Urteil des BVerwG vom 04.03.2009

Soldat, Vorläufige Dienstenthebung, Wirtschaftliche Zwangslage, Vorbehalt des Gesetzes

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 10.08
TDG N 1 VL 2/06
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 4. März 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Göpel und
ehrenamtlicher Richter Stabsfeldwebel Müller,
Leitender Regierungsdirektor Sandbaumhüter
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt Dr. Abdallah als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin Weikinnis
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Berufung des früheren Soldaten gegen das Urteil der
1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 9. Ja-
nuar 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
die Gewährung des Unterhaltsbeitrages auf einen Zeit-
raum von zwölf Monaten verlängert wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem frühe-
ren Soldaten auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der 55 Jahre alte frühere Soldat wurde am 31. Oktober 1973 zunächst in das
Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und am 18. März 1980 in das
Dienstverhältnis eines Berufssoldaten übernommen. Seine Dienstzeit endete
durch Versetzung in den Ruhestand wegen Erreichens der besonderen Alters-
grenze seines Dienstgrades mit Ablauf des 31. Juli 2006.
Der frühere Soldat war während seiner Dienstzeit mehrfach befördert worden,
zuletzt am 16. Juli 1986 zum Hauptfeldwebel. Wegen eines Dienstvergehens
setzte ihn das Truppendienstgericht Nord durch Urteil vom 21. Januar 2004
- Az.: ... - in den Dienstgrad eines Oberfeldwebels herab. Durch weiteres Urteil
des Truppendienstgerichts Nord vom 10. August 2004 - Az.: ...-, wurde er in
den Dienstgrad eines Feldwebels herabgesetzt; die dagegen auf die Maßnah-
mebemessung beschränkte Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft und die
(volle) Berufung des (damals noch der Bundeswehr angehörenden) Soldaten
wurden vom Senat mit Urteil vom 13. Juni 2006 (Az.: BVerwG 2 WD 1.06) zu-
rückgewiesen.
Während seiner knapp 33-jährigen Dienstzeit war der Soldat seit dem
1. November 1989 im Amt für Militärisches Geowesen als Programmierfeldwe-
bel verwendet worden. Zum 1. November 1995 erfolgte seine Versetzung zum
...zentrum des Heeres und nach Auflösung dieser Dienststelle mit Wirkung vom
1. November 2002 zum Zentrum für Informations... in E., wo er als Systemver-
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walter eingesetzt wurde. Mit Wirkung vom 1. April 2004 wurde er im Hinblick auf
die Vorfälle, die Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens BVerwG
2 WD 1.06 waren, nach § 126 WDO bis zum Ablauf seiner Dienstzeit (31. Juli
2006) vorläufig des Dienstes enthoben.
Seit seiner Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten wurde er
wiederholt planmäßig beurteilt, zuletzt am 18. August 2000 und am 17. Juli
2002. Eine Sonderbeurteilung erfolgte am 21. Januar 2005. Auf den Inhalt die-
ser Beurteilungen wird Bezug genommen.
Dem früheren Soldaten wurde am 25. Oktober 1974 und am 14. März 1990
jeweils eine förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung ausge-
sprochen. Er ist berechtigt, seit dem 23. Juni 1978 das Abzeichen für Leistun-
gen im Truppendienst in Bronze, seit dem 8. Dezember 1982 das Ehrenkreuz
der Bundeswehr in Bronze und seit dem 2. Januar 1990 das Tätigkeitsabzei-
chen in Gold zu tragen.
Ausweislich des Auszugs aus dem Zentralregister vom 7. März 2008 ist der
frühere Soldat strafrechtlich bisher wie folgt in Erscheinung getreten:
(1) Urteil des Amtsgerichts E. - ... - vom 16. Juni 2005, rechtskräftig seit dem
23. November 2005, wegen Urkundenfälschung (Fälschung eines Krankenmel-
descheines am 4. März 2004) sowie wegen Betruges in 13 Fällen (Verkäufe
über die Internetplattform Ebay): Verurteilung zu einer Geldstrafe von
120 Tagessätzen zu je 40 €.
(2) Urteil des Amtsgerichts E. - ... - vom 24. August 2006; rechtskräftig seit dem
2. März 2007, wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fäl-
len: Verurteilung zu einer Geldstrafe von 105 Tagessätzen zu je 30 €.
(3) Strafbefehl des Amtsgerichts B. - ... - vom 10. Mai 2007, rechtskräftig seit
dem 30. Juni 2007, wegen falscher uneidlicher Aussage in zwei Fällen: Verur-
teilung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 €.
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(4) Beschluss des Amtsgerichts B. - ... - vom 10. Oktober 2007, rechtskräftig
seit dem 24. Oktober 2007: unter Einbeziehung der Entscheidungen des Amts-
gerichts E. vom 24. August 2006 und des Amtsgerichts B. vom 10. Mai 2007
nachträglich gebildete Gesamtstrafe von 230 Tagessätzen zu je 25 € Geldstra-
fe.
Der frühere Soldat ist seit Dezember 1987 verheiratet und hat vier Kinder im
Alter von 19, 16, 10 und 7 Jahren. Im Oktober/November 2008 hat er sich von
seiner Ehefrau getrennt und in Bad M. ein Wohnappartement angemietet, für
das er 280 € monatliche Miete zuzüglich Nebenkosten zu zahlen hat. An seine
Ehefrau und seine vier Kinder, die weiterhin bei seiner Ehefrau wohnen, er-
bringt er nach seinen Angaben monatliche Unterhaltsleistungen von 1660 €
(inklusive Kindergeldanteile). Ausweislich der Mitteilung der Wehrbereichsver-
waltung Süd vom 12. März 2008 beträgt sein aus der 10. Dienstaltersstufe der
Besoldungsgruppe A 7 berechnetes Ruhegehalt monatlich brutto 2 331,50 €
und einschließlich des Kindergeldes von 641 € insgesamt 2 876,25 € netto. Der
auf ca. 7 280 € berechnete Ausgleich nach § 38 SVG ist noch nicht ausgezahlt
worden. Im August 2008 wurde nach seinen Angaben bei ihm durch die zu-
ständige Behörde wegen einer körperlichen Behinderung ein Behinderungsgrad
von 30 vom Hundert festgestellt. Aus einer im November 2008 aufgenommenen
Teilzeitbeschäftigung erzielt er nach seinen Angaben zusätzliche monatliche
Einkünfte von 100 bis 150 €. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind äußerst
angespannt. Er hat aus einer fehlgeschlagenen Hausbau-Finanzierung
Verbindlichkeiten von ca. 300 000 € zu erfüllen. Nach seinen Angaben wird das
von ihm mit Unterstützung der Schuldnerberatungsstelle der Caritas im Jahre
2003 eingeleitete Privatinsolvenzverfahren vor dem Amtsgericht B. voraussicht-
lich im Dezember 2010 mit einem Restschulderlass beendet werden. Gegen-
wärtig zahlt der frühere Soldat monatlich 18 € an den Insolvenzverwalter. Au-
ßerdem leistet er Teilzahlungen zur Begleichung der ihm durch die strafgericht-
lichen Verurteilungen auferlegten Geldstrafen. Auf einen Privatkredit für einen
im Jahre 2008 getätigten Kauf eines Pkws (Marke Peugeot 807), der von seiner
Ehefrau genutzt wird, zahlt er nach seinen Angaben monatlich jeweils 300 € an
den Gläubiger zurück.
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II
1. In dem mit Verfügung des Amtschefs des ...amtes vom 4. Februar 2005 ord-
nungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat das Truppen-
dienstgericht auf der Grundlage der Anschuldigungsschrift vom 21. Februar
2006 (= Anschuldigungspunkte 1 bis 4) und der Nachtragsanschuldigungsschrift
vom 13. September 2007 (= Anschuldigungspunkte 5 und 6) mit dem im
vorliegenden Verfahren angefochtenen Urteil vom 9. Januar 2008 dem früheren
Soldaten wegen eines Dienstvergehens das Ruhegehalt aberkannt.
a) Die Truppendienstkammer hat dabei die folgenden tatsächlichen Feststel-
lungen getroffen:
Zu den Anschuldigungspunkten 1 - 4:
„Durch Urteil des Amtsgerichts E. vom 16. Juni 2005 - ... -
wurde der frühere Soldat wegen Betruges in dreizehn Fäl-
len, wobei es sich in zehn Fällen um geringwertige Sachen
handelte, und wegen Urkundenfälschung zu einer
Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro
verurteilt. Vier der dieser Verurteilung zugrunde liegenden
Betrugsfälle, wobei es sich bei drei Fällen um geringwerti-
ge Sachen handelte, sind Gegenstand der vorliegenden
Anschuldigung. Das seit 23. November 2005 rechtskräfti-
ge Strafurteil beruht insoweit auf folgenden tatsächlichen
Feststellungen:
‚Neben dieser Urkundenfälschung beging der Ange-
klagte im Zeitraum zwischen dem 23.10.2003 und dem
20.02.2005 folgende Betrugstaten:
Er bot über die Internetplattform eBay in 13 Fällen Wa-
ren an, die er entweder gar nicht besaß oder die er sei-
nem vorher gefasstem Entschluss den Käufern nach
Bezahlung nicht zukommen lassen wollte. Zur besseren
Tarnung benutzte er mindestens 8 eBay-Namen, näm-
lich ‚snoopy 2..., johnny-ex..., louisa-m..., whitestar 2...,
poohba..., esprit..., nicht... und schließlich 123-du
bist...’. Allein für den Namen ‚esprit...’ gab er seine rich-
tigen Personalien an, für die anderen eBay Identitäten
benutzte er die Personalien seiner minderjährigen Kin-
der J. und L. Sch., ferner benutzte er den verfälschten
Vornamen H. und die Identität einer Verwandten na-
mens ... F. aus ... P. Um seine Spuren besser zu verwi-
schen, eröffnete der Angeklagte insgesamt 4 Konten
bei der Kreissparkasse E., der Commerzbank E., der
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Sparkasse B. und schließlich der Dresdner Bank. Auf
den drei erstgenannten Konten gingen im Zeitraum
zwischen dem 08.09.2003 und dem 15.09.2004 insge-
samt 218 Einzahlungen von eBay Käufern mit einem
Gesamtvolumen von rund 10 276,00 Euro ein.
Die in betrügerischer Absicht vorgenommenen Verstei-
gerungen machten demnach nur einen Bruchteil der
gesamten eBay-Aktivitäten des Angeklagten aus, so-
dass ein gewerbsmäßiges Handeln zu verneinen war.
Im Einzelnen handelte es sich bei den betrügerischen
Versteigerungen um die folgenden:
10) Am 12.07.2004 versteigerte der Angeklagte eine
Sweatjacke für 20,50 Euro ohne Versandkosten an die
Zeugin ... B. (= Anschuldigungspunkt 1)
11) Am selben Tag versteigerte er eine Jacke für
15,50 Euro ohne Versandkosten an die Zeugin ... B. (=
Anschuldigungspunkt 2)
12) Am 17.07.2004 versteigerte er eine Jeanshose für
20,50 Euro ohne Versandkosten an die Zeugin ... M. (=
Anschuldigungspunkt 3)
13) Schließlich versteigerte er am 20.02.2005 einen
Zusatzsitz für einen Pkw Renault Espace für
234,01 Euro an den Zeugen ... N. (= Anschuldigungs-
punkt 4).
In allen Fällen zahlten die Geschädigten den fälligen
Kaufpreis auf die verschiedenen Konten des Angeklag-
ten; seiner vorher gefassten Absicht folgend unterließ
es der Angeklagte jedoch, die bezahlten Waren auch
zur Auslieferung zu bringen. …’
Das Truppendienstgericht ist gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1
WDO an die tatsächlichen Feststellungen aus diesem
Strafurteil gebunden. Zu einem Lösungsbeschluss gemäß
§ 84 Abs. 1 Satz 2 WDO besteht keine Veranlassung, weil
erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen
Feststellungen nicht bestehen. Im Übrigen hat der frühere
Soldat, der die Betrügereien über die eBay-Plattform im
Strafverfahren eingeräumt hatte, die dort getroffenen
Feststellungen nicht in Abrede gestellt. Die durch die Be-
trugsfälle Geschädigten seien nicht entschädigt worden.
Die durch das Strafgericht verhängte Strafe zahle er in
monatlichen Raten von 5,00 Euro ab.“
Zu Anschuldigungspunkt 5:
„Gegen die Ehefrau des früheren Soldaten, ... Sch., wur-
den durch die Staatsanwaltschaft B. strafrechtliche Ermitt-
lungen geführt, weil sie am 27. Januar 2004 gegen 11.50
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Uhr auf der Polizeiwache in E. eine Strafanzeige gegen
unbekannt wegen des Diebstahls der amtlichen Kennzei-
chen des auf sie zugelassenen PKW Ford Galaxy erstattet
hatte, obwohl ihr bekannt war, dass das Fahrzeug kurz
zuvor von der Stadt E. gepfändet, Pfandsiegel an diesem
angebracht und die Kennzeichen sichergestellt worden
waren. Aufgrund des von ihr gegen einen wegen Vortäu-
schens einer Straftat ergangenen Strafbefehl eingelegten
Einspruchs und aufgrund ihrer Berufung gegen das erst-
instanzliche Urteil fanden am 10. November 2005 die
Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht E. und am
1. Februar 2006 die Berufungshauptverhandlung vor dem
Landgericht B. statt. In beiden Hauptverhandlungen gab
der frühere Soldat wahrheitswidrig an, dass seine Ehefrau
von der postalischen Vollstreckungsandrohung der Stadt
E. keine Kenntnis gehabt habe, weil er die Vollstre-
ckungsandrohung unabhängig von der Adressierung an
seine Ehefrau für sich behalten habe. Tatsächlich gab es
jeweils eine an den früheren Soldaten und an die Ehefrau
adressierte Vollstreckungsandrohung, die entsprechend
der geübten Praxis der Eheleute auch von dem jeweiligen
Adressaten persönlich geöffnet und zur Kenntnis genom-
men wurde.
Das seit 1. Februar 2006 rechtskräftige erstinstanzliche
Urteil des Amtsgerichts E. vom 10. November 2005 - ... -,
durch welches ... Sch. wegen Vortäuschens einer Straftat
zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 Euro
verurteilt worden war, enthält im Rahmen seiner Beweis-
würdigung zur Zeugenaussage des früheren Soldaten fol-
gende Ausführungen:
‚… Die dahingehende Aussage ihres Ehemanns ist
schlicht und ergreifend falsch. Er wollte das Gericht
zwar Glauben machen, er habe nicht nur die Vollstre-
ckungsankündigung, sondern auch den vorhergehen-
den Schriftverkehr seiner Frau gegenüber geheim
gehalten. Wie er das getan haben will, vermochte er je-
doch nicht nachvollziehbar zu erklären. Immerhin ver-
lässt er üblicherweise gegen 07:00 Uhr das Haus.
Dienstzeitende ist frühestens gegen 15:30 Uhr. Zu die-
sem Zeitpunkt ist die Post bereits ausgetragen. Da der
Zeuge bestätigt hat, dass jeder der Eheleute seine ei-
gene Post zur Kenntnis nehme, muss die Angeklagte
den sie betreffenden Schriftwechsel schon vor seiner
Rückkehr nach Hause zur Kenntnis genommen haben.'
Wegen des beschriebenen Verhaltens wurde der Soldat
mit Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom 10. Mai 2005
- ... - wegen uneidlicher Falschaussage vor Gericht in zwei
Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu
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je 20,00 Euro verurteilt. Den gegen diese Entscheidung
gerichteten Einspruch vom 18. Mai 2007 nahm der frühere
Soldat mit Schreiben vom 25. Juni 2007 zurück. Der
Strafbefehl ist seit 30. Juni 2007 rechtskräftig.
Der frühere Soldat hat nach wie vor bestritten, in den bei-
den Hauptverhandlungen vor dem Amts- und Landgericht
falsch ausgesagt zu haben. Er ist jedoch durch die glaub-
haften und nachvollziehbaren Aussagen der nachfolgend
aufgeführten Zeugen widerlegt worden. …“
Zu Anschuldigungspunkt 6:
„Durch Urteil des Amtsgerichts E. vom 24. August 2006
- ... - wurde der frühere Soldat wegen Betruges in Tatein-
heit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Ge-
samtgeldstrafe von 105 Tagessätzen zu je 30,00 Euro
verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete vollumfängli-
che Berufung des früheren Soldaten wurde durch seit 2.
März 2007 rechtskräftiges Urteil des Landgerichts B. vom
23. Oktober 2006 - ... - nach Durchführung einer erneuten
Beweisaufnahme verworfen. Diese Verurteilung zu der
genannten Gesamtgeldstrafe und die sachgleich zu An-
schuldigungspunkt 5 erfolgte Verurteilung zu einer Ge-
samtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20,00 Euro
wurde durch Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts B.
vom 10. Oktober 2007 - ... - unter Auflösung der bereits
gebildeten Gesamtstrafen auf eine neue Gesamtgeldstrafe
von 230 Tagessätzen zu je 25,00 Euro zurückgeführt.
Das rechtskräftige Urteil des Landgerichts B. beruht auf
folgenden tatsächlichen Feststellungen:
‚Im November 2005 schloss der Angeklagte mit dem
Zeugen W. einen Mietvertrag über das Einfamilienhaus
...straße ... in E. Zu welchem Zeitpunkt der Einzug er-
folgen sollte, ließ sich nicht klären. Der Angeklagte ver-
fügte jedenfalls bereits über einen Hausschlüssel und
führte Arbeiten im Haus durch. Da im Haus Elektroar-
beiten durchzuführen waren, setzte er sich fernmünd-
lich mit der Firma Elektrotechnik F. GmbH & Co. KG in
Verbindung. In einem Telefonat mit dem dort tätigen
Zeugen P. gab er seinen Namen wahrheitswidrig mit
‚W.’ an.
In der Folgezeit suchte ihn am 09.12.2005 der Zeuge T.
auf und führte in dem Haus Montagearbeiten durch.
Gegenüber dem Zeugen T. gab der Angeklagte an,
Vormieter hätten Schäden an der Elektrik hinterlassen
und er nutze das Haus nunmehr selbst.
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Der Montagebericht vom 09.12.2005 weist im Kopf un-
ter der Rubrik ‚Auftraggeber’ die Eintragung ‚W.,
...straße ..., ... E.’ auf. Diesen Bericht unterzeichnete
der Angeklagte mit einem Namenszug, der mit einem
‚W’ beginnt und im Übrigen Ähnlichkeit mit dem Namen
‚W.’ aufweist.
Zu keinem Zeitpunkt wies er den Zeugen T. darauf hin,
dass er nicht Eigentümer des Hauses bzw. die Person
‚W.’ sei.
Die an ‚Herrn W., ...straße ..., ... E.’ gerichtete Rech-
nung vom 13.12.2005 über 494,62 € erhielt der Ange-
klagte, er beglich sie jedoch nicht und leitete sie auch
nicht an den Zeugen W. weiter.
Weitere Arbeiten gab der Angeklagte am 22.12.2005 in
Auftrag. Nach Beendigung der Arbeiten unterzeichnete
er auch diesen auf den Namen ‚W., ...straße ..., ... E.’
lautenden Montagebericht mit einem dem Namen Wolf
ähnlichen Schriftzug.
Auch diese Rechnung über 30,97 € wurde an die An-
schrift ‚Herrn W., ...straße ..., ... E.’ gerichtet. Eine Zah-
lung erfolgte ebenfalls nicht.'
Das Truppendienstgericht ist auch an diese tatsächlichen
Feststellungen gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO gebun-
den. Zu einem Lösungsbeschluss gemäß § 84 Abs. 1
Satz 2 WDO besteht keine Veranlassung, weil erhebliche
Zweifel an der Richtigkeit auch dieser strafgerichtlichen
Feststellungen nicht bestehen. Im Übrigen hat der frühere
Soldat diese nicht in Abrede gestellt.“
b) Das zu den Anschuldigungspunkten 1 bis 6 festgestellte - vor seinem Aus-
scheiden aus der Bundeswehr erfolgte außerdienstliche - Verhalten des frühe-
ren Soldaten hat die Truppendienstkammer jeweils als Verletzung der Pflicht
gewertet, sich außer Dienst, außerhalb der dienstlichen Unterkunft und Anlagen
so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, das seine dienstliche
Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG), wobei
er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein schlechtes Beispiel ge-
geben habe (§ 10 Abs. 1 SG). Der frühere Soldat habe damit vorsätzlich ein
Dienstvergehen im Sinne des § 23 Abs. 1 SG begangen, das angesichts des
Gewichts der Pflichtverletzungen unter Berücksichtigung seiner Gesamtpersön-
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lichkeit und seiner disziplinaren Vorbelastungen die Verhängung der Höchst-
maßnahme in Gestalt der Aberkennung des Ruhegehalts erfordere.
Gegen das ihm am 23. Januar 2008 zugestellte Urteil hat der frühere Soldat am
21. Februar 2008 Berufung eingelegt und diese ausdrücklich auf die Maßnah-
mebemessung beschränkt. Er beantragt,
das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Diszipli-
narmaßnahme zu ändern und ihn zu einer milderen Maß-
nahme zu verurteilen.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Entgegen der Auffassung
der Truppendienstkammer handele es sich bei dem zu sanktionierenden, ein-
heitlichen Dienstvergehen im Sinne des § 23 Abs. 1 SG nicht um einen derart
erheblichen Rechtsverstoß, der die Höchstmaßnahme in Form der Aberken-
nung des Ruhegehalts rechtfertige. Die Truppendienstkammer habe die maß-
geblichen Kriterien, die bei der Festlegung von Art und Höhe einer Disziplinar-
maßnahme zu berücksichtigen seien, verkannt.
Die Kammer habe bereits die Bedeutung der zur Last gelegten Vermögensde-
likte unzutreffend eingeordnet. Keines dieser Delikte habe einen dienstlichen
Bezug aufgewiesen; sie beträfen ihn allein in seiner Eigenschaft als Privatmann.
Das Schadensvolumen der von den Anschuldigungspunkten 1 bis 4 erfassten
Versteigerungen auf der Internet-Plattform eBay und die nicht beglichene
Rechnung für Handwerkerarbeiten (Anschuldigungspunkt 6) betrage lediglich
einige Hundert Euro. Die Kammer habe nicht begründet, dass diese Ver-
fehlungen erhebliches Gewicht hätten, zumal sie im Rahmen ihrer Feststellun-
gen davon ausgegangen sei, dass die von den Anschuldigungspunkten 1 bis 3
erfassten Vorgänge sich lediglich auf geringwertige Sachen bezögen. Eine
ernsthafte Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des frühe-
ren Soldaten sei hiermit nicht verbunden.
Hinsichtlich der von Anschuldigungspunkt 5 erfassten beiden uneidlichen ge-
richtlichen Falschaussagen habe die Truppendienstkammer die Beweggründe
des früheren Soldaten unzutreffend gewertet. Diese Falschaussagen seien
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letztlich in demselben Strafverfahren erfolgt. Es sei dem früheren Soldaten dar-
um gegangen, seine angeklagte Ehefrau zu schützen. Er habe sich damit in
einer besonderen Zwangslage bei Erfüllung seiner Zeugenpflicht befunden.
Diese Zwangslage hätte für ihn entgegen der Auffassung der Truppendienst-
kammer nicht durch die Inanspruchnahme des strafprozessualen Zeugenver-
weigerungsrechts vollständig beseitigt werden können. Dem trage auch die Re-
gelung des § 157 StGB Rechnung, der für diese besondere Zwangslage - trotz
prozessualer Zeugen- und Aussageverweigerungsrechte - eine Sanktionsmilde-
rung vorsehe. Anlass zur Berücksichtigung dieser Regelung habe nicht zuletzt
auch deshalb bestanden, weil der Truppendienstkammer spätestens aufgrund
der Aussage des Leumundszeugen Oberst i.G. Po. in der Hauptverhandlung
habe bekannt sein müssen, dass sich die familiären bzw. ehelichen Verhältnis-
se des früheren Soldaten als ausgesprochen schwierig darstellten. So habe der
Leumundszeuge bei seiner Befragung bestätigt, dass die Ehefrau einen starken
Einfluss auf ihren Ehemann habe. Aufgrund der besonderen Zwangslage,
induziert durch die familiären Verhältnisse, ließen sich aus den beiden uneidli-
chen Falschaussagen keinerlei Rückschlüsse auf das dienstliche Verhalten
ziehen, was aber die Truppendienstkammer angenommen habe.
Weiterhin habe die Truppendienstkammer in ihrem Urteil auch unterschätzt,
dass die wirtschaftliche Zwangslage des früheren Soldaten für sein Verhalten
mitbestimmend gewesen sei. Der frühere Soldat durchlaufe ein Privatinsol-
venzverfahren, welches maßgeblich daraus resultiere, dass er ca. 300 000 €
aus einer fehlgeschlagenen Hausfinanzierung zu zahlen habe. Die finanzielle
Situation der Familie sei seit Jahren angespannt, wobei insbesondere anzu-
merken sei, dass gegenwärtig keines der Familienmitglieder krankenversichert
sei. Ärztliche Behandlungen seien somit vom früheren Soldaten als Alleinver-
diener zu finanzieren, was gerade im Hinblick auf die Epilepsieerkrankung sei-
nes Sohnes die finanzielle Drucksituation noch erhöhe. Die wirtschaftliche
Zwangslage zusammen mit der Zunahme familiärer Spannungen habe dazu
geführt, dass der frühere Soldat in den letzten Jahren seiner Dienstzeit unter
erheblichem psychischen Druck gestanden habe, der sich zwangsläufig auch
auf die Erfüllung der dienstlichen Verpflichtungen habe auswirken müssen. Die
ersten disziplinaren Auffälligkeiten hätten sich, wie der Leumundszeuge
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Oberst i.G. Po. bekundet habe, erst Anfang der 90er Jahre gezeigt. Bis dahin
sei er, der frühere Soldat, nach Einschätzung seiner Vorgesetzten ein guter
Soldat gewesen. Während seiner rund 33-jährigen Dienstzeit habe er seinen
dienstlichen Verpflichtungen in erheblichem Umfang beanstandungslos ent-
sprochen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass sich die abgeurteilten
Vorfälle auf einen Zeitraum beschränkten, der mittlerweile mehrere Jahre zu-
rückliege. Insoweit hätten sowohl die strafrechtlichen Verurteilungen als auch
die disziplinarrechtlichen Maßnahmen Wirkung gezeigt. Auch dies habe die
Kammer bei der Prüfung einer milderen Disziplinarmaßnahme berücksichtigen
müssen, was jedoch nicht geschehen sei.
Die Verhängung der Höchstmaßnahme in Gestalt der Aberkennung des Ruhe-
gehalts stelle sich insgesamt als unverhältnismäßige disziplinarrechtliche Reak-
tion dar und sei daher zugunsten einer milderen Maßnahme aufzuheben.
III
Die Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die zulässige Berufung des früheren Soldaten ist ausdrücklich auf die Be-
messung der Disziplinarmaßnahme beschränkt. Der Senat hat daher die Tat-
und Schuldfeststellungen sowie deren rechtliche Würdigung durch die Trup-
pendienstkammer seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser
Grundlage über die zu verhängende Disziplinarmaßnahme zu befinden.
a) Anhaltspunkte dafür, dass in dem angefochtenen Urteil der Truppendienst-
kammer keine hinreichenden und widerspruchsfreien tatsächlichen Feststellun-
gen getroffen worden sind, was dazu führen würde, dass das Verfahren an ei-
nem schweren Mangel im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO bzw. § 121 Abs. 2
WDO leiden würde, der nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zur
Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung führen kann (vgl. u.a. Urteil vom
1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 34.02 - BVerwGE 118, 262 <269> = Buchholz
235.01 § 108 WDO 2002 Nr. 2 jeweils m.w.N.; Beschlüsse vom 24. Februar
1966 - BDH 3 D 53/65 - BDHE 7, 37, vom 11. Mai 1978 - BVerwG 2 WD 36.78 -
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BVerwGE 63, 72 <74> = NZWehrr 1979, 32, vom 7. November 2007 - BVerwG
2 WD 1.07 - BVerwGE 130, 12 <19> = Buchholz 450.2 § 120 WDO 2002 Nr. 2
und vom 13. Januar 2009 - BVerwG 2 WD 5.08 -; Dau, WDO, 5. Aufl. 2009,
§ 120 Rn. 7), sind nicht ersichtlich.
b) Auch die Schuldfeststellungen und die rechtliche Würdigung des Fehlverhal-
tens durch die Truppendienstkammer sind hinreichend eindeutig und nicht wi-
dersprüchlich (vgl. dazu u.a. Urteile vom 1. Juli 2003 a.a.O. <268> m.w.N. und
vom 10. Dezember 2008 - BVerwG 2 WD 8.08 - Rn. 11 f. m.w.N.; Dau, a.a.O.,
§ 120 Rn. 7 m.w.N.). Sie lassen klar erkennen, dass der frühere Soldat mit sei-
nem von der Truppendienstkammer festgestellten außerdienstlichen Fehlver-
halten vorsätzlich die Dienstpflichten nach § 17 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 1
SG verletzte.
2. Die Berufung ist nicht begründet. Das Truppendienstgericht hat dem früheren
Soldaten zu Recht das Ruhegehalt aberkannt. Allerdings war es nach den vom
Senat zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des früheren
Soldaten getroffenen Feststellungen zur Vermeidung einer unbilligen Härte ge-
boten, den Zeitraum für die Gewährung eines Unterhaltsbeitrages über die im
Gesetz vorgesehene Regeldauer von sechs Monaten hinaus auf insgesamt
zwölf Monate zu verlängern.
Bei der konkreten Maßnahmebemessung ist von der von Verfassungs wegen
(Art. 20 Abs. 1, Art. 103 Abs. 3 GG) allein zulässigen Zwecksetzung des Wehr-
disziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizu-
tragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen oder auf-
rechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens
und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschlüsse vom
2. Mai 1967 - 2 BvL 1/66 - BVerfGE 21, 391 <406> = NJW 1967, 1654 und vom
26. Mai 1970 - 1 BvR 668/68, 1 BvR 710/68, 1 BvR 337/69 - BVerfGE 28, 264 =
NJW 1970, 1731; BVerwG, Urteile vom 5. August 2008 - BVerwG 2 WD 14.07 -
und vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - DVBl 2008, 1521 (LS) = DokBer
2009, 15, jeweils m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach
§ 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des
24
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- 14 -
Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persön-
lichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu
berücksichtigen.
Danach ist die von der Truppendienstkammer nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
WDO verhängte Disziplinarmaßnahme einer Aberkennung des Ruhegehalts ge-
boten.
a) Nach seiner „Eigenart und Schwere“ hat das Dienstvergehen des früheren
Soldaten erhebliches Gewicht.
Die Schwere des Dienstvergehens bestimmt sich nach dem Unrechtsgehalt der
Verfehlung(en), mithin also nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflicht(en).
Ein Verstoß gegen die in § 17 Abs. 2 Satz 2 SG normierte Pflicht eines jeden
Soldaten, sich außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anla-
gen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine
dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt, wiegt nicht leicht.
Bereits ein einmaliger während eines Wehrdienstverhältnisses erfolgter schuld-
hafter Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG hat nach der Rechtsprechung des
Senats Gewicht (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 18. September 2003 - BVerwG
2 WD 3.03 -
235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 und NZWehrr 2005, 122>, vom 1. März 2007
- BVerwG 2 WD 4.06 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 56 = NZWehrr 2007, 214 und
vom 22. Mai 2007 - BVerwG 2 WD 13.06 - jeweils m.w.N.). Es geht dabei nicht
um eine bloße Nebenpflicht. Denn die Pflicht jedes Soldaten zur Achtungs- und
Vertrauenswahrung auch im außerdienstlichen Bereich hat wegen ihres
funktionellen Bezugs zur Erfüllung der grundgesetzmäßigen Aufgaben der
Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs erhebliche
Bedeutung. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung und
des Vertrauens seiner Kameraden, insbesondere seiner Untergebenen sowie
seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der
ordnungsgemäße Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Das in ihn
gesetzte und erforderliche Vertrauen in seine persönliche Integrität wird in er-
heblichem Maße erschüttert, wenn ein Soldat im außerdienstlichen Bereich
27
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- 15 -
Straftaten begeht. Denn er offenbart damit, dass er auch vor der Begehung
kriminellen Unrechts nicht zurückschreckt.
Im vorliegenden Falle sind die schuldhaften Pflichtverletzungen des früheren
Soldaten, die sich zwar durchweg außerdienstlich, jedoch (von Juli 2004 bis
Dezember 2005) noch während seiner - erst mit Ablauf des 31. Juli 2006 been-
deten - Bundeswehrdienstzeit ereigneten, in ihrem Unrechtsgehalt vor allem
dadurch gekennzeichnet, dass es sich in allen Fällen um strafbares Verhalten
handelte, das auch zu entsprechenden Verurteilungen durch die Strafgerichte
führte. Erschwerend wirkt sich aus, dass der frühere Soldat nicht nur einmal,
sondern mehrfach straffällig wurde.
Der Schwerpunkt seines Fehlverhaltens lag dabei in seinen zwei falschen un-
eidlichen Aussagen vor dem Amtsgericht E. und vor dem Landgericht B. (An-
schuldigungspunkt 5). Zu den Grundpflichten jedes Zeugen - zumal eines Sol-
daten - gehört, die staatlichen Gerichte bei der Erfüllung der ihnen obliegenden
Aufgaben zu unterstützen. Wer vor Gericht falsch aussagt, erschwert die
Wahrheitsfindung durch das Gericht oder macht sie gar unmöglich. Er nimmt in
Kauf, dass damit eine gerichtliche Fehlentscheidung herbeigeführt werden
kann, die geeignet ist, das Vertrauen in die staatliche Rechtspflege zumindest
bei den Betroffenen zu erschüttern. Das offenbart einen erheblichen Charak-
termangel. Hinzu kommt, dass ein Soldat mit einer Falschaussage vor Gericht
zeigt, dass man sich auf seine Glaubwürdigkeit nicht verlassen kann. Dies ist
für sein Dienstverhältnis von erheblicher Bedeutung, was nicht zuletzt die Be-
stimmung des § 13 Abs. 1 SG belegt. Sie macht deutlich, welche Bedeutung
der Gesetzgeber der Pflicht jedes Soldaten zu wahrheitsgemäßen Angaben und
Bekundungen beimisst (Urteile vom 13. Dezember 1972 - BVerwG 2 WD
30.72 - BVerwGE 46, 41 m.w.N. und vom 25. September 1987 - BVerwG 2 WD
24.87 -).
Aber auch die von den Anschuldigungspunkten 1 bis 4 erfassten Betrugshand-
lungen bei Versteigerungen von Gegenständen über die Internetplattform Ebay
sowie die beiden Betrugshandlungen zu Lasten der Fa. F. am 9. und 22. De-
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- 16 -
zember 2005 (Anschuldigungspunkt 6) sind schon aufgrund ihres kriminellen
Unrechtsgehalts schwerwiegend.
Bei der Bewertung der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens ist ferner zu
berücksichtigen, dass es sich bei dem früheren Soldaten zum Zeitpunkt der
Dienstpflichtverletzung um einen Portepeeunteroffizier handelte. Seine Stellung
erforderte es, dass er als Soldat mit einem Vorgesetztendienstgrad - auch wenn
er aufgrund anderer Verfehlungen bereits seit dem 1. April 2004 gemäß § 126
WDO vorläufig des Dienstes enthoben war - in Haltung und Pflichterfüllung ein
Beispiel zu geben hatte (§ 10 Abs. 1 SG). Je höher ein Soldat in den
Dienstgradgruppen steigt, umso größer sind dann auch die Anforderungen, die
an seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusst-
sein gestellt werden müssen, und umso schwerer wiegt eine Pflichtverletzung,
die er sich zuschulden kommt lässt (vgl. Urteile vom 9. Juli 1991 - BVerwG
2 WD 41.90 - BVerwGE 93, 126 <132> = NZWehrr 1994, 254 und vom 24. Juni
1992 - BVerwG 2 WD 62.91 - BVerwGE 93, 265 = NZWehrr 1993, 76). Durch
sein Fehlverhalten, das geeignet war, zur erheblichen Minderung seiner Ach-
tungs- und Vertrauenswürdigkeit sowohl bei Kameraden, insbesondere bei Un-
tergebenen und Vorgesetzten beizutragen, hat der frühere Soldat ein sehr
schlechtes Beispiel gegeben.
b) Die Auswirkungen des Dienstvergehens betrafen hinsichtlich der Betrugs-
handlungen zahlreiche Personen. Diese wurden durch die Handlungen des frü-
heren Soldaten geschädigt. Bei isolierter Betrachtung wurden zwar teilweise
(Anschuldigungspunkte 1 bis 3 jeweils ca. 15 bis 20 €; Anschuldigungspunkt 4:
ca. 234 €; Anschuldigungspunkt 6: insgesamt ca. 525 €) Vermögensschäden in
relativ geringer Höhe verursacht. Dies vermag den früheren Soldaten jedoch
nicht zu entlasten. Bei den über die Internetplattform eBay begangenen Be-
trugshandlungen handelte es sich um keine Einzelfälle. Der frühere Soldat
handelte gleichsam als „Serientäter“. Wie sich aus dem rechtskräftigen Urteil
des Amtsgericht E. vom 16. Juni 2005 ergibt, waren die vier von den Anschul-
digungspunkten 1 bis 4 erfassten Straftaten nur die „Spitze eines Eisbergs“.
Denn der frühere Soldat wurde in mindestens weiteren neun Fällen wegen ähn-
licher über die Internetplattform eBay begangener Betrugshandlungen rechts-
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- 17 -
kräftig verurteilt. Auch wenn jene weiteren neun Fälle von der Wehrdisziplinar-
anwaltschaft im vorliegenden Verfahren nicht angeschuldigt worden sind, ergibt
sich aus ihnen jedoch, dass das von den Anschuldigungspunkten 1 bis 4 er-
fasste Verhalten des früheren Soldaten nicht isoliert betrachtet werden kann. Es
steht in einem kriminellen Gesamtzusammenhang, bei dem es dem früheren
Soldaten ersichtlich darauf ankam, das Vermögen anderer zu schädigen, um
sich in rechtswidriger Weise zu bereichern. Die Tatumstände und die Vielzahl
der getätigten Geschäfte legen sogar den Schluss nahe, dass der frühere
Soldat bewusst zumeist Waren, die er dann aber nicht auslieferte, zu einem
relativ geringen Verkaufspreis über die Internetplattform eBay anbot, um das
Risiko zu mindern, dass Geschädigte die Sache nicht auf sich beruhen ließen,
sondern Strafanzeige erstatteten. Das bedarf hier jedoch keiner näheren Fest-
stellungen.
Hinsichtlich der Auswirkungen seines Dienstvergehens ist ferner zu berücksich-
tigen, dass zu den vorgenannten sechs Betrugsstraftaten noch weitere Strafta-
ten hinzukommen, insbesondere die von Anschuldigungspunkt 5 erfassten bei-
den uneidlichen Falschaussagen in dem gegen seine Ehefrau geführten Straf-
verfahren vor dem Amtsgericht E. und im Berufungsverfahren vor dem Landge-
richt B.. Zwar hatten diese vorsätzlichen Falschaussagen des - damals noch in
einem aktiven Wehrdienstverhältnis stehenden - früheren Soldaten keinen un-
mittelbaren Einfluss auf den Ausgang jener Strafverfahren, da die Strafgerichte
die Aussagen als offensichtlich falsch werteten und ihnen nicht folgten. Dies
kann den früheren Soldaten aber nicht entlasten, denn es war nicht sein Ver-
dienst, dass die gerichtliche Beweiswürdigung aufgrund anderer zur Verfügung
stehender Beweismittel ein Fehlurteil verhinderte (vgl. dazu Urteile vom
13. Dezember 1972 a.a.O. <45> und vom 8. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 45.02 -
Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 5).
Negative Auswirkungen des Dienstvergehens des früheren Soldaten ergaben
sich ferner aus den strafgerichtlichen Verfahren. Das dabei erfolgende Be-
kanntwerden der kriminellen Verfehlungen - nicht nur bei der Polizei und den
mit der Strafverfolgung und Durchführung des Strafverfahrens befassten Orga-
nen, sondern auch in der Öffentlichkeit aufgrund der in öffentlicher Verhandlung
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- 18 -
verhandelnden Strafgerichte - war geeignet, in diesem Kontext den guten Ruf
der Bundeswehr und ihrer Angehörigen zu belasten. Denn es wurde damit dem
Eindruck Vorschub geleistet, dass sich in den Reihen der Bundeswehr Soldaten
befinden, die nicht davor zurückschrecken, in krimineller Weise Betrugs-
handlungen unter anderem über die Internetplattform eBay zu begehen sowie
zur Verdeckung von Straftaten vor Gericht falsch auszusagen. Diesen von ihm
veranlassten negativen Eindruck muss sich der frühere Soldat nach der ständi-
gen Rechtsprechung des Senats zurechnen lassen (vgl. u.a. Urteile vom
13. März 2003 - BVerwG 1 WD 2.03 -
235.01 § 84 WDO 2002 Nr. 2>, vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 -
soweit jeweils nicht veröffentlich in BVerwGE 118, 161 und Buchholz 235.01
§ 107 WDO 2002 Nr. 1>, vom 26. November 2003 - BVerwG 2 WD 7.03 -
Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 14 und vom 13. Juni 2006 - BVerwG
2 WD 1.06 -).
Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen wurde das Dienstvergehen
des früheren Soldaten auch in der Bundeswehr bekannt und beeinträchtigte
sein Ansehen und damit seine dienstliche Verwendungsfähigkeit. Dies hat der
als Leumundszeuge vernommene frühere Disziplinarvorgesetzte Oberst i.G.
Po. in der Berufungshauptverhandlung ausdrücklich und glaubhaft bestätigt. Die
im vorangegangenen gerichtlichen Disziplinarverfahren mit Wirkung vom
1. April 2004 im Hinblick auf die Vorfälle vom 1., 2., 4. und 5. März 2004, die
Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens BVerwG 2 WD 1.06 waren,
bereits angeordnete vorläufige Dienstenthebung des früheren Soldaten blieb
angesichts dessen bis zum Ablauf der Dienstzeit am 31. Juli 2006 aufrechter-
halten. Die dadurch verursachten personalwirtschaftlichen Folgen für die Bun-
deswehr und den Dienstherrn fallen zulasten des früheren Soldaten erheblich
ins Gewicht. Denn er konnte aufgrund dieser notwendig gewordenen und letzt-
lich von ihm verursachten vorläufigen Dienstenthebung über einen mehrjähri-
gen Zeitraum dienstlich nicht mehr eingesetzt werden, obwohl der Dienstherr
weiterhin Dienstbezüge an ihn leistete. Die aufgrund der vorläufigen Dienstent-
hebung in der Dienststelle entstandene personelle Lücke musste der Dienstherr
durch Nachbesetzung anderweitig und damit durch einen zusätzlichen Aufwand
schließen.
37
- 19 -
c) Für das Maß der Schuld des früheren Soldaten fällt die von der Truppen-
dienstkammer - für den Senat bindend - festgestellte vorsätzliche Begehens-
weise entscheidend ins Gewicht.
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der frühere Soldat im Sinne des § 21
StGB (analog) bei Tatbegehung nur vermindert schuldfähig war, liegen nicht
vor. Gegenteiliges hat auch der - anwaltlich vertretene - frühere Soldat nicht
geltend gemacht.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Sol-
daten mindern würden, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Sie wären nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 18. Juni 1996
- BVerwG 2 WD 10.96 - BVerwGE 103, 343 <347> = Buchholz 235.0 § 34 WDO
Nr. 15, vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - und vom 13. Juni 2006
- BVerwG 2 WD 1.06 -) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der
betreffende Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten ge-
kennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht
mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte.
Die in der Rechtsprechung des Senats anerkannten Milderungsgründe eines
Handelns unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder eines Han-
delns in einer ausweglos erscheinenden unverschuldeten wirtschaftlichen Not-
lage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, sind nicht erkennbar. Auch
wenn davon auszugehen ist, dass sich der frühere Soldat im Tatzeitraum auf-
grund seiner Verschuldung in einer schweren wirtschaftlichen Notlage befand,
ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass diese unverschuldet und zudem auf andere
Weise als durch die Begehung von Straftaten oder Dienstpflichtverletzungen
nicht zu beheben war.
Ebenso wenig ist erkennbar, dass das Fehlverhalten des früheren Soldaten
unter Umständen erfolgte, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeits-
fremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten
Soldaten erscheinen lassen. Dagegen spricht schon die Dauer des Fehlverhal-
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- 20 -
tens, die dem früheren Soldaten hinreichende Gelegenheit bot, sich über sein
jeweiliges weiteres Vorgehen klar zu werden und zu einem rechtmäßigen Ver-
halten zurückzukehren. Zudem war der frühere Soldat aufgrund seiner diszipli-
naren Vorbelastung ohnehin nicht tadelfrei im Sinne dieser Rechtsprechung des
Senats.
Dass das Fehlverhalten des früheren Soldaten aus einer außergewöhnlichen
situationsgebundenen Erschwernis bei der Erfüllung eines dienstlichen Auftra-
ges resultierte (vgl. dazu u.a. Urteil vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 -
§ 107 WDO 2002 Nr. 1 und NZWehrr 2004, 31>), ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Konkrete Anhaltspunkte für ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen
Ausnahmesituation, die grundsätzlich einen Schuldmilderungsgrund aufgrund
der Umstände der Tat begründen kann, hat der Senat für den gesamten vorlie-
gend maßgeblichen Tatzeitraum (12. und 17. Juli 2004
1 bis 3>, 20. Februar 2005 , 10. November 2005
und 9./22. Dezember 2005
nicht festzustellen vermocht. In dem seinerzeit ebenfalls den früheren Soldaten
betreffenden Berufungsverfahren BVerwG 2 WD 1.06 hatte der Senat im Urteil
vom 13. Juni 2006 zu dem damals gegen ihn erhobenen Schuldvorwurf, der
sich auf den Tatzeitraum vom 1. bis 5. März 2004 bezog, zwar ausgeführt:
„Bei der Gewichtung des gegen den Soldaten zu erhe-
benden Schuldvorwurfs ist seine damalige persönliche Si-
tuation zu berücksichtigen. Seine familiäre Situation war
durch die Epilepsie-Erkrankung seines Sohnes seit Jahren
belastet und angespannt. Der Sohn bedurfte besonderer
Fürsorge und Betreuung, an der auch der Soldat nach
seiner unwiderlegten Einlassung maßgeblich beteiligt war.
Besonders belastend empfand der Soldat nach seinen
glaubhaften Aussagen in der Berufungshauptverhandlung
vor allem auch die empfundene Stigmatisierung seines
Sohnes durch andere sowie die dem zugrunde liegenden
negativen Voreinstellungen und Vorurteile des familiären
Umfeldes. Hinzu kamen die besonderen wirtschaftlichen
Schwierigkeiten, die aus den gravierenden Problemen des
Soldaten mit einem
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- 21 -
Bauträger im Zusammenhang mit dem Erwerb des Eigen-
heimes resultierten. Der Soldat hat diese nachvollziehbar
und glaubhaft in der Berufungshauptverhandlung darge-
legt. Zweifel an der tatsächlichen Richtigkeit seiner dies-
bezüglichen Einlassungen sind nicht ersichtlich geworden.
Diese besonderen Belastungen des Soldaten ergaben
sich nicht nur aus den Streitigkeiten mit dem Bauträger,
sondern auch aus den langjährigen aufwändigen Ge-
richtsverfahren, die der Kläger und seine Ehefrau zur
Durchsetzung ihrer Ansprüche einleiteten und führten.
Hieraus ergaben sich, nachdem sich die Zahlungsunfä-
higkeit des Bauträgers herausgestellt hatte, große finan-
zielle Belastungen, die sich noch heute in einem Schul-
denstand von ca. 300 000 € niederschlagen. Auch die ei-
genen gesundheitlichen Belastungen des Soldaten im Zu-
sammenhang mit seinem behandlungsbedürftigen Blut-
hochdruck wirkten sich nach einem im Februar 2004 er-
folgten Medikamentenwechsel nachteilig auf die körperli-
che und seelische Belastbarkeit des Soldaten aus. Der als
Zeuge in der Berufungshauptverhandlung vernommene
Stationsarzt Ma. hat dies der Sache nach bestätigt, auch
wenn er sich - verständlicherweise - an genaue Einzelhei-
ten nicht mehr hat erinnern können. ‚All dies zusammen’
führte nach den glaubhaften Bekundungen des Soldaten
dazu, dass er im Februar/März 2004 offenkundig nicht
mehr in der Lage war, planvoll zu agieren. Er hatte, wie er
in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft dargelegt
hat, damals ‚den tiefsten Punkt erreicht, den man errei-
chen kann’; über ihm sei ‚alles zusammengebrochen’; er
habe einen ‚absoluten Durchhänger’ gehabt. Dazu trug
nach den Feststellungen des Senats nicht unwesentlich
bei, dass er im Kameradenkreis weithin isoliert war, zumal
er sich - wie es in der Sonderbeurteilung vom 21. Januar
2005 heißt - anderen gegenüber im dienstlichen Umfeld
‚nur wenig öffnete’ und bei seinen Vorgesetzten und Ka-
meraden als ‚unzuverlässig - mit wiederkehrenden nach-
teiligen Folgen für andere - empfunden’ wurde. Nach dem
Eindruck seiner Vorgesetzten hatte der Soldat ‚in Bezug
auf die Bundeswehr eine ‚innere Aufgabe’, vollzogen. Er
vermittelte den Eindruck einer ‚wirklichkeitsfremden Wahr-
nehmung’. Für ihn schienen alle angesprochenen Prob-
leme fremdverschuldet und damit die Situation aus seiner
Sicht durch ihn nicht verbesserungsfähig zu sein. Eine
nachhaltige fachtherapeutische Behandlung wurde ihm
ungeachtet dessen im dienstlichen Bereich nicht zuteil.
Die im außerdienstlichen Umfeld liegenden Ursachen für
seine gravierenden Schwierigkeiten im dienstlichen Be-
reich konnten so nicht hinreichend identifiziert werden,
sodass der Soldat mit seinen gesundheitlichen und per-
sönlichen Problemen auf sich allein gestellt blieb. Damit
- 22 -
war er letztlich überfordert. Die Situation, in der der Soldat
versagt hat, war mithin von außergewöhnlichen Beson-
derheiten gekennzeichnet.“
Allerdings hat der Senat bereits in jener Entscheidung vom 13. Juni 2006 nicht
feststellen können,
„dass die schwierige wirtschaftliche, familiäre und ge-
sundheitliche Situation von solchem Gewicht war, dass
vom Soldaten ein an normalen Maßstäben orientiertes
Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vor-
ausgesetzt werden konnte (vgl. zu diesem in der ständi-
gen Rechtsprechung des Senats anerkannten ‚Tatmilde-
rungsgrund’ u.a. Urteile vom 1. September 1997 - BVerwG
2 WD 13.97 - BVerwGE 113, 128 <129 f.> = Buchholz
236.1 § 7 SG Nr. 16 = NZWehrr 1998, 83
veröffentlicht>, vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 -
m.w.N. und vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 WD 2.05 -).
Denn der Soldat hat jedenfalls nicht alle ihm zu Gebote
stehenden Schritte unternommen, um Hilfe und Unterstüt-
zung von anderen zu erhalten. Wie sich aus der
Sonderbeurteilung durch seinen Disziplinarvorgesetzten
und aus der Aussage des Zeugen Oberst i.G. Po. ergibt,
war es für seine Vorgesetzten in seinem dienstlichen Um-
feld schwierig, in näheren Kontakt mit ihm zu treten und
herauszufinden, was ihn belastete und bedrückte. Es ist
auch nicht ersichtlich, dass der Soldat mit dem gebotenen
Nachdruck bei dem Truppenarzt und seinen Vorgesetzten
auf eine intensive fachärztliche Abklärung seiner psychi-
schen Probleme gedrängt hat. Dass er selbst seine Hilfe-
bedürftigkeit erkannte, ergibt sich nicht zuletzt aus seinem
- außerdienstlichen - Bemühen um eine psychotherapeu-
tische Behandlung. Ungeachtet seiner von ihm wahrge-
nommenen gravierenden Schwierigkeiten im dienstlichen
Umfeld ließ er aber ‚die Dinge treiben’ und ‚steckte den
Kopf in den Sand’. Das muss sich der Soldat letztlich zu-
rechnen lassen.“
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Soweit der Senat in jener Entscheidung vom 13. Juni 2006 für den damals rele-
vanten Tatzeitraum vom 1. bis 5. März 2004 festgestellt hatte, dass das
„Maß der Schuld des Soldaten ... im Hinblick auf die Um-
stände seines Dienstvergehens auch dadurch gemindert
(wird), dass sowohl im Tatzeitraum als auch bereits in der
davor liegenden Zeit nicht unerhebliche Defizite bei der
Wahrnehmung der Dienstaufsicht durch seine Vorgesetz-
ten ihm gegenüber bestanden (vgl. zu diesem Tatmilde-
rungsgrund u.a. Urteile vom 19. September 2001
- BVerwG 2 WD 9.01 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 48 =
NVwZ-RR 2002, 514 , vom
17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buchholz 236.1
§ 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127 = NVwZ-RR 2003,
366, vom 27. November 2003 - BVerwG 2 WD 6.03 -, vom
27. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 2.04 - Buchholz 236.1
§ 10 SG Nr. 52 = NZWehrr 2005, 79 = ZBR 2005, 257 und
vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 WD 2.05 - Buchholz 449
§ 7 SG Nr. 50)“,
gilt dies für den im vorliegenden Verfahren relevanten Tatzeitraum vom 12. Juli
2004 bis zum 22. Dezember 2005 nicht (mehr). Nachdem der frühere Soldat
durch Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom 21. Januar 2004 - Az: ... -
wegen eines Dienstvergehens aus seinem ursprünglichen Dienstgrad eines
Hauptfeldwebels in den Dienstgrad eines Oberfeldwebels herabgesetzt worden
war, wurde er im Hinblick auf die von diesem Urteil erfassten schuldhaften
Dienstpflichtverletzungen mit Wirkung vom 1. April 2004 vorläufig des Dienstes
enthoben. Ferner wurde er durch das weitere Urteil des Truppendienstgerichts
Nord vom 10. August 2004 - Az: ... - wegen weiterer schuldhafter Dienstpflicht-
verletzungen in den Dienstgrad eines Feldwebels herabgesetzt. Ungeachtet
dessen beging der (damals bereits seit mehreren Monaten vorläufig des Diens-
tes enthobene) frühere Soldat am 12. und 17. Juli 2004 sowie am 20. Februar,
10. November, 9. und 22. Dezember 2005 außerdienstlich die weiteren
schuldhaften Dienstpflichtverletzungen, die Gegenstand des vorliegenden Ver-
fahrens sind. Es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise seine Vorgesetzten durch
Maßnahmen der Dienstaufsicht diese außerdienstlich begangenen Straftaten
hätten verhindern können. Für sein Fehlverhalten war der vorsätzlich handelnde
frühere Soldat selbst verantwortlich. Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund
gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht mehr eigenverantwortlich handeln
46
- 24 -
konnte, sind nicht erkennbar. Der von ihm in den früheren Verfahren angeführte
Wechsel eines Medikamentes gegen Bluthochdruck und die damit verbundenen
gesundheitlichen Umstellungsprobleme lagen Monate zurück. Gegenteiliges hat
der frühere Soldat zudem nicht geltend gemacht.
Soweit er im Berufungsverfahren vorgebracht hat, er habe bis zu seiner im Ok-
tober/November 2008 erfolgten Trennung von seiner Ehefrau unter deren „Pan-
toffeln“ gestanden und sei gleichsam der „Familiensklave“ gewesen, vermag
auch dies seine Verantwortlichkeit für sein Fehlverhalten nicht zu beseitigen.
Denn ihm war jedenfalls durch das Urteil des Truppendienstgerichts vom
21. Januar 2004 und durch die mit Wirkung vom 1. April 2004 erfolgte vorläufige
Dienstenthebung bereits unmissverständlich vor Augen geführt worden, welch
gravierende Folgen schuldhafte Dienstpflichtverletzungen nach sich ziehen
können. Ungeachtet dessen beging er bereits im Juli 2004 die hier in Rede ste-
henden neuen Dienstpflichtverletzungen. Selbst wenn man unterstellt, der
frühere Soldat habe sein Verhältnis zu seiner Ehefrau zutreffend gekennzeich-
net und habe sich ihrer Einflussnahme kaum erwehren können, folgt daraus
keine Situation, die von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet
war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes, seine Dienstpflichten und
die Strafgesetze beachtendes Verhalten des früheren Soldaten nicht mehr er-
wartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Sein Verschulden
bestand dann jedenfalls darin, es unterlassen zu haben, diese Situation, die
ohnehin keinesfalls die Begehung von Straftaten hätte rechtfertigen oder ent-
schuldigen können, zu ändern. Der frühere Soldat hat jedoch - wie er selbst
eingeräumt hat - keinerlei Schritte unternommen, um aus der von ihm geschil-
derten Lage herauszukommen. Er hat nach seinen eigenen Angaben nicht
einmal versucht, zusammen mit seiner Ehefrau oder gegebenenfalls auch allein
eine ärztliche oder anderweitige professionelle Beratung und Hilfe zu erhalten.
Seine offenkundigen finanziellen Schwierigkeiten standen dem schon deshalb
nicht entgegen, weil er als Soldat der Bundeswehr Anspruch auf Heilfürsorge
hatte. Abgesehen davon musste ihm als erfahrenen Soldaten mit einer über
dreißigjährigen Dienstzeit - auch ohne ärztliche oder therapeutische Hilfe - klar
sein, dass er zur (scheinbaren) Milderung der finanziellen Schwierigkeiten sei-
ner Familie keinesfalls Straftaten begehen durfte, selbst wenn - wie er in der
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- 25 -
Berufungsverhandlung vorgebracht hat - seine Ehefrau solches von ihm erwar-
tet haben sollte. Dies wusste er auch. Soweit er geltend macht, er sei ungeach-
tet dessen „mit Scheuklappen durch die Welt gelaufen“, vermag ihn dies nicht
zu entlasten.
Auch sonstige Schuldmilderungsgründe sind nicht ersichtlich.
d) Die Beweggründe für das Dienstvergehen des früheren Soldaten waren er-
kennbar eigennützig. Er wollte, wie er in der Berufungshauptverhandlung offen
eingeräumt hat, mit den Betrugshandlungen seine finanziellen Probleme mil-
dern. Ob die von ihm über die Internetplattform eBay angebotenen Waren, für
die er jeweils den Kaufpreis kassierte, tatsächlich an die Käufer auch abge-
schickt wurden, interessierte ihn nicht weiter. Dass er - wie er sich eingelassen
hat - angeblich bei den eBay-Geschäften „einfach den Überblick verloren“ habe,
hat ihn nicht davon abgehalten, mit seinem strafbaren Verhalten fortzufahren.
Um die Erreichung wirtschaftlicher Vorteile ging es ihm erkennbar auch bei den
beiden Betrugshandlungen zulasten der Fa. Elektrotechnik F. GmbH & Co KG
am 9./22. Dezember 2005, wobei er sich zu Täuschungszwecken wahrheitswid-
rig als Eigentümer des Hausgrundstücks ausgab, um - so seine Absicht - für die
von ihm erteilten Handwerksaufträge finanziell nicht aufkommen zu müssen. Mit
seinen uneidlichen Falschaussagen vor Gericht wollte er seine Ehefrau vor
einer strafgerichtlichen Verurteilung schützen, um ihr Fehlverhalten zu decken
und ihren diesbezüglichen Erwartungen an ihn Rechnung zu tragen. Dies war
letztlich ebenfalls eigennützig und vermag den früheren Soldaten nicht zu ent-
lasten. Sein Verhalten belegt, dass er bereit war, zur Erreichung privater Zwe-
cke notfalls auch Straftaten zu begehen.
e) Zum Nachteil des früheren Soldaten wirkt sich im Hinblick auf die Zumes-
sungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ vor allem aus, dass er
seine Pflichtverletzungen am 12. Juli 2004 (Anschuldigungspunkte 1 und 2), am
17. Juli 2004 (Anschuldigungspunkt 3), am 20. Februar 2005 (Anschuldigungs-
punkt 4), am 10. November 2005 (Anschuldigungspunkt 5) sowie am 9. und
22. Dezember 2005 (Anschuldigungspunkt 6) beging, obwohl er bereits kurz
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51
- 26 -
zuvor mit dem seit dem 15. März 2005 rechtskräftigen Urteil des Truppen-
dienstgerichts Nord (Az.: ...) vom 21. Januar 2004 wegen wiederholter Verstöße
gegen die Dienstleistungs- und Gehorsamspflicht in den Dienstgrad eines
Oberfeldwebels herabgesetzt worden war. Selbst nachdem er durch das Urteil
des Truppendienstgerichts Nord vom 10. August 2004 zum Feldwebel degra-
diert worden war, beging er die von den Anschuldigungspunkten 4, 5 und 6 er-
fassten erneuten Pflichtverletzungen. Dies offenbart jedenfalls im Tatzeitraum
ein äußerst geringes Maß an Einsichtsfähigkeit und an Bereitschaft, sich mit
seinem gezeigten Fehlverhalten auseinanderzusetzen und zu einem von Straf-
taten und Dienstpflichtverletzungen freien Verhalten zurückzufinden.
Zugunsten des früheren Soldaten ist dagegen zu berücksichtigen, dass er mehr
als 30 Jahre seinen Dienst - bis zu den festgestellten Dienstvergehen - ord-
nungsgemäß versah, dass er am 25. Oktober 1974 und am 14. März 1990 so-
gar jeweils eine förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung er-
halten hatte und dass er außerdem seit Jahren berechtigt ist, das Abzeichen für
Leistungen im Truppendienst und das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Bronze
zu tragen. Allerdings liegen diese Auszeichnungen schon viele Jahre zurück.
Zugunsten des früheren Soldaten spricht auch, dass er ausweislich der vorlie-
genden dienstlichen Beurteilungen über Jahre hinweg ansprechende dienstliche
Leistungen erbrachte. Noch in den beiden letzten vor dem Dienstvergehen
ergangenen planmäßigen Beurteilungen vom 18. August 2000 und vom 17. Juli
2002 wurden ihm im Wesentlichen ansprechende dienstliche Leistungen be-
scheinigt. In der Beurteilung vom 17. Juli 2002 wurden seine dienstlichen Leis-
tungen zweimal mit der Wertung „6“ („Leistungen übertreffen sehr deutlich die
Anforderungen“) und sechsmal mit „5“ („Leistungen übertreffen erheblich die
Anforderungen“) bewertet. Allerdings ist festzustellen, dass die „Belastbarkeit“
und die „Einsatzbereitschaft“ des früheren Soldaten gegenüber früheren Beur-
teilungen bereits damals weniger positiv bewertet wurden. Anschließend fielen
seine dienstlichen Leistungen deutlich ab. Die dem Senat vorliegenden Beurtei-
lungen lassen erkennen, dass der frühere Soldat seitdem dienstlich kaum noch
eingesetzt werden konnte.
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In der Sonderbeurteilung vom 21. Januar 2005 wurden die dienstlichen Leis-
tungen vom damaligen Fachgruppenleiter Oberst K. dreimal („Einsatzbereit-
schaft“, „Belastbarkeit“ und „Zusammenarbeit“) mit der Stufe „1“ („Leistungen
entsprechen nicht den Anforderungen“), siebenmal mit „2“, einmal („Auffas-
sungsgabe“) mit „3“ und einmal („Ausdruck“) mit „5“ („Leistungen übertreffen
erheblich die Anforderungen“) bewertet. Die „Eignung und Befähigung“ des
Soldaten wurden in dieser Sonderbeurteilung dreimal („Verantwortungsbe-
wusstsein“, „Eignung zu Menschenführung/Teambefähigung“ sowie „Befähi-
gung zur Einsatz- und Betriebsführung“) jeweils nur mit „A“ („Eignung und Be-
fähigung sind mit Einschränkungen vorhanden“) sowie einmal („geistige Befähi-
gung“) mit „B“ („Eignung und Befähigung sind vorhanden“) beurteilt. Hinsichtlich
des „Verantwortungsbewusstseins“ wird ausgeführt, der Soldat habe im Beur-
teilungszeitraum weder die Fähigkeit noch den Willen gezeigt, „Verantwortung
zu übernehmen“. Er habe auch weder versucht, „seine mangelnde Befähigung
für die übertragene Aufgabe erkennbar zu verbessern noch die für die Fach-
aufgabe nachteilige Situation durch andere Maßnahmen zu verändern“.
Auch unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufli-
ches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“
kommt dieses sehr schwache Leistungs- und Eignungsbild zum Ausdruck, wo
es heißt:
„Hauptfeldwebel
Sch.
hat offensichtlich erhebliche
Schwierigkeiten, sich in den ihm zugewiesenen Tätig-
keitsbereich einzuarbeiten und in das Projektteam einzu-
bringen. Nach Einweisung und klarer Auftragsdefinition ist
er in der Lage, Aufgaben abzuarbeiten, sofern dies kon-
trolliert wird …
Wiederholte Versuche u.a. des Dezernatsleiters und des
Fachgruppenleiters, Hauptfeldwebel Sch. direkt im Ge-
spräch oder unter Einschaltung über Dritte (Sozialhelfer,
Pfarrer) Unterstützung bzw. Hilfestellung zukommen zu
lassen, um gegebenenfalls im außerdienstlichen Umfeld
liegende Ursachen der dienstlichen Situation zu identifizie-
ren und eventuell beseitigen helfen zu können, müssen
als gescheitert angesehen werden. Im Gespräch ergab
sich der Eindruck einer ‚wirklichkeitsfremden Wahrneh-
mung’ des Hauptfeldwebels Sch.; für ihn schienen alle
angesprochenen Probleme - sogar eigenes Fehlverhal-
54
- 28 -
ten - fremdverschuldet und damit die Situation aus seiner
Sicht durch ihn nicht verbesserungsfähig zu sein.
Hauptfeldwebel Sch. hat nach Eindruck seiner Vorgesetz-
ten in Bezug auf die Bundeswehr eine ‚innere Aufgabe’
vollzogen, ein positives berufliches Selbstverständnis ist
nicht mehr zu erkennen. Von Kameraden aller Dienst-
gradgruppen wird er gemieden.“
In den Verwendungshinweisen wird ihm in dieser Sonderbeurteilung dement-
sprechend hinsichtlich aller Verwendungsmöglichkeiten attestiert, seine Eig-
nung sei „nicht erkennbar“. Der nächsthöhere Vorgesetzte, der Leiter des ...-
Zentrums Oberst i.G. Po., stimmte dieser Sonderbeurteilung des Fachgruppen-
leiters „in jeder Hinsicht“ zu. Ergänzend führte er aus:
„Aus einer ganzen Reihe von Begegnungen mit Haupt-
feldwebel Sch. habe ich den Eindruck eines eloquenten
und durchaus intelligenten Soldaten, der jedoch keine An-
strengungen unternimmt, dies in dienstliche Leistungen
umzusetzen. In der Durchführung seiner Aufgaben bedarf
er strenger Dienstaufsicht. Im Falle stärkerer dienstlicher
Belastungen, insbesondere wenn sie ihn außerhalb der
täglichen Regeldienstzeit oder außerhalb des Standortes
E. fordern, konnte man 2003/2004 fast davon ausgehen,
dass er kurzfristig erkrankungsbedingt nicht verfügbar sein
würde; insofern konnte man sich kaum auf ihn verlassen.
Im Kameradenkreis ist Hauptfeldwebel Sch. isoliert, da er
sich nur wenig öffnet und als unzuverlässig - mit wieder-
kehrend nachteiligen Folgen für andere - empfunden
wird.“
Hinsichtlich der Verwendungshinweise brachte der Beurteilende dementspre-
chend zum Ausdruck:
„Ich sehe mich nicht in der Lage, Verwendungsvorschläge
für Hauptfeldwebel Sch. zu machen, die seiner Dienst-
gradebene und der damit verbundenen Verantwortung
entsprechen. In meiner mehr als 34-jährigen Dienstzeit
habe ich bisher keinen Berufsunteroffizier kennen gelernt,
bei dem ich in derart geringem Maße auf den Willen zur
dienstlichen Anstrengung und Kooperationsbereitschaft
gestoßen bin wie bei Hauptfeldwebel Sch.. Eine Förde-
rung kommt nach meiner Auffassung angesichts des Be-
urteilungsbildes, in Verbindung mit der kurzen Restdienst-
zeit, nicht in Betracht (insofern Verzicht auf eine Einstu-
fung der Förderungswürdigkeit).“
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Als Leumundszeuge hat der in der Hauptverhandlung vor der Truppendienst-
kammer im vorliegenden Verfahren vernommene Oberst i.G. Po., dem der frü-
here Soldat von Mai 2003 bis April 2004 unterstellt war, ergänzend ausgeführt
und bekräftigt, es habe hinsichtlich der Verfügbarkeit, der Zuverlässigkeit, der
Dienstauffassung und des Gehorsams fortlaufend erhebliche Probleme mit dem
früheren Soldaten gegeben. Sein Verhalten sei von allen Mitarbeitern des ...-
Amtes kritisch betrachtet worden. Dadurch, dass er bestimmte Dienste nicht
angetreten habe, seien andere Mitarbeiter belastet worden. Er habe mit dem
früheren Soldaten häufig Gespräche geführt. Schließlich habe dieser im
...-Zentrum nicht mehr eingesetzt werden können, insbesondere weil die Ehe-
frau die Mitarbeit bei der Sicherheitsüberprüfung verweigert und es keine Tätig-
keit mehr gegeben habe, die nicht sicherheitsrelevant sei. Die disziplinaren
Schwierigkeiten des früheren Soldaten hätten Anfang der 90er Jahre begonnen,
zuvor sei er ein guter Soldat gewesen. Nach den Eindrücken seines Umfeldes
übe seine Ehefrau starken Einfluss auf ihn aus. Eine nicht unerhebliche Rolle
spiele auch die Anzahl der Kinder und die Erkrankung eines dieser Kinder. Der
frühere Soldat habe sich im Mitarbeiterkreis völlig isoliert. Er habe keinen an
sich herangelassen. Im Übrigen habe sich nicht verhindern lassen, dass die
disziplinarrelevanten Vorfälle in der Vergangenheit im dienstlichen Bereich
bekannt geworden seien. Diese in sich stimmige und nachvollziehbare Ein-
schätzung hat Oberst i.G. Po. als Leumundszeuge in der Berufungshauptver-
handlung in vollem Umfang glaubhaft bestätigt. Dabei hat er hervorgehoben,
der frühere Soldat sei für Vorgesetzte und Kameraden „unzugänglich“ gewesen.
Der dienstliche und persönliche Umgang mit ihm habe sich als „sehr schwierig
bis fast unmöglich“ dargestellt. Er sei in einem hohen Maße unzuverlässig und
ein „sehr schwer zu führender Mitarbeiter“ gewesen, der eine „sehr enge
Dienstaufsicht“ erforderlich gemacht habe. Bei Vorgesetzten und im Ka-
meradenkreise habe es geheißen: „Herr Sch. geht zum Dienst, wenn seine
Frau ihm dies erlaubt.“ Der frühere Soldat habe auch wenig Bereitschaft zur
Weiterbildung gezeigt, sodass er in dem IT-Bereich aus fachlichen Gründen
kaum mehr habe eingesetzt werden können. Stattdessen sei er deshalb mit
„organisatorischen Aufgaben“ betraut worden. Der frühere Soldat sei in seinen
letzten Dienstjahren für sein dienstliches Umfeld im Grunde genommen eine
„ständige Belastung“ gewesen. Die Verantwortlichkeit für Schwierigkeiten im
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dienstlichen Bereich habe er immer nur anderen zugeschoben. Er habe sich
fast stets als „Opfer seiner Umgebung“ gesehen und ausgegeben. Alle Versu-
che, ihm angesichts der finanziellen und persönlichen Schwierigkeiten Hilfestel-
lung(en) zu geben, etwa über den Sozialdienst der Bundeswehr, seien „im San-
de verlaufen“, da sich der frühere Soldat letztlich nicht habe helfen lassen wol-
len. Er, der Zeuge, habe als Disziplinarvorgesetzter etwa im Jahre 2003 bean-
tragt, die Dienstfähigkeit des früheren Soldaten untersuchen zu lassen. Die
ärztlichen Untersuchungen unter Einschaltung eines Truppenpsychologen hät-
ten jedoch klar ergeben, dass der frühere Soldat für „voll dienstfähig“ erklärt
worden sei. Eine konkrete Behandlungsbedürftigkeit sei nicht festgestellt wor-
den. Der Senat hat keine Veranlassung, diese Bekundungen des Zeugen in
Zweifel zu ziehen, zumal ihnen der - anwaltlich vertretene - frühere Soldat in der
Berufungshauptverhandlung nicht entgegengetreten ist.
f) Die gebotene Gesamtwürdigung des schuldhaften Fehlverhaltens des frühe-
ren Soldaten und die dafür erforderliche Abwägung aller be- und entlastenden
Umstände hat ergeben, dass nach der Überzeugung des Senats die von der
Truppendienstkammer verhängte Disziplinarmaßnahme einer Aberkennung des
Ruhegehalts unabweisbar notwendig ist.
Die Verhängung der Höchstmaßnahme in Gestalt der Aberkennung des Ruhe-
gehalts setzt bei einem Soldaten im Ruhestand nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
i.V.m. § 65 Abs. 1 Satz 2 WDO voraus, dass die Entfernung aus dem Dienst-
verhältnis gerechtfertigt wäre, falls sich der Soldat im Ruhestand noch im Dienst
befände. Dies wäre dann der Fall, wenn der betreffende Soldat durch sein
Dienstvergehen bei der gebotenen objektiven Betrachtung das Vertrauen des
Dienstherrn in seine persönliche Integrität und Zuverlässigkeit und damit eine
zentrale Grundlage des Dienstverhältnisses in besonders grobem Maße
erschüttert und letztlich zerstört hätte (vgl. u.a. Urteile vom 19. Juli 1995
- BVerwG 2 WD 9.95 - BVerwGE 103, 265 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 4 =
NZWehrr 1996, 164, vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118,
161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 und vom
27. November 2003 - BVerwG 2 WD 6.03 -). Maßgeblicher Zeitpunkt für die
Beurteilung dieser Frage ist dabei der Zeitpunkt, zu dem das Wehrdienstgericht
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nach Maßgabe des § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO über die Verhängung
der gebotenen gerichtlichen Disziplinarmaßnahme zu entscheiden hat.
Nach diesem Maßstab wäre der frühere Soldat nach Auffassung des Senats
- bei fiktiver Betrachtung - als Berufssoldat und auch als Soldat auf Zeit für den
Dienstherrn untragbar, sodass seine Entfernung aus dem Dienstverhältnis ge-
boten wäre. Es liegt bei objektiver Betrachtung zum hier maßgeblichen Zeit-
punkt nicht nur eine grobe Erschütterung, sondern eine vollständige Zerstörung
des Vertrauens des Dienstherrn in die persönliche Integrität und Zuverlässigkeit
des früheren Soldaten vor, die, falls er sich noch im Dienst befände, sowohl aus
spezial- als auch aus generalpräventiven Gründen die Verhängung der
Höchstmaßnahme erforderlich machen würde.
Aussagedelikte von Soldaten vor Gericht werden in ständiger Rechtsprechung
des Senats stets als so schwerwiegend eingestuft, dass eine nach außen
sichtbare Maßnahme erforderlich ist, und zwar bei vorsätzlichem Meineid
grundsätzlich die Entfernung aus dem Dienstverhältnis (Urteile vom
13. Dezember 1972 - BVerwG 2 WD 30.72 - BVerwGE 117, 117 = Buchholz
236.1 § 13 SG Nr. 9 und vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 23.01 und
32.02 - NVwZ-RR 2003, 364 m.w.N.), bei uneidlicher Falschaussage die Her-
absetzung in einen Mannschaftsdienstgrad (vgl. u.a. Urteile vom 7. Februar
1980 - BVerwG 2 WD 67.79 - BVerwGE 63, 331 = NZWehrr 1980, 190 = RiA
1980, 190 und vom 24. Oktober 1991 - BVerwG 2 WD 9.91 - BVerwGE 93, 171
= NZWehrr 1993, 78 = NVwZ-RR 1992, 643) und bei fahrlässiger Abgabe einer
falschen Versicherung an Eides statt vor Gericht eine Dienstgradherabsetzung
oder - in besonderen Fällen - eine laufbahnhemmende Pflichtenmahnung (Urteil
vom 25. September 1987 - BVerwG 2 WD 24.87 -). Hieran hält der Senat zur
Wahrung der im Interesse der Rechtssicherheit gebotenen Kontinuität der
Rechtsprechung und im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3
Abs. 1 GG) sowie aus generalpräventiven Gründen fest. Die Dienstgradherab-
setzung in einen Mannschaftsdienstgrad bildet deshalb bei einer vorsätzlichen
uneidlichen Falschaussage für den Senat den Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen (vgl. auch Urteil vom 8. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 45.02 -
Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 5).
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- 32 -
Da der frühere Soldat aufgrund der bereits zuvor erfolgten beiden Degradierun-
gen den für einen früheren Berufssoldaten der Dienstgradgruppe der Unteroffi-
ziere mit Portepee untersten Dienstgrad eines Feldwebels führt, scheidet im
vorliegenden Fall gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 WDO eine weitergehende Degra-
dierung in einen Mannschaftsdienstgrad jedoch aus. Damit kommen nach § 58
Abs. 2 Satz 1 WDO lediglich eine Kürzung des Ruhegehalts (Nr. 1), eine Her-
absetzung in der Besoldungsgruppe (Nr. 2) oder die Höchstmaßnahme (Nr. 4)
WDO in Betracht. Auf die Höchstmaßnahme darf dabei nicht allein deshalb zu-
rückgegriffen werden, weil eine weitere Herabsetzung des Dienstgrades nicht
mehr zulässig ist. Vielmehr muss dann, wenn eine an sich gebotene Dienst-
gradherabsetzung aufgrund der Sperr-Regelung des § 62 Abs. 1 Satz 3 WDO
ausscheidet, - entgegen der früheren Rechtsprechung des Senats - in der Re-
gel auf die nächst niedrigere gerichtliche Disziplinarmaßnahme zurückgegriffen
werden, weil diese in einem solchen Falle zulässigerweise allein zur Verfügung
steht, sofern die Voraussetzungen für die Verhängung der Höchstmaßnahme
nicht erfüllt sind. Das folgt nicht nur aus dem Vorbehalt des Gesetzes, sondern
auch aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Gebot der Verhältnismä-
ßigkeit, das es verbietet, anstelle der an sich gebotenen Disziplinarmaßnahme
nur deshalb auf eine schwerere Maßnahme zurückzugreifen, weil es für die an
sich gebotene gerichtliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer gesetzlichen
Sperr-Regelung an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Im vorliegenden Fall
kann jedoch ohnehin aus anderen Gründen von der Verhängung der Höchst-
maßnahme nicht abgesehen werden. Dafür sind mehrere Umstände maßge-
bend.
Der frühere Soldat hat sich nach den getroffenen Feststellungen nämlich nicht
nur einer, sondern zweier vorsätzlicher uneidlicher Falschaussagen schuldig
gemacht. Daran ändert auch nichts, dass er einmal in erster Instanz und im
gleichen Verfahren anschließend nochmals im Berufungsverfahren falsch aus-
sagte. Von einer einmaligen Verfehlung kann insoweit keine Rede sein. Der
frühere Soldat ist vom jeweiligen Vorsitzenden des Gerichts zuvor jedes Mal
über seine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage eingehend belehrt und auf
die strafrechtlichen Folgen einer eidlichen oder auch uneidlichen Falschaussa-
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- 33 -
ge hingewiesen worden. Das ergibt sich aus dem jeweiligen Verhandlungspro-
tokoll und ist auch vom früheren Soldaten nicht bestritten worden. Ungeachtet
dessen hat er sich jeweils dazu entschlossen, als Zeuge vorsätzlich die Un-
wahrheit zu sagen. Dieses zweifache kriminelle Fehlverhalten wiegt sehr
schwer.
Weiterhin ist in die Abwägung einzustellen, dass der frühere Soldat nach den
den Senat bindenden Feststellungen der Truppendienstkammer in weiteren
sechs Fällen außerdienstliche Betrugshandlungen (§ 263 StGB) begangen hat.
Bei einem außerdienstlich von einem Offizier begangenen Betrug nimmt der
Senat in der Regel ebenfalls eine Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen (vgl. dazu u.a. Urteile vom 10. Juni 1987
- BVerwG 2 WD 12.87 - BVerwGE 83, 298 = NZWehrr 1988, 164, vom
21. Januar 1997 - BVerwG 2 WD 38.96 - BVerwGE 113, 45 = Buchholz 235.0
§ 34 WDO Nr. 24 = NZWehrr 1997, 167, vom 25. Juli 1990 - BVerwG 2 WD
16.89 - BVerwGE 86, 309 = NZWehrr 1991, 116 und vom 28. November 2007
- BVerwG 2 WD 28.06 - BVerwGE 130, 65 = Buchholz 450.2 § 124 WDO 2002
Nr. 1 = DokBer 2008, 113). Bei einem Berufssoldaten, der im Tatzeitraum den
Dienstgrad eines Hauptfeldwebels (bzw. seit der seit dem 15. März 2005
rechtskräftigen Verurteilung durch das Truppendienstgericht Nord den eines
Oberfeldwebels) innehatte, ist jedenfalls bei sechs außerdienstlichen Betrugs-
handlungen ebenfalls von einer Dienstgradherabsetzung als Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen auszugehen. Bei einer solchen gerichtlichen Dis-
ziplinarmaßnahme kann es jedoch nur dann bleiben, wenn keine anderen
schweren Pflichtverletzungen hinzutreten, was hier jedoch im Hinblick auf die
beiden zuvor erörterten uneidlichen Falschaussagen der Fall ist, die jede für
sich bereits die Herabsetzung in einen Mannschaftsdienstgrad erfordern.
Entscheidend zum Nachteil des früheren Soldaten fallen aber bei der Maß-
nahmebemessung neben der Vielzahl der schuldhaften - vorsätzlichen -
Dienstpflichtverletzungen und dem kriminellen Unrechtsgehalt seines Fehlver-
haltens seine erhebliche disziplinare Vorbelastung, seine in den letzten Jahren
bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienst sehr unzureichenden dienstlichen
Leistungen sowie seine in der Berufungshauptverhandlung sehr deutlich ge-
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- 34 -
wordene - langjährige - mangelnde Bereitschaft ins Gewicht, sich mit den Ursa-
chen seines Fehlverhaltens in hinreichendem Maße auseinanderzusetzen und
hieraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Dies zusammen ge-
nommen macht die Verhängung der Höchstmaßnahme in Gestalt einer Aber-
kennung des Ruhegehalts unausweichlich.
Der frühere Soldat hat durch sein hier in Rede stehendes, von den Anschuldi-
gungspunkten 1 bis 6 erfasstes vielfaches kriminelles Fehlverhalten gezeigt,
dass er aus den bereits zuvor gegen ihn verhängten gerichtlichen Disziplinar-
maßnahmen nicht die gebotenen Konsequenzen für die Erfüllung seiner
Dienstpflichten gezogen hat und offenkundig auch nicht dazu bereit war. Auch
nachdem er durch Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom 21. Januar 2004
wegen seiner damals festgestellten Dienstpflichtverletzungen in den Dienstgrad
eines Oberfeldwebels herabgesetzt worden war und im Gefolge dessen mit Wir-
kung vom 1. April 2004 nach § 126 WDO vorläufig des Dienstes enthoben
worden war, sah er sich nicht gehindert, bereits am 12. und 17. Juli 2004 (An-
schuldigungspunkte 1 bis 3) erneut strafrechtlich und damit auch disziplinar-
rechtlich negativ in Erscheinung zu treten. Selbst der Umstand, dass er kurz
darauf durch Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom 10. August 2004 we-
gen weiterer schuldhafter Dienstpflichtverletzungen in den Dienstgrad eines
Feldwebels herabgesetzt wurde, konnte ihn nicht dazu veranlassen, sich künftig
in Übereinstimmung mit den Strafgesetzen zu verhalten und seine Dienstpflich-
ten im außerdienstlichen Bereich ordnungsgemäß zu erfüllen. Die festgestellten
Straftaten vom 20. Februar 2005 (Anschuldigungspunkt 4), 10. November 2005
und 1. Februar 2006 (Anschuldigungspunkt 5) sowie vom 9. und 22. Dezember
2005 (Anschuldigungspunkt 6) belegen dies unmissverständlich. Ersichtlich war
es dem früheren Soldaten vollständig gleichgültig, was er mit seinem Fehlver-
halten anrichtete und welche Konsequenzen für sich und andere damit verbun-
den waren. Dieses Verhalten offenbart ein Maß an Unbelehrbarkeit und Unein-
sichtigkeit, das nicht nur bei einem im Wehrdienstverhältnis stehenden Solda-
ten, sondern auch bei einem Soldaten im Ruhestand das Vertrauensverhältnis
zum Dienstherrn zerstört.
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- 35 -
Dieses unabdingbare Vertrauensverhältnis ist auch in der Folgezeit nicht wieder
hergestellt worden. Zwar sind zwischenzeitlich nach den dem Senat zur Verfü-
gung stehenden Informationen keine weiteren Straftaten bekannt geworden. In
der Berufungshauptverhandlung ist jedoch deutlich geworden, dass sich der
frühere Soldat mit seinem festgestellten Fehlverhalten bisher nur relativ ober-
flächlich auseinandergesetzt hat. Obwohl in der Berufungshauptverhandlung
am 13. Juni 2006 im Verfahren BVerwG 2 WD 1.06 ausgiebig mit ihm und dem
als sachverständigen Zeugen vom Senat vernommenen Stationsarzt Ma. die
möglichen psychischen und sozialen Hintergründe der Dienstpflichtverletzungen
sowie die Notwendigkeit der Inanspruchnahme professioneller Hilfe erörtert
worden war, hat es der frühere Soldat anschließend bis heute an den notwen-
digen Konsequenzen fehlen lassen. Er hat auf Befragen in der Berufungs-
hauptverhandlung dem Senat lediglich davon berichten können, dass er sich in
den letzten Wochen einige Male um einen „Termin“ in einer „psychologischen
Praxis“ bemüht habe. Damit habe er aber noch keinen Erfolg gehabt. Eine
nachvollziehbare Erklärung dafür, warum er sich mehr als zwei Jahre nach der
vorerwähnten Berufungshauptverhandlung nicht um psychologische oder psy-
chotherapeutische oder anderweitige professionelle Hilfe bemüht hat, hat er
nicht zu geben vermocht. Zwar hat er angegeben, er und seine Kinder seien
seit längerer Zeit nicht mehr krankenversichert, weil er glaube, die dafür erfor-
derlichen Krankenkassenbeiträge nicht aufbringen zu können. Das damit ver-
bundene erhebliche Risiko, die gesundheitliche Versorgung für sich und seine
Familie zu gefährden, sei er mangels realistischer Alternativen eingegangen,
auch wenn z.B. für seinen an Epilepsie leidenden Sohn jeden Monat erhebliche
Kosten für Medikamente anfielen, die nicht in vollem Maße von der Beihilfe des
Dienstherrn gedeckt werden. Die nach Abzug der Beihilfeleistungen verblei-
benden Kosten in Höhe von ca. 120 bis 150 € monatlich bestreite er aus seinen
Einkünften. Dies vermag jedoch sein Verhalten nicht zu rechtfertigen oder zu
entschuldigen. Vielmehr offenbart auch dieses ein erhebliches Maß an Unein-
sichtigkeit, Unbelehrbarkeit und an Bereitschaft, unübersehbare Risiken einzu-
gehen, ohne die Folgen hinreichend zu bedenken. Trotz der von ihm geschil-
derten schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse sah sich der frühere Soldat
freilich nicht gehindert, - nach seinen Angaben erfolgte dies im vergangenen
Jahr - einen Pkw der Marke Peugeot 807 zu erwerben, durch dessen Haltung
- 36 -
und Betrieb fortlaufend erhebliche Kosten entstehen. Diese muss der frühere
Soldat neben den monatlichen Raten von 300 € für Zinsen und Tilgung des für
den Pkw-Kauf aufgenommenen Kredits begleichen. Ein solches Verhalten, ei-
nerseits aus finanziellen Gründen vom Abschluss einer Krankenversicherung
für sich und die Angehörigen seiner Familie Abstand zu nehmen, andererseits
jedoch hohe monatliche Verpflichtungen für den Kauf, die Haltung und den Be-
trieb eines großen Pkws einzugehen, grenzt an Verantwortungslosigkeit.
In dieses Bild passt auch, dass sich der frühere Soldat trotz seiner für ihn und
seine Familie sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation nach seinen Angaben
seit der mit Wirkung vom 1. April 2004 erfolgten vorläufigen Dienstenthebung
und auch nach seinem mit Ablauf des 31. Juli 2006 erfolgten Eintritt in den Ru-
hestand nicht ernsthaft um eine Nebenbeschäftigung bemüht hat. Er hat weder
bei den zuständigen Stellen um eine Nebentätigkeitsgenehmigung nachgesucht
noch sich etwa bei der Bundesagentur für Arbeit nach Stellenangeboten erkun-
digt. Dies hat er in der Berufungshauptverhandlung auf Befragen ausdrücklich
eingeräumt. Erst nach seiner im Oktober/November 2008 erfolgten Trennung
von seiner Ehefrau und seiner Familie hat er eine Nebentätigkeit aufgenom-
men, aus der er bisher relativ geringe Einkünfte von ca. 100 bis 150 € monatlich
erzielt. Einen nachvollziehbaren Grund dafür, dass er sich nicht schon früher
um anderweitige Verdienstmöglichkeiten bemüht hat, hat er in der Beru-
fungshauptverhandlung nicht anzugeben vermocht.
Mit der nach den Angaben des früheren Soldaten „dominanten“ und „diktatori-
schen“ Rolle seiner Ehefrau in allen die Familie betreffenden Fragen lässt sich
sein Verhalten nicht erklären und entschuldigen. Auch insoweit war der frühere
Soldat - wie ihm schon früher mehrfach durch seine Vorgesetzten und auch
durch den in der Berufungshauptverhandlung als Leumundszeugen vernom-
menen früheren Disziplinarvorgesetzten bescheinigt worden ist - nicht bereit,
eigene Verantwortlichkeiten in den Blick zu nehmen. Stattdessen sucht er
- offenkundig bis heute - die Schuld und die Verantwortlichkeit für aufgetretene
und auftretende Probleme in erster Linie bei anderen.
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Er hat zwar sein im vorliegenden Verfahren in Rede stehendes eigenes Fehl-
verhalten eingeräumt. Die von ihm dabei gewählten und mehrfach wiederholten
Formulierungen („habe Fehler gemacht, die mir heute auch leid tun“; „will nichts
beschönigen“; „mir tut die ganze Sache leid“; „hätte ich etwas früher die Konse-
quenzen gezogen, wäre ich wohl besser gefahren“) machen jedoch deutlich,
dass er sich mit den eigenen Versäumnissen und Fehlentscheidungen bisher
nur sehr oberflächlich befasst hat. Bezeichnend dafür ist, dass er nicht auf kon-
kretes eigenes Fehlverhalten und die dafür jeweils konkreten Ursachen einge-
gangen ist, sondern sich teilweise floskelhaft in stereotype Redewendungen
flüchtete, die im Unverbindlichen verbleiben. Auch um eine Wiedergutmachung
des von ihm durch seine Straftaten angerichteten Schadens war er ersichtlich
erst bemüht, nachdem ihn im Dezember 2008 eine entsprechende gerichtliche
Anfrage erreicht hat.
Dieses Gesamtverhalten reicht nicht aus, um die durch sein festgestelltes lang-
jähriges gravierendes Fehlverhalten bewirkte Zerstörung des Vertrauens des
Dienstherrn in seine persönliche Integrität und Zuverlässigkeit auszugleichen
oder auch nur wesentlich zu mindern.
Zudem ist in generalpräventiver Hinsicht zu berücksichtigen, dass angesichts
der Vielzahl der kriminellen Verfehlungen des früheren Soldaten, ihres erhebli-
chen Gewichts sowie seiner gezeigten Unbelehrbarkeit jeder Eindruck einer
Bagatellisierung der schuldhaften Dienstpflichtverletzungen vermieden werden
muss, die nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Po. im dienstlichen
Umfeld des früheren Soldaten bekannt geworden sind. Der Umstand, dass der
frühere Soldat seit dem 1. April 2004 vorläufig des Dienstes enthoben war und
mit Ablauf des 31. Juli 2006 in den Ruhestand getreten ist, gibt zu einer ande-
ren Beurteilung keine Veranlassung. Aus generalpräventiven Gründen erscheint
es dem Senat notwendig, unmissverständlich deutlich zu machen, dass ein
gravierendes, über Jahre hinweg erfolgendes wiederholtes kriminelles und
disziplinares Fehlverhalten eines Soldaten nicht ohne schwerwiegende diszipli-
narrechtliche Konsequenzen bleibt, und zwar auch dann, wenn der betreffende
Soldat relativ kurze Zeit danach in den Ruhestand tritt und aus der Bundeswehr
ausscheidet.
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Damit ist die Verhängung der Höchstmaßnahme in Gestalt der Aberkennung
des Ruhegehalts unabweislich.
3. Im Hinblick auf die objektiv sehr schwierige finanzielle Situation des früheren
Soldaten und seiner Familienangehörigen hat der Senat jedoch das Vorliegen
der gesetzlichen Voraussetzungen des § 65 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 63 Abs. 3
Satz 2 WDO bejaht und den Zeitraum für den Bezug des Unterhaltsbeitrages
über die im Gesetz als Regelfall vorgesehene Dauer von sechs Monaten hinaus
auf insgesamt zwölf Monate verlängert. Zur Vermeidung einer unbilligen Härte
ist dies notwendig, weil der 55jährige frühere Soldat mit der durch dieses Urteil
erfolgenden Aberkennung des Ruhegehalts nach § 65 Abs. 1 WDO die Rechte
als Soldat im Ruhestand, insbesondere den Anspruch auf Ruhegehalt und den
Anspruch auf den noch nicht ausgezahlten Ausgleich nach § 38 SVG verliert. Er
wird zwar bei der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert. Eine Rente
wird er jedoch erst bei Eintritt des Renteneintrittsalters erhalten. Zudem wird es
schon aufgrund seines Alters und seiner Behinderung für ihn in der
gegenwärtigen Wirtschaftslage nicht leicht werden, bald eine neue Be-
schäftigung zu finden, aus der er seinen Lebensunterhalt und den seiner Fami-
lie bestreiten kann. Zwar hat es, wie oben in anderem Zusammenhang darge-
legt, bisher seit Jahren an entsprechenden Bemühungen des früheren Soldaten
gefehlt, eine geeignete Verdienstmöglichkeit zu finden. Dies ändert jedoch
nichts an der nunmehr außergewöhnlich schwierigen wirtschaftlichen Situation,
auf die er sich einzustellen hat, zumal er erhebliche Unterhaltsleistungen an
seine Ehefrau und seine Kinder zu erbringen hat. Angesichts der vom Senat
festgestellten konkreten Umstände bedarf es insoweit keiner weiteren Glaub-
haftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer unbil-
ligen Härte im Sinne von § 63 Abs. 3 Satz 2 WDO. Eine ausdrückliche Antrag-
stellung sieht das Gesetz nicht vor.
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4. Da die Berufung des früheren Soldaten keinen Erfolg hat, hat er gemäß
§ 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die ihm er-
wachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen,
ist gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO unzulässig.
Golze Dr. Müller Dr. Deiseroth
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