Urteil des BVerwG vom 11.06.2008

Soldat, Haus, Notlage, Wahrheitspflicht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 11.07
TDG S 2 (neu) VL 13/06
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 11. Juni 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Major Tschakert und
ehrenamtlicher Richter Oberfeldwebel Gerlach,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das
Urteil der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom
27. Februar 2007 im Ausspruch über die Disziplinarmaß-
nahme geändert.
Der Soldat wird in den Dienstgrad eines Oberfeldwebels
herabgesetzt.
Die Frist für eine Wiederbeförderung wird auf zwei Jahre
herabgesetzt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Solda-
ten auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der 36 Jahre alte Soldat absolvierte nach dem im Jahre 1988 erworbenen Re-
alschulabschluss zunächst ein Berufsgrundbildungsjahr und erlernte sodann
den Beruf eines Kraftfahrzeugmechanikers. Diese Ausbildung schloss er im
Jahre 1992 mit der befriedigend bestandenen Gesellenprüfung ab.
Am 1. April 1992 trat der Soldat zur Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes
als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr ein. Aufgrund seiner Bewerbung und
Verpflichtungserklärung wurde er mit Wirkung vom 2. Oktober 1992 in das
Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Nach Weiterverpflichtungen
auf zunächst vier und dann acht Jahre wurde er am 17. September 1997 in das
Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen. Seine Dienstzeit wird voraus-
sichtlich mit Ablauf des 30. November 2025 enden.
Nach der Grundausbildung wurde der Soldat zunächst als Kfz-/Panzerschlosser
eingesetzt. Den Unteroffizierlehrgang Allgemeinmilitärischer Teil schloss er am
20. August 1993 mit dem Ergebnis „bestanden“ ab. In der Zeit vom 26. Oktober
bis 22. Dezember 1993 absolvierte er sodann ebenfalls mit Erfolg den Unterof-
fizierlehrgang Militärfachlicher Teil Kfz-/Panzertechnik an der Technischen
Schule des Heeres/Fachschule des Heeres für Technik in Aachen; hierbei legte
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er auch die Unteroffizierprüfung gemäß § 12 SLV ab. Vom 23. Februar bis
27. April 1994 absolvierte er bei der ... Inspektion der Heeresunteroffizierschu-
le ... in L. den Feldwebellehrgang Teil 1 mit Erfolg. Vom 22. Januar bis 29. März
1996 besuchte er an der ... Schule des Heeres/...schule des Heeres ... in A. den
Feldwebellehrgang Instandsetzungstruppe und legte die Feldwebelprüfung mit
der Abschlussnote „gut“ ab. Anschließend wurde er als Kfz-/Panzerinstand-
setzungsfeldwebel und Gruppenführer in der .../Instandsetzungsbataillon ... in
N. eingesetzt. Vom 30. Juli 1996 bis 5. Mai 1997 wurde der Soldat zur Fach-
ausbildungskompanie in S. kommandiert, wo er im Rahmen der fachlichen
Fortbildung A die Ausbildung zum Meister im Kfz-Mechaniker-Handwerk durch-
lief und die Meisterprüfung mit Erfolg ablegte. Aufgrund erfolgter Kommandie-
rung zur .../Logistikbataillon nahm er im Rahmen des ... Kontingents am SFOR-
Einsatz in R. (Bosnien-Herzegowina) teil. Mit Wirkung vom 1. Juli 2000 wurde
er zur .../Instandsetzungsbataillon ... in S. versetzt und dort als Kfz-/Pan-
zerinstandsetzungsfeldwebel und Gruppenführer verwendet. Zum 1. Oktober
2000 erfolgte seine Versetzung zur ... Schule des Heeres/...schule des Heeres
... in A., wo er als Kfz-/Panzerinstandsetzungsfeldwebel Kette Verwendung
fand. Zum 1. Dezember 2003 wurde er zur Unterstützungsgruppe der ...schule
in H. versetzt und dort als Kfz-/Panzerinstandsetzungsfeldwebel eingesetzt.
Zum 1. Oktober 2004 erfolgte seine Versetzung zur .../Raketenartillerie-
bataillon ... in Ho. Zum 1. Oktober 2005 wurde er zur .../Gebirgsjägerbataillon ...
in B. versetzt, wo er als Systeminstandsetzungsfeldwebel für leichte Kettenfahr-
zeuge eingesetzt wurde. Zwischenzeitlich wurde er zur .../Gebirgsjäger-
bataillon ... in Ba. versetzt. Dort wird er seit dem 20. Februar 2008 als Schirr-
meister und Systeminstandsetzungsfeldwebel für gepanzerte Radfahrzeuge
verwendet.
Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt am 18. Mai 2005 zum Haupt-
feldwebel.
In der planmäßigen Beurteilung vom 21. Juli 2003 wurden seine dienstlichen
Leistungen in der ... Schule des Heeres/...schule des Heeres ... in A. in der ...
und dann in der .... Inspektion durch den Inspektionschef dreimal („Eigenstän-
digkeit“, „Praktisches Können“ sowie „Organisatorisches Können“) mit der Stufe
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„7“, elfmal mit der Stufe „6“ sowie zweimal („Ausdruck“; „Beurteilungsverhalten“)
mit der Stufe „5“ bewertet. Seine „Eignung und Befähigung“ wurden zweimal
(„Verantwortungsbewusstsein“, „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“)
mit der Wertung „E“ sowie hinsichtlich „Geistige Befähigung“ und „Eignung zu
Menschenführung/Teambefähigung“ jeweils mit „D“ bewertet. Der nächsthöhere
Vorgesetzte stimmte dieser Beurteilung zu und beurteilte die Förderungswür-
digkeit des Soldaten mit „D“.
In der Sonderbeurteilung vom 11. Mai 2006, die die Verwendung des Soldaten
als Systeminstandsetzungsfeldwebel und Schirrmeister in der .../Raketen-
artilleriebataillon ... in Ho. sowie (seit dem 1. Oktober 2005) bei der
.../Gebirgsjägerbataillon ... in B. erfasste, bewertete der Hauptmann und Kom-
paniechef W. (.../Gebirgsjägerbataillon ...) die dienstlichen Leistungen des Sol-
daten dreimal („Einsatzbereitschaft“, „Durchsetzungsverhalten“, „Fachwissen“)
mit der Höchststufe „7“, elfmal mit der Stufe „6“ und zweimal („Auffassungsga-
be“, „Urteils- und Entscheidungsfindung“) mit der Stufe „5“. Die „Eignung und
Befähigung“ des Soldaten beurteilte er einmal („Befähigung zur Einsatz- und
Betriebsführung“) mit der Wertung „E“, zweimal („Geistige Befähigung“ und
„Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“) mit „D“ sowie einmal („Ver-
antwortungsbewusstsein“) mit „C“. Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte die-
ser Beurteilung zu und bewertete die Förderungswürdigkeit des Soldaten mit
„D“.
Wegen der näheren Einzelheiten der Beurteilungen wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen.
Der Zentralregisterauszug vom 6. Mai 2008 enthält eine Eintragung. Danach
wurde der Soldat im sachgleichen Strafverfahren durch Strafbefehl des Amtsge-
richts L. vom 28. Juni 2006 (Az.: ...), rechtskräftig seit dem 15. Juli 2006, wegen
Betrugs zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt.
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Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 3. Mai 2007 enthält zwei förmliche
Anerkennungen wegen vorbildlicher Pflichterfüllung vom 19. Mai 1993 und vom
20. September 2002.
Der Soldat ist seit 1999 verheiratet und hat eine 12-jährige Tochter. Er erhält
ausweislich der Auskunft der Wehrbereichsverwaltung ... - Gebührniswesen -
vom 27. April 2007 monatliche Dienstbezüge von brutto 2 427,48 € bzw.
2 264,46 € netto (Besoldungsgruppe A 8). Gemäß eigenen Angaben hat der
Soldat für seine gegenwärtige Wohnung in Ba. eine monatliche Miete von 552 €
zzgl. 60 € für Strom zu entrichten. Wegen nicht erfüllter Verbindlichkeiten in
Höhe von ca. 93 000 Euro wurde auf Antrag der Gläubigerin das Zwangsvoll-
streckungsverfahren in sein Hausgrundstück in 36320 K. eingeleitet. Auf weite-
re bestehende Verbindlichkeiten zahlt der Soldat monatliche Raten von 395 €
(Konsumkredit, Restschuld: ca. 19 500 €) und 175 € (Pkw-Kauf). Daneben läuft
eine monatliche Pfändung über 250 € für eine laufende Lebensversicherung.
Die Ehefrau des Soldaten ist schwanger und arbeitet bis zum 30. Juni 2008 als
Verkäuferin mit einem monatlichen Einkommen von ca. 400 €; danach wird sie
voraussichtlich nicht erwerbstätig sein.
II
In dem nach Anhörung der Vertrauensperson und des Soldaten durch Verfü-
gung des Kommandeurs der ... Panzerdivision vom 26. April 2006, dem Solda-
ten ausgehändigt am 2. Mai 2006, ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen
Disziplinarverfahren hat die 2. Kammer des Truppendienstgerichts ... in ... auf
der Grundlage der Anschuldigungsschrift vom 18. Dezember 2006, zugestellt
am 11. Januar 2007, mit dem angefochtenen Urteil vom 27. Februar 2007 fol-
genden Sachverhalt festgestellt:
„Aufgrund seiner bevorstehenden Versetzung zum
01. Oktober 2005 von Ho. nach B. entschloss sich der
Soldat, sein Eigenheim in K. zu verkaufen. Auf eine Zei-
tungsanzeige im August meldeten sich zwei Interessen-
ten.
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Am 24. August 2005 beantragte der Soldat eine Ab-
schlagszahlung auf die Umzugskostenvergütung. Dabei
informierte die Sachbearbeiterin der Truppenverwaltung,
die Zeugin H., den Soldaten darüber, dass er vom Zeit-
punkt des Einzugs in seine neue Wohnung bis zum Ver-
kauf/Vermietung seines Hauses Anspruch auf Mietent-
schädigung habe.
Mit notariellem Vertrag vom 09. September 2005 verkaufte
daher der Soldat sein Haus an Herrn ... J. und Herrn ... K.
je zur Hälfte. Der Besitz und die Lasten sollten zum
01. Oktober 2005 übergehen, das Eigentum sollte bis zur
vollständigen Bezahlung beim Soldaten verbleiben.
Nach Beantragung eines Abschlags auf Umzugskosten-
vergütung im August 2005 wurde dem Soldaten mit Be-
scheid der Truppenverwaltung B. vom 28. September
2005 ein monatlicher Abschlag in Höhe von 600,- € auf die
ihm zustehende Mietentschädigung für sein Eigenheim in
K. bewilligt. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen,
dass die Abschlagszahlung unter dem Vorbehalt der Fest-
setzung der ortsüblichen Miete durch die Oberfinanzdirek-
tion F. und vorbehaltlich des Nachweises seiner Bemü-
hungen in Bezug auf Vermietung oder Verkauf des Hau-
ses erfolge.
Nach durchgeführtem Umzug beantragte der Soldat so-
dann am 07. Oktober 2005 die Zahlung von Umzugskos-
tenvergütung einschließlich Mietentschädigung. Zu die-
sem Zeitpunkt war das Haus in K. bereits verkauft und der
Besitz an die Käufer übergegangen.
Eine Mitteilung des seitens der Oberfinanzdirektion F. mit
der Festsetzung der ortsüblichen Miete beauftragten ...
Baumanagements vom 07. November 2005, wonach das
Haus des Soldaten wohl nicht mehr in dessen Eigentum
stünde, veranlasste die Zeugin H. von der Truppenverwal-
tung B. zu einer diesbezüglichen telefonischen Nachfrage
bei dem Soldaten. Darauf erklärte dieser ihr gegenüber,
hierbei handele es sich um ein Missverständnis, das da-
durch entstanden sei, dass ein von ihm mit der Beaufsich-
tigung des Hauses beauftragter Bekannter dort ohne sein
Wissen Leute einquartiert habe. Das Haus sei weder ver-
kauft noch vermietet.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 setzte das Hessi-
sche Baumanagement die ortsübliche Miete für das Haus
in K. fest. Die Zeugin H. informierte den Soldaten darüber
im Januar 2006 und fragte ihn, ob es Neuigkeiten bezüg-
lich seiner Verkaufsbemühungen gebe. Daraufhin sagte
er, dass er sein Haus am 01. Dezember 2005 verkauft ha-
be. Die Zeugin H. forderte ihn daraufhin auf, den Kaufver-
trag vorzulegen. Nachdem dies nicht geschah, forderte sie
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ihn einige Wochen später nochmals dazu auf. Nun schil-
derte der Soldat, die Käufer würden den Kaufvertrag an-
fechten und fragte, sofern die Käufer Erfolg hätten, ob er
erneut Mietentschädigung beantragen könne. Die Zeugin
antwortete, er solle erst einmal den Kaufvertrag vorlegen.
Darauf legte er am 24. Februar 2006 eine Kopie des Ver-
trages vor, in dem er das Abschlussdatum vom 09. Sep-
tember auf den 17. November 2005 sowie das Datum des
Besitzübergangs vom 01. Oktober auf den 01. Dezember
2005 verfälscht hatte.
Der Soldat ist geständig.
Nach Bekanntwerden der bevorstehenden Auflösung die-
ser Einheit habe sich abgezeichnet, dass in der Umge-
bung kein für ihn in Frage kommender Dienstposten ver-
fügbar sein würde. Nachdem er bei seinem Schirrmeister-
lehrgang dann seinen Vorgänger beim Gebirgsjägerbatail-
lon ... kennengelernt und erfahren habe, dass eine ent-
sprechende Stelle in B. zu besetzen sei, habe er sich
dorthin versetzen lassen. Trotz des Hauses in K. habe
man sich zum Familienumzug nach B. entschlossen, da
aufgrund der weiten Entfernung ein wöchentliches Pen-
deln nicht in Frage gekommen sei. Aus diesem Grund ha-
be man sich letztlich auch zum Verkauf des Hauses in K.
entschlossen. Mit den Käufern sei eine Art ‚Mietkauf’ ver-
einbart worden, demzufolge die Käufer alle Lasten und
Abgaben sowie die Gefahr des Gebäudeuntergangs über-
nähmen, das Grundbucheigentum jedoch bis zur vollstän-
digen Kaufpreiszahlung bei ihm und seiner Frau verblei-
ben sollte.
Vereinbarungswidrig sei bis zum 07. Oktober 2005 noch
keinerlei Rate auf seinem Bankkonto eingegangen gewe-
sen. Mitte Oktober 2005 habe man dann erfahren, dass
einer der beiden Käufer mittlerweile in der Justizvollzugs-
anstalt einsitze. Das Ausbleiben der ersten Kaufpreisrate
habe zu finanziellen Schwierigkeiten geführt, da neben der
Miete für das nunmehr angemietete Haus in B. noch die
Abzahlungsrate auf das Haus in K. fällig gewesen sei. Da
er befürchtet habe, auch in Zukunft seinem Geld aus dem
Hausverkauf hinterherlaufen zu müssen, habe er gegen-
über Frau H. von der Truppenverwaltung unwahre Anga-
ben gemacht, um weiterhin Mietentschädigung zu erhal-
ten.“
Durch das festgestellte Verhalten habe der Soldat gegen die ihm obliegenden
Dienstpflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG), zur Wahrheit (§ 13 Abs. 1 SG) so-
wie zur Achtungs- und Vertrauenswahrung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) vorsätzlich
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verstoßen und damit ein Dienstvergehen begangen, für das er nach § 10 Abs. 1
SG aufgrund seiner Vorgesetztenstellung verschärft zu haften habe.
Auf der Grundlage dieser Tat- und Schuldfeststellungen hat die Truppendienst-
kammer gegen den Soldaten ein Beförderungsverbot für die Dauer von vier
Jahren verbunden mit einer Gehaltskürzung in Höhe von einem Zwanzigstel für
die Dauer von zwei Jahren verhängt.
Gegen das ihr am 5. März 2007 zugestellte Urteil hat die Wehrdisziplinaran-
waltschaft mit Schriftsatz vom 29. März 2007, der am 30. März 2007 beim
Truppendienstgericht Süd eingegangen ist, eine auf die Bemessung der Diszip-
linarmaßnahme beschränkte Berufung eingelegt und beantragt, den Soldaten
zu einer Dienstgradherabsetzung zu verurteilen. Zur Begründung hat die Wehr-
disziplinaranwaltschaft im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Zutreffend gehe die Truppendienstkammer unter Zugrundelegung der gefestig-
ten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass als Aus-
gangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung in Er-
wägung zu ziehen sei. Der von der Truppendienstkammer berücksichtigte Mil-
derungsgrund einer unverschuldeten Notlage liege jedoch nicht vor. Zwar sei
für den Soldaten nicht vorhersehbar gewesen, dass infolge Inhaftierung eines
der beiden Käufer seines Eigenheims in K. die kaufvertraglich vereinbarten Ra-
tenzahlungen ausbleiben bzw. nur unregelmäßig eingehen würden, was in Ver-
bindung mit der am neuen Standort B. von ihm zu entrichtenden Wohnungsmie-
te dazu geführt habe, dass er letztlich an die Grenze seiner finanziellen Leis-
tungsfähigkeit geraten sei. Als Milderungsgrund in den Umständen der Tat kön-
ne eine als ausweglos erscheinende wirtschaftliche Notlage jedoch nur dann
anerkannt werden, wenn sie auf andere Weise nicht zu beheben war. Selbst bei
Bejahung einer Notlage sei vorliegend jedoch nichts dargetan, was die Notlage
als ausweglos oder auf andere Weise nicht behebbar erscheinen lasse. Der
Soldat habe seinerzeit nicht einmal ansatzweise versucht, eine Klärung seiner
schwierigen finanziellen Situation etwa durch Hinzuziehung eines Sozialbera-
ters oder zumindest dadurch herbeizuführen, dass er sich seinem Kompanie-
chef anvertraut habe, um Hilfemöglichkeiten zu besprechen.
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Die in den Urteilsgründen erwähnte Aussage des Leumundszeugen Hauptmann
W., das vorgeworfene Verhalten des Soldaten passe überhaupt nicht zu ihm,
lasse nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
auch für die Annahme des Milderungsgrundes einer unbedachten persönlich-
keitsfremden Augenblickstat keinen Raum. Der Soldat habe in dem Zeitraum
vom 7. Oktober 2005 bis zum 24. Februar 2006 wiederholt gegenüber der
Truppenverwaltung B. bewusst falsche Angaben über den Verkauf seines
Hausgrundstücks in K. gemacht. Diese mehrfache Manifestation seiner Be-
trugsabsicht, zuletzt gepaart mit der Vorlage des von ihm zuvor verfälschten
notariellen Kaufvertrages, belegten im Gegenteil ein bewusstes und planvolles
Vorgehen, jedoch keine unbedachte Augenblickstat.
Schließlich könne auch in der in den Urteilsgründen erwähnten pauschalen
Aussage des Leumundszeugen Hauptmann W., der Soldat habe im besagten
Zeitraum unter einer außergewöhnlichen dienstlichen Belastung gestanden,
ohne nähere Ausführungen hierzu kein schuldmindernder Umstand erblickt
werden. Insgesamt rechtfertigten die von der Truppendienstkammer berück-
sichtigten Milderungsgründe kein Abweichen von der aufgrund der Schwere des
Dienstvergehens gebotenen Dienstgradherabsetzung.
III
1. Die gegen das ihr am 5. März 2007 zugestellte Urteil am 30. März 2007 und
damit innerhalb der Rechtsmittelfrist eingelegte Berufung der Wehrdisziplinar-
anwaltschaft ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt
(§ 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).
2. Die Berufung ist ausdrücklich auf die Maßnahmebemessung beschränkt
worden. Der Senat hat daher die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die recht-
liche Würdigung der Truppendienstkammer seiner Entscheidung zugrunde zu
legen und auf dieser Grundlage über die zu verhängende gerichtliche Diszipli-
narmaßnahme zu befinden, wobei er nicht an das Verschlechterungsverbot
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(§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) gebunden ist, weil die Be-
rufung zu Ungunsten des Soldaten eingelegt worden ist.
3. Nach der - den Senat bindenden - rechtlichen Würdigung der Truppendienst-
kammer hat der Soldat mit seinem Verhalten vorsätzlich gegen die ihm oblie-
genden Dienstpflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG), zur Wahrheit (§ 13 Abs. 1
SG) sowie zur Achtungs- und Vertrauenswahrung im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1
SG) verstoßen und damit ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
Anhaltspunkte dafür, dass in dem angefochtenen Urteil der Truppendienst-
kammer keine für diese Schuldfeststellungen hinreichenden und widerspruchs-
freien tatsächlichen Feststellungen getroffen worden sind mit der Folge, dass
das Verfahren an einem schweren Mangel im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2
bzw. § 121 Abs. 2 WDO leidet, der zur Aufhebung des Urteils und Zurückver-
weisung zwingt (vgl. dazu u.a. Beschlüsse vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD
34.02 - BVerwGE 118, 262 = Buchholz 235.01 § 108 WDO 2002 Nr. 2 =
NZWehrr 2004, 36 m.w.N. und vom 7. November 2007 - BVerwG 2 WD 1.07 -
DokBer 2008, 131; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 116 Rn. 23 und § 120 Rn. 7
m.w.N.), sind nicht ersichtlich.
4. Die Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil der 2. Kammer des
Truppendienstgerichts Süd ist im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme
dahingehend zu ändern, dass der Soldat - unter Verkürzung der Frist für eine
Wiederbeförderung auf zwei Jahre - in den Dienstgrad eines Oberfeldwebels
herabgesetzt wird.
Bei der Maßnahmebemessung ist von der von Verfassungs wegen (Art. 20 Abs.
1, Art. 103 Abs. 3 GG) allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinar-
rechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen
ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten
(„Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Diszip-
lin der Bundeswehr“,
vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 1967 - 2 BvL
1/66 - BVerfGE 21, 391 <406> = NJW 1967, 1654 und vom 26. Mai 1970
- 1 BvR 668/68, 1 BvR 710/68, 1 BvR 337/69 - BVerfGE 28, 264 = NJW 1970,
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1731; BVerwG, Urteile vom 2. Juli 1997 - BVerwG 2 WD 12.97 - BVerwGE 113,
108 = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 33, vom 13. Juli 1999 - BVerwG 2 WD
4.99 - BVerwGE 113, 367 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 30 = NZWehrr 2000,
162, vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 8.03 - DokBer 2004, 78 und vom
13. November 2007 - BVerwG 2 WD 20.06 - DokBer 2008, 164). Bei Art und
Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen, das Maß der
Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des
betreffenden Soldaten zu berücksichtigen.
a) Die „Eigenart und Schwere“ des Dienstvergehens, die sich nach dem Un-
rechtsgehalt der Verfehlung, mithin also nach der Bedeutung der verletzten
Dienstpflichten bestimmen, erfordern eine Dienstgradherabsetzung.
Der Schwerpunkt des Dienstvergehens des Soldaten liegt in der Verletzung
seiner Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Diese Pflicht gehört zu den soldati-
schen Kernpflichten. Sie gebietet jedem Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben
und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber seinem Dienstherrn
zu erfüllen. Das schließt ein, innerhalb und außerhalb des Dienstes mit den ihm
zur Verfügung stehenden Kräften dazu beizutragen, dass die Streitkräfte der
Bundeswehr ihre durch die Verfassung festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß
erfüllen können, sowie alles zu unterlassen, was diese bei der Wahrnehmung
ihrer Aufgaben in unzulässiger Weise schwächen könnte. Zu der in § 7 SG
normierten Pflicht zum „treuen Dienen“ gehört insbesondere die Verpflichtung
zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, insbesondere die Be-
achtung der Strafgesetze (Urteile vom 28. September 1990 - BVerwG 2 WD
27.89 - BVerwGE 86, 321 <326> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 1 = NZWehrr
1991, 32, vom 28. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 13.03 - BVerwGE 120, 106
<107> = Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 53 = NZWehrr 2004, 169, vom 22. März
2006 - BVerwG 2 WD 7.05 -
§ 107 WDO 2002 Nr. 2> jeweils m.w.N. und Urteil vom 26. September 2006
- BVerwG 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1 <22> = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 =
NZWehrr 2007, 79). Denn die Anforderungen an die insoweit von den Soldatin-
nen und Soldaten geforderte „Treue“ (zum Dienstherrn Bundesrepublik
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Deutschland) werden in der rechtsstaatlichen parlamentarischen Demokratie
des Grundgesetzes, in der - anders als in der absolutistischen oder konstitutio-
nellen Monarchie - ein monarchischer „Souverän“ als personelles Bezugsobjekt
für die Treueverpflichtung nicht (mehr) zur Verfügung steht, in erster Linie durch
den vom Volk, von dem gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG „alle Staatsgewalt“
ausgeht, gewählten Gesetzgeber und innerhalb dieses Rahmens von der par-
lamentarisch verantwortlichen Exekutive festgelegt (vgl. dazu u.a. Urteil vom
22. August 2007 - BVerwG 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 = Buchholz 449
§ 11 SG Nr. 2 = NZWehrr 2008, 76).
Die Pflicht zum treuen Dienen ist gerade bei solchen dienstlichen Vorgängen,
die erfahrungsgemäß schwer kontrolliert werden können, von besonderer Be-
deutung. Beim Umgang mit öffentlichem Geld und Gut ist die Bundeswehr auf
die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten in hohem Maße angewiesen.
Erfüllt ein Soldat in strafbarer Weise (vgl. im vorliegenden Fall den rechtskräfti-
gen Strafbefehl des AG L. vom 28. Juni 2006 - Az.: ... - mit Verhängung einer
Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 €) diese dienstlichen Erwartungen
nicht, so stört er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig
und begründet ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und persönlichen
Integrität. Auch die Öffentlichkeit hat kein Verständnis dafür, wenn ein Soldat
durch unrichtige Angaben in Mietentschädigungsanträgen gegenüber der Trup-
penverwaltung die Gefahr begründet, dass ihm nicht zustehende öffentliche
Mittel ausgezahlt werden. Ein solches Verhalten bedarf einer nachdrücklichen,
nach außen sichtbaren Pflichtenmahnung.
Aber auch die von der Truppendienstkammer bindend festgestellte Verletzung
der Pflicht zur Wahrheit (§ 13 Abs. 1 SG) sowie der in § 17 Abs. 2 Satz 1 SG
normierten Pflicht jedes Soldaten, dem Ansehen der Bundeswehr sowie der
Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat er-
fordert, stellt keine Missachtung bloßer Nebenpflichten dar, sondern hat wegen
ihres funktionellen Bezugs zum militärischen Dienstbetrieb erhebliche Bedeu-
tung. Die Wahrheitspflicht bezieht sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des
§ 13 Abs. 1 SG auf „dienstliche Angelegenheiten“ schlechthin, also nicht nur auf
den eigentlich militärischen Bereich, sondern auf alle mit dem Dienst zusam-
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- 13 -
menhängenden Vorgänge (vgl. Urteile vom 27. Januar 1983 - BVerwG 2 WD
25.82 - BVerwGE 76, 54 <59> = NZWehrr 1984, 69, vom 23. November 1989
- BVerwG 2 WD 50.86 - BVerwGE 86, 218 <222> = NZWehrr 1990, 119, vom
19. März 1991 - BVerwG 2 WD 50.90 - BVerwGE 93, 52 <54> = NZWehrr 1991,
161, vom 27. April 1994 - BVerwG 2 WD 38.93 - BVerwGE 103, 104 <107>
= NZWehrr 1994, 213 und vom 19. April 2007 - BVerwG 2 WD 7.06 -
nicht veröffentlicht in Buchholz 450.2 § 38 WDO Nr. 21>), mithin also auch auf
die Stellung von Anträgen auf Mietentschädigung im Rahmen der Umzugskos-
tenvergütung. Die Bedeutung kommt schon darin zum Ausdruck, dass die
Wahrheitspflicht für Soldaten gesetzlich ausdrücklich normiert ist. Ein Soldat,
der gegenüber Vorgesetzten oder Dienststellen der Bundeswehr vorsätzlich
eine unwahre Erklärung abgibt, büßt hierdurch allgemein in gravierendem Maße
in seiner Glaubwürdigkeit ein (vgl. Urteile vom 24. Juni 1992 - BVerwG 2 WD
62.91 - BVerwGE 93, 265 <269> = NZWehrr 1993, 76 und vom 18. Juni 2003
- BVerwG 2 WD 50.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 6) und beschä-
digt diese schwerwiegend. Dies hat erhebliche Konsequenzen. Eine militärische
Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung und
die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen
und Aussagen Untergebener verlassen können. Denn auf ihrer Grundlage müs-
sen im Frieden und erst recht im Einsatzfalle gegebenenfalls Entschlüsse von
erheblicher Tragweite gefasst werden (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 27. Januar
1983 a.a.O., vom 27. April 1994 a.a.O., vom 18. Juni 2003 a.a.O. und vom
18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwGE 119, 76 = Buchholz
235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122). Wer in Anträgen auf
Mietentschädigung gegenüber der Truppenverwaltung, also in dienstlichen Zu-
sammenhängen, in betrügerischer Absicht vorsätzlich unrichtige Angaben
macht, lässt unmissverständlich erkennen, dass seine Bereitschaft zur Erfüllung
der Wahrheitspflicht nicht in dem gebotenen Umfang vorhanden ist. Eine solche
Dienstpflichtverletzung und die daraus folgende Beschädigung seiner persönli-
chen Integrität haben damit erhebliche Bedeutung für die militärische Verwen-
dungsfähigkeit des Soldaten.
- 14 -
Des Weiteren ist zu Lasten des Soldaten zu berücksichtigen, dass er als Haupt-
feldwebel einen herausgehobenen Vorgesetztendienstgrad innehatte und inne-
hat. Damit ist eine erhöhte dienstliche und persönliche Verantwortlichkeit ver-
bunden. Die Stellung des Soldaten erforderte es, dass er als Vorgesetzter in
Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel hätte geben müssen (§ 10 Abs. 1 SG).
Denn nur wenn er dieses Beispiel gibt, kann er von seinen Untergebenen er-
warten, dass sie sich am Vorbild ihres Vorgesetzten orientieren und ihre Pflich-
ten nach besten Kräften und aus innerer Überzeugung erfüllen. Durch sein
Fehlverhalten hat der Soldat aber ein sehr schlechtes Beispiel gegeben.
b) Durch das Dienstvergehen ist das Vermögen des Dienstherrn geschädigt
worden. Infolge der im Zeitraum von September 2005 bis Februar 2006 erfolg-
ten Betrugshandlung(en) des Soldaten entstand dem Dienstherrn ein Vermö-
gensschaden in Höhe von 600 €. Denn dem Soldaten wurde nach seinem Ende
September 2005 erfolgten Umzug nach B. Anfang Oktober 2005 auf der Basis
seiner falschen Angaben in den Anträgen vom 24. August und 7. Oktober 2005
ein Abschlag auf die beantragte Mietentschädigung in Höhe von 600 Euro für
den Monat Oktober 2005 ausgezahlt, obwohl er in Wirklichkeit wegen der be-
reits am 1. Oktober 2005 erfolgten Besitzübergabe seines Hausgrundstücks in
K. an die Käufer (vgl. § 2 des notariellen Kaufvertrages vom 9. September
2005) keinen Anspruch auf Mietentschädigung hatte. Aufgrund seiner unrichti-
gen Angaben wurde dann für die Monate Oktober und November 2005 die
Mietentschädigung auf 690 € festgesetzt; der Differenzbetrag zwischen dem
Abschlag von 600 € und der endgültigen Festsetzung in Höhe von 690 € ge-
langte allerdings nicht mehr zur Auszahlung, da zwischenzeitlich das Fehlver-
halten des Soldaten aufgrund durchgeführter Ermittlungen der Truppenverwal-
tung offenbar geworden war. Die Betrugshandlungen des Soldaten waren somit
auf den Betrag von 690 € gerichtet, sodass insoweit eine Gefährdung des Ver-
mögens des Dienstherrn von weiteren 90 € (über die Abschlagszahlung von
600 € hinaus) vorlag. An der Vollendung der Straftat und dem dadurch bewirk-
ten Vermögensschaden ändert nichts, dass der Soldat zwischenzeitlich den zu
Unrecht erhaltenen Betrag in Raten wieder zurückgezahlt hat. Denn der Ver-
mögensschaden und die Vermögensgefährdung waren mit der Vollendung der
Tat bereits entstanden.
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- 15 -
Zugunsten des Soldaten fällt im Hinblick auf die Auswirkungen seines Dienst-
vergehens allerdings ins Gewicht, dass seine schuldhaften Pflichtverletzungen
personalwirtschaftliche Maßnahmen oder eine Änderung seiner dienstlichen
Verwendung nach der Beurteilung seiner Vorgesetzten nicht erforderlich mach-
ten. Der Soldat wurde nach Bekanntwerden seines Fehlverhaltens weder weg-
kommandiert noch versetzt. Er wurde weiterhin in seiner bisherigen Funktion
als Schirrmeister und Systeminstandsetzungsfeldwebel im Gebirgsjägerbatail-
lon ... in B. eingesetzt. Seine Anfang des Jahres 2008 erfolgte Versetzung zum
Gebirgsjägerbataillon ... in Ba. hatte andere Gründe. Der damalige Kompanie-
chef Hauptmann W., der bis Ende Oktober 2006 Disziplinarvorgesetzter des
Soldaten war, hat vor der Truppendienstkammer bekundet, das Ermittlungsver-
fahren habe sich „in keinster Weise“ auf die dienstlichen Leistungen des Solda-
ten ausgewirkt, obwohl er dies eigentlich erwartet habe. Der Senat hat keine
Veranlassung, dies in Zweifel zu ziehen, zumal auch der nachfolgende Diszipli-
narvorgesetzte, Hauptmann P., dies in der Berufungshauptverhandlung als
Leumundszeuge ausdrücklich bestätigt hat.
Zugunsten des Soldaten ist auch zu berücksichtigen, dass seine schuldhaften
Dienstpflichtverletzungen über den Kreis der damit unmittelbar befassten Vor-
gesetzten (Kommandeur, Kompaniechef, Kompaniefeldwebel, Truppenverwal-
tung) innerhalb der Bundeswehr nicht publik wurden und keine konkreten nega-
tiven Auswirkungen auf den Dienstbetrieb hatten. Das ergibt sich namentlich
aus den Bekundungen des damaligen Kompaniechefs Hauptmann W., der als
Leumundszeuge vor der Truppendienstkammer ausgesagt hat, das Dienstver-
gehen des Soldaten („der Vorfall“) sei innerhalb und außerhalb der Kompanie
nicht bekannt geworden. Auch dies ist von dem Leumundszeugen Hauptmann
P. in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft bestätigt worden.
c) Das Maß der Schuld des Soldaten ist vorliegend dadurch gekennzeichnet,
dass er nach den - den Senat bindenden - Feststellungen des Truppendienst-
gerichts bei seinen Dienstpflichtverletzungen vorsätzlich handelte.
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Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat zum Tatzeitpunkt in seiner
Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder gar im Sinne des
§ 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich. Er macht dies auch selbst
nicht geltend.
Der Soldat kann sich auch nicht auf einen in den Umständen der Tat liegenden
Milderungsgrund berufen.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat sind nach der ständigen Recht-
sprechung des Senats (vgl. dazu u.a. Urteile vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD
29.02 -
§ 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31> und vom 16. Dezember 2004
- BVerwG 2 WD 15.04 -) dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat
versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war,
dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und
daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Als solche Besonderheiten sind
z.B. ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirt-
schaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ein Handeln
unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang oder unter Umständen an-
erkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Au-
genblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten er-
scheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Aus-
nahmesituation (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD
23.01, 32.02 - BVerwGE 117, 117 <123 f.> = Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 9 und
vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 2 WD 15.04 -).
Ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftli-
chen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ist vorliegend nicht
ersichtlich. Zwar ist nach den getroffenen Feststellungen davon auszugehen,
dass der Soldat in der Zeit nach dem am 9. September 2005 erfolgten Ab-
schluss des notariellen Kaufvertrages über sein Hausgrundstück in K. ange-
sichts seiner sonstigen finanziellen Verpflichtungen in eine wirtschaftliche Not-
lage geraten war, nachdem die Käufer offenbar die vereinbarten Kaufpreisraten
von monatlich 650 € nicht fristgerecht entrichteten. Dabei kann offenbleiben, ob
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diese Situation für den Soldaten, der von einer hinreichenden Bonitätsprüfung
der Käufer Abstand genommen hatte, unverschuldet entstand und ob sie für ihn
ausweglos erschien. Denn es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die im Sep-
tember/Oktober 2005 entstandene schwierige wirtschaftliche Situation für ihn
nicht anders zu beheben war als durch die dann erfolgten - strafbaren - schuld-
haften Pflichtverletzungen. Als Maßnahmen zur Milderung und Regulierung sei-
ner wirtschaftlichen Schwierigkeiten kamen für den Soldaten zumindest die Ein-
schaltung eines Sozialberaters der Bundeswehr und/oder einer außerdienstli-
chen Schuldnerberatung in Betracht, wozu sich der Soldat erst später nach
Aufdeckung seiner Pflichtverletzungen auch entschloss und was nach seinen
Angaben in der Berufungshauptverhandlung zu einer gewissen Konsolidierung
und Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beitrug, auch wenn ihn und
seine Familie die durch verschiedene Kreditverträge eingegangenen Verbind-
lichkeiten nach wie vor erheblich belasten. Vor Begehung seines Dienstverge-
hens ließ der Soldat jedoch alle Bemühungen um die Inanspruchnahme ander-
weitiger professioneller Beratungshilfe vermissen. Ebenso unterließ er es auch,
sich vertrauensvoll an seinen Kompaniechef zu wenden, um mögliche Auswege
aus der schwierigen Situation zu erörtern. Gründe für sein Verhalten hat der
Soldat auch in der Berufungshauptverhandlung nicht anzugeben vermocht.
Dies vermag ihn nicht zu entlasten.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Soldat zum Tatzeitpunkt mit einer außer-
gewöhnlichen situationsgebundenen Erschwernis bei der Erfüllung eines dienst-
lichen Auftrags belastet war (vgl. dazu u.a. Urteil vom 6. Mai 2003 a.a.O.), so-
dass angesichts dessen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten
nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Dafür
fehlt es an jedem konkreten Anhaltspunkt. Zwar hat der Leumundszeuge
Hauptmann W. vor der Truppendienstkammer ausgesagt, der Soldat sei damals
an seiner Leistungsgrenze angelangt, als „auch noch private Probleme zur sehr
hohen dienstlichen Belastung dazukamen“. Der Dienstherr konnte und musste
freilich von dem Soldaten auch in einer solchen Situation in jedem Falle erwar-
ten, dass der Soldat auch bei starker dienstlicher Belastung jedenfalls seine
Wahrheitspflicht beachtete und keine Betrugs-Straftat beging.
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Anhaltspunkte für ein den Soldaten entlastendes Mitverschulden von Vorge-
setzten - etwa im Hinblick auf eine nicht hinreichende Wahrnehmung der
Dienstaufsicht (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buch-
holz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127) - sind nicht ersichtlich. Für die
Erfüllung seiner Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben bei der Beantragung der
Umzugskostenvergütung in Gestalt der Mietentschädigung bedurfte der Soldat
keiner Unterstützung durch die Dienstaufsicht. Er wusste, dass er und seine
Ehefrau am 9. September 2005 den notariellen Kaufvertrag mit den Käufern
des Hausgrundstücks in K. abgeschlossen hatten und dass der Besitz am
1. Oktober 2005 auf diese übergehen sollte und überging. Wie er in der Beru-
fungshauptverhandlung auf ausdrückliches Befragen eingeräumt hatte, wusste
er auch, dass die Gewährung der von ihm beantragten Mietentschädigung da-
von abhing, dass das Hausgrundstück in K. neuen Nutzern nicht zur Verfügung
stand („weder verkauft noch vermietet“). Sein Disziplinarvorgesetzter, der Leu-
mundszeuge Hauptmann W., hat vor der Truppendienstkammer zudem ausge-
führt, der Soldat habe sich mit seinen privaten Problemen nicht an ihn gewandt,
worüber er - der Zeuge - sehr enttäuscht sei. Der Soldat habe sich Stück für
Stück selbst in die Sache „hineingeritten“. Dem ist der Soldat nicht entgegenge-
treten, sondern hat dies im Gegenteil auch in der Berufungshauptverhandlung
ausdrücklich bestätigt. Angesichts dessen fehlt es an jedem Anhaltspunkt für
Versäumnisse der Dienstaufsicht.
Auch der Tatmilderungsgrund einer unbedachten, im Grunde persönlichkeits-
fremden Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten
Soldaten liegt nicht vor. Dabei kann offenbleiben, ob das Dienstvergehen des
Soldaten persönlichkeitsfremd war. Denn es handelte sich jedenfalls um keine
Augenblickstat.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats beurteilt sich das Vorliegen
einer „Augenblickstat“ nicht in erster Linie danach, in welchen zeitlichen Gren-
zen der Handlungsablauf erfolgt ist. Die jeweilige Zeitspanne der Verwirklichung
eines Tatentschlusses ist von der Situation des Einzelfalles abhängig und lässt
als solche noch keinen sicheren Rückschluss darauf zu, ob das Verhalten spon-
tan oder geplant bzw. vorbereitet war (vgl. Urteil vom 19. September 2001
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- BVerwG 2 WD 9.01 - NVwZ-RR 2002, 514
Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 48> m.w.N.). Der Tatmilderungsgrund einer „Au-
genblickstat“ ist vielmehr dann gegeben, wenn der Entschluss zum Tun oder
Unterlassen nicht geplant oder wohlüberlegt, sondern spontan und aus den
Umständen eines Augenblicks heraus zustande gekommen ist. Entscheidend
ist insoweit, ob der betreffende Soldat das Dienstvergehen in einem Zustand
oder in einer Situation begangen hat, in der er aufgrund der konkreten Umstän-
de die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seines Verhaltens nicht hinreichend
bedenken konnte und nicht bedacht hat (vgl. u.a. Urteil vom 1. April 2003
- BVerwG 2 WD 48.02 -). Kennzeichnend für solche besonderen Umstände, die
ein normgerechtes Verhalten typischerweise nicht mehr in dem gebotenen Ma-
ße erwarten lassen, sind Situationen, in denen sich der Betreffende ohne hin-
reichende Gelegenheit zu kritischem Nachdenken und Abwägen kurzfristig zu
seinem weiteren Verhalten entscheiden muss, sodass sein Handeln in hohem
Maße von Spontaneität, Kopflosigkeit oder Unüberlegtheit geprägt ist.
Ein solcher Fall lag hier ersichtlich nicht vor. Denn das Fehlverhalten zog sich
über einen relativ langen Zeitraum von mehreren Monaten hin. Der Soldat hatte
seit dem am 9. September 2005 erfolgten Abschluss des notariellen Kaufver-
trages Gelegenheit, sich über sein beabsichtigtes Vorgehen klar zu werden,
sein Verhalten zu reflektieren, dessen Pflichtwidrigkeit und Strafbarkeit zu be-
denken sowie daraus die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Ungeachtet
dessen entschied er sich, bei Beantragung der Mietentschädigung unwahre
Angaben zu machen, Fragen der Truppenverwaltung unrichtig zu beantworten
sowie in der Folgezeit sein strafbares Verhalten zu verfestigen und fortzuset-
zen.
d) Das Verhalten des Soldaten erfolgte offenkundig eigennützig. Er wollte in
einer für ihn finanziell schwierigen Situation die erstrebten Leistungen des
Dienstherrn in jedem Falle erhalten, auch wenn dies nur durch vorsätzlich fal-
sche Angaben und durch Täuschung der Truppenverwaltung erreichbar er-
schien. Er war nicht bereit, in seiner bedrängten finanziellen Situation mit der
Situation angemessen und gesetzestreu umzugehen.
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e) Die bisherige Führung und die erbrachten dienstlichen Leistungen vor und
nach den Tathandlungen fallen zugunsten des Soldaten ins Gewicht. Bereits in
der - vor dem Dienstvergehen erstellten - planmäßigen Beurteilung vom 21. Juli
2003 wurden seine dienstlichen Leistungen ansprechend beurteilt. Das kam
auch darin zum Ausdruck, dass es unter „Herausragende charakterliche Merk-
male, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz
und ergänzende Aussagen“ heißt:
„OFw E. ist ein bescheidener, uneigennütziger, sehr sach-
licher und absolut loyaler Unteroffizier m.P., der im Ausbil-
derkorps der Inspektion voll integriert ist. Elan und Tatkraft
sind weitere Kennzeichen seiner gefestigten und willens-
starken Persönlichkeit. Er ist mit Herz Soldat, steht voll zu
seinem Beruf und identifiziert sich mit diesem uneinge-
schränkt. Er steht ‚mit beiden Beinen im Leben’ und be-
sitzt klare Wertvorstellungen. Er ist sehr offen, gesprächs-
bereit und besitzt insgesamt absolut korrekte Umfangs-
formen. OFw E. ist einsatzerfahren. Nach wie vor ist er für
weitere Einsätze im erweiterten Aufgabenspektrum phy-
sisch wie psychisch uneingeschränkt geeignet. Mittelgroß
und muskulös ist er stets bemüht, im Dienst und in seiner
Freizeit seine sehr gute körperliche Leistungsfähigkeit
mindestens zu erhalten. ...
OFw E. hat sich im Beurteilungszeitraum als ein entschei-
dender Leistungsträger bei den Unteroffizieren m.P. der
Inspektion präsentiert. Aufgrund seines Leistungsbildes
hat er es verdient, besonders gefördert zu werden.“
Auch der nächsthöhere Vorgesetzte zeichnete ein sehr positives Bild von den
dienstlichen Leistungen und der persönlichen Führung des Soldaten. In seiner
Stellungnahme führte er hierzu ergänzend aus:
„Oberfeldwebel E. ist ein Soldat mit hervorragenden
Kenntnissen und Fähigkeiten. Seine Flexibilität, seine
Einsatzbereitschaft und sein großes Verantwortungsbe-
wusstsein runden sein äußert positives Leistungsbild be-
eindruckend ab.
Oberfeldwebel E. konnte während seiner Verwendung als
Hörsaalfeldwebel nicht nur sein ausgeprägtes organisato-
risches Können, sondern auch seine ausgezeichneten
praktischen Fähigkeiten immer wieder unter Beweis stel-
len. Darüber hinaus hat er gezeigt, dass er in der Lage ist,
die von ihm bisher gewonnenen Erfahrungen sinnvoll und
nutzbringend in der Lehre umzusetzen. Er überzeugt
durch ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und
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überragende Selbständigkeit. Insgesamt ist Oberfeldwebel
E. ein Soldat, dessen weitere positive Entwicklung klar er-
kennbar ist.“
Dieses positive Leistungsbild ist in der Sonderbeurteilung vom 11. Mai 2006
sowie in den Bekundungen des von der Truppendienstkammer am 27. Februar
2007 als Leumundszeugen vernommenen Hauptmanns W. bestätigt worden.
Danach war der Soldat im Dienst „absolut zuverlässig“ und engagiert. Vergli-
chen mit den anderen Unteroffizieren mit Portepee hat der Zeuge W. ihn „leis-
tungsmäßig gleich den Zugführern der Kompanie“ eingeschätzt. Der Soldat sei
in seiner Tätigkeit „die Stütze des Bataillons“ gewesen. Seine fachlichen Leis-
tungen seien „konstant sehr gut“ gewesen. Auch der spätere Disziplinarvorge-
setzte, Hauptmann P., hat als Leumundszeuge in der Berufungshauptverhand-
lung bestätigt, dass der Soldat nach dem Dienstvergehen in seinen dienstlichen
Leistungen nicht nachgelassen, sondern diese sogar noch gesteigert habe. Er,
der Zeuge, habe sich jederzeit auf dessen fachliche Kompetenz und dessen
hohe Leistungsbereitschaft verlassen können. Der Soldat sei ihm eine ganz
wesentliche und wertvolle Stütze bei der Gewährleistung der Einsatzbereit-
schaft der Kompanie gewesen.
Zugunsten des Soldaten fallen auch die ihm erteilte förmliche Anerkennung
vom 19. Mai 1993 sowie die weitere förmliche Anerkennung vom 20. Septem-
ber 2002 ins Gewicht. Außer der sachgleichen Verurteilung (Strafbefehl des
Amtsgerichts L. vom 28. Juni 2006 über 30 Tagessätze zu je 20 €) weist der
vorliegende Auszug aus dem Zentralregister keine gerichtlichen Vorstrafen auf.
Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft Einsicht in sein
Fehlverhalten gezeigt und dieses rückblickend bedauert. Seine trotz mehrfa-
chen Nachfragens seitens des Gerichts allerdings nicht näher konkretisierte
Äußerung, er habe eine „Dummheit gemacht“, hat jedoch eine hinreichende
Auseinandersetzung mit den offenkundig persönlichkeitsbedingten Ursachen
und Hintergründen seines Fehlverhaltens nicht erkennen lassen. Offenkundig
ist der Soldat bei der Auswahl der Käufer des Hausgrundstücks in K. und bei
der Vorbereitung des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages wenig profes-
sionell vorgegangen. Sein Verhalten war jedenfalls hinsichtlich der unterlasse-
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nen Bonitätsprüfung leichtfertig und grenzte an Naivität. In wirtschaftlichen Din-
gen von erheblicher Tragweite war er offenkundig unerfahren und auch nicht
bereit, sich hinreichend beraten zu lassen. Das hinderte ihn freilich nicht, nach
Eintritt der für ihn unerwarteten und unangenehmen Folgen seines leichtfertigen
Verhaltens nach Auswegen auch jenseits der vom Strafrecht gezogenen Gren-
zen zu suchen. Er hoffte darauf, sein betrügerisches Verhalten gegenüber der
Truppenverwaltung bei der Beantragung der Mietentschädigung werde unent-
deckt bleiben, sodass er letztlich Vermögen des Dienstherrn rechtswidrig zur
Minderung seiner allein von ihm zu verantwortenden finanziellen Schwierigkei-
ten einsetzen könne. Selbst als er merkte, dass die zuständige Sachbearbeite-
rin der Truppenverwaltung misstrauisch geworden war und deshalb weitere
Auskünfte und eine Übersendung des notariellen Kaufvertrages von ihm ver-
langte, flüchtete er sich in unwahre Ausreden und war sogar bereit, der Trup-
penverwaltung eine von ihm verfälschte Kopie des notariellen Kaufvertrages
vorzulegen, um seine Straftat zu verdecken und sich so die erhofften Vorteile
seiner Pflichtverletzungen doch noch zu sichern. Dies lässt erkennen, dass der
Soldat in bestimmten Situationen selbst vor kriminellen Handlungen nicht zu-
rückschreckte, wenn es darum ging, in rechtswidriger Weise das Vermögen des
Dienstherrn zu seinem eigenen Vorteil zu verwenden. Ob er davor künftig gefeit
sein wird, bleibt abzuwarten.
f) Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung der für die Maßnahmebe-
messung maßgeblichen Gesichtspunkte hält der Senat eine Dienstgradherab-
setzung um einen Dienstgrad für erforderlich und geboten, aber auch ausrei-
chend.
Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung in Fällen, in denen sich
ein Soldat in Vorgesetztenstellung vorsätzlich am Vermögen oder am Eigentum
seines Dienstherrn vergriffen hat, als Ausgangspunkt der Zumessungserwä-
gungen grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung „bis“ in einen Mannschafts-
dienstgrad angenommen (vgl. u.a. Urteile vom 26. April 1983 - BVerwG 2 WD
3.83 - BVerwGE 76, 73 = NZWehrr 1983, 191, vom 27. Januar 1987
- BVerwG 2 WD 11.86 - BVerwGE 83, 273 = NZWehrr 1987, 256, vom
23. Oktober 1990 - BVerwG 2 WD 40.90 - BVerwGE 86, 341 = NZWehrr
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1991, 79, vom 9. Juli 1991 - BVerwG 2 WD 41.90 - BVerwGE 93, 126 =
NZWehrr 1994, 254 und vom 27. August 2003 - BVerwG 2 WD 5.03 - BVerwGE
119, 1 = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 10 m.w.N.). Erfolgte der vorsätz-
liche Zugriff im Bereich der dienstlichen Kernpflichten des Soldaten und wurde
dadurch bei der gebotenen objektiven Betrachtung eine Fortsetzung des
Dienstverhältnisses für den Dienstherrn unzumutbar, ist eine Entfernung aus
dem Dienstverhältnis geboten (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 6. Mai 2003
- BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO
2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 und vom 27. August 2003 a.a.O. m.w.N.). Auch
bei vorsätzlich versuchter oder vollendeter Schädigung bzw. Gefährdung des
Vermögens des Dienstherrn durch einen Reisekosten- oder Trennungsgeldbe-
trug hat der Senat in seiner - früheren - Rechtsprechung als Ausgangspunkt der
Zumessungserwägungen stets eine Dienstgradherabsetzung „bis“ in einen
Mannschaftsdienstgrad, gegebenenfalls bei erheblichen Erschwerungsgründen
auch die disziplinare Höchstmaßnahme in Betracht gezogen (vgl. Urteile vom
27. April 1994 - BVerwG 2 WD 38.93 - BVerwGE 103, 104 = NZWehrr 1994,
213, vom 29. Februar 1996 - BVerwG 2 WD 35.95 - Buchholz 235.0 § 34 WDO
Nr. 13 = § 85 WDO Nr. 1, vom 21. Juni 2000 - BVerwG 2 WD 19.00 - Buchholz
236.1 § 7 SG Nr. 37 = NZWehrr 2001, 33 und vom 26. April 2001 - BVerwG
2 WD 47.00 -). Es bedurfte danach in solchen Fällen ganz erheblicher Milde-
rungsgründe in den Umständen der Tat, um von einer Dienstgradherabsetzung
im Einzelfalle Abstand nehmen zu können.
In seiner neueren Rechtsprechung hat der Senat allerdings aus Gründen der
Gleichbehandlung und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (Art. 3 Abs. 1
GG) in allen Fällen des Zugriffs eines Soldaten auf Vermögen des Dienstherrn,
auch in Gestalt unrichtiger oder unvollständiger Reisekostenabrechnungen, bei
der Bemessung von Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme vor allem nach der
Schwere des Dienstvergehens und dem Maß der Schuld differenziert (vgl. u.a.
Urteile vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwGE 119, 76 =
Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122, vom 18. Febru-
ar 2004 - BVerwG 2 WD 11.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 15 und
vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 - Buchholz 450.2 § 107 WDO 2002
Nr. 2). Denn gerade auch im Disziplinarrecht ist das verfassungsrechtlich ge-
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währleistete Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Dieses ist im Soldaten-
Disziplinarrecht vom Gesetzgeber dahingehend konkretisiert, dass die Bemes-
sung der Disziplinarmaßnahme stets in einem angemessenen Verhältnis zum
Dienstvergehen und seinem Unrechtsgehalt (vgl. § 38 Abs. 1 WDO - „Eigenart
und Schwere”) steht (vgl. Urteile vom 27. August 2003 a.a.O., vom 18. Februar
2004 - BVerwG 2 WD 11.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 15 und vom
22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 - Buchholz 450.2 § 107 WDO 2002 Nr. 2
sowie zuletzt Urteile vom 13. Februar 2008 in den Verfahren BVerwG 2 WD
5.07 und BVerwG 2 WD 9.07
NZWehrr vorgesehen>) sowie ferner die Auswirkungen des Dienstvergehens,
das Maß der Schuld, die bisherige Führung und die Persönlichkeit sowie die
Beweggründe des Soldaten berücksichtigen muss. Deshalb ist eine Differenzie-
rung nach der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie nach den wei-
teren im Gesetz genannten Kriterien der Maßnahmebemessung zwingend ge-
boten, und zwar nicht nur nach „oben”, sondern auch nach „unten”. Davon sind
bestimmte Arten von Dienstvergehen, etwa solche zu Lasten des Vermögens
des Dienstherrn, nicht ausgenommen. Das Verhältnismäßigkeitsgebot steht
nicht zur Disposition der Wehrdienstgerichte. Daran hält der Senat fest (vgl.
dazu auch Urteile vom 13. Februar 2008 - BVerwG 2 WD 5.07 - und - BVerwG
2 WD 9.07 -).
Im vorliegenden Fall war das Vermögen des Dienstherrn, gegen das sich das
Dienstvergehen des Soldaten richtete, diesem nicht anvertraut. Denn über die
Bewilligung und Auszahlung der Mietentschädigung hatte die Truppenverwal-
tung zu entscheiden. Damit scheidet die Höchstmaßnahme von vornherein aus.
Die in der Rechtsprechung der für das Beamtenrecht zuständigen Senate des
Bundesverwaltungsgerichts herangezogene „Bagatellgrenze“ von 50 € ist im
vorliegenden Fall deutlich überschritten worden. Der Schaden lag bei einem als
Abschlag ausgezahlten Betrag von 600 €. Eine Maßnahmereduzierung im Hin-
blick auf einen nur geringen Schadensbetrag kam damit nicht Betracht.
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Zuungunsten des Soldaten schlägt im Rahmen der Gesamtwürdigung vor allem
zu Buche, dass er über einen Zeitraum von mehreren Monaten gegenüber der
Truppenverwaltung wiederholt jeweils bewusst falsche Angaben über den Ver-
kauf des Hausgrundstücks und den zum 1. Oktober 2005 erfolgten Besitzüber-
gang machte. Zwar konnte von ihm nicht erwartet werden, dass er die rechtli-
che Beurteilung seiner geltend gemachten Ansprüche auf Mietentschädigung
selbst korrekt vornehmen konnte. Dafür war die Truppenverwaltung zuständig.
Erwartet werden konnte und musste jedoch von ihm, dass er die von der Trup-
penverwaltung erbetenen Angaben wahrheitsgemäß machte. Daran ließ es der
Soldat über Monate hinweg fehlen.
Diese mehrfache Manifestation seiner Betrugsabsicht ging zudem einher mit
der Vorlage der von ihm zuvor zum Zwecke der Täuschung der Truppenverwal-
tung manipulierten Kopie des notariellen Kaufvertrages. Die Tatausführung war
mithin mit einer erheblichen und nachhaltigen kriminellen Energie verbunden.
Sie offenbart, dass der Soldat insbesondere auch nicht bereit war, selbst auf
Nachfrage der Truppenverwaltung ein einmal erfolgtes Fehlverhalten unverzüg-
lich zu korrigieren. Vielmehr setzte er alles daran, sein Fehlverhalten zu verde-
cken, um sich die von ihm erstrebten finanziellen Vorteile zu sichern.
Das macht eine nachhaltige Pflichtenmahnung erforderlich, die in einer nach
außen sichtbaren gerichtlichen Disziplinarmaßnahme zum Ausdruck kommen
muss. Dafür sprechen insbesondere auch generalpräventive Gründe, da in ei-
nem solchen Bereich zutreffende Angaben eines Antragstellers zu den meist
nur ihm bekannten und zugänglichen Daten von besonderer Bedeutung sind.
Falschangaben der hier in Rede stehenden Art sind für die zuständigen Stellen
meist nur schwer zu erkennen und zu identifizieren, sodass der begründeten
Vertrauenswürdigkeit der beteiligten Personen eine besondere Bedeutung zu-
kommt.
Da der Soldat bereits im Rahmen der Ermittlungen der Wehrdisziplinaranwalt-
schaft geständig war und auch vor der Truppendienstkammer und vor dem er-
kennenden Senat zu seinem schuldhaften Fehlverhalten gestanden und dieses
glaubhaft bedauert hat und da zudem konkrete negative Auswirkungen des
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Dienstvergehens auf den Dienstbetrieb und in der Öffentlichkeit nicht eingetre-
ten sind, war eine Herabsetzung um mehrere Dienstgrade nicht geboten. Da-
gegen sprach insbesondere auch, dass der Soldat nach Bekanntwerden des
Dienstvergehens in seinen dienstlichen Leistungen nicht nachgelassen, son-
dern diese sogar noch gesteigert hat. Angesichts dieses positiven Leistungsbil-
des und der persönlichen Entwicklung des Soldaten erschien es dem Senat
auch vertretbar, die Frist für eine Wiederbeförderung des Soldaten gemäß § 62
Abs. 3 Satz 3 WDO auf zwei Jahre zu verkürzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WDO. Es la-
gen keine Umstände vor, die es gerechtfertigt hätten, gemäß § 139 Abs. 1
Satz 2 Halbs. 2 WDO die Kosten oder gemäß § 140 Abs. 3 Satz 3 WDO die
dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen aus Billigkeitsgründen ganz
oder teilweise dem Bund aufzuerlegen.
Golze Dr. Müller Dr. Deiseroth
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