Urteil des BVerwG vom 25.11.2003

Soldat, Tierschutzgesetz, Betrug, Vorläufige Dienstenthebung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Im Namen des Volkes
Urteil
BVerwG 2 WD 16.03
TDG … VL …/02
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
gegen
… ,
geboren am … in …,
.../Raketenartilleriebataillon …, H.,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 25. November 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Sollfrank,
Stabsfeldwebel Plachta
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Mühlbächer
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt Engel, Kassel,
als Verteidiger,
Justizangestellte Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 2 -
Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der ... Kammer
des Truppendienstgerichts … vom 30. April 2003 im Aus-
spruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.
Der Soldat wird in den Dienstgrad eines Feldwebels herab-
gesetzt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten
darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem
Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der im Jahre 1963 geborene Soldat absolvierte nach dem Hauptschulabschluss
eine Berufsausbildung als Fleischer, die er am 26. Juli 1982 mit der Gesellenprü-
fung erfolgreich abschloss. Anschließend war er in seinem Ausbildungsbetrieb
beschäftigt, danach arbeitslos. Am 2. Januar 1984 trat er seinen Dienst bei der
Bundeswehr an, zunächst als Grundwehrdienstleistender und ab 23. Mai 1984 als
Soldat auf Zeit. Am 20. August 1990 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssol-
daten verliehen.
Er wurde regelmäßig befördert und zwar am 1. November 1988 zum Feldwebel,
am 9. Juni 1993 zum Oberfeldwebel und zuletzt am 27. Januar 1995 zum Haupt-
feldwebel.
Nach der Grundausbildung bei der Panzeraufklärungsausbildungskompanie …
wurde er zum Panzerartilleriebataillon … in H. versetzt, wo er bis zum
30. September 1987 überwiegend bei der .../Panzerartilleriebataillon … im Ge-
schützdienst ausgebildet und eingesetzt wurde, zuletzt als Geschützunteroffizier
und Gruppenführer. Den „Unteroffizierlehrgang Teil 2 Feld/PzArt AK: Geschütz-
dienst“ bestand er mit der Note „befriedigend“. Vom 9. Februar bis 10. Juni 1988
nahm er am Feldwebellehrgang „F/PzArt“ teil, den er mit „befriedigend“ bestand.
- 3 -
Nach vorhergehender Kommandierung wurde er mit Wirkung vom 1. Januar 1988
zur .../Panzerartilleriebataillon (PzArtBtl) … auf die Stelle eines „BeobFwArt“ ver-
setzt. Mit Wirkung vom 1. April 1993 wechselte er innerhalb der .../PzArtBtl … auf
den Dienstposten eines „GeschtzFw“ und „GrpFhr“. Am 23. Juni 1993 erlangte er
die ATB „Kf B und Kf CE“, am 27. August 1993 die ATB „Kf A1“ und am 11. März
1994 die ATB „Kf D“.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1995 erfolgte seine Versetzung zur .../PzArtBtl … auf
den Dienstposten eines „RohrArtFw“ und „ZgFhr“. Vom Feldwebellehrgang MFT
AK: MKL Rad-BCE vom 6. Oktober 1994 bis 30. Juni 1995 wurde er aus gesund-
heitlichen Gründen abgelöst.
Nachdem er in dem mit dem vorliegenden Verfahren teilweise sachgleichen Straf-
verfahren wegen gemeinschaftlich begangener mittelbarer Falschbeurkundung in
drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Personenstandsfälschung und in
zwei Fällen in Tateinheit mit Betrug sowie tatmehrheitlich wegen unerlaubten Er-
werbs und Besitzes einer Waffe erstinstanzlich vom Amtsgericht S. durch Urteil
vom 26. September 2000 - … Js …/00 … Ls - zu einer Freiheitsstrafe von neun
Monaten verurteilt worden war, wurde er mit Verfügung vom 11. April 2001, ihm
ausgehändigt am 19. April 2001, gemäß § 120 Abs. 1 WDO a.F. durch den Be-
fehlshaber im Wehrbereich … und Kommandeur der … Panzerdivision vorläufig
des Dienstes enthoben. Außerdem wurde ihm verboten, Uniform zu tragen sowie
angeordnet, dass ab dem 1. Mai 2001 die Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge ein-
zubehalten ist. Seine dagegen eingelegten Rechtsbehelfe hatten keinen Erfolg.
Durch Urteil des Landgerichts M. vom 14. September 2001 - … Ns … Js …00 -
wurde das Urteil des Amtsgerichts geändert und eine Gesamtgeldstrafe von
180 Tagessätzen zu je 40 DM festgesetzt.
In seiner planmäßigen Beurteilung vom 15. Juli 1998 durch den Chef der
.../PzArtBtl … über seine Verwendung als Rohrartilleriefeldwebel und Geschütz-
zugführer wurde ihm in der gebundenen Beschreibung viermal („Einsatzbereit-
schaft“, „Organisatorisches Können“, „Fachliches Können“, „Technisches Ver-
ständnis“) die Wertung „1“ und elfmal die Wertung „2“ erteilt. In der freien Be-
schreibung erhielt er für „Verantwortungsbewusstsein“, „Fähigkeit zur Menschen-
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führung“, „Fähigkeit zur Einsatzführung/Betriebsführung“ und „Durchsetzungsver-
mögen“ jeweils den Ausprägungsgrad „B“. Unter „Herausragende charakterliche
Merkmale, berufliches Selbstverständnis und ergänzende Aussagen“ wird ausge-
führt:
„HptFw ... ist ein souveräner und pflichtbewusster Portepeeunteroffizier.
Dynamisch und mit großem Selbstbewusstsein ausgestattet, welches
gleichermaßen auf fachlichem Können und verantwortungsbewusstem
Handeln basiert, ist ... ein Soldat, der als Führer durch vorbildliche Hal-
tung und Pflichterfüllung überzeugt.
Mit seinem enormen Fachwissen und seiner natürlichen Autorität, ge-
paart mit seinem positiven Charakter und absoluter Souveränität, ge-
lingt es ihm immer, seine Soldaten zu Hochleistungen zu motivieren.
Die veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen und die
neuen Herausforderungen im NHfNA trägt er mit Überzeugung. HptFw
... besitzt die uneingeschränkte Eignung zum Batteriefeldweld und sollte
nach seiner Verwendung als GeschtzZgFhr auf diesen Dienstposten
gefördert werden.“
Zu dieser Beurteilung nahm der nächsthöhere Vorgesetzte wie folgt Stellung:
„Der treffenden und umfassenden Beurteilung stimme ich zu. Ein Zug-
führer, der durch praktisches und fachliches Können überzeugt. Diese
Verwendung ist für HptFw ... maßgeschneidert. Hier kann er seine Fä-
higkeiten am besten entfalten.
Nach weiterem Einsatz als Zugführer sehe ich HptFw ... zunächst in
seiner Verwendung als RohrArtFw und FUOFw richtig eingesetzt.
Für eine weitere Verwendung im Stab WBK oder Verkehrskommandan-
tur erscheint er ebenfalls geeignet.“
In der weiteren planmäßigen Beurteilung vom 21. Mai 2001 wurden die Leistungen
des Soldaten in den Einzelmerkmalen einmal mit der Stufe „7“ („Fachwissen“),
elfmal mit der Stufe „6“ und viermal mit der Stufe „5“ bewertet. Seine „Eignung und
Befähigung“ wurden einmal („Geistige Befähigung“) mit der Wertung „C“, einmal
(„Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“) mit der Wertung „D“ und
zweimal („Verantwortungsbewusstsein“; „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsfüh-
rung“) mit der Wertung „E“ beurteilt. Unter „Herausragende charakterliche Merk-
male, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und
ergänzende Aussagen“ wird ausgeführt:
„Gradliniger, profilierter Unteroffizier m.P., der über ein außerordentli-
ches berufliches Selbstverständnis verfügt, das durch vorbildliche und
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professionelle Auftragserfüllung, Loyalität und fürsorglichem Verhalten
gegenüber dem unterstellten Bereich gekennzeichnet ist. HptFw … be-
trachtet es als eine persönliche Herausforderung, sein Erfahrungswis-
sen an jüngere Kameraden weiterzugeben. Wo notwendig, hilft er und
setzt sich ein; er spornt andere an und hält sie zur Erfüllung ihrer Pflich-
ten an.
HptFw … ist bereit, Neuerungen aufzunehmen, insbesondere wenn es
um Einsatzgrundsätze im artilleristischen Bereich geht. Er steht Belas-
tungen durch, gibt nicht auf und ist so den Anforderungen des Trup-
pendienstes ohne Probleme gewachsen. Im Auftreten stets offen und
selbstbewusst, besitzt er die Fähigkeit, notwendige Kompromisse ein-
zugehen, ohne dabei von den gesteckten Zielen abzuweichen.
Ohne sich und sein Handeln in den Vordergrund zu spielen, handelt er
eigenständig, ergreift von sich aus die Initiative; er verfügt über Durch-
setzungsvermögen und Selbstbewusstsein. Insgesamt ein loyaler
ZgFhr, der vor allem im Hintergrund sehr effektive Arbeit im Sinne der
Batterie leistet. Ein Unteroffizier, den man erst kennen lernen muss,
den man dann aber sehr gern in der Batterie hat; immer wieder gibt er
neue Impulse und Anregungen, von denen man als Vorgesetzter lernen
kann.
HptFw … ist nach Eignung, Befähigung und Leistung eindeutig der leis-
tungsstärkste Hauptfeldwebel der Batterie.“
Für „Führungsverwendungen in der Truppe“ und „Lehrverwendungen“ hielt ihn
sein Disziplinarvorgesetzter für „besonders geeignet“.
In der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht hat der Zeuge Hauptmann
S., Chef der .../PzArtBtl …, dem der Soldat seit 5. Mai 1999 disziplinarrechtlich
unterstellt war, diese positive Einschätzung bestätigt.
Der Soldat erhielt am 5. Oktober 1989 das Abzeichen für Leistungen im Truppen-
dienst in Gold und am 11. Mai 1993 für treue Pflichterfüllung und überdurchschnitt-
liche Leistungen das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Bronze. Ferner wurde ihm am
17. Dezember 1996 vom Chef der .../PzArtBtl … eine förmliche Anerkennung we-
gen vorbildlicher Pflichterfüllung als Geschützzugführer erteilt. Durch Verfügung
des Kommandeurs des PzArtBtl … vom 13. September 1999 erhielt er eine Leis-
tungsprämie von 500 DM für seine herausragenden Leistungen während des
Truppenübungsplatzaufenthaltes der .../PzArtBtl … in B. vom 31. Mai bis 11. Juni
1999.
- 6 -
Der Disziplinarbuchauszug vom 10. Juli 2003 enthält keine Eintragungen über
Disziplinarmaßnahmen. Der Auszug aus dem Zentralregister vom 4. Juli 2003 ent-
hält neben dem bereits erwähnten Strafurteil des Amtsgerichts S. vom
26. September 2000 - … Js …/00 … Ls - in der Fassung des Urteils des Landge-
richts M. vom 14. Dezember 2001 - 8 Ns 2 Js 9560/00 - das Strafurteil des Amts-
gerichts S. vom 8. März 2001 - …Js …/99 … Ls -, das seit dem 28. Juni 2002
rechtskräftig ist, nachdem das Landgericht M. mit seinem Berufungsurteil vom sel-
ben Tage - … Ns … Js …/99 - unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den
Soldaten wegen Vergehens gegen das Tierschutzgesetz in zwei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt hatte, deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt wurde.
Der Soldat ist seit dem 25. März 1994 kinderlos verheiratet. Seine Ehefrau ist nicht
berufstätig. Er übt eigenen Angaben zufolge gegenwärtig keine Nebentätigkeit
aus. Die Eheleute sind Eigentümer zweier Hausgrundstücke, wovon eines für mo-
natlich 300 € vermietet ist; der monatliche Abtrag hierfür beträgt 536 €. Ferner hat
der Soldat monatlich 550 € für Versicherungen sowie Zahlungen wegen der zwei
strafgerichtlichen Verurteilungen aufzubringen.
Der Soldat befindet sich in der 8. Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 8 mit
Zulage. Die Hälfte seiner Dienstbezüge wird aufgrund der Verfügung der Einlei-
tungsbehörde vom 11. April 2001 mit Wirkung ab 1. Mai 2001 gemäß § 120 Abs. 2
WDO a.F. einbehalten. Die geminderten monatlichen Dienstbezüge belaufen sich
auf 1.147,39 € netto.
II
In dem mit Verfügung des Befehlshabers im Wehrbereich … und Kommandeurs
der ... Panzerdivision vom 24. September 2000, zugestellt am 4. Oktober 2000,
wirksam eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren fand die 2. Kammer des
Truppendienstgerichts … den Soldaten in allen sechs Anschuldigungspunkten ei-
nes Dienstvergehens schuldig und entfernte ihn aus dem Dienstverhältnis. Die
Truppendienstkammer ging dabei von der Anschuldigungsschrift des Wehrdiszipli-
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naranwalts vom 17. Oktober 2002, ausgehändigt am 28. Oktober 2002, aus, in der
dem Soldaten folgender Sachverhalt zur Last gelegt worden war:
„1. Der Soldat erwarb am 16. Mai 1999 auf dem Flohmarkt auf dem
Chinatown-Gelände in Z. eine halbautomatische Selbstladepistole
‚CRVENA ZASTAVA’ (System Tokarev), Modell M 57, Kaliber 7,62 mm
Tokarev, Nr. C - 98054, nebst Patronen und verwahrte die Waffe in sei-
nem Wohnhaus …gasse 13 in N.-R., wo sie im Rahmen einer polizeili-
chen Durchsuchung am 19. Mai 1999 aufgefunden wurde. Eine Waf-
fenbesitzkarte, die ihm den Erwerb und die Ausübung der tatsächlichen
Gewalt über die genannte Waffe erlaubte, besaß er nicht.
2. Am 15. Juli 1999 begab der Soldat sich zum Standesamt der Stadt-
verwaltung B. und meldete dort die Geburt eines von Frau Mira S. am
11. Juli 1999 geborenen Jungen an, wobei er wahrheitswidrig angab,
dass er und seine Ehefrau Monika … die Eltern des Neugeborenen sei-
en. In Wahrheit war es so, dass weder seine Ehefrau das Kind zu Welt
gebracht hatte, noch dass er der Erzeuger des Neugeborenen war.
3. Am 26. Juli 1999 legte der Soldat bei seiner Einheit, dem Panzerartil-
leriebataillon … in H., die durch seine wahrheitswidrigen Angaben beim
Standesamt in Biedenkopf erlangte falsche Abstammungsurkunde und
zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt einen Antrag auf Kinder-
geld sowie auf erhöhten Ortszuschlag vor, in denen er jeweils versi-
cherte, seine Angaben wahrheitsgetreu und vollständig gemacht zu ha-
ben. Mit diesen Unterlagen veranlasste er eine entsprechende Verän-
derungsmeldung, aufgrund derer für die Monate Juli bis Oktober Kin-
dergeld in Höhe von 1.000,-- DM sowie 648,24 DM Kinderanteil im Fa-
milienzuschlag gezahlt wurden. Nach Kenntnis des wahren Sachstan-
des wurden die Zahlungen mit Ablauf des Oktober 1999 eingestellt.
4. Am 22. Juli 1999 beantragte der Soldat unter Vorlage einer Geburts-
urkunde des Kindes bei der Geschäftsstelle G. der Allgemeinen Orts-
krankenkasse (AOK) H. Mutterschaftsgeld, das in Höhe von 150,-- DM
ausbezahlt wurde.
5. Mit dem 1994 erworbenen Pitbullrüden ‚Earny’ sowie dessen Nach-
kommen betrieb der Soldat seit diesem Zeitpunkt bis zur Sicherstellung
von insgesamt 6 Hunden am 19. Mai 1999 eine für den Einsatz der Tie-
re bei Hundekämpfen ausgerichtete Pitbullzucht. Ziel war dabei eine auf
übersteigertes Angriffs- und Kampfverhalten, Kampfausdauer, extreme
Kampfmotivation sowie Schmerzunempfindlichkeit ausgerichtete Zucht.
Zu diesem Zweck hielt er die Hunde voneinander isoliert und unter
ständigem Verschluss in einer Zwingeranlage, worunter diese dauerhaft
litten. Wegen des fehlenden Auslaufs wiesen die Hunde bei ihrer Si-
cherstellung relativ lange bzw. künstlich beschnittene Krallen auf. Die
praktizierte, nicht artgerechte Haltung der Hunde - zu enge Boxen in
der Zwingeranlage bzw. kurzzeitiges Anbinden an einer kurzen Kette
oder Leine - führte des weiteren zu Schwielenbildungen an den
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Sprunggelenken sowie zu einer sehr starken Ausdünnung des Felles im
Bereich der Hinterläufe und an der Oberseite der Rute. Zur Vermeidung
weiterer fortwährender erheblicher Leiden und Schäden der durch Agg-
ressionszucht irreparabel verhaltensgestörten und daher als krank ein-
zustufenden Hunde mussten alle 6 Tiere eingeschläfert werden.
6. An einem nicht mehr genau feststellbaren Tag vor dem 8. September
1997 ließ der Soldat seinen Pitbullrüden ‚Scotty’ auf dem Grundstück
seines Wohnhauses in R. einen sogenannten Probekampf gegen den
Pitbullrüden ‚Clyde’ durchführen, wobei ‚Scotty’ vielfältige Verletzungen
am Kopf, an der Brust und im Vorderlaufbereich davontrug.“
Die Truppendienstkammer traf in ihrem Urteil folgende tatsächliche Feststellun-
gen:
„Zu den Anschuldigungspunkten 1. bis 4.:
In dem sachgleichen Strafverfahren der Staatsanwaltschaft M. … Js
…/00 wurde der Soldat zweitinstanzlich durch Urteil des Landgerichts
M. vom 14.12.2001, rechtskräftig seit demselben Tag, wegen gemein-
schaftlich begangener mittelbarer Falschbeurkundung (§ 271 StGB) in
drei
Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit
Personenstandsfälschung (§ 169 StGB) und in zwei Fällen in Tateinheit
mit Betrug (§ 263 StGB) sowie wegen unerlaubten Erwerbs und Besit-
zes einer Waffe (§ 53 Abs. 2 Satz 2 WaffG) zu einer Gesamtgeldstrafe
von 180 Tagessätzen zu je 40 DM verurteilt.“
Das Landgericht M. traf dabei folgende Feststellungen, von denen das Truppen-
dienstgericht als für sich bindend ausgegangen ist:
„Anlässlich eines Besuchs eines Flohmarktes auf dem
Chinatowngelände in Z. am 16. Mai 1999 erwarb der Angeklagte eine
halbautomatische Selbstladepistole ‚CRVENA ZASTAVA’ (System
Tokarev) Mod. M 57, Kaliber 7,62 mm Tokarev, Nr. C-98054, nebst Pat-
ronen. Eine zum Erwerb bzw. Besitz berechtigende Waffenbesitzkarte
für diese Waffe war ihm nicht erteilt.
Dem Angeklagten, der bereits bei Erwerb der Waffe davon ausging,
dass es sich um eine echte Schusswaffe handelte, kamen noch am
Abend des Tages Bedenken wegen seines Verhaltens. Er wandte sich
deswegen am nächsten Tag an den als Zeugen gehörten Soldaten H.,
dem er erklärte, vermutlich eine echte Waffe erworben zu haben, die er
beim Kauf jedoch zunächst für eine so genannte Deko-Waffe gehalten
habe. Nachdem ihm der Zeuge H. geraten hatte, sich an die Polizei zu
wenden, versuchte der Angeklagte erfolglos einen ihm bekannten Kri-
minalbeamten zu erreichen. Am nächsten Tag fuhr der Angeklagte zu
einer Übung. Im Rahmen einer Hausdurchsuchung in einer anderen
Ermittlungssache wurde sodann am 19. Mai 1999 die Wohnung des
Angeklagten in N.-R. durchsucht. Der als Zeuge gehörte Kriminalbeam-
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te A. fand bei dieser Durchsuchung die Waffe nebst Patronen in einem
mit einem Sicherheitsschloss versehenen Schrank des Schlafzimmers.
Für weitere vorgefundene Waffen, vier Langwaffen und einen Revolver,
lagen jeweils vom Landrat des S.-E.-Kreises am 9. April 1992 und
18. April 1996 ausgestellte Waffenbesitzkarten vor.
Nachdem der Kinderwunsch der Ehefrau des Angeklagten unerfüllt ge-
blieben war und Versuche, ein Kind zu adoptieren, erfolglos verlaufen
waren, wurde dem Angeklagten und seiner Ehefrau die Bekanntschaft
einer jungen Frau aus Bosnien vermittelt, die Ende 1998 schwanger
war und im Sommer 1999 gebären sollte. Die Ehefrau des Angeklagten
und frühere Mitangeklagte fuhr mit einer Bekannten nach Bosnien und
kehrten mit der schwangeren Frau nach Deutschland zurück. Am
11. Juli 1999 erfolgte die Geburt des Kindes in der Wohnung des Ange-
klagten. Weil der Angeklagte und seine Ehefrau das Kind als eigenes
haben wollten, meldete der Angeklagte am 15. Juli 1999 absprachege-
mäß das Kind unter Vorlage eines ärztlichen Attests als leibliches Kind
der Eheleute beim Standesamt in Biedenkopf an, wobei er wahrheits-
widrig angab, dass er und seine Ehefrau die leiblichen Eltern des Kin-
des waren.
Um den Schein der so begründeten Elternschaft nach außen zu wahren
und zu festigen, legte der Angeklagte sodann am 26. Juli 1999 in Aus-
führung der weiteren Verabredungen mit seiner Ehefrau bei seiner
Stammdienststelle eine Abstammungsurkunde vor, zu einem späteren
Zeitpunkt einen Antrag auf Kindergeld und veranlasste dadurch eine
Veränderungsmeldung seiner personalführenden Stelle an die Wehrbe-
reichsverwaltung, welche in der Folgezeit für die Monate Juli, August,
September und Oktober 1999 Kindergeld in Höhe von insgesamt
1.000,- DM und Kinderanteile im Familienzuschlag in Höhe von
648,24 DM auszahlte. Nachdem der Säugling zwischenzeitlich durch
das Jugendamt des S.-E.-Kreises in Obhut genommen worden war und
der Angeklagte durch eine Gehaltsmitteilung Kenntnis von den Auszah-
lungen erhalten hatte, veranlasste der Angeklagte Anfang Oktober 1999
die Rückzahlung der zu Unrecht ausgezahlten Beträge.
Am 22. Juli 1999 wurde durch die Angeklagten unter Vorlage einer Ge-
burtsurkunde des Kindes bei der Geschäftsstelle Gießen der AOK H.,
bei der das Kind Krankenversicherungsschutz erhalten sollte, Mutter-
schaftsgeld beantragt. Dieses wurde in Höhe von 150,- DM an die An-
geklagten ausgezahlt.“
Ergänzend hat die Truppendienstkammer festgestellt:
„Mit der Pistole ‚CRVENA ZASTAVA’ hatte der Soldat ein Magazin mit
acht Patronen sowie 39 Patronen cal 7,62 erworben. Für die weiteren
bei der Durchsuchung aufgefundenen Waffen - vier Langwaffen und ein
Revolver - hatte der Soldat eine Waffenbesitzkarte; er ist Jäger.
Zur Anmeldung beim Standesamt B. hatte der Soldat einen ausgefüllten
und unterschriebenen Formularantrag ‚Geburtsanzeige § 16 ff PStG’
vorgelegt, in dem er sich als ‚Vater’ bezeichnete. Der Neugeborene
wurde unter dem Namen Calvin Olf Pieter R. und der Nr. …/99 in das
- 10 -
Geburtenbuch des Standesamtes B. eingetragen. Das ärztliche Attest,
das er beigefügt hatte, hatte der ausstellende Arzt am Tag nach der
Geburt bei Vorstellung des Neugeborenen bei ihm nach Angaben der
Ehefrau des Soldaten ausgestellt.
Am 26. Juli 1999 veranlasste der Soldat unter Vorlage der Abstam-
mungsurkunde bei seiner Einheit eine Änderungsmeldung und gab den
Antrag auf Ortszuschlag vom 20. Juli 1999, in dem er das angemeldete
Kind als ‚eigenes’ bezeichnete, sowie den Antrag auf Kindergeld vom
22. Juli 1999 ab. In beiden Anträgen versicherte der Soldat ausdrück-
lich, alle Angaben wahrheitsgetreu gemacht zu haben. Im Oktober 1999
wurde von der Wehrbereichsverwaltung … die Zahlung des Kindergel-
des und des kinderbezogenen Anteils im Familienzuschlag rückwirkend
ab Juli 1999 aufgenommen; die Zahlungen wurden mit Ablauf des Ok-
tobers 1999 eingestellt.
Hinsichtlich des Erwerbs der halbautomatischen Selbstladepistole hat
sich der Soldat in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen,
dass er diese beim Kauf auf dem Flohmarkt zunächst für eine Dekorati-
onswaffe gehalten habe. Erst als er am Abend die Patronen in der bei-
gefügten Schachtel gefunden und sich näher mit der Waffe beschäftigt
habe, habe er festgestellt, dass es sich um eine scharfe Waffe gehan-
delt habe. Gleich am darauf folgenden Montagmorgen habe er seinen
Spieß um Rat gefragt und anschließend den Kontakt mit der Kriminal-
polizei gesucht, was ihm aber nicht mehr rechtzeitig vor Auffinden der
Waffe anlässlich der Hausdurchsuchung am darauf folgenden Donners-
tag gelungen sei.
Diese Einlassung des Soldaten ist im Hinblick auf die bindenden Straf-
urteilsfeststellungen unbeachtlich. Die Kammer hält die Behauptung, er
habe die Selbstladepistole für eine Dekorationswaffe gehalten, aber
auch für eine reine Schutzbehauptung. Der Soldat ist Waffennarr, als
Besitzer von einer Vielzahl von Waffen und als Jäger mit solchen ver-
traut und zudem bei der Bundeswehr an Waffen ausgebildet worden.
Es erscheint daher völlig unglaubhaft, dass er die Pistole nicht sogleich
beim Kauf als scharfe Waffe erkannt haben will, zumal er sie gleichzei-
tig mit der entsprechenden Munition erwarb. Auch dass er diese, im-
merhin acht Patronen im Magazin und weitere 39 Patronen, beim Kauf
nicht bemerkt haben will, erscheint ebenso unglaubhaft. Hinzu kommt,
dass die relativ unscheinbare Pistole zu Dekorationszwecken völlig un-
geeignet ist.
Auch die Einlassung des Soldaten, er habe die Anträge auf Kindergeld
und erhöhten Ortszuschlag nicht selbst abgegeben, ändern - abge-
sehen von der Bindungswirkung des zugrunde liegenden Strafurteils -
nichts an dem entsprechenden Betrugsvorwurf. Wozu sonst, wenn nicht
zwecks Einreichung bei den entsprechenden Bewilligungsstellen hat
der Soldat die entsprechenden Anträge eigenhändig ausgefüllt und un-
terschrieben? Seine Einlassung, er habe sie nicht abgeben wollen,
sondern seien auf ihm nicht erklärliche Weise von seiner Stube in der
Kaserne zu den jeweils zuständigen Bewilligungsstellen gelangt, ist für
die Kammer in keiner Weise nachvollziehbar. Ohne jeden vernünftigen
- 11 -
Zweifel für die Kammer wurden die Anträge von ihm ausgefüllt, unter-
schrieben und mittel- oder unmittelbar von ihm auch vorgelegt. Im Übri-
gen teilt die Kammer die vom Landgericht M. als mildernd herangezo-
gene Bewertung, er habe die Betrugshandlungen vorrangig nur deshalb
begangen, um den begründeten Schein der Elternschaft weiterhin auf-
recht zu erhalten und seine Elternrolle glaubhaft zu machen, nicht.
Nach Auffassung des Truppendienstgerichts war der Soldat zur Versor-
gung des Kindes auf die zusätzlichen Leistungen wie Familienzuschlag
und Kindergeld angewiesen und strebte diese auch bei Einreichung der
entsprechenden Anträge an. Ebenso war ihm bei Vorlage der Geburts-
urkunde bei der AOK bewusst, dass hiermit die Auszahlung eines Mut-
terschaftsgeldes zwangsläufig verbunden war.
Zu den Anschuldigungspunkten 5 und 6 traf die Truppendienstkammer folgende
tatsächliche Feststellungen:
„In dem insoweit sachgleichen Strafverfahren der Staatsanwaltschaft M.
… Js …/99 wurde der Soldat zweitinstanzlich durch Urteil des Landge-
richts M. vom 28. Juni 2002, am selben Tage rechtskräftig geworden,
wegen Vergehens gegen das Tierschutzgesetz (§ 17 TierSchG) in zwei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Voll-
streckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.“
Das Landgericht traf dabei folgende tatsächlichen - die Truppendienstkammer bin-
denden - Feststellungen:
„Der Angeklagte, der im Jahr 1991 zunächst eine Pitbullhündin namens
Bonny und wenige Monate später von einem Züchter aus F. namens K.
einen Pitbullrüden namens Clyde erworben hatte, machte in diesem
Zeitraum auch die Bekanntschaft des als Zeugen gehörten Mario H.,
der seinerzeit gemeinsam mit seinem Bruder Peter H. sowie dem eben-
falls als Zeugen in der Berufungshauptverhandlung (vernommenen) Pe-
ter F. Pitbullhunde züchtete und insbesondere auch Hundekämpfe ver-
anstaltete, wobei der von ihnen betriebene Hundezwinger ‚Bad Boys
Kennel’ in der sogenannten Pitbullszene über die Grenzen Deutsch-
lands hinaus bekannt war. Das Zuchtziel bei erhofftem Einsatz eines
Pitbulls für Hundekämpfe ist auf übersteigertes Angriffs- und Kampfver-
halten, Kampfausdauer, extreme Kampfmotivation sowie Schmerzun-
empfindlichkeit ausgerichtet. Um die sogenannte ‚gameness’, d.h. den
anhaltenden Kampfwillen bis zur Erschöpfung auch bei schwerer kör-
perlicher Verletzung sowie Härte, Biss- und Grundschnelligkeit auch
genetisch zu festigen, wurde darauf geachtet, nur mit solchen
Pitbullrüden und -weibchen zu züchten, die bereits mit positiven Ergeb-
nissen an Kämpfen und Probekämpfen teilgenommen hatten. Die Ge-
brüder Hoffmann wie auch der Zeuge Felix sind in diesem Zusammen-
hang zwischenzeitlich sämtlich wegen Vergehen gegen das Tierschutz-
gesetz rechtskräftig verurteilt worden.
...
- 12 -
Nicht zuletzt weil auch die Ehefrau des Angeklagten den Wunsch ent-
wickelte, einen in der Hundekampfszene herausragenden Hund ihr ei-
gen zu nennen, aber auch weil der Angeklagte die mit Zucht und Ver-
kauf einhergehenden finanziellen Möglichkeiten erkannte, entschloss er
sich, künftig zum Einsatz in Hundekämpfen taugliche Pitbulls zu züch-
ten, wobei er sich insbesondere zu Beginn der Hilfe des Mario H. bei
Zucht und Haltung der Hunde bediente.
Mario H. war es auch, der dem Angeklagten aus Amerika einen
Pitbullrüden namens Earny besorgte, der dort bereits zwei Hundekämp-
fe erfolgreich bestritten hatte. Aus einem Deckakt des Rüden Earny mit
einer von Mario H. überlassenen Pitbullhündin namens Patschuli gingen
im Jahr 1998 unter anderem die Welpen Taipan und Queenie hervor.
Weiter ließ der Angeklagte seinen Rüden Earny die ebenfalls kampfer-
probte Pitbullhündin Stormy der Gebrüder Hoffman decken. Aus diesem
Deckakt ging der am 19. Mai 1999 anlässlich der Hausdurchsuchung
sichergestellte ca. 18 Monate alte Rüde Guy hervor. Den Rüden Clyde
hatte der Angeklagte im Zeitraum 1993/1994 ferner die von den Gebrü-
dern H. überlassene Pitbullhündin Griffith decken lassen. Aus diesem
Deckakt gingen 10 Welpen hervor, die bis auf einen, den Pitbullrüden
Scotty, verkauft wurden.
Die bei den anlässlich der bereits erwähnten Hausdurchsuchung si-
chergestellten Hunde Earny, Patschuli, Queenie, Taipan, Clyde und
Guy bereits infolge der Aggressionszüchtung genetisch vorhandene
extreme Aggressivität wurde von dem Angeklagten noch durch geziel-
tes Konditionstraining, unter anderem an einem Laufband sowie eine
bewusste, der Aggressionsbereitschaft dienende Bewegungseinschrän-
kung durch Haltung der Tiere in beengten Verhältnissen gesteigert.
Als Folge dieser Behandlung wiesen die Hunde bis auf den Hund Earny
zwar eine starke bis extrem starke Bemuskelung auf. Die über längere
Zeiträume beengte, dem natürlichen Bewegungsdrang der Tiere zuwi-
der laufende Haltung führte bei den Hunden zu Schwielenbildungen an
den Sprunggelenken sowie zur Ausdünnung des Felles im Bereich der
Hinterläufe und an der Oberseite der Rute. Ferner wiesen sie, da ein
artgemäßes Bewegungsbedürfnis nicht gesichert war, bei ihrer Sicher-
stellung relativ lange bzw. künstlich beschnittene Krallen auf und fielen
nach ihrer Sicherstellung auch dadurch auf, dass die Ballen bereits bei
geringster Belastung blutig aufgelaufen waren. Bei den Hunden war es
geboten, sie ständig unter Verschluss in der Zwingeranlage getrennt
voneinander zu halten, weil wegen der ihnen angezüchteten und durch
die Haltung verstärkten psychischen Defekte ihr Appetenzverhalten
einzig und allein auf die Auseinandersetzung mit Artgenossen gerichtet
war. Die Hunde wiesen, wie insbesondere die Sachverständige Dr. M.
eindrucksvoll ausgeführt hat, schwerste Defizite in ihrem Sozialverhal-
ten auf. Die den von dem Angeklagten gehaltenen Tieren
angezüchteten und von ihm durch Training und Haltung verstärkten
Prägungs- und Sozialisierungsdefizite waren mit einem ständigen er-
heblichen Leiden der Tiere zu ihren Lebzeiten verbunden. Zur Vermei-
dung weiterer fortwährender Leiden der durch die Aggressionszucht
des Angeklagten irreparabel verhaltensgestörten Hunde Earny, Pat-
- 13 -
schuli, Queenie, Taipan, Clyde und Guy mussten die Hunde einge-
schläfert werden.
Gegen den Angeklagten wurde vom Veterinäramt des S.-E.-Kreises ein
seit 9. August 1999 bestandskräftiges Hundehaltungsverbot bezüglich
dort genannter Kampfhunderassen verhängt.
An einem nicht mehr feststellbaren Tag vor dem 8. September 1997
ließ der Angeklagte seinen Pitbullrüden Scotty auf den Grundstück des
Anwesens in R. einen so genannten Probekampf gegen den
Pitbullrüden Clyde durchführen. Der Pitbullrüde Scotty trug bei diesem
Probekampf vielfältige Verletzungen an Kopf-, Brust- und Vorderlaufbe-
reich davon.“
Ergänzend hat die Truppendienstkammer festgestellt:
„Der Soldat hat in der Hauptverhandlung vorgetragen, er habe die Hun-
de weder zu aggressivem Verhalten hin gezüchtet noch habe er Hun-
dekämpfe betrieben. Er habe diese in handelsüblichen Zwingern gehal-
ten und sei drei Wochen vor der Beschlagnahme der Hunde vom Vete-
rinäramt überprüft worden, welches keine Beanstandungen gehabt ha-
be. Er hat auf die in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen
Stellungnahmen seines Tierarztes, von Nachbarn und Kameraden ver-
wiesen, die die Hunde als harmlos und artgerecht gehalten beschrieben
haben.
Diese Bekundungen stehen - abgesehen von den bindenden strafge-
richtlichen Feststellungen - im krassen Gegensatz zu dem zum Gegen-
stand der Hauptverhandlung gemachten Gutachten der … Polizeischu-
le, Fachbereich Diensthundewesen, vom 23. Juni 1999 und der Fach-
tierärztin für Verhaltenskunde und Tierschutzkunde Dr. F.-P. vom
10. Juli 1999 sowie der in Augenschein genommenen Lichtbilder. Da-
nach wiesen die vom Soldaten gehaltenen Hunde kampfhundetypische
Verletzungen auf, hatten Merkmale, die auf eine äußerst restriktive Hal-
tung hindeuteten, und wiesen deutliche Verhaltensstörungen auf. Des-
halb musste auch der überwiegende Teil der Hunde eingeschläfert und
gegen den Soldaten ein Hundehaltungsverbot ausgesprochen werden.
Dass Nachbarn und Kameraden des Soldaten dessen Hunde als harm-
los und nicht aggressiv beschrieben haben, steht der Einschätzung der
Experten nicht entgegen, da allgemein bekannt ist, dass auch zum
Hundekampf abgerichtete Hunde im täglichen Umgang durchaus ‚nor-
males’ Verhalten an den Tag legen können.“
Zur rechtlichen Würdigung hat die Truppendienstkammer ausgeführt, der Soldat
habe mit dem unter den Anschuldigungspunkten 1 bis 6 geschilderten Verhalten
nicht nur in gravierender Weise gegen das Strafgesetz verstoßen, sondern auch
seinen soldatischen Pflichten, treu zu Dienen (§ 7 SG), in dienstlichen Angelegen-
heiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG) und sich sowohl innerhalb als auch
- 14 -
außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauensgerecht zu verhalten (§ 17
Abs. 2 Satz 1 und 2 SG), zuwidergehandelt und damit vorsätzlich ein Dienstver-
gehen im Sinne des § 23 Abs. 1 SG unter den erschwerenden Voraussetzungen
des § 10 Abs. 1 SG begangen, welches die Verhängung der Höchstmaßnahme
erforderlich mache.
Gegen dieses dem Soldaten am 5. Juni 2003 zugestellte Urteil hat sein Verteidiger
mit Schriftsatz vom 30. Juni 2003, am selben Tage beim Truppendienstgericht
Süd eingegangen, eine auf die Disziplinarmaßnahme beschränkte Berufung mit
dem Antrag eingelegt
gegen den Soldaten eine mildere Disziplinarmaßnahme zu verhängen,
hilfsweise,
dem Soldaten einen Unterhaltsbeitrag für einen Zeitraum von zwölf Mo-
naten zu bewilligen.
Zur Begründung hat der Verteidiger im Wesentlichen ausgeführt:
Eine Verurteilung zu einer Dienstentfernung komme nur in Betracht, wenn der
Soldat in so gröblicher Weise und so schwerwiegend gegen seine Dienstpflichten
verstoßen habe, dass die Vertrauensgrundlage zwischen ihm und dem Dienst-
herrn unheilbar zerstört sei, dem Dienstherrn mithin die Fortsetzung des Dienst-
verhältnisses nicht mehr zugemutet werden könne. Dies sei hier jedoch nicht der
Fall.
Der Soldat habe sich keineswegs zu Lasten des Dienstherrn bereichern wollen. Er
sei vielmehr in familiäre Zwänge eingebunden gewesen, denen er sich nicht zu
entziehen vermocht habe. Seine Ehe sei kinderlos geblieben; Versuche, ein Kind
zu adoptieren, seien fehlgeschlagen. Das in seinem Haushalt geborene Kind einer
Ausländerin habe aufgrund der innerfamiliären Abläufe gleichsam zwangsläufig
bei den zuständigen Behörden angemeldet werden müssen. Ebenso zwangsläufig
habe daraus das Anmelden des Kindes beim Dienstherrn und bei der Kranken-
kasse resultiert. Diese formalen Akte seien insgesamt lediglich Folge des im Vor-
dergrund stehenden starken Kinderwunsches des Soldaten und seiner Ehefrau
- 15 -
gewesen. Wären die entsprechenden behördlichen Anmeldungen nicht erfolgt,
hätte irgendwann die Legitimation des Kindes in Frage gestanden. Die insoweit zu
Unrecht erhaltenen Beträge von 1.000 DM, 648,24 DM und 150 DM habe der Sol-
dat umgehend zurückgezahlt.
Hinsichtlich der Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bestreite der Soldat - wie
schon im sachgleichen Strafverfahren -, seine Hunde gequält oder für Hunde-
kämpfe gezüchtet und diese an Hundekämpfen beteiligt zu haben. Gleichwohl sei
das entsprechende Strafurteil freilich rechtskräftig. Es müsse jedoch verwundern
und sei vom Truppendienstgericht nicht hinreichend gewürdigt worden, dass es
eine Vielzahl von dokumentierten Zeugenaussagen gebe, die dem Soldaten be-
scheinigten, dass er sich immer um seine Hunde gekümmert habe und dass diese
sich im besten Zustand befunden und keinerlei Verletzungen, die auf Hundekämp-
fe hindeuteten, aufgewiesen hätten. Außerdem hätten die Hunde unter ständiger
tierärztlicher Betreuung gestanden. Die ordnungsgemäße Hundehaltung hätten
der Tierarzt sowie auch andere fachkundige Hundehalter bestätigt, darunter ein
Bediensteter der Diensthundeschule der Bundeswehr in K. Es liege der Verdacht
nahe, dass der Fall des Soldaten seinerzeit „hochgespielt“ worden sei, da im Jahr
1999 aufgrund diverser Vorfälle die Kampfhundeproblematik in der Öffentlichkeit
heftig diskutiert worden sei.
Bis zu den ihm angelasteten Vorfällen aus dem Jahr 1999 habe der Soldat über
einen Zeitraum von 15 Jahren seinen Dienst bei der Bundeswehr unbeanstandet
geleistet. Er habe überdurchschnittliche Beurteilungen erfahren sowie zahlreiche
Auszeichnungen erhalten. Abgesehen von den verfahrensgegenständlichen Ver-
fehlungen sei er weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung ge-
treten. Der von der Truppendienstkammer vernommene Zeuge Hauptmann S. ha-
be zudem ausdrücklich bestätigt, dass die dem Verfahren zugrunde liegenden
Vorgänge keine Auswirkungen auf den Dienstbetrieb gehabt und insbesondere die
dienstlichen Leistungen des Soldaten bis zu seiner Suspendierung nicht beein-
trächtigt hätten.
Nach alledem sei festzuhalten, dass sich der Soldat im dienstlichen Leben durch
vorbildliche Pflichterfüllung ausgezeichnet habe. Er habe stets und jederzeit sei-
nem Dienstherrn treu gedient. Die Konflikte mit dem Tierschutzgesetz und im
Grunde genommen auch die Vorgänge im Zusammenhang mit der
Personenstandsfälschung beträfen allein den außerdienstlichen Bereich. Lediglich
- 16 -
die Beantragung von Kindergeld und Ortszuschlag habe auch eine Auswirkung für
den dienstlichen Bereich gehabt. Dies sei allerdings eine zwangsläufige Folge der
Ausgabe des Kindes als eigenes gewesen.
Zum Hilfsantrag hat der Verteidiger ausgeführt: Der Soldat könne als Alleinverdie-
ner unter Berücksichtigung seiner Einnahmen aus der Vermietung eines Hauses
und der sonstigen Belastungen seinen Lebensunterhalt nur dadurch mehr schlecht
als recht bestreiten, dass er gelegentlich Naturalien (Lebensmittel) geschenkt be-
komme. Sollte das Urteil hinsichtlich der Entfernung aus dem Dienst bestätigt
werden, müsse er sich beruflich völlig neu orientieren. Das sei in einem Alter von
nahezu 40 Jahren sehr schwierig. Er habe zwar den Beruf des Fleischers erlernt,
diesen jedoch seit 1983 nicht mehr ausgeübt und daher keine Chance, in diesem
Beruf eine Anstellung zu finden. Eine berufliche Neuorientierung werde einen er-
heblichen Zeitraum in Anspruch nehmen. Die Versagung eines Unterhaltsbeitra-
ges über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus stelle deshalb eine unbillige
Härte dar, insbesondere wenn berücksichtigt werde, dass sich der Soldat vor sei-
ner Verurteilung und seinem dazu führenden Fehlverhalten dienstlich bewährt,
tadelfrei geführt und dass er ausgezeichnete dienstliche Leistungen erbracht ha-
be.
III
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt
(§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).
2. Das Rechtsmittel ist ausdrücklich und nach dem maßgeblichen Inhalt seiner
Begründung auf die Maßnahmebemessung beschränkt worden. Der Senat hat
daher die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die rechtliche Würdigung des Trup-
pendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und unter Beachtung
des Verschlechterungsverbots nur noch über die angemessene Disziplinarmaß-
nahme zu befinden (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. §§ 327, 331 StPO).
3. Die Berufung des Soldaten hat Erfolg. Die Truppendienstkammer hat das fest-
gestellte pflichtwidrige Verhalten des Soldaten unangemessen hart geahndet. Der
- 17 -
Senat hält eine Herabsetzung des Soldaten in den Dienstgrad eines Feldwebels
für angemessen und ausreichend.
Nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinar-
maßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie seine Auswirkun-
gen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Be-
weggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens
Der Soldat hat nach dem Unrechtgehalt seiner Verfehlungen, mithin also nach der
Bedeutung der verletzten Pflichten, ein schweres Dienstvergehen begangen.
Dies ergibt sich schon daraus, dass er mit seinem Fehlverhalten, mit dem er nach
den bindenden Feststellungen der Truppendienstkammer gegen seine Pflichten
zum treuen Dienen (§ 7 SG), zur Wahrheit (§ 13 Abs. 1 SG) sowie zu achtungs-
und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 SG) verstieß, krimi-
nelles Unrecht beging. Denn er hat sich im Anschuldigungspunkt 1 wegen uner-
laubten Erwerbs und Besitzes einer Waffe (Vergehen gemäß § 53 WaffG in der
damals geltenden Fassung) sowie in den Anschuldigungspunkten 2, 3 und 4 we-
gen gemeinschaftlich begangener mittelbarer Falschbeurkundung in drei Fällen,
davon in einem Fall in Tateinheit mit Personenstandsfälschung (Vergehen gemäß
§ 271 Abs. 1, § 169, § 25 Abs. 2, § 52 StGB) und in zwei Fällen in Tateinheit mit
Betrug (Vergehen nach § 271 Abs. 2 und 3, § 263 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 52 StGB),
schuldig gemacht; insoweit wurde er zu einer Gesamtgeldstrafe von
180 Tagessätzen zu je 40 DM verurteilt. Darüber hinaus wurde er im Sinne der
Anschuldigungspunkte 5 und 6 wegen Tiermisshandlung aus Rohheit (§ 17 Nr. 2 a
TierSG) sowie wegen quälerischer Tiermisshandlung (§ 17 Nr. 2 b TierSG) rechts-
kräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wobei die Voll-
streckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Das Dienstvergehen, das sich teilweise im dienstlichen und teilweise im außer-
dienstlichen Bereich ereignete, hat auch das Vertrauensverhältnis zwischen dem
Soldaten und dem Dienstherrn schwer belastet. Nach der gefestigten Recht-
- 18 -
sprechung des Senats ist eine empfindliche disziplinare Reaktion geboten, wenn
sich ein Soldat - wie hier im Zusammenhang mit der Beantragung von Kinder-
geld/erhöhtem Familienzuschlag - durch eine strafrechtlich als Betrug zu wertende
Schädigung oder Gefährdung des Vermögens seines Dienstherrn eines schweren
Vertrauensbruchs schuldig macht. Denn die vorsätzliche Bereicherung eines Sol-
daten zum Nachteil des Dienstherrn ist eine besonders verwerfliche Tat. Die Bun-
deswehr ist auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten im Umgang mit
öffentlichem Geld in hohem Maße angewiesen. Erfüllt ein Soldat diese Erwartun-
gen nicht, so stört er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig
und begründet schwerwiegende Zweifel an seiner Zuverlässigkeit, Integrität und
Loyalität. Erschwerend wirkt sich dabei aus, wenn der Soldat - wie hier - in seinen
Anträgen die Richtigkeit seiner wahrheitswidrigen Angaben ausdrücklich versi-
chert.
Aber auch soweit das Fehlverhalten des Soldaten im außerdienstlichen Bereich
stattfand (Verstoß gegen das Waffengesetz; mittelbare Falschbeurkundungen in
Tateinheit mit Betrug gegenüber der AOK und Personenstandsfälschung gegen-
über dem Standesamt; Verstöße gegen das Tierschutzgesetz), hat es erhebliches
Gewicht. Denn die allgemeine Gesetzestreue eines Beamten - und nichts anderes
gilt für Soldaten - ist eine wesentliche Grundlage des öffentlichen Dienstes, des-
sen Angehörigen nach Art. 33 Abs. 4 GG die Ausübung hoheitsrechtlicher Befug-
nisse obliegt. Deshalb ist ein - auch außerdienstlicher - Verstoß gegen Rechts-
normen, die wichtige Gemeinschaftsinteressen schützen, allgemein geeignet, das
Vertrauen in eine ordnungsgemäße Dienstausübung zu erschüttern (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 5. Juni 2002 - 2 BvR 2257/96 - ; Urteil vom
3. April 2003 - BVerwG 2 WD 46.02 - ).
b) Auswirkungen
Durch die falschen Erklärungen gegenüber seinem Dienstherrn im Zusammen-
hang mit der Beantragung von Kindergeld/erhöhtem Familienzuschlag bewirkte
der Soldat einen Vermögensschaden seines Dienstherrn in Höhe von ca.
1.648 DM. Der Soldat fand sich später zwar bereit, den Vermögensschaden nach
- 19 -
Bekanntwerden seines Fehlverhaltens durch Rückzahlung der zu Unrecht emp-
fangenen Beträge wieder gutzumachen. Da der Schaden aber bereits eingetreten
war, betreffen diese Rückzahlungen lediglich den Schadensausgleich.
Durch die mittelbare Falschbeurkundung in Tateinheit mit der
Personenstandsfälschung gegenüber dem Standesamt wurde nicht nur das ge-
setzlich geschützte Allgemeininteresse an der Feststellbarkeit von familienrechtli-
chen Verhältnissen, sondern auch das Interesse des betroffenen Kindes an einer
Feststellbarkeit seiner wahren Herkunft verletzt oder jedenfalls gefährdet.
Zu Lasten des Soldaten fällt ferner ins Gewicht, dass seine Verstöße gegen das
Tierschutzgesetz der regionalen Presse Veranlassung gaben, ausführlich über
seine Züchtung von Kampfhunden sowie das Abhalten von tierschutzwidrigen
Hundekämpfen unter ausdrücklicher Hervorhebung seiner Eigenschaft als Soldat
zu berichten (vgl. u.a. Hessisch-Niedersächsische Allgemeine vom 7. und
10. März 2001, GA Bl. 123, 124). Damit war zumindest die Gefahr einer erhebli-
chen Ansehensschädigung der Bundeswehr und ihrer Angehörigen verbunden.
Das Dienstvergehen des Soldaten hatte auch nicht unerhebliche Auswirkungen
auf die Personalplanung des Dienstherrn. Der Soldat wurde aufgrund der Vorwür-
fe, die Gegenstand dieses gerichtlichen Disziplinarverfahrens sind, mit Verfügung
vom 11. April 2001 vorläufig des Dienstes enthoben. Die damit verbundenen
dienstlichen Folgen muss er sich zurechnen lassen.
c) Beweggründe
Aus welchen konkreten Motiven heraus der Soldat die Selbstladepistole während
des Besuchs eines Flohmarktes in Z. am 16. Mai 1999 nebst Patronen erwarb, hat
der Senat nicht abschließend klären können. Der Soldat hat insoweit behauptet,
es habe sich um einen „Spontankauf“ ohne einen bestimmten Zweck gehandelt;
die Waffe habe ihm gefallen. Wenn es ihm jedoch tatsächlich lediglich um den Er-
werb eines Dekorationsstückes gegangen wäre, wäre nicht erklärlich, aus wel-
chem Grund er zudem auch noch die passenden Patronen erwarb. Gerade der
Kauf der Patronen legt die Schlussfolgerung nahe, dass es ihm zumindest auch
- 20 -
um eine potentielle Nutzung der Pistole ging. Jedenfalls handelte er eigennützig
und ohne nachhaltiges Bemühen um Aufklärung darüber, ob er für den Erwerb
und den Besitz der Pistole eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz benötigte oder
nicht.
Hinsichtlich der mittelbaren Falschbeurkundungen in Tateinheit mit Betrug und
Personenstandsfälschung ist davon auszugehen, dass Beweggrund für das Han-
deln des Soldaten - ebenso wie für dasjenige seiner Ehefrau - der unerfüllt geblie-
bene Kinderwunsch war. Vielfache Versuche, ein Kind zu adoptieren, waren er-
folglos geblieben und hatten im Ergebnis bewirkt, dass der Wunsch nach einem
Kind bei seiner Frau eher noch größer wurde. Als die Ehefrau dafür dann eine
Realisierungschance sah, setzte sie alle „Hebel“ in Bewegung, um das Kind einer
jungen Bosnierin als eigenes auszugeben. Es gelang ihr, die diesbezüglichen Wi-
derstände des Soldaten zu überwinden und ihn zu seinem Fehlverhalten zu verlei-
ten.
Hinsichtlich der vom Truppendienstgericht bindend festgestellten Verstöße gegen
das Tierschutzgesetz hat die genaue Motivlage des Soldaten nicht im Einzelnen
aufgeklärt werden können. Nach seinen Bekundungen in der Berufungshauptver-
handlung, die der Sache nach durch seine als Zeugin vernommene Ehefrau bestä-
tigt worden sind, war für beide Eheleute die Haltung und Züchtung der in Rede
stehenden Kampfhunde („Pitbulls“) zu einem wichtigen Lebensinhalt geworden.
Für die Ehefrau waren diese Hunde nach ihren glaubhaften Angaben wichtige
Freunde, die sie höher schätzte als „alle Menschen“. Mit ihrem Lieblingshund
schlief sie sogar gemeinsam im Bett. Daneben bestand auch ein kommerzielles
Interesse. Die Ehefrau hatte ein starkes Interesse daran, die von ihr und dem Sol-
daten gehaltenen Hunde zu Zuchtzwecken einzusetzen. Der Soldat hat ausdrück-
lich eingeräumt, dass man ursprünglich sogar die Absicht gehabt habe, eine Art
Zuchtbetrieb aufzubauen, da der Verkauf junger Tiere nach seinen Vorstellungen
durchaus nicht unerhebliche Nebeneinkünfte hätte erbringen können. Dass sich
diese finanziellen Erwartungen und Hoffnungen letztlich offenbar nicht realisieren
ließen, ändert an den diesbezüglichen Absichten des Soldaten und seiner Ehefrau
nichts.
- 21 -
d) Maß der Schuld
Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts handel-
te der Soldat bei seinen Verfehlungen mit Vorsatz.
Dass der Soldat zum Zeitpunkt seiner Verfehlungen in seiner Schuldfähigkeit im
Sinne des § 21 StGB eingeschränkt war, ist nicht ersichtlich. Voraussetzung für
eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB ist eine erhebliche Verminde-
rung der Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser
Einsicht zu handeln. Ursache der Verminderung muss eine der in § 20 StGB be-
zeichneten psychischen Defizite sein, nämlich eine krankhafte seelische Störung,
eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn oder eine schwere andere
seelische Abartigkeit. Daran fehlt es hier. Zwar hat der Arzt Dr. Wolfgang B. im
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegenüber der Kriminalpolizei Marburg am
23. August 1999 u.a. angegeben, die Ehefrau des Soldaten sei Ende 1997/Anfang
1998 mehrmals in seiner, Dr. B., Praxis erschienen und habe damals einen „drin-
genden, als krankhaft zu bezeichnenden Kinderwunsch gehabt“. Selbst wenn es
sich bei diesem, bei der Ehefrau des Soldaten damals diagnostizierten Zustand
um eine krankhafte seelische Störung oder ein anderes psychisches Defizit im
Sinne des § 21 StGB gehandelt haben sollte, beträfe dies lediglich die Ehefrau,
jedoch nicht den Soldaten. Für eine anderweitige Feststellung fehlt es an jedem
Anhaltspunkt. Der Soldat hat auch selbst nicht geltend gemacht, dass er an einer
seelischen Störung im dargelegten Sinne im Tatzeitraum gelitten hätte. Angesichts
dessen hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, ein Sachverständigen-
gutachten hinsichtlich einer Verminderung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit
des Soldaten einzuholen.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat sind nicht ersichtlich. Sie sind nach
der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 9. März 1995
- BVerwG 2 WD 1.95 - m.w.N., vom
18. Juni 1996 - BVerwG 2 WD 10.96 -
235.0 § 34 WDO Nr. 15 = NVwZ-RR 1997, 238> m.w.N. und 13. März 2003
- BVerwG 1 WD 4.03 - m.w.N.) dann gegeben, wenn die Si-
tuation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten
- 22 -
gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht
mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Als solche Be-
sonderheiten sind z.B. ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unver-
schuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war,
ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder unter Um-
ständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeits-
fremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Sol-
daten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen
Ausnahmesituation (vgl. Urteile vom 14. November 1996 - BVerwG 2 WD 31.96 -
und vom 13. März
2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - m.w.N.). Die Voraussetzungen für das Vor-
liegen solcher Milderungsgründe sind hier nicht erfüllt.
Nach der Rechtsprechung des Senats liegt eine persönlichkeitsfremde Augen-
blickstat dann vor, wenn der Entschluss zum Tun oder Unterlassen nicht geplant
oder wohl überlegt, sondern spontan und aus dem Umständen des Augenblicks
heraus zustande gekommen ist. Die jeweilige Zeitspanne der Verwirklichung eines
Tatentschlusses ist dabei von der Situation des Einzelfalles abhängig und lässt als
solche noch keinen sicheren Rückschluss darauf zu, ob das Verhalten spontan
oder geplant bzw. vorbereitet war (vgl. Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD
4.03 - m.w.N.). Entscheidend ist insoweit, ob der Soldat das Dienstver-
gehen in einem Zustand begangen hat, in dem er die rechtlichen und tatsächlichen
Folgen seines Verhaltens nicht bedacht hat, wozu ein gewisses Maß an Spontane-
ität, Kopflosigkeit oder Unüberlegtheit gehört. Das kann auch dann der Fall ein,
wenn der Betroffene, der sich erstmalig einer für ihn bisher unbekannten dienstli-
chen Situation gegenübersieht, überfordert ist. Diese Voraussetzungen sind hier
ersichtlich bei keiner der in Rede stehenden Pflichtverletzungen gegeben.
Hinsichtlich des Erwerbs und unberechtigten Besitzes der Selbstladepistole ist
nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Truppendienst-
gerichts davon auszugehen, dass der Soldat als Besitzer einer Vielzahl von Waf-
fen und als bei der Bundeswehr an Waffen Ausgebildeter schon beim Kauf er-
kannt hatte, dass es sich nicht um ein Dekorationsstück, sondern um eine „scharfe
Waffe“ handelte. Zwar mag der Entschluss zum Kauf dieser Waffe von den Um-
- 23 -
ständen des Augenblicks geprägt gewesen sein. Da der Soldat die Waffe jedoch
für eine unabsehbare Zeit in Besitz und mit nach Haus nahm, handelte er durch-
aus überlegt. Jedenfalls der Umstand, dass er die Waffe trotz der bei ihm mögli-
cherweise vorhandenen Bedenken zunächst behielt, macht deutlich, dass er sein
weiteres Verhalten hinsichtlich des Besitzes der Waffe reflektierte und es deshalb
am Folgetag auch mit anderen besprach. Er hatte damit durchaus die Zeit und die
Möglichkeit, sich auf ein rechtmäßiges Verhalten zu besinnen und die erforderli-
chen Konsequenzen aus dem ungesetzlichen Besitz der Waffe zu ziehen. Ange-
sichts der langjährigen Erfahrung des Soldaten mit Waffen im dienstlichen und
außerdienstlichen Bereich kann auch von einer situativen Überforderung nicht die
Rede sein.
Auch hinsichtlich der gemeinschaftlich begangenen mittelbaren Falschbeurkun-
dungen
in drei Fällen, davon in einem Falle in
Tateinheit mit
Personenstandsfälschung und in zwei Fällen in Tateinheit mit Betrug, kann von
einer Augenblickstat im dargelegten Sinne nicht die Rede sein. Dagegen spricht
schon, dass der Soldat im Zusammenwirken mit seiner Ehefrau durchaus nicht
spontan und kopflos vorging, um das von einer anderen Frau geborene Kind als
sein eigenes auszugeben. Die Ehefrau des Soldaten hat als Zeugin in der Beru-
fungshauptverhandlung glaubhaft und im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt,
dass sie im Zusammenwirken mit einer Bekannten sowie mit Wissen des Soldaten
die schwangere Kindesmutter aus Bosnien abholte, diese nach Deutschland
brachte und nach der Geburt des Kindes den Soldaten in mehreren Gesprächen
davon überzeugte, trotz seiner vorhandenen Bedenken das Kind beim Standes-
amt, bei der Krankenkasse und bei seiner Dienststelle als eigenes Kind auszuge-
ben und anzumelden. Konkrete Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit ihrer Bekun-
dungen sind in der Berufungshauptverhandlung nicht ersichtlich geworden. Der
Soldat hatte mithin bei diesen Vorgängen hinreichende Gelegenheit und Zeit, sich
über die Unrechtmäßigkeit seines Vorgehens klar zu werden und sich zu ent-
scheiden, ob er die ihm von seiner Frau angesonnenen Straftaten begehen wollte
oder nicht.
Ferner sind auch hinsichtlich der von der Truppendienstkammer mit bindender
Wirkung für den Senat festgestellten Verstöße gegen das Tierschutzgesetz ange-
- 24 -
sichts des planvollen Vorgehens und der zeitlichen Dauer des Fehlverhaltens kei-
nerlei Anhaltspunkte für eine Augenblickstat im darlegten Sinne erkennbar.
Auch die weiteren in der Rechtsprechung anerkannten Tatmilderungsgründe lie-
gen nicht vor. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass der Soldat etwa durch
schockartig ausgelösten psychischen Zwang zu seinem Fehlverhalten getrieben
wurde oder dass er aus einer subjektiv als aussichtslos erscheinenden unver-
schuldeten wirtschaftlichen Notlage heraus handelte. Auch wenn seine Ehefrau
ihn mit der Drohung, ihn zu verlassen und die Scheidung einzureichen, falls er das
neugeborene Kind nicht als eigenes bei den zuständigen Stellen anmeldete, unter
Druck setzte, handelte es sich dabei nicht um einen schockartig ausgelösten psy-
chischen Zwang, dem er unterlag. Dies ergibt sich schon daraus, dass er zumin-
dest über mehrere Tage hinweg hinreichende Gelegenheit hatte, sein weiteres
Verhalten zu reflektieren. Von einem schockartigen Zustand konnte nicht die Rede
sein.
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass sich der Soldat bei der im dienstlichen
Bereich begangenen Pflichtverletzung, also im Zusammenhang mit der unberech-
tigten Beantragung von Kindergeld und erweiterten Familienzuschlag, einer au-
ßergewöhnlichen situationsgebundenen Erschwernis bei der Erfüllung eines
(dienstlichen) Auftrages (vgl. dazu u.a. Urteile vom 28. Januar 1999 - 2 WD
17.98 - und vom 13. März
2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - ) gegenübersah, die ihn nicht nur zur Fehl-
einschätzung der gebotenen oder vertretbaren Maßnahmen, sondern auch zum
eindeutigen Fehlverhalten verleitete. Denn ihm war ohne jeden Zweifel bewusst,
dass das in Rede stehende neugeborene Kind nicht sein eigenes war und dass er
dafür keinen Anspruch auf Kindergeld und erweiterten Familienzuschlag anmelden
durfte. Einen dienstlichen Auftrag erfüllte er bei der Antragstellung ersichtlich oh-
nehin nicht.
Konkrete Anhaltspunkte für ein Mitverschulden von Vorgesetzten (vgl. dazu u.a.
Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - m.w.N.) sind ebenfalls
nicht ersichtlich.
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e) Bisherige Führung und Persönlichkeit
Im Hinblick auf seine bisherige Führung und Persönlichkeit ist zugunsten des Sol-
daten zu berücksichtigen, dass er ausweislich der vorliegenden Auszüge aus dem
Zentralregister und dem Disziplinarbuch - abgesehen von den beiden sachglei-
chen Strafverfahren - strafrechtlich und disziplinarrechtlich nicht negativ in Er-
scheinung getreten ist. Vielmehr erhielt er mehrere Auszeichnungen. So wurde
ihm 1989 das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Gold und 1993 für
treue Pflichterfüllung und überdurchschnittliche Leistungen das Ehrenkreuz der
Bundeswehr in Bronze verliehen. Ferner wurde ihm 1996 durch den Chef der
.../PzArtBtl … eine förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung als
Geschützzugführer erteilt. Im Jahr 1999 wurde ihm durch den Kommandeur des
PzArtBtl … eine Leistungsprämie von 500 DM für seine herausragenden Leistun-
gen während eines Truppenübungsplatzaufenthaltes der .../PzArtBtl … zuerkannt.
Die guten dienstlichen Leistungen des Soldaten schlugen sich auch in den ihm
erteilten Beurteilungen nieder. Nach den in der Verhandlung vor der Truppen-
dienstkammer gemachten Bekundungen des Zeugen Hauptmann S., des Chefs
der .../PzArtBtl …, dem der Soldat seit dem 5. Mai 1999 disziplinarrechtlich unter-
stellt war, war er der Leistungsstärkste in seiner Batterie. Im dienstlichen Bereich
fiel er durch vorbildliche Haltung und Pflichterfüllung auf. Mit seinem enormen
Fachwissen und seiner natürlichen Autorität gelang es ihm, wie es in der planmä-
ßigen Beurteilung vom 15. Juli 1998 heißt, die ihm unterstellten Soldaten zu Hoch-
leistungen zu motivieren. In der gebundenen Beschreibung erhielt er hinsichtlich
seiner Einsatzbereitschaft, seines organisatorischen Könnens, seines fachlichen
Könnens und seines technischen Verständnisses jeweils die Spitzenwertung „1“
sowie im Übrigen elfmal die Wertung „2“. Das sehr positive dienstliche Leistungs-
bild des Soldaten wird auch durch die weitere dienstliche Beurteilung vom 21. Mai
2001 bestätigt, die nach der vorläufigen Dienstenthebung erstellt wurde. In dieser
Beurteilung bezeichnete der Dienstvorgesetzte den Soldaten nach Eignung, Befä-
higung und Leistung als eindeutig leistungsstärksten Hauptfeldwebel der gesam-
ten Batterie. Diese hohe Wertschätzung brachte er sowohl bei der Beurteilung und
Bewertung der Einzelleistungen des Soldaten als auch bei der Beurteilung der
Eignung und Befähigung zum Ausdruck, wobei er die Höchstwertung „E“ sowohl
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für Verantwortungsbewusstsein als auch für Befähigung zur Einsatz- und Betriebs-
führung vergab.
f) Gesamtwürdigung
Bei Abwägung aller für und gegen den Soldaten sprechenden Umstände erscheint
dem Senat die im Tenor dieses Urteils ausgesprochene Maßnahme einer Herab-
setzung in den Dienstgrad eines Feldwebels als angemessen und geboten.
Da ein Soldat in Vorgesetztenstellung, der nach § 10 Abs. 1 SG in seiner Haltung
und Pflichterfüllung ein Beispiel geben soll, regelmäßig durch eine vorsätzliche
Schädigung des Vermögens des Dienstherrn ein schweres Dienstvergehen
begeht, ist als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in
einen Mannschaftsdienstgrad in Betracht zu ziehen (vgl. u.a. Urteile vom 26. April
1983 - BVerwG 2 WD 3.83 - , vom 27. Januar 1987
- BVerwG 2 WD 11.86 - , vom 23. Oktober 1990 - BVerwG
2 WD 40.90 - , vom 29. Februar 1996 - BVerwG 2 WD
35.95 - und vom 1. Juli
2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - m.w.N.). Erfolgte der Zugriff im Bereich der dienstli-
chen Kernpflichten des Soldaten und wurde dadurch bei der gebotenen objektiven
Betrachtung eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses für den Dienstherrn unzu-
mutbar, ist eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis geboten (stRspr., vgl. zuletzt
Urteile vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - m.w.N. und vom 1. Juli 2003
- BVerwG 2 WD 51.02 -). Nur in Fällen, die eine mildere Beurteilung der Schwere
des Dienstvergehens zuließen, hat der Senat eine Gehaltskürzung und/oder ein
Beförderungsverbot für ausreichend gehalten (vgl. u.a Urteile vom 21. Januar
1986 - BVerwG 2 WD 31.85 - und vom
1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - m.w.N.).
Im vorliegenden Fall stellt die vom Soldaten vorsätzlich bewirkte Schädigung des
Vermögens des Dienstherrn im Zusammenhang mit der unberechtigten Beanspru-
chung von Kindergeld und erhöhtem Familienzuschlag zwar ein schweres Dienst-
vergehen dar. Der Zugriff erfolgte jedoch nicht im Bereich seiner dienstlichen
- 27 -
Kernpflichten. Der Soldat war Antragsteller für Kindergeld und erhöhten Familien-
zuschlag; zu seinen zentralen dienstlichen Obliegenheiten gehörte es jedoch nicht,
solche Anträge zu bearbeiten oder über sie zu entscheiden. Ausgangspunkt der
Zumessungserwägungen ist damit eine Dienstgradherabsetzung, nicht jedoch die
disziplinare Höchstmaßnahme.
Allerdings ist im Rahmen der Gesamtwürdigung des Fehlverhaltens des Soldaten
zu berücksichtigen, dass es sich bei seinem Zugriff auf das Vermögen des Dienst-
herrn nicht um die einzige Pflichtverletzung handelte. Denn er beging zwei weitere
mittelbare Falschbeurkundungen, und zwar eine in Tateinheit mit Betrug gegen-
über der AOK und eine weitere in Tateinheit mit Personenstandsfälschung. Hinzu
kamen noch der strafbare Verstoß gegen das Waffengesetz sowie die beiden von
der Truppendienstkammer mit bindender Wirkung für den Senat festgestellten
Vergehen nach dem Tierschutzgesetz. Das erhöht den Unrechtsgehalt des
Dienstvergehens sowie das Maß seiner Schuld beträchtlich. Da zudem Milde-
rungsgründe in den Umständen der Tat aus den dargelegten Gründen nicht ein-
greifen, kommt jedenfalls eine mildere Maßnahme als eine Dienstgradherabset-
zung vorliegend keinesfalls in Betracht.
Angesichts der dargelegten Schwere des Dienstvergehens reicht auch eine Her-
absetzung lediglich um einen Dienstgrad nicht aus, zumal der Soldat eben mehre-
re Straftaten beging, deren beträchtlicher Unrechtsgehalt auch in der Höhe der
von den Strafgerichten rechtskräftig verhängten Strafen (Gesamtgeldstrafe von
180 Tagessätzen zu je 40 DM sowie Freiheitsstrafe von neun Monaten) zum Aus-
druck kommt. Durch das mehrfache Fehlverhalten des Soldaten im außerdienstli-
chen und im dienstlichen Bereich ist das Vertrauen in seine persönliche Integrität,
Ehrlichkeit und Loyalität nachhaltig erschüttert worden.
Eine Dienstgradherabsetzung um mehr als zwei Dienstgrade erscheint dem Senat
jedoch dennoch nicht geboten. Dabei berücksichtigt der Senat zugunsten des Sol-
daten vor allem, dass nach den in der Berufungshauptverhandlung getroffenen
Feststellungen das von den Anschuldigungspunkten 2, 3 und 4 erfasste Fehlver-
halten in starkem Maße von der schwierigen familiären Situation des Soldaten ge-
prägt war. Der Soldat sah sich einem starken Erwartungsdruck seiner Ehefrau
ausgesetzt. Er ließ sich von seiner Ehefrau zu den mittelbaren Falschbeurkundun-
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gen sowie zu seinen falschen Angaben gegenüber seiner Dienststel-
le/Familienkasse verleiten, um dem seit Jahren bestehenden intensiven Wunsch
seiner Ehefrau nach einem Kind Rechnung zu tragen. Dabei stand er unter einer
starken psychischen Anspannung. Denn seine Ehefrau hatte ihm mehrfach ange-
droht, ihn anderenfalls zu verlassen und sich von ihm scheiden zu lassen. Auch
wenn der Soldat diesem nachdrücklich vorgetragenen Ansinnen seiner Ehefrau
nicht hätte nachgeben dürfen, mindert diese angespannte psychische Situation
das Maß seiner Schuld.
Wie sich aus den in der Berufungshauptverhandlung getroffenen Feststellungen
des Senats ergibt, war die Ehefrau des Soldaten letztlich auch die dominierende
Persönlichkeit bei der Haltung der Kampfhunde, in deren Gefolge es zu den
schwerwiegenden Verstößen gegen das Tierschutzgesetz kam. Dies hat sie bei
ihrer Vernehmung als Zeugin ausdrücklich eingeräumt. Der Soldat war aufgrund
seiner beruflichen Belastung und der damit einhergehenden hohen zeitlichen Be-
anspruchung ohnehin sehr oft nicht zu Hause, sodass die Betreuung der Tiere im
Wesentlichen seiner Ehefrau oblag, die ursprünglich auch die Anschaffung der
Tiere veranlasst hatte. Sie hatte ein besonders inniges Verhältnis zu den Hunden,
und war stark daran interessiert, eine große Schar von Kampfhunden um sich zu
scharen.
Schließlich fällt zugunsten des Soldaten entscheidend ins Gewicht, dass sein hier
zu würdigendes Fehlverhalten keine negativen Auswirkungen auf seine dienstli-
chen Leistungen sowie die dienstlichen Abläufe in seiner Einheit hatte. Dies hat
der Disziplinarvorgesetzte, Hauptmann S., in der Verhandlung vor dem Truppen-
dienstgericht nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt. Zweifel an der inhaltlichen
Richtigkeit dieser Bekundungen des Zeugen haben sich für den Senat auch in der
Berufungshauptverhandlung nicht ergeben. Der als Zeuge in der Berufungshaupt-
verhandlung vernommene Hauptfeldwebel Herbert H. hat der Sache nach die Be-
kundungen des Zeugen Schmidt bestätigt. Bis zu seiner am 19. April 2001 erfolg-
ten vorläufigen Dienstenthebung erfüllte der Soldat alle dienstlichen Aufgaben mit
großer Sorgfalt und war ein bei seinen Vorgesetzten sehr angesehener und von
ihnen hoch geschätzter Unteroffizier mit Portepee. Nach der Überzeugung des
Senats reicht eine Herabsetzung in den Dienstgrad eines Feldwebels aus, um den
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Soldaten künftig zu einem pflichtgemäßen dienstlichen und außerdienstlichen
Verhalten zu veranlassen und einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb sicherzu-
stellen. Der Soldat ist nach dem vom Senat in der Berufungshauptverhandlung
gewonnenen persönlichen Eindruck durch die nunmehr seit mehr als zwei Jahren
andauernde (vorläufige) Dienstenthebung schwer getroffen. Er bereut vor allem
seine Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den mittelbaren Falschbeurkun-
dungen nachdrücklich und glaubhaft. Auch seine Ehefrau, die - auch nach ihrem
eigenen Bekunden - das diesbezügliche Fehlverhalten des Soldaten letztlich ver-
anlasste, bedauert das Vorgefallene sehr und möchte die Folgen nach Möglichkeit
ungeschehen machen. Zwar hat der Soldat hinsichtlich der für den Senat mit bin-
dender Wirkung vom Truppendienstgericht festgestellten Verstöße gegen das
Tierschutzgesetz wenig Einsicht gezeigt und nach wie vor geltend gemacht, er
habe sich insoweit nichts zuschulden kommen lassen. Daraus kann jedoch ange-
sichts der veränderten familiären Situation und der Persönlichkeit des Soldaten
nicht geschlossen werden, es sei damit zu rechnen, dass der Soldat künftig wei-
terhin solche Verstöße gegen das Tierschutzgesetz begeht. Denn der Soldat hat
sich von dergleichen strafbaren Verletzungen des Tierschutzgesetzes jedenfalls
der Art nach glaubhaft distanziert.
Da das Disziplinarrecht - im Unterschied zum Strafrecht - darauf ausgerichtet ist,
einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten oder wieder
herzustellen (stRspr.: vgl. u.a. Urteile vom 2. Juli 1997 - BVerwG 2 WD 12.97 -,
vom 13. Juli 1999 - BVerwG 2 WD 4.99 - , vom
21. Juni 2000 - BVerwG 2 WD 19.00 -
2001, 33 = ZBR 2001, 53> und vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 8.03 -), ist
nach Überzeugung des Senats angesichts dessen im vorliegenden Fall eine wei-
tergehende Dienstgradherabsetzung als um zwei Stufen weder zur Pflichtenmah-
nung des Soldaten noch aus generalpräventiven Gründen erforderlich. Auch aus
Gründen der Gleichbehandlung ist im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzel-
falles die Verhängung einer schwereren Disziplinarmaßnahme nicht geboten.
Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen bietet der Soldat bei Verhängung
der ausgesprochenen Pflichtenmahnung hinreichende Gewähr dafür, dass er sei-
nen Dienst künftig ordnungsgemäß und pflichtbewusst erfüllen wird. Der Senat hat
angesichts dieser Gesamtumstände insgesamt die Überzeugung gewonnen, dass
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dem Soldaten der Dienstgrad eines Feldwebels belassen werden kann, sodass er
weiterhin Berufssoldat bleibt.
4. Gemäß § 139 Abs. 1 Satz 1 WDO sind die Kosten des Berufungsverfahrens
sowie gemäß § 140 Abs. 4 WDO die dem Soldaten darin erwachsenen notwendi-
gen Auslagen dem Bund aufzuerlegen, da das auf die Bemessung der Diszipli-
narmaßnahme beschränkte Rechtsmittel des Soldaten im Ergebnis Erfolg gehabt
hat.
Prof. Dr. Pietzner Prof. Dr. Widmaier Dr. Deiseroth