Urteil des BVerwG vom 19.05.2015

Soldat, Pflicht zur Dienstleistung, Mildernde Umstände, Erschwerende Umstände

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 13.14
TDG S 3 VL 4/14
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
Herrn Stabsgefreiten der Reserve …,
…,
…,
…,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 19. Mai 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Oberst i.G. Neumann und
ehrenamtliche Richterin Oberstabsgefreiter Kühn,
Leitender Regierungsdirektor Leckebusch
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt …
als Pflichtverteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das
Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom
15. April 2014 im Disziplinarmaß geändert.
Dem früheren Soldaten wird das Ruhegehalt aberkannt.
Der frühere Soldat trägt die Kosten des Berufungsverfah-
rens.
G r ü n d e :
I
Der … geborene frühere Soldat besuchte nach dem Erwerb der Fachoberschul-
reife bis 2008 ein Berufskolleg und war anschließend arbeitssuchend. Zum April
2009 wurde er zur … eingezogen und im Dezember 2010 in das Dienstverhält-
nis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zuletzt im März
2013 auf fünf Jahre festgesetzt und endete mit Ablauf März 2014. Zuletzt war er
als Versorgungs- und Stabsdienstsoldat eingesetzt und im April 2012 zum
Stabsgefreiten befördert worden. Mit Wirkung ab August 2013 wurde er unter
Kürzung der Bezüge vorläufig des Dienstes enthoben.
Der nicht planmäßig beurteilte frühere Soldat wurde von seinem früheren Dis-
ziplinarvorgesetzten, Hauptmann L., nach dessen in der Berufungshauptver-
handlung auszugsweise verlesenen Aussage beim Truppendienstgericht als
Stütze des Versorgungsbereichs der Kompanie beschrieben. Der frühere Soldat
habe die Aufgabe des Versorgungsunteroffiziers zur vollsten Zufriedenheit aus-
geführt. Er sei ein verantwortungsvoller, sehr zuverlässiger Versorgungs- und
Stabsdienstsoldat gewesen, der vom Leistungsvermögen und von der Leis-
tungsbereitschaft her im oberen Bereich des oberen Drittels seiner Vergleichs-
gruppe einzuordnen gewesen sei. Seit Beginn der eigenmächtigen Abwesen-
heiten habe er den früheren Soldaten, der ihm als "gebrochener Mann" entge-
gengetreten sei, nicht wiedererkannt und nach dem zweiten eigenmächtigen
Fernbleiben im Zugbereich eingesetzt. Soweit er noch im Dienst gewesen sei,
habe er seine Tätigkeiten zwar zufriedenstellend erfüllt; sein Leistungsverhalten
habe sich jedoch nur noch im unteren Mittelfeld bewegt. Er habe dem früheren
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Soldaten zwar Hilfestellung angeboten; dieser habe sich ihm jedoch nicht ge-
öffnet. Kein Problem wäre gewesen, wenn der frühere Soldat seinerzeit Erho-
lungsurlaub beantragt hätte. Als Gründe für seine Abwesenheit habe er familiä-
re Probleme angegeben. Der frühere Soldat sei von ihm über die Konsequen-
zen seines Handelns eindringlich belehrt worden. Die Eltern des früheren Sol-
daten seien in der Einheit gewesen. Der Vater habe zwar bestätigt, krank zu
sein und die Unterstützung seines Sohnes zu benötigen, jedoch auch erklärt,
die zahlreichen Abwesenheiten des Sohnes belasteten ihn.
Der aktuelle Zentralregisterauszug des früheren Soldaten verweist auf einen
sachgleich zu den Vorwürfen in der Anschuldigungsschrift ergangenen, rechts-
kräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts S. vom 6. Dezember 2013. Eine ent-
sprechende Eintragung findet sich in dem aktuellen Disziplinarbuchauszug. Mit
dem Strafbefehl wurde der frühere Soldat wegen eigenmächtiger Abwesenheit
in vier Fällen gemäß §§ 15 Abs. 1 WStG, 53 StGB zu einer Gesamtgeldstrafe
von 20 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt.
Der frühere Soldat ist berechtigt, das Abzeichen für Leistungen im Truppen-
dienst in Gold zu tragen. Er ist ledig und hat keine Kinder. Er erhielt nach dem
Erkenntnisstand 21. April 2015 bis zum 31. Oktober 2014 gekürzte Übergangs-
gebührnisse in Höhe von 1107,69 € netto. Die Übergangsbeihilfe in Höhe von
8523,96 € wird einbehalten. Das Rückforderungsverfahren bezüglich der über-
zahlten Bezüge ist wegen des anhängigen Verfahrens noch nicht abgeschlos-
sen.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des früheren Soldaten sind nach den erstin-
stanzlichen Erkenntnissen angespannt.
II
1. Mit dem früheren Soldaten am 5. August 2013 ausgehändigter Verfügung
des Kommandeurs … vom 31. Juli 2013 wurde nach mehreren vorangegange-
nen Anhörungen das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Anhörung
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der Vertrauensperson hatte der frühere Soldat widersprochen. Er war am
7. August 2013 erneut unter qualifizierter Belehrung angehört worden und hatte
unter anderem ausgeführt, er habe erhebliche private Probleme. Sie folgten aus
der Trennung seiner Eltern vor drei oder vier Jahren. Er sei mit dem, was jetzt
mit ihm dienstlich passiere, einverstanden. Er habe aus der Bundeswehr heraus
gewollt und das erreiche er jetzt, auch wenn er wisse, dass dies nicht der richti-
ge Weg sei. Soweit es die erste eigenmächtige Abwesenheit betreffe, könne er
einen konkreten Auslöser dafür nicht angeben. Bei der vierten Abwesenheit sei
es ihm dann einfach egal gewesen; er habe schon gewusst, was auf ihn zu-
komme. Unter dem 24. Oktober 2013 verzichtete der frühere Soldat auf ergän-
zendes Schlussgehör nach weiteren Ermittlungen.
2. Auf der Grundlage der dem früheren Soldaten am 5. März 2014 nach Bestel-
lung eines Pflichtverteidigers für die 1. Instanz zugestellten Anschuldigungs-
schrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des … vom 18. Februar
2014 hat ihn die 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd durch Urteil vom
15. April 2014 in den Dienstgrad eines Jägers der Reserve herabgesetzt. Die
Kammer hat auf der Grundlage der geständigen Einlassungen des früheren
Soldaten und der Aussage des Zeugen Hauptmann L. festgestellt, der frühere
Soldat sei in den Zeiträumen (1.) 8. April 2013 bis 17. April 2013, (2.) 22. April
2013 bis 16. Mai, (3.) 5. Juni 2013 bis 14. Juni 2013 sowie (4.) 17. Juni 2013 bis
23. Juli 2013 dem Dienst in der …-Kaserne, … S. wissentlich und willentlich
ohne Erlaubnis ferngeblieben.
Der frühere Soldat habe sich dadurch eines Dienstvergehens schuldig gemacht.
Er habe vorsätzlich seine Pflichten verletzt, der Bundesrepublik Deutschland
treu zu dienen (§ 7 SG) und der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu wer-
den, die sein Dienst als Soldat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Hinzu trete
ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen in Gestalt einer
Verletzung der Pflicht zur Loyalität der Rechtsordnung gegenüber, weil der
frühere Soldat zugleich eine Wehrstraftat nach § 15 Abs. 1 WStG begangen
habe.
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Das Dienstvergehen wiege sehr schwer und erfordere jedenfalls eine reinigen-
de Disziplinarmaßnahme. Ein Soldat, der der Truppe unerlaubt fernbleibe, ver-
sage im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Auch dem Verstoß gegen die
Wohlverhaltenspflicht komme ein hoher Stellenwert zu. Die Auswirkungen des
Fehlverhaltens seien dadurch gekennzeichnet, dass der frühere Soldat trotz
seines unerlaubten Fernbleibens vom Dienst weiterhin Bezüge erhalten habe.
Auch das Bekanntwerden der Verfehlungen in der Einheit und bei den Strafver-
folgungsorganen sei zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Zudem habe er vor-
läufig des Dienstes enthoben werden müssen.
Das Maß der Schuld werde durch die vorsätzliche Begehungsweise bestimmt.
Anhaltspunkte für eine zum Tatzeitpunkt erheblich verminderte Schuldfähigkeit
bestünden nicht. Milderungsgründe in den Umständen der Tat seien ebenfalls
nicht erkennbar. Hinsichtlich der Beweggründe bestünden allerdings mildernde
Umstände, weil der frühere Soldat nicht gehandelt habe, um sich zur Steige-
rung seiner Lebensfreude Freizeit zu verschaffen. Dabei sei allerdings zweifel-
haft, ob dieser seinen Vater tatsächlich unterstützt habe.
Wegen der vorsätzlichen und wiederholten eigenmächtigen Abwesenheit des
früheren Soldaten über einen Zeitraum von insgesamt 73 Tagen bilde zwar die
Höchstmaßnahme den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen; diese
Bemessungserwägungen bezögen sich jedoch auf Soldaten in Vorgesetzten-
stellung. Eine solche habe der frühere Soldat als Stabsgefreiter aber nicht inne.
Ihm obliege somit nicht die Verpflichtung zu beispielgebender Haltung und
Pflichterfüllung nach § 10 Abs. 1 SG. Wegen des Verhältnismäßigkeitsgebots
sei deshalb bei der Maßnahmebemessung nach "unten" zu differenzieren. Aus-
gangspunkt der Maßnahmebemessung bilde somit eine Dienstgradherabset-
zung. Sie müsse trotz der für den früheren Soldaten sprechenden Umstän-
de - fehlende disziplinarische Vorbelastung, Leistungen, Reue und Geständig-
keit - jedoch bis zum untersten Dienstgrad der Mannschaftslaufbahn erfolgen.
Soweit sich daraus für ihn persönliche Härten ergäben, lägen sie in seinem Ri-
sikobereich.
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3. Gegen das der Wehrdisziplinaranwaltschaft am 20. Mai 2014 zugestellte Ur-
teil hat sie am 17. Juni 2014 zu Lasten des früheren Soldaten maßnahmebe-
schränkt Berufung eingelegt und beantragt, ihm das Ruhegehalt abzuerkennen.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, wegen der mehrfachen und
dauerhaften Abwesenheiten bilde die Höchstmaßnahme den Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen. Die fehlende Vorgesetztenstellung des früheren
Soldaten bilde keinen Milderungsgrund, sondern begründe lediglich das Fehlen
eines Verschärfungsgrundes. Die vom Truppendienstgericht angenommene
Abweichung vom Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei Abwesen-
heiten von Soldaten ohne Vorgesetzteneigenschaft führe dazu, dass für Mann-
schaftsdienstgrade die Entfernung aus dem Dienstverhältnis ausscheide; dies
sei bereits aus generalpräventiven Erwägungen unrichtig.
Zugunsten des früheren Soldaten zu berücksichtigen seien dessen in den ers-
ten vier Dienstjahren sehr guten dienstlichen Leistungen, seine fehlende diszip-
linarische und strafrechtliche Vorbelastung, sein Geständnis und seine Reue.
Kaum mildernd schlügen hingegen dessen Beweggründe zu Buche. Die Pflege
des Vaters komme ihm nicht zu Gute. Unabhängig davon habe der frühere Sol-
dat seine privaten Belange einseitig über die dienstlichen gestellt. Eine Situati-
on, die von so außergewöhnlichen Umständen gekennzeichnet gewesen sei,
dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von dem früheren Sol-
daten nicht mehr habe erwartet werden können, habe nicht vorgelegen. Zwar
sei dieser durch die Scheidung der Eltern, die Pflegebedürftigkeit seines Vaters
und seinen Auszug erheblich persönlich belastet und wohl auch überfordert
gewesen; dies sei ihm aber bereits im März 2013 bekannt gewesen, als er
die - sodann erfolgte - Verlängerung seiner Dienstzeit auf fünf Jahre beantragt
habe. Auch als schockartig ausgelöster psychischer Zwang könne seine per-
sönliche Situation nicht gewertet werden. Ebenso wenig liege eine persönlich-
keitsfremde Augenblickstat vor.
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Den Milderungsgründen stünden gewichtige Verschärfungsgründe entgegen.
Die außerordentliche Dauer des unerlaubten Fernbleibens und die dreifache
Wiederholung prägten die Eigenart des Dienstvergehens und verliehen ihm ei-
ne besondere Schwere. Der Aufwand zum Auffinden und Zurückbringen des
früheren Soldaten hätte den Dienstbetrieb zudem gestört. Die eigenmächtige
Abwesenheit sei im Kameradenkreis nicht unbemerkt geblieben. Die Abwesen-
heiten seien zudem innerhalb von vier Monaten erfolgt und zwischen ihnen hät-
ten oft nur wenige Tage gelegen. Zweimal sei der frühere Soldat nicht freiwillig
zurückgekehrt. Aus seiner Aussage vom 7. August 2013 folge zudem, dass er
seine Zukunft in der Bundeswehr erkennbar aufgegeben gehabt habe.
III
1. Die Abwesenheit des früheren Soldaten in der Berufungshauptverhandlung
steht deren Durchführung sowie der Entscheidung in der Sache nicht entgegen.
Gem. § 124 WDO findet außer in den Fällen des § 104 Abs. 1 WDO die Beru-
fungshauptverhandlung auch dann ohne den Soldaten statt, wenn dieser ord-
nungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass
in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann. Diese Vorschrift gilt auch für
Verfahren gegen frühere Soldaten (BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 WD
6.14 - Rn. 18 m.w.N.). Die Voraussetzungen dafür liegen vor.
Dem früheren Soldaten war mit Beschluss vom 7. August 2014 auch für das
Berufungsverfahren ein Pflichtverteidiger bestellt worden und dieser hat an der
Berufungshauptverhandlung teilgenommen (§ 91 Abs. 1 WDO in Verbindung
mit § 145 StPO).
2. Die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist zulässig, sie wurde insbe-
sondere gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO
form- und fristgerecht eingelegt. Dass der frühere Soldat während des gerichtli-
chen Disziplinarverfahrens aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist, steht
dessen Durchführung nicht entgegen (§ 82 Abs. 1 WDO).
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3. Die Berufung ist auch begründet.
Das von der Wehrdisziplinaranwaltschaft eingelegte Rechtsmittel ist auf die
Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat daher
gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und
Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppen-
dienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundla-
ge ohne Bindung an das Verschlechterungsverbot über die angemessene Dis-
ziplinarmaßnahme zu befinden.
a) Das Truppendienstgericht hat festgestellt, dass der frühere Soldat durch sein
unerlaubtes sowie wissentliches und willentliches Fernbleiben vom Dienst wäh-
rend der unter II. 2. beschriebenen Zeiträume vorsätzlich gegen seine Pflicht
zum treuen Dienen (§ 7 SG), zum einen in Gestalt der Verpflichtung zur Dienst-
leistung, zum anderen in Gestalt der Pflicht zur Wahrung der Strafgesetze (§ 7
SG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 WStG), sowie vorsätzlich gegen die Pflicht
zum dienstlichen Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen und damit
ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen hat.
Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Se-
nat damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstge-
richt rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden.
Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Be-
rufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern
nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Ur-
teils bestimmt.
b) Dem zwischenzeitlich regulär aus dem Dienst ausgeschiedenen früheren
Soldaten ist das Ruhegehalt abzuerkennen (§ 58 Abs. 2 Nr. 4 WDO in Verbin-
dung mit §§ 65, 67 Abs. 4 WDO). Diese Maßnahme ist zulässig, weil dem
früheren Soldaten die Übergangsbeihilfe noch nicht ausgezahlt wurde und er
daher als Soldat im Ruhestand gilt (§§ 1 Abs. 3, 58 Abs. 2 WDO).
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c) Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs
wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen.
Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen
Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten (vgl. BVerwG,
Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26
Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58
Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienst-
vergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit,
die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
Hiernach ist die vom Truppendienstgericht verhängte Disziplinarmaßnahme zu
verschärfen und das erstinstanzliche Urteil entsprechend abzuändern.
aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Un-
rechtsgehalt der Verfehlung. Danach wiegt das Dienstvergehen außerordentlich
schwer.
Die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) gehört zu den zentralen Pflichten eines
Soldaten, deren Verletzung von erheblicher Bedeutung ist. Ein Soldat, der der
Truppe unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Die
Bundeswehr kann die ihr obliegenden Aufgaben nur dann erfüllen, wenn nicht
nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militäri-
schen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderli-
chen Maße jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich
darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung
des Verfassungsauftrages der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt,
was dessen konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft. Dazu gehören insbesondere
die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung. Die Verlet-
zung der Pflicht zur militärischen Dienstleistung berührt nicht nur die Einsatzbe-
reitschaft der Truppe, sie erschüttert auch die Grundlagen des Dienstverhältnis-
ses selbst (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - Rn. 30 m.w.N.).
Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens wird dadurch verstärkt,
dass der frühere Soldat nicht nur gegen seine soldatische Pflicht zur Dienstleis-
tung, sondern mit dem Verstoß gegen § 15 Abs. 1 WStG auch gegen seine
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Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem zur Beachtung der
Strafgesetze, verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD
5.13 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 44 Rn. 47 m.w.N.).
Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhal-
ten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Ach-
tung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur
Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewähr-
leistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat bedarf der Achtung seiner
Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um
seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen
Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträch-
tigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, son-
dern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (BVerwG,
Urteil vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - Rn. 33 m.w.N.). Dies war hier der
Fall.
Die Schwere des Dienstvergehens erhöht sich darüber hinaus dadurch, dass
der frühere Soldat die Pflichtverletzungen vierfach, somit mehrfach, ferner ein-
schlägig und zudem während eines erheblichen Zeitraums von insgesamt
73 Tagen begangen hat. Darüber hinaus musste er in den unter Anschuldi-
gungspunkten 2 und 4 beschriebenen Fällen dem Dienst zwangsweise zuge-
führt werden. Dabei wäre der frühere Soldat nach eigenem, durch Verlesen der
erstinstanzlichen Niederschrift in die Berufungshauptverhandlung eingeführten
Bekunden ohne Ergreifen der Feldjäger wohl "eher nicht" zurückgekehrt, ob-
wohl er bereits unter dem 19. April 2013 aktenkundig über die Verpflichtung
belehrt worden war, seinen Dienst anzutreten. Unter dem 17. Mai 2013 war er
zudem darauf hingewiesen worden, dass ihm im Fall eines erneuten eigen-
mächtigen Fernbleibens vom Dienst weitere disziplinarrechtliche Maßnahmen
drohten. Auch dies hat ihn nicht davon abgehalten, anschließend erneut in zwei
weiteren Fällen einschlägig disziplinarisch in Erscheinung zu treten.
bb) Das Dienstvergehen hatte auch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf
den Dienstbetrieb. Es verursachte bei dem Kompaniechef und bei den Feldjä-
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gern einen erheblichen Arbeitsaufwand. Darüber hinaus musste der frühere
Soldat nach der zweiten unerlaubten Abwesenheit auf einen anderen Dienst-
posten umgesetzt und vorläufig des Dienstes enthoben werden. Der Dienstherr
hat den früheren Soldaten ferner für nicht erbrachte Leistungen zunächst ent-
lohnt; dass die Bezüge teilweise wieder zurückgefordert werden sollen, mildert
diesen erschwerenden Umstand nicht. Nicht zu Lasten des früheren Soldaten
ist freilich zu berücksichtigen, dass der Vorfall den mit der Durchführung des
(Wehr)Strafverfahrens befassten Organen bekannt wurde (BVerwG, Urteil vom
7. Februar 2013 - 2 WD 36.12 - juris Rn. 43).
c) Das Maß der Schuld wird dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat vorsätz-
lich gehandelt hat.
Weder die Trennung der Eltern des früheren Soldaten noch die Pflegebedürftig-
keit seines Vaters begründen einen Milderungsgrund in den Umständen der
Tat. Der Milderungsgrund der seelischen Ausnahmesituation liegt erst dann vor,
wenn die Situation von so außergewöhnlichen Besonderheiten geprägt ist, dass
ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und vo-
rausgesetzt werden konnte (BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 - 2 WD
22.11 - juris Rn. 42).
Daran fehlt es hinsichtlich des unter Anschuldigungspunkt 1 beschriebenen
Zeitraums bereits deshalb, weil der frühere Soldat ausweislich seiner gemäß
§ 106 Abs. 2 Satz 4 WDO in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Aus-
sage vom 7. August 2013 erklärt hat, für die Abwesenheit keinen konkreten
Grund angegeben zu können. Hinsichtlich des unter Anschuldigungspunkt 4
beschriebenen Zeitraums verbietet sich schließlich die Annahme einer seeli-
schen Ausnahmesituation wegen seiner Aussage, die Abwesenheit sei ihm ein-
fach egal gewesen, er habe schon gewusst, was auf ihn zukomme; er habe aus
der Bundeswehr heraus gewollt.
Auch hinsichtlich der sonstigen Abwesenheitszeiträume steht zur Überzeugung
des Senats fest, dass dieser Milderungsgrund nicht vorliegt. Nicht ansatzweise
nachvollziehbar ist, warum die Trennung der Eltern den seinerzeit 25 Jahre al-
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ten früheren Soldaten erst zwei bis drei Jahre danach erschüttert haben soll,
obwohl er bis dahin überdurchschnittliche Leistungen erbracht hatte.
Auch die Unterstützungsbedürftigkeit des Vaters war nicht geeignet, eine seeli-
sche Ausnahmesituation zu begründen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob
dem bereits die erstinstanzliche Aussage des früheren Soldaten entgegensteht,
er habe sich nur selten in der Wohnung des Vaters aufgehalten, weil die Feld-
jäger auch dort nach ihm gesucht hätten; jedenfalls lag schon deshalb keine für
den früheren Soldaten zugespitzte Belastungssituation vor, weil es ihm - aus-
weislich der erstinstanzlichen Aussage des Disziplinarvorgesetzten - möglich
gewesen wäre, Erholungsurlaub zu beanspruchen. Vor diesem Hintergrund
brauchte der Senat nicht den weiteren Erwägungen des erstinstanzlichen Leu-
mundszeugen L. nachzugehen, die eigenmächtigen Abwesenheiten des frühe-
ren Soldaten seien nach dessen Einlassungen auch auf für ihn unangenehme
Veränderungen innerhalb des Kompaniegefüges zurückzuführen.
Eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat liegt schon deshalb nicht vor, weil es
sich jeweils um Dauerdelikte handelt.
d) Seine Beweggründe sprechen nicht für den früheren Soldaten. Anders als
vom Truppendienstgericht angenommen, spricht namentlich nicht für ihn, dass
er dem Dienst nicht fern geblieben sein soll, um sich zur Steigerung seiner Le-
bensfreude Freizeit zu verschaffen. Denn jedenfalls hat er private Belange über
dienstliche Pflichten gestellt.
e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien Persönlichkeit und bisherige Füh-
rung sticht das Leistungsbild des bislang weder strafrechtlich noch disziplina-
risch in Erscheinung getretenen früheren Soldaten bis kurz vor dem ersten un-
erlaubten Fernbleiben hervor; anschließend haben sich dessen Leistungen
nach Aussage des Leumundszeugen jedoch nur noch im unteren Mittelfeld be-
wegt. Zu Gunsten des früheren Soldaten ist zu berücksichtigen, dass er sich
geständig gezeigt hat. Dass er die Pflichtverletzungen tatsächlich als solche
und nicht wegen der mit ihnen verbundenen Folgen bereut, hat der Senat nicht
feststellen können.
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f) Nach Maßgabe dessen ist die nach § 58 Abs. 2 Nr. 4, § 65 WDO zulässige
Aberkennung des Ruhegehalts geboten und angemessen. Die Aberkennung
setzt gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 WDO voraus, dass die Entfernung aus dem
Dienstverhältnis gerechtfertigt wäre, falls sich der frühere Soldat noch im Dienst
befände. Dies ist der Fall.
Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in sei-
ner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema aus
(BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.):
aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbe-
handlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen
Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regel-
maßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zu-
messungserwägungen".
Für Fälle des vorsätzlichen eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von
der Truppe ist aus spezial- und generalpräventiven Gründen bei kürzerer uner-
laubter Abwesenheit Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätz-
lich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschafts-
dienstgrad; bei vorsätzlich länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Ab-
wesenheit oder Fahnenflucht ist das Dienstvergehen so schwerwiegend, dass
es regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder den Ausspruch
der sonst gebotenen Höchstmaßnahme indiziert (BVerwG, Urteil vom 12. Feb-
ruar 2015 - 2 WD 2.14 - Rn. 53 m.w.N.).
Von einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis als Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen auszugehen, setzt voraus, dass durch das Dienstvergehen
regelmäßig die Vertrauensgrundlage zwischen dem Dienstherrn und dem Sol-
daten unheilbar zerstört ist und dem Dienstherrn deshalb die Fortsetzung des
Dienstverhältnisses grundsätzlich nicht mehr zugemutet werden kann. Wird ein
solches Gewicht des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst allein aus seiner
Dauer abgeleitet, muss sie für einen objektiven Beobachter den äußeren An-
schein begründen, der Soldat habe sich innerlich vom Dienstherrn und seinen
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Dienstpflichten gelöst. In diesem Fall indiziert nämlich die reine Dauer des
Fernbleibens eine Haltung eines Soldaten, die der die Strafbarkeit als Fahnen-
flucht begründenden Absicht an Schwere gleichkommt und deshalb auch in
gleicher Weise das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Integrität eines Solda-
ten zerstört. Bemessungserwägungen sind nicht schematisch an Tatbestandse-
lemente des Strafrechts anzuknüpfen. Die Einstufung eines Verhaltens als
Wehrstraftat indiziert nicht bereits die disziplinarische Ahndung mit der Verhän-
gung der Höchstmaßnahme. Das Überschreiten der zeitlichen Grenze der Ein-
stufung als Wehrstraftat nach § 15 Abs. 1 WStG ist für die Abgrenzung der kür-
zeren von der längeren Dauer im Sinne der beschriebenen Bemessungserwä-
gungen nicht (mehr) ausschlaggebend. Ein Fernbleiben über einen Zeitraum,
der über den regulären Urlaubsanspruch ohne Weiteres abgedeckt werden
könnte, dokumentiert in aller Regel bei objektiver Betrachtung noch keine Ab-
kehr vom Dienstherrn, weil dies eine Zeitspanne ist, nach der ein Soldat typi-
scherweise wieder zurückkommt (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2015 - 2 WD
2.14 - Rn. 55 m.w.N.).
Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick
auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zweckset-
zung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer
Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der
ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor al-
lem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen
Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden
Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften
Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedri-
gerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungs-
erwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach
"unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungs-
kriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die
Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet,
dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet (BVerwG, Urteil vom 12. Feb-
ruar 2015 - 2 WD 2.14 - Rn. 56).
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bb) Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob dem Fehlen der Vorgesetzteneigen-
schaft bereits auf der ersten Stufe der Zumessungserwägungen Rechnung zu
tragen ist und ob ihr Fehlen regelmäßig zu einer milderen Regelmaßnahme füh-
ren muss als für Soldaten mit Vorgesetztenstellung geboten wäre. Denn selbst
wenn man den entsprechenden Erwägungen des Truppendienstgerichts und
der Verteidigung folgt, liegen hier erschwerende Umstände von solchem Ge-
wicht vor, dass nach Abwägung mit den für den früheren Soldaten sprechenden
mildernden Umständen die Verhängung der Höchstmaßnahme erforderlich ist.
Im Falle eines Soldaten mit Vorgesetztenstellung würde bereits entweder eine
lang dauernde oder die wiederholte vorsätzliche eigenmächtige Abwesenheit
dazu führen, dass die Bemessungserwägungen von der Verhängung der
Höchstmaßnahme ausgehen. Hier sind mehrere der die Höchstmaßnahme in-
dizierenden Faktoren nebeneinander erfüllt, weil der frühere Soldat nicht nur
insgesamt über einen längeren Zeitraum eigenmächtig abwesend geblieben ist,
sondern den entsprechenden Wehrstraftatbestand auch mehrfach wiederholt
verwirklicht hat. Da hier - jedenfalls im Falle eines Soldaten mit Vorgesetzten-
stellung - schon für einen Teil der in Rede stehenden Pflichtverletzungen die
Höchstmaßnahme Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist, müsste
den hinzutretenden gewichtigen zusätzlichen Pflichtverletzungen auf der zwei-
ten Stufe der Zumessungserwägungen Rechnung getragen werden. Würde
man dem Ansatz des Truppendienstgerichts folgen und das Fehlen der Vorge-
setztenstellung ausreichen lassen, um den Ausgangspunkt der Zumessungser-
wägungen "nach unten" zu korrigieren, würden die bei der Bestimmung des
Ausgangspunktes der Zumessungserwägungen noch gar nicht berücksichtigten
weiter erschwerenden Umstände dazu führen, dass eine erneute Korrektur
"nach oben" erfolgen müsste. Damit ist bei einer Gesamtbetrachtung die Ver-
hängung der Höchstmaßnahme tat- und schuldangemessen, denn die für den
früheren Soldaten sprechenden mildernden Umstände - insbesondere seine
guten Leistungen vor den Verfehlungen und seine geständigen Einlassun-
gen - haben kein ausreichendes Gewicht, um von der Höchstmaßnahme abse-
hen zu können. Je schwerer das Dienstvergehen wiegt, desto gewichtiger müs-
sen auch die Milderungsgründe sein, die es erlauben, von der im Ausgangs-
punkt der Zumessungserwägungen vorgesehenen Regelmaßnahme abzusehen
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- 16 -
(vgl. BVerwG, Urteile vom 15. März 2013 - 2 WD 15.11 - juris Rn. 43 und vom
20. Februar 2014 - 2 WD 35.11 - juris Rn. 95).
Ein für den früheren Soldaten günstigeres Ergebnis ergibt sich auch dann nicht,
wenn das Fehlen der Vorgesetztenstellung nicht bereits auf der ersten Stufe der
Zumessungserwägungen zu einer Korrektur des Ausgangpunktes der Zumes-
sungserwägungen "nach unten" führt und ihm auf der zweiten Stufe der Zu-
messungserwägungen Rechnung zu tragen ist. Denn dann ist bereits wegen
eines Teiles der Pflichtverletzungen die Höchstmaßnahme Ausgangspunkt der
Zumessungserwägungen und die mildernden Umstände haben schon deshalb
kein ausreichendes Gewicht, von dieser absehen zu können, weil erschwerend
auf der zweiten Stufe zusätzlich den in die Bestimmung des Ausgangspunktes
der Zumessungserwägungen noch nicht eingeflossenen erschwerenden Aspek-
ten Rechnung zu tragen ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WDO,
§ 140 Abs. 2 Satz 1 WDO, da keine Gründe vorliegen, die es unbillig erschei-
nen ließen, den verurteilten früheren Soldaten seine notwendigen Auslagen
tragen zu lassen.
Dr. von Heimburg
Dr. Burmeister
Dr. Eppelt
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