunftsstube
durchgeführten Beschlagnahmen der im Anschuldigungspunkt 3 genannten
Gegenstände entsprachen in mehrfacher Hinsicht nicht den gesetzlichen An-
forderungen, wobei der Senat offenlassen kann, ob sich die Rechtswidrigkeit
der Maßnahmen schon aus dem Umstand ergibt, dass die Unterkunftsstube
228 des früheren Soldaten im Gebäude 312 in S.../B. eine „Wohnung“ im Sinne
des § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO war.
Das Bundesverfassungsgericht hatte zu Art. 13 Abs. 2 GG, wonach Woh-
nungsdurchsuchungen nur durch den Richter, bei „Gefahr im Verzug“ auch
durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und
durchgeführt werden dürfen, bereits durch Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 BvR
1444/00 - BVerfGE 103, 142 <153 f.> - entschieden, dass der Begriff „Gefahr im
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Verzug“ eng auszulegen ist. Die vorherige richterliche Anordnung einer
Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche - mit nachträglicher richterli-
cher Kontrolle - die Ausnahme. Danach ist „Gefahr im Verzug“ nur anzuneh-
men, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der
Durchsuchung gefährden würde. Bei der Durchsuchung zur Auffindung von
Beweismitteln soll die Eilkompetenz das zuständige Organ in die Lage verset-
zen, einen Beweismittelverlust zu verhindern. „Gefahr im Verzug“ muss mit Tat-
sachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Die bloße (abs-
trakte) Möglichkeit eines Beweismittelverlusts genügt nicht (BVerfG, Urteil vom
20. Februar 2001 a.a.O. <155>). Die für Eilfälle zuständigen Organe müssen
regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen,
bevor sie eine Durchsuchung beginnen. Nur in Ausnahmesituationen, wenn
schon die zeitliche Verzögerung wegen eines solchen Versuchs den Erfolg der
Durchsuchung gefährden würde, dürfen sie selbst die Anordnung wegen Gefahr
im Verzug treffen, ohne sich zuvor um eine richterliche Entscheidung bemüht zu
haben. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nicht allein mit dem
abstrakten Hinweis begründet werden, eine richterliche Entscheidung sei ge-
wöhnlicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimm-
ten Zeitspanne nicht zu erlangen. Dem korrespondiert die verfassungsrechtliche
Verpflichtung der Gerichte, die Erreichbarkeit eines Richters, auch durch die
Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes, zu sichern (BVerfG, Urteil vom
20. Februar 2001 a.a.O. <155 f.>). Die Einschaltung eines Richters darf nicht
deshalb unterbleiben, weil nicht ausreichend für die Erreichbarkeit eines sol-
chen Richters gesorgt worden war (BVerfG, Kammerbeschluss vom
28. September 2006 - 2 BvR 876/06 - EuGRZ 2006, 605 f.). Auslegung und
Anwendung des Begriffs „Gefahr im Verzug“ unterliegen einer unbeschränkten
gerichtlichen Kontrolle. Eine solche wirksame Nachprüfung setzt aber voraus,
dass das handelnde Organ vor oder jedenfalls unmittelbar nach der Durchsu-
chung seine für den Eingriff bedeutsamen Erkenntnisse und Annahmen in den
Ermittlungsakten dokumentiert hat (insbesondere, unter Bezeichnung des Tat-
verdachts und der gesuchten Beweismittel, Darlegung der Umstände, auf die
die Gefahr des Beweismittelverlusts gestützt werden); ferner muss erkennbar
sein, ob zuvor der Versuch unternommen worden war, den zuständigen Richter
zu erreichen (BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 a.a.O. <157, 159 f.>).
- 15 -
Der Senat hat keine Bedenken, diese Auslegung des Begriffs „Gefahr im Ver-
zug“ im Rahmen der Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung durch Strafver-
folgungsbehörden gemäß Art. 13 Abs. 2 GG auf den gleichlautenden Begriff in
§ 20 Abs. 2 Satz 1 WDO im Hinblick auf eine disziplinarrechtliche Durchsu-
chung dienstlicher Räume und Unterkünfte - außerhalb von „Wohnungen“ -
durch den Disziplinarvorgesetzten zu übertragen. Auch § 20 Abs. 1 Satz 1
WDO geht von dem Regelfall aus, dass Durchsuchungen und Beschlagnahmen
nur auf Anordnung des Richters des zuständigen, notfalls des nächster-
reichbaren Truppendienstgerichts durchgeführt werden dürfen. Lediglich bei
„Gefahr im Verzug“, d.h. ausnahmsweise, dürfen die Maßnahmen auch ohne
richterliche Anordnung vorgenommen werden; die richterliche Genehmigung ist
(dann) unverzüglich zu beantragen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 WDO). Da die
Regelungen des Richtervorbehalts sowohl in Art. 13 Abs. 2 GG als auch in § 20
WDO grundsätzlich auf eine wirksame präventive Kontrolle der Eingriffe in die
geschützte persönliche Lebenssphäre des Betroffenen zielen, ist es aus rechts-
staatlichen Gründen geboten, an die Ausnahmebefugnis des Disziplinarvorge-
setzten gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO im Hinblick auf die nur repressive
Überprüfung einer solchen Eil-Maßnahme, die nicht mehr rückgängig gemacht
werden kann, gleich hohe Anforderungen zu stellen.
(2) Die anlässlich der Durchsuchung der Unterkunftsstube des früheren Solda-
ten am Sonntag, dem 23. Februar 2003, durchgeführten Beschlagnahmen wa-
ren schon aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig. „Gefahr im Verzug“
im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO lag nicht vor.
Zunächst ist nichts dafür ersichtlich, dass mit der Durchsuchung und entspre-
chenden Beschlagnahmen nicht bis Montag gewartet werden konnte. Ein Be-
weismittelverlust drohte objektiv nicht. Zwar hatte sich der damalige Disziplinar-
vorgesetzte in seiner Niederschrift über die Durchsuchung und Beschlagnahme
vom 23. Februar 2003, zugleich Antrag an die ... Kammer des Truppendienst-
gerichts Süd auf Erteilung der erforderlichen Anordnung, auf „Verdunkelungs-
gefahr“ berufen (vgl. dazu auch § 20 Abs. 4 Satz 4 WDO) und in seinem beige-
fügten Anschreiben an das Gericht vom 24. Februar 2003 die „Gefahr im Ver-
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zug“ damit begründet, es habe nicht sichergestellt werden können, dass der
frühere Soldat von Sonntag bis zum Dienstbeginn am Montag früh seiner Un-
terkunftsstube fernbleiben würde. Es sei generell nicht möglich, den Verbleib
der Stubenschlüssel zu überwachen. Zudem sei zu befürchten gewesen, dass
der frühere Soldat in seinem Besitz vermutete Gegenstände aus seiner Stube
beiseite schaffen würde. Eine sofortige Durchsuchung - noch am Sonntag - war
jedoch objektiv nicht zwingend. Es gab Alternativen, um bis zu einer richterli-
chen Anordnung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmehandlungen mögli-
che Beweise in der Unterkunftsstube zu sichern. Neben dem Verschließen und
Versiegeln der Stube sowie regelmäßigen Kontrollen seitens des UvD/GvD kam
zusätzlich in Betracht, dem Soldaten das Betreten seiner Stube durch einen
entsprechenden Befehl zu verbieten. In der Zwischenzeit konnte er in der da-
mals vorhandenen Gaststube oder der UvD-Stube vorübergehend unterge-
bracht werden. Dass solche Alternativen bestanden, hat der Zeuge L. in der
Berufungshauptverhandlung ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Gegenteiliges,
dass damals z.B. die Gaststube nicht frei gewesen sei, hatte er nicht dokumen-
tiert.
Es ist auch nicht erwiesen, dass der damalige Disziplinarvorgesetzte noch vor
der Durchsuchung am Sonntag erfolglos versucht hatte, gemäß § 20 Abs. 1
Satz 1 WDO eine Anordnung des Richters des zuständigen, notfalls des
nächsterreichbaren Truppendienstgerichts zu erlangen. Dies ist jedenfalls nicht
schriftlich festgehalten. Weder die Niederschrift vom 23. Februar 2003 noch das
Anschreiben an das Truppendienstgericht vom Folgetag enthalten entspre-
chende Hinweise. Der Zeuge L. hat vor dem Senat ausgesagt, er habe ge-
wusst, dass ein Richter einer Durchsuchung und Beschlagnahme zustimmen
müsse. Die Telefonnummer des zuständigen Truppendienstrichters sei ihm be-
kannt gewesen. Ob er noch am Sonntag versucht habe, ihn zu erreichen, wisse
er nicht mehr. Einen diesbezüglichen Vermerk habe er nicht gemacht. Sein
Rechtsberater habe ihm damals geraten, die Durchsuchung sofort durchzufüh-
ren. Der Umstand, dass es im Jahr 2003 bei den Truppendienstgerichten noch
keinen Notdienst für Wochenenden etc. gab - so der Vertreter des Bundes-
wehrdisziplinaranwalts in der Berufungshauptverhandlung -, darf sich im Zweifel
nicht zum Nachteil des betroffenen Soldaten auswirken. Insbesondere entbindet
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diese Tatsache den Disziplinarvorgesetzten - ungeachtet ihm erteilten
Rechtsrats - nicht von der Notwendigkeit, sich nach Kräften zu bemühen, dass
Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach den Regelvoraussetzungen des
§ 20 Abs. 1 Satz 1 WDO vorgenommen werden. Dies hat das Bundesverfas-
sungsgericht mit Blick auf Art. 13 Abs. 2 GG ausdrücklich klargestellt.
Die Beschlagnahme von Gegenständen in der Unterkunftsstube des früheren
Soldaten war schließlich auch deshalb rechtswidrig, weil der nachträgliche, un-
ter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör zustande gekommene
Beschluss des Truppendienstgerichts vom 24. Februar 2003 weder nach sei-
nem Tenor noch nach seiner Begründung eine richterliche Genehmigung gera-
de der „Beschlagnahmen“ enthält. Es ist dort lediglich von der am 23. Februar
2003 erfolgten „Durchsuchung“ und von „(Beweis-)Material“ die Rede. Die be-
schlagnahmten Gegenstände werden überhaupt nicht erwähnt. Da § 20 WDO
ausdrücklich zwischen Durchsuchung und Beschlagnahme unterscheidet und
die nachträgliche Genehmigung beider Maßnahmen beantragt war, sieht der
Senat nach dem eindeutigen Wortlaut der gerichtlichen Entscheidung keine
Möglichkeit, durch eine weite Auslegung des Begriffs „Durchsuchung“ auch die
erfolgten Beschlagnahmen als genehmigt anzusehen. Es kommt hinzu, dass im
Falle einer nachträglichen richterlichen Genehmigung der Beschlagnahme be-
reits feststeht, welche Gegenstände tatsächlich beschlagnahmt worden sind, so
dass der Richter auch zu prüfen hat, ob gerade diese Gegenstände als Be-
weismittel in Betracht kommen und ob deren Beschlagnahme verhältnismäßig
ist. Eine pauschale nachträgliche Genehmigung der Durchsuchung, wie sie hier
allein vorliegt, ist daher auch inhaltlich nicht geeignet, die erfolgte Beschlag-
nahme zu rechtfertigen.
Der Beschluss führt auch nicht näher aus, warum ausnahmsweise die Voraus-
setzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO vorlagen. Der Vorsitzende des nach-
träglich angerufenen Truppendienstgerichts hat offensichtlich ebenfalls den
Ausnahmecharakter des Begriffs „Gefahr im Verzug“ verkannt. Sein Beschluss
wird den strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht ge-
recht.
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Ob die Rechtswidrigkeit einer Beschlagnahme nach § 20 WDO möglicherweise
dann unbeachtlich ist, wenn die Maßnahme durch rechtskräftigen Gerichtsbe-
schluss nachträglich genehmigt wird, kann offenbleiben. Ein solcher Fall liegt
hier nicht vor. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene truppendienst-
gerichtliche Beschluss vom 24. Februar 2003, der dem früheren Soldaten am
7. März 2003 zugestellt worden war, erfasst - wie erwähnt - die Beschlagnah-
mehandlungen in der Unterkunftsstube überhaupt nicht.
(3) Die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahmen rechtfertigt auch die Annahme
eines Verwertungsverbotes hinsichtlich der bei der Durchsuchung der Unter-
kunftsstube des früheren Soldaten beschlagnahmten Gegenstände.
Unter welchen Voraussetzungen bei einem Verstoß gegen den Richtervorbehalt
gemäß § 20 WDO ein Verwertungsverbot hinsichtlich der in dienstlichen
Räumen und Unterkünften - außerhalb von „Wohnungen“ - aufgefundenen Be-
weismittel anzunehmen ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Es gibt auch
keinen Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiser-
hebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig ist (BVerfG,
Kammerbeschluss vom 30. Juni 2005 - 2 BvR 1502/04 - NVwZ 2005, 1175
m.w.N.). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. In der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs zur Wohnungsdurchsuchung in strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren ist unter Berücksichtigung der Art des Verbotes, dem Gewicht
des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen anerkannt,
dass eine bewusste Missachtung oder gleichgewichtig grobe Verkennung der
Voraussetzungen des für Wohnungsdurchsuchungen bestehenden Richtervor-
behalts die Annahme eines Verbots der Verwertung bei der Durchsuchung ge-
wonnener Beweismittel rechtfertigen kann (BGH, Urteil vom 18. April 2007
- 5 StR 546/06 - BGHSt 51, 285 ff., Leitsatz). Nach Auffassung des Senats kann
für das Wehrdisziplinarverfahren im Wesentlichen nichts anderes gelten, zumal
auch nach § 20 WDO richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahme-
anordnungen die Regel und die nichtrichterlichen die Ausnahme bilden. Dass
jedenfalls aus objektiver Sicht grobe Verstöße gegen den Richtervorbehalt im
Disziplinarverfahren nicht sanktionslos bleiben dürfen, ergibt sich auch im Hin-
blick auf den alleinigen Zweck des Wehrdisziplinarrechts, zur Wiederherstellung
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und Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebs beizutragen (vgl.
dazu zuletzt Urteil vom 5. August 2008 - BVerwG 2 WD 14.07 - m.w.N.). Ein
ordnungsgemäßer Dienstbetrieb ist nicht nur dann gewährleistet, wenn jeder
Soldat für sein Dienstvergehen disziplinarisch zur Verantwortung gezogen wird,
sondern setzt auch voraus, dass jeder Disziplinarvorgesetzte die gesetzlichen
Bestimmungen und dienstlichen Anordnungen befolgt und die Truppen-
dienstgerichte, soweit sie angerufen werden, für deren Einhaltung Sorge tragen.
Objektiv grobe Verstöße gegen die Regelungen des § 20 WDO müssen sich
daher im Zweifel zugunsten des betroffenen Soldaten auswirken. Dies gebietet
auch der Anspruch auf ein faires rechtsstaatliches Disziplinarverfahren (vgl.
speziell zum gerichtlichen Wehrdisziplinarverfahren BVerfG, Kammerbeschluss
vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208).
Nach diesen Maßstäben war hier ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen.
In Bezug auf die bei der Durchsuchung der Unterkunftsstube vorgenommenen
Beschlagnahmen ist - insgesamt gesehen - gröblich gegen den Richtervorbe-
halt nach § 20 WDO verstoßen worden. Das ergibt sich aus folgenden Um-
ständen:
Zunächst ist insoweit auf das in mehrfacher Hinsicht fehlerhafte Handeln des
damaligen Disziplinarvorgesetzten, des Zeugen L., damals im Rang eines Ma-
jors, abzustellen, ohne dass diesem insoweit ein Schuldvorwurf gemacht wird.
Dieser kannte den Richtervorbehalt, wie er in der Berufungshauptverhandlung
bestätigt hat, und hatte auch die einschlägigen Formulare für das Verfahren bei
Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 20 WDO verwendet. Obwohl die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur „Durchsuchung bei Gefahr
im Verzug“ und zum dazugehörigen „Richtervorbehalt“ bereits Anfang 2001,
d.h. zwei Jahre zuvor ergangen war, hatte der Disziplinarvorgesetzte das schon
im Wortlaut des § 20 WDO zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Prinzip
und dessen Voraussetzungen in mehrfacher Hinsicht missachtet und den
Begriff „Gefahr im Verzug“ verkannt. So ist nicht ersichtlich, dass er sich noch
am Sonntag um eine zumindest fernmündliche richterliche Zustimmung bemüht
hatte. Offensichtlich war er - ohne Bedenken - dem Rat seines Rechtsberaters
gefolgt, die Durchsuchung sofort durchzuführen. Dabei dürfte auch
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mitursächlich gewesen sein, dass es im Jahr 2003 bei den Truppendienstge-
richten an den Wochenenden noch keinen Notdienst gab; dies ist ein weiterer
gewichtiger (Organisations-)Mangel, der eine ordnungsgemäße Durchführung
des Verfahrens nach § 20 WDO an Wochenenden und Feiertagen vereitelt hat
und deshalb ebenfalls für ein Beweisverwertungsverbot streitet. Die sofortige
Durchsuchung der Unterkunftsstube noch am Sonntag war auch nicht zwin-
gend. Wie bereits dargelegt, hatte der Disziplinarvorgesetzte aus objektiver
Sicht verschiedene Alternativen. Diese hatte er damals weder erkannt und sich
mit ihnen auseinandergesetzt noch Entsprechendes schriftlich festgehalten. Die
von ihm in Anspruch genommene Eilkompetenz hat er insgesamt auch nur sehr
oberflächlich dokumentiert. So hat er in der „Niederschrift über eine Durchsu-
chung und Beschlagnahme“ vom 23. Februar 2003 als Tatsachen, die seiner
Meinung nach zur Annahme einer Gefahr im Verzug geführt hatten, lediglich auf
bestehende „Verdunkelungsgefahr“ verwiesen, „wodurch die Aufklärung des
Dienstvergehens erschwert worden wäre“. Dies ist ein weiteres Indiz dafür,
dass dem damaligen Disziplinarvorgesetzten der Ausnahmecharakter der nicht
richterlich durchgeführten Durchsuchung und Beschlagnahme nicht ausrei-
chend bewusst war. Schließlich hätte ihm nach Zustellung des truppendienst-
gerichtlichen Beschlusses am 27. Februar 2003 auffallen müssen, dass schon
nach dem eindeutigen Wortlaut der Entscheidung die von ihm vorgenommenen
Beschlagnahmen überhaupt nicht erwähnt und folglich von der richterlichen
Zustimmung auch nicht erfasst sind. Dies hätte ihn zumindest veranlassen
müssen, nachträglich den Rat seines Rechtsberaters einzuholen. Das ist aber
unterblieben.
Hinzu kommt, dass der vom Disziplinarvorgesetzten angerufene Kammervorsit-
zende des Truppendienstgerichts den gesetzlichen Richtervorbehalt offensicht-
lich auch nicht sehr ernst genommen hat, wie die fehlerhafte Durchführung des
gerichtlichen Verfahrens einschließlich seiner Entscheidung, die ohne besonde-
re Dringlichkeit noch am selben Tag ergangen ist, zeigen; auch insoweit liegen
grobe Verstöße gegen § 20 WDO vor. So mangelt es nicht nur am rechtlichen
Gehör des früheren Soldaten vor Erlass der die Maßnahme bestätigenden Ent-
scheidung (§ 20 Abs. 2 Satz 9 WDO), sondern auch an der - beantragten - Zu-
stimmung zu den Beschlagnahmen vom 23. Februar 2003. Tenor und Gründe
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des Beschlusses vom 24. Februar 2003 schweigen dazu. Schließlich geht die
Entscheidung auch nicht näher auf die besonderen Voraussetzungen des Aus-
nahmetatbestandes nach § 20 Abs. 2 WDO ein, wie die nur formelhafte Be-
gründung des Gerichtsbeschlusses zeigt:
„Der Soldat war durch das Ergebnis einer am Wochenen-
de 22./23.02.2003 in K. durchgeführten Polizeikontrolle in
den hinreichenden Verdacht geraten, im Besitz von ver-
fassungsfeindlichem Material zu sein und dies in den
dienstlichen Bereich eingebracht zu haben.
Es bestand die Gefahr, dass er dieses Material beiseite
schaffen und damit Beweise vernichten könnte.
Die Durchsuchung sollte dem Zweck dienen, Beweismate-
rial für eine etwaige rechtsradikale oder rechtsextremisti-
sche Gesinnung aufzufinden. Sie duldete keinen Aufschub
und konnte ohne vorherige richterliche Anordnung
durchgeführt werden. Sie bedarf jedoch der nachträgli-
chen Genehmigung (§ 20 Abs. 2 WDO).
Diese war hiermit zu erteilen.“
bb) Die Sicherstellung von Gegenständen des früheren Soldaten im Dienst-
zimmer in S.../B. zu disziplinarrechtlichen Zwecken war ebenfalls schon aus
formellen Gründen rechtswidrig und hat insoweit zu einem Beweisverwertungs-
verbot geführt.
(1) Nach dem Ergebnis der Berufungshauptverhandlung steht für den Senat
aufgrund der Einlassungen des früheren Soldaten, soweit ihnen gefolgt werden
kann, der Anhörung des Zeugen Oberstleutnant L. und des Zeugen Fregatten-
kapitän S., damals G 2/Marine bei S..., sowie der zum Gegenstand der Haupt-
verhandlung gemachten Urkunden fest, dass die am 25. Februar 2003 im
Dienstzimmer aufgefundenen und dem früheren Soldaten im Anschuldigungs-
punkt 3 zur Last gelegten Gegenstände im Rahmen einer Durchsuchungsmaß-
nahme zu disziplinarrechtlichen Zwecken formlos sichergestellt worden sind.
Gemäß dem vierseitigen Protokoll des Deutschen Militärischen Vertreters bei
S... G 2/Marine wurde am Dienstag, dem 25. Februar 2003, in Anwesenheit des
Divisionsoffiziers, Oberstleutnant Sch., des Zeugen S. (G 2), des Divisionsun-
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teroffiziers, Stabsfeldwebel B., und des Hauptbootsmanns Ho. (S 2) in der Zeit
von 17.40 Uhr bis 19.10 Uhr der Schreibtisch des früheren Soldaten im Dienst-
zimmer geöffnet und wurden alle Gegenstände, die nicht zum Inventar gehör-
ten, entnommen und der Deutschen ...kompanie unter ihrem damaligen Kom-
paniechef, dem Zeugen L., zugeführt. Die Maßnahme fand ohne Zustimmung
und in Abwesenheit des früheren Soldaten statt. Dieser hatte nach Rückgabe
seines S...-Ausweises das Hauptquartier bereits am Montag, dem 24. Februar
2003, in Richtung K. verlassen. Bei den aufgefundenen privaten Gegenständen
handelte es sich zum Teil um solche angeblich rechtsextremistischen Inhalts,
die - vom früheren Soldaten in sein Dienstzimmer eingebracht - in das Diszipli-
narverfahren einbezogen worden und im Anschuldigungspunkt 3 aufgeführt
sind; im Protokoll vom 25. Februar 2003 sind sie bereits mit einem Ausrufungs-
zeichen versehen. Wie der Zeuge S. in der Berufungshauptverhandlung glaub-
haft ausgesagt hat, stammten diese Markierungen von ihm. Die von ihm ge-
kennzeichneten Sachen schienen ihm bedeutsam für den gegen den früheren
Soldaten geäußerten Verdacht, gegen Nr. 311 ZDv 10/5 verstoßen zu haben.
Der Zeuge hat auch eingeräumt, dass aufgrund der beim früheren Soldaten in
K. und in seiner Unterkunftsstube aufgefundenen Gegenstände rechtsextremis-
tischen Inhalts auch von ihm, dem Zeugen S., vermutet worden war, im Dienst-
zimmer des früheren Soldaten entsprechendes Material zu finden. Der Rechts-
berater sei in die Aktion eingeschaltet gewesen. Einen Antrag auf Zustimmung
des Truppendienstgerichts habe man nicht gestellt. Der Zeuge L., der die Aus-
sagen des Zeugen S. bestätigt hat, hat vor dem Senat ergänzend angegeben,
als Kompaniechef sei er nur für die Durchsuchung im Unterkunftsbereich seiner
Einheit, nicht für Maßnahmen im eigentlichen Dienstbereich von S... (Dienst-
zimmer), zuständig gewesen. Er habe die im Dienstzimmer aufgefundenen Ge-
genstände des früheren Soldaten zusammen mit der Auflistung vom G 2 später
übernommen.
(2) Nach den dargestellten Bekundungen des Zeugen S. diente die Maßnahme
am 25. Februar 2003 nicht - wie der Bundeswehrdisziplinaranwalt vorgetragen
hat - oder jedenfalls nicht in erster Linie der Räumung des Arbeitsplatzes, um
diesen für einen Nachfolger freizumachen, sondern vielmehr dem Auffinden
weiteren Beweismaterials im Zusammenhang mit dem Verdacht eines Dienst-
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- 23 -
vergehens. Nur so erklärt sich auch die „hochrangige“ Besetzung der an der
Aktion beteiligten Offiziere und Unteroffiziere. Materiell lag daher eine Durchsu-
chung im Sinne des § 20 Abs. 1 WDO vor, die nur nach vorheriger Genehmi-
gung durch den Vorsitzenden des zuständigen Truppendienstgerichts zulässig
gewesen wäre. Gefahr im Verzuge lag hier schon deswegen nicht vor, weil sich
der frühere Soldat zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in B. aufhielt und weil
mit seiner Rückkehr auch nicht zu rechnen war.
Eine disziplinarrechtliche Verwertung der im Dienstzimmer des früheren Solda-
ten in dessen Abwesenheit und ohne dessen Zustimmung formlos sicherge-
stellten Gegenstände setzt im Übrigen deren Beschlagnahme gemäß § 20
WDO voraus. Das folgt aus § 20 Abs. 5 WDO i.V.m. § 94 Abs. 1 und 2 StPO.
Nach den zuletzt genannten Vorschriften sind Gegenstände, die als Beweismit-
tel von Bedeutung sein können, in Verwahrung zu nehmen oder in anderer
Weise sicherzustellen; befinden sich die Gegenstände im Gewahrsam einer
Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Be-
schlagnahme. Ein solcher Fall lag hier vor. Der im Zeitpunkt der Sicherstellung
der Gegenstände abwesende frühere Soldat hatte der Maßnahme zu keinem
Zeitpunkt zugestimmt. Dies hat er in der Berufungshauptverhandlung noch
einmal ausdrücklich bestätigt. Die in seinem Dienstzimmer verbliebenen priva-
ten Gegenstände befanden sich im Zeitpunkt ihrer Sicherstellung (25. Februar
2003) auch noch in seinem Gewahrsam. Gewahrsam ist die vom Herrschafts-
willen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Ob diese ausgeübt wird, ist nach
den Umständen des Einzelfalls und der Verkehrsauffassung zu bestimmen. So
behält z.B. der Wohnungsinhaber auch bei längerer Abwesenheit den Gewahr-
sam an den Sachen in seiner Wohnung (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 6. Ok-
tober 1961 - 2 StR 289/61 - BGHSt 16, 271 <273>). Auch im vorliegenden Fall
gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der frühere Soldat, der seinen Dienst-
bereich am Vortag kurzfristig verlassen musste, den Gewahrsam an seinen Pri-
vatsachen im Dienstzimmer, insbesondere in seinem Schreibtisch, aufgegeben
hat mit der Folge, dass diese herrenlos geworden wären. Die Vorgesetzten gin-
gen ebenfalls davon aus, dass der frühere Soldat seine Privatsachen zurücker-
halten wollte. Noch bis zur Berufungshauptverhandlung hat der Bundeswehr-
disziplinaranwalt die Sicherstellung der Privatgegenstände im Dienstzimmer
41
- 24 -
allein mit der Bewahrung des Eigentums des früheren Soldaten begründet. Es
habe sich nur um eine „Aufräumaktion“ im Interesse des Eigentümers gehan-
delt. Dass dies allenfalls ein Nebenzweck der Maßnahme war, steht aufgrund
der Berufungshauptverhandlung fest.
Nach alledem war die nur formlose Sicherstellung der im Dienstzimmer aufge-
fundenen Gegenstände des früheren Soldaten zur Verwertung im Disziplinar-
verfahren nicht ausreichend; diese hätten gemäß § 20 Abs. 1 WDO vom dama-
ligen Disziplinarvorgesetzten auf Anordnung des Truppendienstgerichts be-
schlagnahmt werden müssen, was nicht geschehen ist. „Gefahr im Verzug“ im
Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO lag hier - wie ausgeführt - erst recht nicht
vor.
(3) Nach den oben genannten Maßstäben war deshalb auch im vorliegenden
Fall ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen. Alle Beteiligten, einschließlich
des hinzugezogenen Rechtsberaters, haben gröblich fehlerhaft verkannt, dass
es sich um eine nicht richterlich genehmigte Durchsuchung handelte und dass
sie die im Dienstzimmer des früheren Soldaten durchgeführten Sicherstellungen
als Beschlagnahmen nur auf Anordnung eines Richters des Truppen-
dienstgerichts vornehmen durften.
b) Die dem früheren Soldaten in den Anschuldigungspunkten 1 (Widerstand
gegen Vollstreckungsbeamte) und 2 (unerlaubter Schusswaffen- und Muniti-
onsbesitz) zur Last gelegten Verfehlungen sind erwiesen und stellen ein außer-
dienstliches Dienstvergehen dar, das mit einer Herabsetzung in den Dienstgrad
eines Hauptgefreiten der Reserve zu ahnden war.
aa) Tatsächliche Feststellungen
(1) Hinsichtlich des objektiven Geschehensablaufs und des subjektiven Tatver-
haltens des früheren Soldaten, soweit es Gegenstand der Anschuldigungs-
punkte 1 und 2 ist, wird im Wesentlichen auf die gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1
i.V.m. § 123 Satz 3 WDO den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen
des seit dem 29. September 2005 rechtskräftigen Strafurteils des Landgerichts
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K. vom 14. September 2005, die bereits dargestellt worden sind, Bezug ge-
nommen. Die Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss nach § 84 Abs. 1
Satz 2 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO sind nicht erfüllt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteil vom 14. November
2007 - BVerwG 2 WD 29.06 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 4 m.w.N.) ist
die Lösung von den tatsächlichen Feststellungen eines sachgleichen rechts-
kräftigen strafgerichtlichen Urteils auf Fälle beschränkt, in denen das Wehr-
dienstgericht sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offenkundig unzurei-
chender oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu ent-
scheiden. Bei der Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84
Abs. 1 Satz 2 WDO muss das gesetzlich normierte Regel-Ausnahme-Verhältnis
beachtet werden. Ausnahmevorschriften sind einer erweiternden Auslegung
nicht zugänglich. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis darf nicht in sein Gegenteil
verkehrt werden. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung, im Interesse der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unterschiedliche Feststellungen
zu einem historischen Geschehensablauf in verschiedenen rechtskräftigen Ent-
scheidungen zu verhindern, ergibt sich, dass die Wehrdienstgerichte an die
Beweiswürdigung in einem sachgleichen rechtskräftigen Strafurteil grundsätz-
lich auch dann gebunden sein sollen, wenn sie aufgrund eigener Würdigung
abweichende Feststellungen für möglich halten. Anderenfalls wäre die Vor-
schrift des § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO auf Fälle beschränkt, in denen das Wehr-
dienstgericht der Beweiswürdigung des Strafgerichts ohnehin folgen würde. Das
aber wäre weder mit der in § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO normierten grundsätzlichen
Bindung noch mit dem Gesichtspunkt vereinbar, dass die Wehrdienstgerichte
nach ihrer Zuständigkeit und Funktion keine Überprüfungsinstanz für
Strafurteile sind. Die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen objektiv oder sub-
jektiv auch anders gewesen sein könnte als vom Strafgericht rechtskräftig fest-
gestellt, reicht für einen Lösungsbeschluss nicht aus. Erhebliche und damit für
einen Lösungsbeschluss ausreichende Zweifel an der Richtigkeit der strafge-
richtlichen Feststellungen bestehen jedoch dann, wenn die strafgerichtlichen
Feststellungen in sich widersprüchlich oder sonst unschlüssig sind, im Wider-
spruch zu den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder
aus sonstigen - vergleichbar gewichtigen - Gründen offenkundig unzureichend
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- 26 -
sind. Offenkundig unzureichend in diesem Sinne sind strafgerichtliche Feststel-
lungen dann, wenn sie in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offen-
kundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen
sind oder, wenn entscheidungserheblich neue Beweismittel vorgelegt werden,
die dem Strafgericht noch nicht zur Verfügung standen oder, wenn die im straf-
gerichtlichen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung ausweislich der Urteils-
gründe nicht nachvollziehbar ist.
Keiner dieser Gründe liegt hier vor. Insbesondere beruhen die strafgerichtlichen
Tatsachenfeststellungen nicht auf einer offenkundigen Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften. Die Sicherstellung der Schusswaffen und ihre Be-
schlagnahme gemäß § 94 StPO durch die Strafverfolgungsbehörden ist nicht zu
beanstanden. Nach den bindenden - und auch vom früheren Soldaten insoweit
nicht bestrittenen - Feststellungen im Strafurteil ist davon auszugehen, dass der
frühere Soldat am 22. Februar 2003 mit seinem Privat-Pkw im Stadtgebiet von
K. durch die Schutzpolizei einer Fahrzeug- und Personenkontrolle unterzogen
wurde und bei der anschließend - nach einer Widerstandshandlung - erfolgten
Überprüfung seiner Person und seines Fahrzeugs die beiden genannten
Handfeuerwaffen beschlagnahmt worden sind. Mangels entsprechender
Erlaubnis nach §§ 10 ff. WaffG war der frühere Soldat zum Besitz der Schuss-
waffen und damit zum Umgang mit ihnen (vgl. § 1 Abs. 3 WaffG) nicht
berechtigt; dies hat er in der Berufungshauptverhandlung nochmals eingeräumt.
Soweit er meint, aufgrund seines Soldatenstatus sei er generell befugt
gewesen, Waffen zu tragen, ist dies rechtsirrig. Das Waffengesetz ist nach sei-
nem § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nur dann nicht auf die Bundeswehr und deren
Bediensteten anzuwenden, soweit diese dienstlich tätig werden; im Übrigen
gelten also die waffengesetzlichen Vorschriften auch für Soldaten. Anhalts-
punkte dafür, dass der frühere Soldat am Samstag, dem 22. Februar 2003, in K.
für die Bundeswehr dienstlich tätig war, sind nicht ersichtlich und werden auch
nicht geltend gemacht. Schließlich war der frühere Soldat auch nicht allein
deshalb zum Umgang mit den beschlagnahmten Schusswaffen befugt, weil er
Inhaber eines Truppenausweises war. Der Ausweisinhaber ist berechtigt, Uni-
form zu tragen und Schusswaffen im Rahmen der hierzu ergangenen Dienst-
vorschriften zu führen, soweit er dienstlich tätig wird. Die Berechtigung eines
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Soldaten zum Umgang mit Schusswaffen folgt demnach nicht allein aus dem
Besitz und der Inhaberschaft eines Truppenausweises. Es müssen auch die
entsprechenden materiellrechtlichen Voraussetzungen - Wahrnehmung dienst-
licher Aufgaben als Soldat - erfüllt sein (vgl. dazu den zur Tatzeit geltenden § 2
Nr. 1 WaffVwV-BMVg vom 18. April 1989, VMBl. S. 174). Das war hier offen-
sichtlich nicht der Fall.
(2) Neben den bindenden Feststellungen zur Widerstandshandlung gegen den
Polizeibeamten und zum unerlaubten Schusswaffenbesitz ist ferner angeschul-
digt und erwiesen, dass der frühere Soldat für beide Handfeuerwaffen noch
zusätzlich - bewusst und gewollt - Munition bei sich geführt hatte. Insgesamt
waren 106 Schuss Munition in seinem Kfz aufgefunden worden. Dies hat der
frühere Soldat in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt.
bb) Disziplinarrechtliche Würdigung
Durch das in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 festgestellte außerdienstliche
Fehlverhalten hat der frühere Soldat seine Achtungs- und Vertrauenswah-
rungspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) vorsätzlich verletzt.
Nach der genannten Vorschrift hat sich der Soldat außer Dienst und außerhalb
der dienstlichen Unterkünfte so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bun-
deswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung
erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Für die Feststellung eines Verstoßes
gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchti-
gung des Ansehens der Bundeswehr oder der Achtungs- und Vertrauenswür-
digkeit im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass
das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine solche Wirkung auszulösen.
Denn die Vorschrift stellt allein auf das Verhalten des Soldaten ab, ohne dass
es für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung auf den konkreten Eintritt
einer solchen Beeinträchtigung ankommt. Die Achtungs- und Vertrauens-
würdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden
nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt
oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt (vgl. z.B. Urteil
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- 28 -
vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 -
in Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 23> m.w.N., stRspr). Dies ist zweifellos
dann der Fall, wenn ein Soldat - wie hier - durch Widerstand gegen Vollstre-
ckungsbeamte und Waffendelikte vorsätzlich schwerwiegende Straftaten be-
gangen hat, die mit einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe - wenn auch auf Be-
währung - geahndet worden sind. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass
der frühere Soldat zur Tatzeit als Stabsunteroffizier Vorgesetztenfunktionen
innehatte (§ 1 Abs. 5 SG a.F. i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VorgV). Nach § 10
Abs. 1 SG soll der Vorgesetzte in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Bei-
spiel geben. Diese Pflicht ist nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt. Ein
Soldat, der außerdienstlich in strafbarer Weise gegenüber Polizeibeamten Wi-
derstand leistet und gegen das Waffengesetz verstößt, disqualifiziert sich in
seiner Dienststellung als Vorgesetzter.
Ob dabei die tatbestandlich sehr weite Fassung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG un-
ter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in jeder Hinsicht bedenkenfrei ist, bedarf
hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls eine Dienstpflicht
des Inhalts, außerhalb des Dienstes keine mit Freiheits- oder Geldstrafe be-
drohte Straftat zu begehen, begegnet aus Sicht des Bestimmtheitsgebots kei-
nen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu auch Urteil vom 12. Juni 2007
- BVerwG 2 WD 11.06 - Buchholz 449.7 § 27 SBG Nr. 3 = NZWehrr 2007, 256
m.w.N.).
cc) Bemessung der Disziplinarmaßnahme
Das vom früheren Soldaten vorsätzlich begangene außerdienstliche Dienstver-
gehen gemäß § 23 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 2 SG, wobei der frühere Sol-
dat als Vorgesetzter gemäß § 10 Abs. 1 SG der verschärften Haftung unterliegt,
war mit einer Herabsetzung in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reser-
ve zu ahnden. Dieser gemäß § 58 Abs. 2 i.V.m. § 62 Abs. 1 Satz 4 WDO zu-
lässige Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme ist angemessen und geboten.
Bei der Maßnahmebemessung ist von der von Verfassungs wegen (Art. 20
Abs. 1, Art. 103 Abs. 3 GG) allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdiszipli-
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narrechts auszugehen. Diese besteht - wie bereits erwähnt - ausschließlich dar-
in, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wieder herzustel-
len und aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität,
des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu Urteil vom
5. August 2008 - BVerwG 2 WD 14.07 - m.w.N.). Bei Art und Maß der Diszipli-
narmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und
Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld,
die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren
Soldaten zu berücksichtigen.
(1) Das außerdienstliche Dienstvergehen des früheren Soldaten wiegt schwer.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass er kriminelles Unrecht begangen hat und
deshalb - wenn auch auf Bewährung - rechtskräftig insgesamt zu einer Frei-
heitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden ist. Das vorsätzlich strafbare
Verhalten weckt zudem ernstliche Zweifel an der Rechtstreue, der persönlichen
Integrität und der dienstlichen Zuverlässigkeit des früheren Soldaten. Die all-
gemeine Gesetzestreue eines Soldaten ist eine wesentliche Grundlage des
öffentlichen Dienstes, dessen Angehörigen nach Art. 33 Abs. 4 GG die Aus-
übung hoheitlicher Befugnisse obliegt. Deshalb ist ein - auch außerdienstlicher -
Verstoß gegen Rechtsnormen, die wichtige Gemeinschaftsinteressen schützen,
allgemein geeignet, das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Dienst-ausübung
zu erschüttern (vgl. Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD 13.07 -
Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen> m.w.N.). Ein solcher Fall ist auch
hier gegeben. § 113 StGB - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte - schützt
die Autorität staatlicher Vollstreckungsakte und dient damit dem Schutz des
Frieden stiftenden Gewaltmonopols des Staates. Die Strafvorschriften des
Waffengesetzes sind ebenfalls auf die Verfolgung wichtiger Gemeinschaftsinte-
ressen - Schutz der Bürger im Rahmen der öffentlichen Sicherheit - ausgerich-
tet (vgl. zu § 53 WaffG a.F.: Steindorf, Waffenrecht, 7. Aufl. 1999, § 53 WaffG
Rn. 1 m.w.N.).
Das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Dienstausübung des früheren Soldaten
ist hier vor allem auch deshalb erschüttert worden, weil dieser außerdienstlich
durch seine Widerstandshandlung nicht nur die körperliche Integrität und
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Gesundheit des Polizeibeamten beeinträchtigt, sondern auch in erheblichem
Umfang gegen das Waffengesetz verstoßen hat. In seinem Pkw wurden zwei
Handfeuerwaffen gefunden, von denen eine besondere Gefährlichkeit ausging,
da der frühere Soldat für sie zusätzlich 106 Schuss Munition mit sich führte. Ge-
rade diese Verfehlung hat einen engen innerdienstlichen Bezug. Von einem
Soldaten, der den Streitkräften eines demokratischen Rechtsstaats angehört,
wird generell ein gesetzestreuer und Vertrauen schaffender Umgang mit
Schusswaffen erwartet. Dem ist der frühere Soldat nicht gerecht geworden.
Von besonderer Bedeutung für das Gewicht des Dienstvergehens ist dabei,
dass der frühere Soldat zur Tatzeit aufgrund seines Dienstgrades als Stabsun-
teroffizier - wie erwähnt - eine Vorgesetztenfunktion innehatte. Als Vorgesetzter
soll er gemäß § 10 Abs. 1 SG in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel
geben. Verstößt ein Soldat in Vorgesetztenstellung außerdienstlich in erhebli-
chem Umfang gegen das Waffengesetz, so disqualifiziert er sich mit diesem
Verhalten grundsätzlich auch für seine weitere Verwendung als Vorgesetzter.
Aufgrund der den früheren Soldaten insgesamt belastenden Umstände, d.h.
Eigenart und Gewicht des Dienstvergehens, ist nach Auffassung des Senats
- auch aus generalpräventiven Gründen - eine Degradierung Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen.
(2) Das außerdienstliche Dienstvergehen hatte für die Personalplanung und
-führung insoweit negative Auswirkungen, als dem früheren Soldaten bereits
am 24. Februar 2003 die Dienstausübung verboten und er mit Verfügung vom
10. März 2003 vorläufig des Dienstes enthoben worden war. Bis zum planmä-
ßigen Ende seiner achtjährigen Dienstzeit am 4. Januar 2006 hat er keinen
Dienst mehr geleistet. Die damit verbundenen nachteiligen Folgen für den
Dienstbetrieb muss sich der frühere Soldat zurechnen lassen. Auch das Be-
kanntwerden seiner Verfehlungen bei der Polizei und den sonstigen mit der
Strafverfolgung und Durchführung des Strafverfahrens befassten Personen ist
zu seinen Lasten zu berücksichtigen (vgl. dazu Urteil vom 5. August 2008
a.a.O. m.w.N.), da der Vorfall bei Außenstehenden ein schlechtes Licht auf den
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Ruf der Bundeswehr und ihrer Angehörigen geworfen hat, in deren Reihen sich
der frühere Soldat damals befand.
(3) Das Maß der Schuld des früheren Soldaten wird vor allem dadurch be-
stimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Hinreichende Anhaltspunkte dafür,
dass er zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig
gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend ge-
macht.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Sol-
daten mindern könnten, liegen ebenfalls nicht vor. Sie wären nach der ständi-
gen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 5. August 2008 a.a.O.
m.w.N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat,
von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet gewesen wäre,
dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und
daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Anhaltspunkte für solche
Besonderheiten sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht.
(4) Die Verstöße gegen das Waffengesetz beruhten, wie der frühere Soldat in
der Berufungshauptverhandlung dargelegt hat, auf seiner Vorliebe für Waffen.
Die beschlagnahmten Schusswaffen habe er erst wenige Wochen zuvor erwor-
ben gehabt; die Munition sei „mitgeliefert“ worden. Er habe „Freude an Waffen“
und sei Mitglied in einem Sportschützenverein. Bei seinem Auslandseinsatz in
Bosnien habe er sich an das ständige Tragen von Waffen gewöhnt gehabt.
Auch in B. gebe es „rechtsfreie Räume“, in denen der Waffenbesitz weit ver-
breitet sei. Mit einer Waffe habe er sich stets sicherer gefühlt.
(5) Die vom früheren Soldaten erbrachten dienstlichen Leistungen lagen aus-
weislich der vom Senat anhand der bei den Akten befindlichen und in die Beru-
fungshauptverhandlung eingeführten dienstlichen Beurteilungen (zuletzt vom
22. August 2002 und Beurteilungsvermerk vom 3. März 2003) im oberen Be-
wertungsbereich. Er sei ein hochmotivierter Unteroffizier. Geistig rege und ge-
wissenhaft handelnd habe er sich stets zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorge-
setzten eingebracht. Er habe sich einen vorzüglichen Ruf erworben und als
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vorbildlicher Vertreter der deutschen Unteroffiziere bei S... erwiesen. Die Eig-
nung zum Feldwebel sei erkennbar. Der Leumundszeuge L. hat vor dem Senat
bestätigt, dass der frühere Soldat dienstlich stets gut beurteilt worden sei; er
habe nichts Negatives über ihn gehört. Zugunsten des früheren Soldaten ist
auch zu berücksichtigen, dass er disziplinarisch nicht vorbelastet ist.
Er muss sich allerdings entgegenhalten lassen, dass er nachträglich, am
9. August 2007 durch das Amtsgericht K. wegen Missbrauchs von Notrufen
rechtskräftig zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe - auf Bewährung - verurteilt
worden ist. Auch wenn die der Verurteilung zugrunde liegende Straftat nicht als
mögliche Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 SG im Wege der
Nachtragsanschuldigung (§ 99 Abs. 2 WDO) Gegenstand des vorliegenden
Disziplinarverfahrens geworden ist, kann sie doch, nachdem dem früheren Sol-
daten insoweit rechtliches Gehör gewährt worden ist, bei der Persönlichkeits-
beurteilung berücksichtigt werden. Die neue Verurteilung deutet darauf hin,
dass es dem früheren Soldaten offensichtlich weiter schwerfällt, die gesetzli-
chen Gebote uneingeschränkt zu befolgen. In der Berufungshauptverhandlung
hat er bereits eine bedenkliche Grundeinstellung zur Rechtsordnung erkennen
lassen, indem er wiederholt darauf hingewiesen hat, zurzeit brauche er zwar
keine Waffe. In Ausnahmefällen fühle er sich aber mit einer Schusswaffe siche-
rer. Er sei insbesondere auch deshalb im Sportschützenverein, um über den
Verein an Schusswaffen zu gelangen. Außerdem „lebe man im ständigen
Kampf mit der Umwelt“. In diesem „Daseinskampf“ müsse man sich verteidigen.
Eine solche Grundhaltung widerspricht den Prinzipien unseres Rechtsstaats,
der es - abgesehen von gesetzlichen Ausnahmefällen (z.B. Notwehr) - dem
Bürger verwehrt, sein wirkliches oder vermeintliches Recht sowohl gegenüber
staatlichen Organen als auch gegenüber dem Mitbürger mit Gewalt durchzu-
setzen; der Einzelne muss sein Recht vor staatlichen Gerichten suchen und es
mit Hilfe der Staatsgewalt vollstrecken (innerstaatliches Gewaltverbot und staat-
liches Gewaltmonopol, vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1987 - 1 BvR
1086/85 - BVerfGE 74, 257 <261 f.>). Dies scheint dem früheren Soldaten im-
mer noch nicht klar zu sein.
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Zwar hat er vor dem Senat sein Fehlverhalten verbal bedauert und erklärt, er
würde es nie wieder tun. Zugleich hat er sich jedoch über die seiner Meinung
nach „sehr hohe Kriminalstrafe“ beklagt; er sei mit zehn Monaten Freiheitsstrafe
zu hart bestraft worden. Damit hat der frühere Soldat zu erkennen gegeben,
dass ihm die Schwere seiner Verfehlung immer noch nicht bewusst ist und er
sich mit seinem Fehlverhalten noch nicht im erforderlichen Umfang auseinan-
dergesetzt hat. Bei dem vorsätzlichen Verstoß gegen das Waffengesetz handelt
es sich grundsätzlich um eine schwere Straftat, wie der Strafrahmen des § 53
Abs. 1 Satz 1 WaffG a.F. - Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf
Jahren - deutlich macht. Mit zehn Monaten Freiheitsstrafe - zwei Monate unter-
halb der den Zeitsoldatenstatus beendenden Einjahresgrenze des § 54 Abs. 2
Nr. 2 i.V.m. § 48 Satz 1 Nr. 2 SG - bewegt sich die Kriminalstrafe, die noch den
Verstoß gegen § 113 StGB erfasst, im unteren Bereich. Von einer zu harten
Strafe kann unter diesen Umständen keine Rede sein.
(6) Bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastender Umstände ist im Hin-
blick auf Eigenart und Schwere des in den Anschuldigungspunkten 1 und 2
festgestellten Dienstvergehens, das Maß der Schuld sowie die Persönlichkeit
und bisherige Führung des früheren Soldaten nach Auffassung des Senats der
Ausspruch einer Dienstgradherabsetzung unerlässlich.
Das Gewicht des vorsätzlich begangenen außerdienstlichen Dienstvergehens
wird geprägt durch erheblich belastende Umstände. Der frühere Soldat, der zur
Tatzeit aufgrund seines Dienstgrades als Stabsunteroffizier eine Vorgesetzten-
stellung innehatte, hat in diesem Status zu Beginn der zweiten Hälfte seines auf
acht Jahre angelegten Dienstverhältnisses in erheblichem Umfang kriminelles
Unrecht begangen, für das er empfindlich bestraft worden ist; diese Bestrafung
steht wegen der bereits erwähnten unterschiedlichen Zwecke von Strafrecht
und Disziplinarrecht einer disziplinarrechtlichen Ahndung des Fehlverhaltens
nicht entgegen. Bei einem militärischen Vorgesetzten muss gerade auch im
außerdienstlichen Bereich uneingeschränkt gewährleistet sein, dass er von
schweren Straftaten Abstand nimmt und sich rechtstreu verhält. Insbesondere
durch seinen kriminellen Umgang mit Schusswaffen hat sich der frühere Soldat
auch für die Erziehung und Ausbildung junger Menschen - vor allem an Waf-
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fen - als ungeeignet erwiesen und damit als Vorgesetzter disqualifiziert. Seine
fortbestehende bedenkliche Einstellung zum Umgang mit Schusswaffen bietet
keine Gewähr dafür, dass es künftig nicht wieder zu ähnlichen Verfehlungen
kommen wird. Die Zukunftsprognose für den früheren Soldaten als Vorgesetzter
ist daher nicht sehr günstig.
Aufgrund des erheblichen Gewichts des Dienstvergehens war bei der gebote-
nen objektiven Betrachtungsweise (vgl. z.B. Urteil vom 14. November 2007
- BVerwG 2 WD 29.06 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 4 m.w.N.) die
Dienstgradherabsetzung in einen Mannschaftsdienstgrad daher Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen. Der frühere Soldat konnte nicht mehr in einem
Vorgesetztendienstgrad verbleiben. Dafür spricht auch der Zweck des Wehr-
disziplinarrechts, aus spezial- und generalpräventiven Gründen durch die im
Gesetz vorgesehene Disziplinarmaßnahme einen ordnungsgemäßen Dienstbe-
trieb wieder herzustellen und aufrechtzuerhalten. Neben spezialpräventiven
Erwägungen, insbesondere im Hinblick auf seine zuletzt noch in der Beru-
fungshauptverhandlung gezeigte bedenkliche Einstellung zum Umgang mit
Schusswaffen, war eine Degradierung in einen Mannschaftsdienstgrad der Re-
serve auch deshalb auszusprechen, weil diese Maßnahme über ihren (engeren)
Zweck hinaus bekanntermaßen auch pflichtenmahnende Wirkung auf die
Angehörigen der Bundeswehr im Allgemeinen hat (Generalprävention). Jedem
Soldaten, der sich durch vorsätzliche Verstöße gegen das Waffengesetz
schwerwiegende außerdienstliche Pflichtverletzungen zu schulden kommen
lässt, muss klar sein, dass er dafür zur Wiederherstellung und Aufrechterhal-
tung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs regelmäßig nachhaltig zur Ver-
antwortung gezogen wird. Jede Bagatellisierung des Fehlverhaltens wie z.B. im
Hinblick darauf, dass er als Soldat und Inhaber eines Truppenausweises gene-
rell befugt gewesen sei, Waffen zu tragen - so die zustimmende Einlassung des
früheren Soldaten zum Vorbringen seines Verteidigers -, muss vermieden wer-
den.
Mangels durchgreifender Milderungsgründe war nach alledem, auch unter Be-
rücksichtigung der im Übrigen guten dienstlichen Leistungen des früheren Sol-
daten und seiner fehlenden disziplinarischen Vorbelastung, eine Herabsetzung
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in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve auszusprechen. Wie der
frühere Soldat in der Berufungshauptverhandlung von sich aus zu erkennen
gegeben hat, würde er selbst den Ausspruch einer solchen Maßnahme für ge-
recht und angemessen halten. Eine Beschränkung der Degradierung auf den
Dienstgrad eines Oberstabsgefreiten oder Stabsgefreiten der Reserve kam
nicht in Betracht, da diese Dienstgrade nach der Rechtsprechung der Wehr-
dienstsenate nur solchen Soldaten zuerkannt werden können, die sich nach
ihren dienstlichen Leistungen sowie einer tadelfreien Führung in und außer
Dienst deutlich unter den Angehörigen des Mannschaftsdienstes herausheben,
hingegen nicht denjenigen, die - wie hier - ein schweres Dienstvergehen be-
gangen haben (vgl. z.B. Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 2.03 -
m.w.N.).
5. Da die Berufung des früheren Soldaten, gemessen am Rechtsmittelantrag
und -begehren, zum Teil Erfolg hat, waren die Kosten des Berufungsverfahrens
zwischen dem Bund und dem früheren Soldaten aufzuteilen (§ 139 Abs. 3
WDO). Entsprechendes gilt für die notwendigen Auslagen des früheren Solda-
ten (§ 140 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 WDO).
Golze Dr. Müller Dr. Deiseroth
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