Urteil des BVerwG vom 16.05.2013

Soldat, Genehmigung, Sport, Dienstzeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 1.12
TDG N 8 VL 25/10
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
Herrn Kapitänleutnant …,
…,
…,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 16. Mai 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Fregattenkapitän Gansow und
ehrenamtlicher Richter Kapitänleutnant Maede,
Regierungsdirektor …
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt …
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
- 2 -
Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der
8. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 10. No-
vember 2011 aufgehoben.
Gegen den Soldaten wird wegen eines Dienstvergehens
ein Beförderungsverbot für die Dauer von 36 Monaten
verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge in Höhe
von 1/10 für drei Jahre verhängt.
Von den Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug und
den dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Aus-
lagen werden dem Bund drei Viertel und dem Soldaten ein
Viertel auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens und
die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Ausla-
gen werden dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
1. Der 1964 geborene Soldat wurde nach dem Erwerb der allgemeinen Hoch-
schulreife zunächst in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und
im September 1996 zum Berufssoldaten ernannt. Seine Dienstzeit endet mit
Ablauf des 30. September 2019. Er wurde zuletzt im Mai 2006 zum Kapitän-
leutnant befördert.
Nach der Grundausbildung an der Marineortungsschule durchlief der Soldat
zunächst die Maaten- und Bootsmannausbildung mit befriedigenden Ergebnis-
sen. Im September 1996 legte er die Offizierprüfung mit der Note „befriedigend“
ab. Der Verwendung als Hörsaalleiter an der …schule schlossen sich Tätigkei-
ten als Fernmeldetechnikoffizier und Betriebssicherheitsbeauftragter bei der
…gruppe … an. Im Oktober 2002 wurde der Soldat erstmals zum Kommando
… (...) versetzt und dort als System- und Anwendungsprogrammdienstoffizier
eingesetzt. Nach einer ab Juli 2004 beginnenden Verwendung an der …schule
kehrte er im April 2006 in selber Funktion zum Kommando … zurück und wurde
dort in der Fachgruppe „…“ eingesetzt. Zu seinen Aufgaben gehörte das Erstel-
len und Testen von Datensätzen von auf Fregatten angewendeten Einsatzsys-
temen sowie die IT-Nutzerbetreuung. Der Soldat hat zahlreiche Lehrgänge in
1
2
- 3 -
den Bereichen Fernmeldetechnik, Elektrotechnik und Informationstechnologie
absolviert; zeitweise übte er eine Nebentätigkeit im Bereich Computerhard- und
Software aus.
Wegen der gegen ihn eingeleiteten disziplinaren Ermittlungen wurde der Soldat
ab März 2009 zum … (…) kommandiert, wo er zunächst im Hafenbüro beschäf-
tigt wurde und seit Januar 2010 unterstützend in der Ausbildungsorganisation
eingesetzt ist.
2. Der Soldat wurde mehrfach beurteilt.
a) In der planmäßigen Beurteilung vom 9. Februar 2005 wurden seine Leistun-
gen unter Zugrundelegung der Höchstnote „7“ vierzehnmal mit „6“ und zweimal
mit „5“ bewertet, woraus ein Durchschnittswert von „5,7“ folgt. Ausgeführt ist in
ihr, der Soldat habe im Bereich der Qualitätssicherung und des Simulators
AGUS keine Vorkenntnisse besessen, sich aber zielstrebig in die neuen The-
mengebiete eingearbeitet und sein Leistungspotenzial steigern können. Er sei
pflichtbewusst und identifiziere sich mit dem Soldatenberuf. Er erkenne Hand-
lungsbedarf und übernehme bereitwillig Verantwortung. Selbstkritisch und kom-
promissbereit arbeite er an sich und komme dabei zu ansprechenden Ergebnis-
sen. Technische Aufgaben gehe er mit vollem Einsatz an. Im Hard- und Soft-
warebereich und auch in der Elektrotechnik stelle er seine Versiertheit unter
Beweis. Auf fremdem Terrain habe er sich zügig einarbeiten und den scheiden-
den technischen Leiter vollwertig ersetzen können. Der Soldat besitze eine
sympathische Grundanständigkeit, sei eher ein Vertreter leiser Töne, im Kame-
radenkreis anerkannt und bringe sich aktiv in die Gemeinschaft ein.
Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte dem zu. Der Soldat sei ein gestande-
ner, gradliniger und loyaler Offizier, mit dem man gerne zusammenarbeite. Um
sein Leistungspotenzial noch besser zur Geltung zu bringen, solle er seine Akti-
vitäten über seinen direkten Aufgabenbereich hinaus ausweiten. Seine Beförde-
rung zum Kapitänleutnant werde mit Nachdruck empfohlen.
3
4
5
6
7
- 4 -
b) In der planmäßigen Beurteilung vom 22. November 2007 durch Fregattenka-
pitän … wurden die Leistungen des Soldaten unter Zugrundelegung der
Höchstnote „9“ einmal mit „6“, einmal mit „5“, zweimal mit „4“ und dreimal mit „3“
bewertet, woraus ein Durchschnittswert von „4,00“ folgt. Erläuternd heißt es, der
Soldat verfüge über keine qualifizierte Ausbildung für das Aufgabengebiet sei-
nes Dienstpostens. Eine entsprechende Weiterbildung werde erst durchlaufen,
sodass das Tätigkeitsfeld des Soldaten durch die vorhandenen Kenntnisse ab-
gesteckt werde. Der Soldat sei grundsätzlich intelligent und erfülle mit genü-
genden geistigen Reserven ausgestattet die an ihn gestellten Erwartungen; er
könne sich jedoch noch um einiges besser positionieren. Seine geistige Kompe-
tenz sei „stärker ausgeprägt“ und „bestimmendes Merkmal“, die soziale und
konzeptionelle Kompetenz „ausgeprägt“ und die funktionale Kompetenz sowie
die Kompetenz in Menschenführung „weniger ausgeprägt“. Der Soldat sei grad-
linig; Diplomatie sei ihm ein Gräuel. Seine Stärken lägen im praktisch-
technischen Bereich. Wenn er mit IT befasst sei, engagiere sich der Soldat
überdurchschnittlich. Konflikten gehe er nicht aus dem Wege, obwohl er eigent-
lich ein Vertreter leiser Töne sei. Mit einer sehr konsequenten - bisweilen aber
grenzwertigen - Haltung fordere der Soldat für sich Sicherheit im Umgang mit
bisher unbekannten Aufgaben ein und erzeuge dadurch ein Spannungsfeld.
Seine geistigen Fähigkeiten stünden im Gegensatz zur Leistung. Eine deutliche
Leistungssteigerung sei möglich, wenn der Soldat seine IT-Orientierung auch
auf andere Arbeits- und Tätigkeitsfelder projizieren würde. Bezüglich der Lauf-
bahnperspektive habe der Soldat seinen Enddienstgrad erreicht.
Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte, Fregattenkapitän …, stimmte dem zu.
Die guten geistigen Anlagen des Soldaten stünden im Widerspruch zu dessen
Leistungsbild. Es mangele dem Soldaten nicht nur an Ausdauer, sich mit einem
unbekannten Thema intensiver auseinanderzusetzen; darüber hinaus werde
vom Soldaten nicht ernsthaft verfolgt, insoweit einen Ansatz zu finden, was auf
eine „Position der Bequemlichkeit“ zurückzuführen sei. Vertraute Aufgaben er-
ledige der Soldat hingegen mit beeindruckender Souveränität. Bessere Ver-
wendungsmöglichkeiten als auf dem aktuellen Dienstposten bestünden im Be-
reich der IT-Netzwerkadministration, IT-Installation und IT-Nutzerbetreuung. Der
Soldat hat bei der Eröffnung der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetz-
8
- 5 -
ten die Unterschrift verweigert und gerügt, dieser habe den Vorwurf der „Be-
quemlichkeit“ nicht untermauern können.
3. Die durch Kapitän zur See … erstellte Sonderbeurteilung vom 16. Februar
2012 bewertet die Aufgabenerfüllung durch den Soldaten bei Höchstnote „9“
einmal mit „7“ und siebenmal mit „4“, woraus ein Durchschnittswert von „4,3“
folgt. Erläuternd heißt es, der Soldat sei ein erfahrener Offizier des militärfachli-
chen Dienstes. Sein offenes und hilfsbereites Wesen habe bei Vorgesetzten,
zivilen Mitarbeitern und Kameraden Anerkennung gefunden. Auch für ihn neue
Aufgaben erledige er selbstständig zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Psy-
chisch sei er voll belastbar. In das … habe sich der Soldat problemlos integriert
und sich auch außerhalb an ihn gerichteter Aufträge stets als hilfreich erwiesen.
Anzumerken sei allerdings, dass das Aufgabenniveau naturgemäß nicht dem
Einsatz- und Ausbildungsstand des Soldaten entspreche, weil stets von der Be-
endigung der Kommandierung habe ausgegangen werden müssen; deshalb sei
keine neue Ausbildung erfolgt. Der nächsthöhere Vorgesetzte, Flottillenadmiral
…, stimmte dem zu. Der Soldat habe seine individuelle Laufbahnperspektive er-
reicht.
4. Kapitän zur See … hat vor der Truppendienstkammer des Weiteren ausge-
sagt, der Soldaten wirke unauffällig und unscheinbar, wobei er gleichwohl wis-
se, was er wolle. Was ihm aufgetragen werde, erledige er ordentlich. Dass ge-
gen den Soldaten ein Disziplinarverfahren anhängig sei, sei in der Einheit
durchaus bekannt, die Hintergründe seien es jedoch nicht.
5. Die aktuellen Auszüge aus dem Zentralregister und dem Disziplinarbuch wei-
sen keine Eintragungen auf. Am 26. September 2002 hat der Soldat eine Leis-
tungsprämie in Höhe von 1 100 € erhalten. Er ist berechtigt, das Tätigkeitsab-
zeichen Führungsdienstpersonal in Gold sowie das Tätigkeitsabzeichen Tech-
nisches Personal der Stufe III zu tragen.
6. Der in … wohnhafte Soldat ist verheiratet und Vater von zwei volljährigen
Töchtern, die sich noch in der Ausbildung befinden. Er erhält nach dem Stand
Mai 2013 Dienstbezüge in Höhe von 4 155,49 € brutto; ausgezahlt werden ihm
9
10
11
12
- 6 -
3 928,40 € netto. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet. Seine Ehefrau
ist nicht berufstätig, die monatlichen Belastungen belaufen sich einschließlich
Warmmiete auf etwa 2 200 €.
II
1. Das gerichtliche Disziplinarverfahren ist nach Anhörungen des Soldaten am
10. und 13. November 2008 mit ihm am 5. Mai 2009 ausgehändigter Verfügung
des Amtschefs Marineamt vom 29. April 2009 eingeleitet worden. Die Bekannt-
gabe der am 15. April 2009 eingeholten Stellungnahme der Vertrauensperson,
die bei der zweiten Anhörung des Soldaten zugegen war, ist nicht aktenkundig
dokumentiert. Der Verteidiger des Soldaten und der Bundeswehrdisziplinaran-
walt rügen dies ausdrücklich nicht.
2. Nachdem der Soldat auf die Gewährung von Schlussgehör verzichtet hatte,
hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift
vom 19. August 2010 zahlreiche Pflichtverletzungen zur Last gelegt und die im
Anschuldigungspunkt 2 erwähnten (fünfzig) Tage im „Ermittlungsergebnis“
durch die Bezeichnung konkreter Tage präzisiert. Im Einzelnen hat sie ange-
schuldigt:
„1. Der Soldat unterließ es, den Wegfall der Vorausset-
zung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Arbeitszeitverord-
nung für die Ableistung einer verminderten Wochenstun-
denzeit von 40 Stunden mit Ablauf des 31. Januar 2007
seinem Disziplinarvorgesetzten zu melden, so dass er im
Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis zum 26. November
2008 pro Woche jeweils 1 Stunde, insgesamt 96 Stunden,
zu wenig Dienst leistete, obwohl er aufgrund der mit der
Genehmigung von 7. April 2006 einhergehenden Beleh-
rung wusste, bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt zu-
mindest hätte wissen können und müssen, dass er ver-
pflichtet war, jede Änderung, insbesondere den Wegfall
der Anspruchsvoraussetzung für die Absenkung der re-
gelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, unverzüglich anzu-
zeigen.
2. Der Soldat verließ zwischen dem 11. Januar und dem
6. November 2008 seine Dienststelle, Dezernat ‚…’, Kom-
13
14
- 7 -
mando … in … an mindestens 50 Tagen ohne Genehmi-
gung seines Vorgesetzten vor dem Ende der Kernarbeits-
zeit und blieb damit seinem Dienst insgesamt 84 Stunden
und 17 Minuten fern, obwohl er aufgrund des Kommando-
befehls 01/06 des Kommandeurs …- dort Ziffer 2.2 ‚Gleit-
zeit’ - vom 28. Februar 2006, gültig bis zum 19. März
2008, dem Kommandobefehl 01/2008 des Kommandeurs
Kommando … vom 19. März 2008 und der Dienstverein-
barung in Verbindung mit der Geschäftsordnung des Kom-
mandos … in der Fassung vom 14. März 2008 - dort Ziffer
3.3 ‚Kernarbeitszeit’ - wusste, bei Anwendung der gebote-
nen Sorgfalt zumindest hätte wissen können und müssen,
dass diese Montag bis Donnerstag um 15:00 Uhr und frei-
tags, bis zum 19. Mai 2008, um 13:30 Uhr und dann um
12:00 Uhr endete und er in dieser Zeit grundsätzlich an-
wesend sein musste.
Für 30 dieser 50 Tage reichte der Soldat zwischen dem
11. Januar und dem 30. Oktober 2008 Korrekturbelege
ein, in denen er die tatsächliche Gehenszeit wahrheitswid-
rig so angab, dass ihm hieraus - zusätzlich zu der un-
erlaubten Abwesenheit - Dienstzeiten in Höhe von min-
destens 55 Stunden und 17 Minuten gutgeschrieben wur-
den, die er tatsächlich nicht geleistet hatte, obwohl er
wusste, bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte wis-
sen können und müssen, dass er hierauf keinen Anspruch
hatte.
Zumindest neun dieser 30 Korrekturbelege reichte der
Soldat zwischen dem 21. August und dem 3. November
2008 zum Zwecke der Verschleierung seiner unerlaubten
Abwesenheit unter Umgehung seines Vorgesetzten und
entgegen des Kommandobefehls 01/2008 des Komman-
deurs Kommando … vom 19. März 2008 ein und gab in
sieben Fällen an, einen Dienstgang erledigt zu haben,
obwohl er wusste, bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt
hätte wissen können und müssen, dass er eine unwahre
dienstliche Meldung abgibt.
An weiteren 20 der 50 Tage jeweils dienstags und don-
nerstags zwischen dem 22. April und dem 6. November
2008, buchte sich der Soldat unter Verwendung der ‚Kof-
fertaste’ als dienstlich abwesend aus, obwohl er wusste,
bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt zumindest hätte
wissen können und müssen, dass seine Abwesenheit we-
der einen dienstlichen Grund hatte noch von seinem Vor-
gesetzten genehmigt worden war. Dabei war ihm bewusst,
dass der Einsatz der ‚Koffertaste’ laut Kommandomittei-
lung vom 7. April 2008 dazu führt, dass für den jeweiligen
Tag das Ende der Regelarbeitszeit gesetzt wird, die ge-
mäß Ziffer 3.1 ‚Regelarbeitszeit’ des Kommandobefehls
- 8 -
01/2008 des Kommandeurs Kommando … vom 19. März
2008 und der Dienstvereinbarung in Verbindung mit der
Geschäftsordnung des Kommandos … in der Fassung
vom 14. März 2008, bei einer 40 Stunden Arbeitswoche
Montag bis Donnerstag um 16:00 Uhr endet. Durch sein
Verhalten erreichte der Soldat - zusätzlich zu der un-
erlaubten Abwesenheit - eine Gutschrift von Dienstzeiten
in Höhe von mindestens 20 Stunden, die er tatsächlich
nicht geleistet hatte.“
Der Soldat habe dadurch ein fahrlässiges, wenn nicht sogar vorsätzliches
Dienstvergehen begangen und gegen die Dienstpflichten nach §§ 7, 11 Abs. 1,
§ 13 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen.
3. Die 8. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat den Soldaten mit Urteil
vom 10. November 2011 wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines
Oberleutnants zur See herabgesetzt. Unter teilweiser Freistellung von den An-
schuldigungen hat sie befunden, der Soldat habe zum Teil vorsätzlich, zum Teil
fahrlässig, gegen die Pflicht zum treuen Dienen und zum innerdienstlichen
Wohlverhalten verstoßen, wobei der Schwerpunkt des Dienstvergehens in der
mehrfachen unerlaubten Abwesenheit liege. Zwar sei die Gesamtheit der un-
erlaubten Abwesenheiten mit knapp sechszehn Stunden relativ gering; der Sol-
dat habe gegen seine Dienstpflichten jedoch - innerhalb von drei Monaten -
wiederholt verstoßen. Der Verstoß eines Vorgesetzten gegen Kernpflichten ha-
be erhebliches Gewicht und sei unter Berücksichtigung der für den Soldaten
sprechenden Aspekte der bisherigen Führung und Persönlichkeit tat- und
schuldangemessen nur mit einer Dienstgradherabsetzung zu ahnden.
Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1 sei die Einlassung des Soldaten
nicht zu widerlegen gewesen, er habe umgehend eine Mitteilung an die S1-
Leiste des Stabes Kommando … abgesandt, nachdem seine Tochter am
16. Januar 2007 das zwölfte Lebensjahr vollendet habe. Allerdings habe der
Soldat pflichtwidrig nicht gemeldet, dass die Buchungsjournale von Januar, Fe-
bruar, März und November 2008 eine wieder reduzierte Wochenarbeitszeit von
40 Stunden ausgewiesen hätten.
15
16
17
18
- 9 -
Bezogen auf den Anschuldigungspunkt 2 stehe fest, dass der Soldat jedenfalls
an 10 Freitagen (11. Januar 2008, 15. Februar 2008, 22. Februar 2008,
29. Februar 2008, 7. März 2008, 14. März 2008, 28. März 2008, 4. April 2008,
11. April 2008 und 25. April 2008) seine Dienststelle ohne Genehmigung des
Vorgesetzten vor Ende der Kernarbeitszeit verlassen habe; dadurch sei er dem
Dienst insgesamt für 15 Stunden und 47 Minuten unerlaubt fern geblieben. So-
fern sich der Soldat einlasse, vorher die Erlaubnis des Dezernatsleiters
- Fregattenkapitän … - eingeholt zu haben, stehe dem dessen glaubhafte Aus-
sage entgegen, er schließe aus, dem Soldaten jemals an einem Freitag die Ge-
nehmigung erteilt zu haben, die Dienststelle verlassen zu dürfen, um Sport zu
treiben. Hinsichtlich der restlichen 40 Tage sei der Soldat hingegen freizustel-
len. Für den 30. Oktober 2008 und den 6. November 2008 (beides Donnersta-
ge) sei diese Einlassung des Soldaten bereits durch die Aussage des Zeugen
E. gestützt worden. Bei den verbleibenden 38 Tage stehe angesichts der Zeu-
genaussagen nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass keine Erlaubnis
vorgelegen habe, die Dienststelle zum Zwecke des Sportes vor Ablauf der
Kernarbeitszeit verlassen zu dürfen.
Vom Vorwurf, sich durch wahrheitswidrige Eintragungen in den Korrekturbele-
gen und durch Verwendung der Koffertaste die Gutschreibung von Dienstzeiten
erschlichen zu haben, sei der Soldat - mit Ausnahme der erwähnten 10 Freita-
ge - ebenfalls freizustellen. Angesichts der Zeugenaussagen sei seine Einlas-
sung nicht zu widerlegen gewesen, er habe an diesen Tagen eine entspre-
chende Genehmigung eingeholt.
Fest stehe wiederum, dass der Soldat in 8 Fällen (25. Juli 2008, 22. August
2008, 29. August 2008, 19. September 2008, 26. September 2008, 9. Oktober
2008, 10. Oktober 2008, 31. Oktober 2008 - jeweils Freitage -) Korrekturbelege
fahrlässig unter Umgehung des Vorgesetzten an die Zeiterfassung versandt
habe. Der IT-erfahrene Soldat habe eingeräumt, den zuständigen Stellen nicht
gemeldet zu haben, dass das von ihm verwandte Musterformular nicht funktio-
niere.
19
20
21
- 10 -
4. Der Soldat hat gegen das ihm am 8. Dezember 2011 zugestellte Urteil am
6. Januar 2012 unbeschränkt Berufung einlegen lassen und in der Berufungs-
hauptverhandlung beantragt, das Urteil des Truppendienstgerichts dahingehend
zu ändern, dass eine von ihrer Art und Höhe mildere Disziplinarmaßnahme ver-
hängt wird.
Zum Anschuldigungspunkt 1 trägt er im Wesentlichen vor, ihm könne nicht vor-
geworfen werden, die ab Januar 2008 fehlerhafte Absenkung der wöchentlichen
Sollarbeitszeit um eine Stunde nicht gemeldet zu haben. Anders als vom Trup-
pendienstgericht angenommen und im Protokoll der Hauptverhandlung ver-
merkt, habe er nicht eingeräumt, die Meldung bewusst unterlassen zu haben.
Er habe den Fehler erst im November 2008 bemerkt als ein entsprechender
Vorwurf gegen ihn erhoben worden sei. Im Übrigen hätten auch die Vorgesetz-
ten den Fehler nicht bemerkt.
Beim Anschuldigungspunkt 2 sei allenfalls der Vorwurf begründet, er habe zeit-
gerecht melden müssen, dass die Verwendung des Formulars „Korrekturbele-
ge“ nicht funktioniere; dies sei jedoch nicht angeschuldigt worden.
Soweit das Truppendienstgericht es als erwiesen angesehen habe, dass er an
zehn Freitagen seine Dienststelle ohne Genehmigung des Dezernatsleiters vor
Ende der Kernarbeitszeit verlassen habe, stehe dem entgegen, dass es einer
solchen Genehmigung schon nicht bedurft hätte. Der Fachgruppenleiter, Fre-
gattenkapitän …, habe ihm nämlich gestattet, an der sogenannten „Fernfahrer-
regelung“ teilzunehmen. Deshalb habe er die Dienststelle ohne Einwilligung des
Dezernatsleiters ab 12:00 Uhr bzw. ab 1. April 2008 bereits ab 11:00 Uhr ver-
lassen dürfen. Dem Vorwurf, in acht Fällen die Korrekturbelege unter Umge-
hung seines Vorgesetzten direkt an die Zeiterfassung geleitet zu haben, stehe
entgegen, dass das entsprechende Formular fehlerhaft gewesen sei. Nachdem
er die erforderlichen Einträge vorgenommen habe, habe er auf „Absenden“ ge-
drückt und in der Statusleiste die Meldung „Mail wurde an fünf Empfänger ge-
sendet“ erhalten. Um welche Empfänger es sich dabei gehandelt habe, entzie-
he sich zwar seiner Kenntnis, er sei aber davon ausgegangen, dass dazu je-
denfalls auch der Vorgesetzte gehört habe.
22
23
24
- 11 -
Ihm müsse außerdem die ungewöhnlich lange Verfahrensdauer, die Beförde-
rungssperre, die Entziehung der Ermächtigung zum Umgang mit VS-Material
und die seit März 2009 unterwertige Verwendung beim … zugutegehalten wer-
den.
III
Die gemäß §§ 115 Abs. 1 Satz 1, 116 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 WDO form-
und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und zum Teil begründet. Der
Soldat hat die angeschuldigten Pflichtverletzungen nicht in dem vom Truppen-
dienstgericht angenommenen Umfang begangen. Soweit er sie nachweislich
begangen hat, gebot dies, gegen ihn ein mit einer Bezügekürzung verbundenes
Beförderungsverbot zu verhängen.
Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher
auf der Grundlage eines fehlerfrei durchgeführten Verfahrens (1.) und im Rah-
men der Anschuldigung (2.) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen
(3.), sie rechtlich zu würdigen, die sich daraus ergebenden Folgerungen zu zie-
hen (4.) und über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (5.). Da-
bei ist er an das Verschlechterungsverbot gebunden, weil lediglich der Soldat
das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 331 Abs. 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1
WDO). Da sich das Verschlechterungsverbot auf den Ausspruch über die Diszi-
plinarmaßnahme beschränkt, ist es dem Senat jedoch nicht verwehrt, bei deren
Bestimmung auch solche angeschuldigten Pflichtverletzungen zugrundezule-
gen, von denen der Soldat erstinstanzlich freigestellt worden ist.
1. Einer Sachentscheidung steht vorliegend kein Verfahrensmangel entgegen.
Zwar ist nicht aktenkundig dokumentiert, dass die nach § 27 Abs. 2 SBG einge-
holte Stellungnahme der Vertrauensperson dem Soldaten vor seiner Anhörung
gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO eröffnet worden ist, obwohl § 4 Satz 2 WDO
dies vorsieht. Die Eröffnung der Stellungnahme, die der Einleitungsbehörde als
Teil der Grundlage ihrer Entscheidung zugeleitet wird, soll dem Soldaten recht-
liches Gehör gewähren und ihm die Möglichkeit geben, auf Gesichtspunkte zu
25
26
27
28
- 12 -
verweisen, die für die Einleitungsbehörde bei der Entscheidung über das weite-
re Vorgehen maßgeblich sein können. Die Verletzung rechtlichen Gehörs in
diesem Verfahrensstadium ist auch ein schwerwiegender Verfahrensfehler, weil
§ 4 Satz 2 WDO keine bloße Ordnungsvorschrift ist. Sinn und Zweck der Rege-
lung wurden vorliegend jedoch dadurch erfüllt, dass die Vertrauensperson be-
reits zur zweiten Anhörung des Soldaten hinzugezogen wurde und deshalb da-
von auszugehen ist, dass der Soldat die Stellungnahme kannte. Dies zeigt sich
auch daran, dass der Verteidiger unter Verzicht auf weitere Anhörungen den
Vorwürfen wegen derer das Verfahren eingeleitet werden sollte, schriftsätzlich
entgegengetreten ist. Damit hat er zugleich Stellung zu der Befürwortung der
Verfahrenseinleitung durch die Vertrauensperson genommen. Es ist weder er-
sichtlich noch vorgetragen, was er weiter hätte vortragen können, wäre ihm die
auf die unbegründete Befürwortung der Einleitung des Verfahrens beschränkte
Stellungnahme der Vertrauensperson formal eröffnet worden. Vor diesem Hin-
tergrund hat der Soldat durch das Unterbleiben der Eröffnung keinen Nachteil
erlitten (vgl. Urteil vom 27. September 2012 - BVerwG 2 WD 22.11 - juris
Rn. 29 f.). Dem entspricht, dass auch der Verteidiger die unterbliebene förmli-
che Bekanntgabe der Stellungnahme der Vertrauensperson nicht gerügt hat.
2. Die Anschuldigungsschrift bedarf zum Umfang der Vorwürfe der Auslegung.
a) Gemäß § 123 Satz 3 WDO in Verbindung mit § 107 Abs. 1 WDO dürfen zum
Gegenstand der Urteilsfindung nur solche Pflichtverletzungen gemacht werden,
die in der Anschuldigungsschrift dem Soldaten als Dienstvergehen zur Last ge-
legt worden sind. Die Anschuldigungsschrift muss dabei gemäß § 99 Abs. 1
Satz 2 WDO die Tatsachen, in denen ein schuldhaftes Dienstvergehen erblickt
wird, und die Beweismittel geordnet darstellen. Der dem Soldaten gegenüber
erhobene Vorwurf muss in der Anschuldigungsschrift so deutlich und klar sein,
dass dieser sich mit seiner Verteidigung darauf einstellen kann. Bei Zweifeln
über Gegenstand und Umfang des in der Anschuldigungsschrift zur Last geleg-
ten Fehlverhaltens ist die Anschuldigungsschrift aus der Sicht des Empfängers,
wie sie bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist, auszulegen. Verblei-
ben insoweit Zweifel, fehlt es an einer Anschuldigung im Sinne des § 99 Abs. 1
WDO (vgl. Urteile vom 13. September 2011 - BVerwG 2 WD 15.10 - juris Rn. 24
29
30
- 13 -
und
vom 18. November 2010 - BVerwG 2 WD 25.09 - Rn. 19 ff.).
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze umfasst die Anschuldigung unter An-
schuldigungspunkt 1 - anders als vom Bundeswehrdisziplinaranwalt und vom
Truppendienstgericht angenommen - nicht auch den Vorwurf an den Soldaten,
die im Jahre 2008 (wieder) erfolgte Umstellung der Regelarbeitszeit von 41 auf
40 Stunden pflichtwidrig nicht gemeldet zu haben. Dem widerspricht der inso-
weit eindeutige Wortlaut der Anschuldigungsschrift. Sie beschränkt sich inso-
weit auf den Vorwurf an den Soldaten, den Wegfall der Voraussetzungen des
§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Arbeitszeitverordnung nicht gemeldet zu haben. Da
der Wegfall dieser Voraussetzung - die Vollendung des 12. Lebensjahres des
Kindes - denknotwendig nur einmal eintreten kann, ist auch nur das Unterlas-
sen dieser Meldung angeschuldigt. Nicht erfasst ist das Unterbleiben einer Mel-
dung einer irrigen Annahme des Vorliegens von Voraussetzungen einer erneu-
ten Wochenstundenzeitverringerung nach dem Wegfall der Voraussetzungen
von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AZV.
c) Darüber hinaus beinhaltet die Anschuldigungsschrift unter Punkt 2 auch nicht
- wie vom Bundeswehrdisziplinaranwalt angenommen - den Vorwurf, mit dem
angeschuldigten Verhalten zugleich gegen die auch einem Vorgesetzten ge-
genüber bestehende Pflicht zur Kameradschaft verstoßen zu haben. Dass der
Vorgesetzte durch das Verhalten des Soldaten in den Verdacht einer Beteili-
gung an dem Dienstvergehen durch unberechtigte Genehmigungen geraten
könnte, ist weder im Anschuldigungssatz noch im Ermittlungsergebnis der An-
schuldigungsschrift erwähnt.
3. Zur Überzeugung des Senats steht in tatsächlicher Hinsicht fest:
a) Von der unter Anschuldigungspunkt 1 angeschuldigten Pflichtverletzung ist
der Soldat in vollem Umfang freizustellen.
aa) Es ist nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Gewissheit auszu-
schließen, dass der Soldat - wie von ihm auch in der Berufungshauptverhand-
31
32
33
34
35
- 14 -
lung behauptet - nach Vollendung des zwölften Lebensjahres seiner Tochter
der S1-Leiste des Stabes Kommando … gemeldet hat, dass die Voraussetzung
für seine bislang auf 40 Stunden reduzierte Wochensollarbeitszeit entfallen ist.
Zwar konnte der Soldat einen Ausdruck der Mail, mit der er den Wegfall der
Voraussetzungen für eine reduzierte Wochenarbeitszeit gemeldet haben will,
nicht mehr vorlegen; den in die Berufungshauptverhandlung durch Verlesen
eingeführten Buchungsjournalen der Zeiterfassung für die allein noch dokumen-
tierten Monate November und Dezember 2007 ist jedoch eine erhöhte wöchent-
liche Sollarbeitszeit von 41 Stunden zu entnehmen. Sie lässt sich nachvollzieh-
bar nur mit der vom Soldaten behaupteten Meldung erklären. Dass die Mittei-
lung dann nicht unmittelbar an den Kommandeur erfolgt wäre, begründet im
Übrigen schon deshalb keine Pflichtverletzung, weil der Kommandeur - Kapitän
zur See A. - in der Berufungshauptverhandlung erneut bestätigt hat, nach der
von ihm nicht beanstandeten Verwaltungspraxis habe eine Meldung an die S1-
Abteilung ausgereicht.
bb) Ob der Soldat es im Jahre 2008 pflichtwidrig und schuldhaft unterlassen
hat, die seinerzeit - aus welchen Gründen auch immer - erfolgte Umstellung auf
eine wieder reduzierte Wochenarbeitszeit von 40 Wochenstunden zu melden,
braucht nicht aufgeklärt zu werden, weil ein solches Verhalten aus den unter
Ziffer 2b) dargelegten Gründen nicht angeschuldigt worden ist. Nachgegangen
zu werden braucht deshalb auch nicht dem Einwand des Soldaten, das Trup-
pendienstgericht habe seine darauf bezogenen Aussagen unzutreffend proto-
kolliert.
b) Hinsichtlich des unter Anschuldigungspunkt 2 in Absatz 1 angeschuldigten
Verhaltens, vom 11. Januar 2008 bis 6. November 2008 seiner Dienststelle oh-
ne Genehmigung eines Vorgesetzten und vor dem Ende der mit - durch Ver-
lesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführten - Kommandobefehl 1/06
(vom 28. Februar 2006) und 1/2008 (vom 19. März 2008) geregelten Kern-
arbeitszeit an 50 Tagen schuldhaft fern geblieben zu sein, stehen vorsätzliche
Pflichtverstöße nur für Freitag, den 29. Februar 2008, und Freitag, den 14. März
36
37
38
- 15 -
2008, fest; für die übrigen 48 Tage war der Soldat von einem solchen Vorwurf
freizustellen.
aa) Bezogen auf die Wochentage Montag bis Donnerstag ist nach dem Ergeb-
nis der Beweisaufnahme nicht auszuschließen, dass dem Soldaten - wie von
ihm in der Berufungshauptverhandlung erneut behauptet - von den zuständigen
Vorgesetzten jeweils die Genehmigung erteilt worden war, Sport zu treiben.
Ausweislich der in die Berufungshauptverhandlung durch Verlesen eingeführten
Aussage des Fregattenkapitäns …, der mit Ausnahme des Zeitraums Mai 2008
bis November 2008 (als Dezernatsleiter) Vorgesetzter des Soldaten war, hat er
dem Soldaten die Genehmigung erteilt, an den dafür regulär vorgesehenen Zei-
ten, nämlich Montagvormittag und Mittwochnachmittag, am Sport teilzunehmen.
Ferner hat er allerdings auch ausgesagt, er erinnere sich daran, dem Soldaten
darüber hinaus fünf Korrekturbelege für anders geartete Fälle unterzeichnet zu
haben, wobei er aber ausschließen könne und sich insoweit ganz sicher sei,
dass die Abmeldungen des Soldaten zum Sport Freitage betroffen hätten. Der
Senat hat keinen Anlass, an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Zeugenaussage
zu zweifeln, weil der Soldat in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt hat,
für Freitage keine Genehmigung eingeholt zu haben, zum Sport gehen zu dür-
fen.
Darüber hinaus hat der Zeuge Kapitänleutnant a. D. … in Übereinstimmung mit
seiner bereits vor dem Truppendienstgericht abgegebenen Aussage in der Be-
rufungshauptverhandlung ausgesagt, der Soldat habe sich bei ihm mehrfach
abgemeldet, dies zunächst zweimal, später regelmäßig dreimal pro Woche. Der
Zeuge Kapitänleutnant …, der wiederum Kapitänleutnant a. D. … seinerzeit
vertrat und für 3 - 4 Wochen Vertreterfunktionen wahrnahm, hat in der Beru-
fungshauptverhandlung ebenfalls nicht ausgeschlossen, dem Soldaten während
dieser Zeit die Genehmigung erteilt zu haben, am Sport teilzunehmen. Er hat in
der Berufungshauptverhandlung zwar ausgeführt, er könne sich nicht mehr da-
ran erinnern, dem Soldaten eine solche Genehmigung erteilt zu haben; dies
steht jedoch nicht in Widerspruch zu seiner zur angeschuldigten Pflichtverlet-
zung zeitlich näherliegenden erstinstanzlichen Aussage, er könne sich nicht
39
40
41
- 16 -
erinnern, aber eben auch nicht ausschließen, dass der Soldat ihn während der
Vertretungstätigkeit aufgesucht habe, um sich bei ihm als seinem nächsten
Vorgesetzten zum Sport abzumelden.
Angesichts dieser Aussagen konnte nicht mit der für eine Verurteilung des Sol-
daten erforderlichen Gewissheit das Vorliegen einer Genehmigung für die Wo-
chentage Montag bis Donnerstag ausgeschlossen werden. Zwar konnte keiner
der als Zeugen angehörten Vorgesetzten die erteilten Genehmigungen konkre-
ten, von der Anschuldigungsschrift genannten Tagen zuordnen. Außerdem
konnte kein Zeuge die Anzahl erteilter Genehmigungen bestimmen. Da sich
hiernach aber auch für keinen der in der Anschuldigungsschrift genannten Mon-
tage bis Donnerstage eine Genehmigung ausschließen lässt, geht der Senat
nach dem Zweifelsgrundsatz für jeden dieser Wochentage vom Vorliegen einer
Genehmigung aus.
bb) Anders stellt sich die Sachlage für die Freitage dar, an denen der Soldat
zusätzlich zum bereits regulär am Montag und Mittwoch ausgeübten Sport wäh-
rend der Kerndienstzeit erneut Sport getrieben und dafür nach eigener Aussage
in der Berufungshauptverhandlung deshalb keine Genehmigung eingeholt ha-
ben will, weil ihm der Zeuge Fregattenkapitän … bereits die Erlaubnis erteilt
habe, an der Fernfahrerregelung teilzunehmen.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Soldat am 29. Februar 2008
sowie am 14. März 2008 dem Dienst sowohl ohne Genehmigung (aaa) als auch
vor Ablauf der Kernarbeitszeit fern geblieben ist (bbb); dies geschah auch wis-
sentlich und willentlich (ccc).
aaa) Wie bereits unter b) aa)) dargelegt, besteht insbesondere wegen der damit
inhaltlich übereinstimmenden Aussage des Soldaten kein Anlass, an der Rich-
tigkeit der Aussage des Fregattenkapitäns … zu zweifeln, er habe dem Sol-
daten für Freitage keine Genehmigung erteilt, während der Kerndienstzeit Sport
zu treiben. Einer solchen Genehmigung hätte es aber gem. Ziffer 5.1, letzter
Absatz, des Sportkonzepts Kommando … (Stand: 1. März 2007) bedurft, wenn
ein Soldat - wie vorliegend - eine dritte Sportbetätigung in der Woche ausübt.
42
43
44
45
- 17 -
Anders als vom Soldaten behauptet, war die Sportausübung an Freitagen wäh-
rend der Kerndienstzeit auch nicht etwa deshalb genehmigt, weil ihm der Zeuge
Fregattenkapitän …, wie von diesem in der Berufungshauptverhandlung bestä-
tigt, mündlich gestattet hatte, die Fernpendlerregelung gemäß den Kommando-
befehlen 01/06 sowie 01/2008 in Verbindung mit der - ebenfalls durch Verlesen
in die Berufungshauptverhandlung eingeführten - Dienstzeitvereinbarung vom
14. März 2008 (in Kraft seit dem 15. März 2008) in Anspruch zu nehmen.
Gemäß Ziffer 2.2 des Kommandobefehls 01/06 bestand zunächst eine Kern-
dienstzeit von 09:00 bis 15:00 Uhr (Montag bis Donnerstag) bzw. 08:00 bis
13:30 Uhr (freitags); während dieser Zeit hatte jeder Kommandoangehörige
anwesend zu sein. Gemäß Ziffer 2.4 konnten Vorgesetzte jedoch für Wochen-
endpendler ab 150 km Entfernung zur Wohnung für freitags eine reduzierte
Mindestanwesenheit bis 12:00 Uhr zulassen. Mit Wirkung vom 19. März 2008
löste der Kommandobefehl 01/2008 in Umsetzung der vom Kommandeur mit
dem Personalrat geschlossenen (o.a.) Dienstzeitvereinbarung diese Regelung
ab. Die Regelungen zur Kernarbeitszeit wurden insoweit modifiziert, als nun-
mehr freitags eine (reduzierte) Mindestanwesenheit von 08:00 bis 12:00 Uhr
angeordnet wurde. Die Regelarbeitszeit wurde auf 07:00 bis 16:00 Uhr, freitags
auf 07:00 bis 13:30 Uhr festgesetzt. Für Wochenendpendler mit einer Entfer-
nung von mehr als 150 km zum Wohnort wurde für freitags ermöglicht, bei Ge-
nehmigung durch den zuständigen Vorgesetzten die Kernarbeitszeit auf 08:00
bis 11:00 Uhr zu reduzieren (Ziffern 3.3 und 3.9).
Die Fernpendlerregelung diente ausschließlich dem Zweck, jenen Soldaten, die
in größerer Entfernung zu ihrem Wohnort stationiert waren, am Freitag die Be-
endigung des Dienstes vor Ablauf der regulären Dienst(kern)arbeitszeit zu er-
möglichen, damit sie nicht wesentlich später als wohnungsnah stationierte Sol-
daten an ihrem Wohnort eintreffen und dadurch ein kürzeres Freizeitwochenen-
de haben würden. Unberührt ließ die Fernpendlergenehmigung folglich das
gemäß Ziffer 5.1 letzter Absatz des Sportkonzepts bestehende Genehmigungs-
erfordernis zur Ausübung einer dritten Sportbetätigung während der Dienstzeit,
weil diese Zeit dadurch dann als Dienstzeit angerechnet wurde. Dies war bei
46
47
48
- 18 -
der Inanspruchnahme einer (genehmigten) Fernpendlerregelung gerade nicht
der Fall. Ihre Inanspruchnahme führte nicht dazu, dass etwa die Fahrzeit zum
Wohnort als Dienstzeit angerechnet wurde wie auch der Zeuge Fregattenkapi-
tän … in der Berufungshauptverhandlung mit dem Hinweis unterstrichen hat,
die mit der Inanspruchnahme der Fernfahrerregelung entfallenen Dienststunden
hätten nachgearbeitet werden müssen. Die somit unterschiedliche Zweckset-
zung von Fernpendlergenehmigung und Sportgenehmigung wird auch nicht
dadurch infrage gestellt, dass dem Soldaten die Fernpendlergenehmigung er-
teilt worden war, obwohl die Voraussetzungen dafür angesichts des weit weni-
ger als 150 km von seinem Dienstort (W.) entfernt liegenden Wohnortes A. nicht
gegeben waren. Eine nachträgliche Genehmigung ist ebenso wenig erfolgt (da-
zu e)).
bbb) Auf der Grundlage der von der Zeugin B. erstellten, in die Berufungs-
hauptverhandlung eingeführten und von den Beteiligten auch in Augenschein
genommenen Auflistung vom 22. Januar 2009 steht des Weiteren fest, dass
sich der Soldat am 29. Februar 2008 bereits um 10:43 Uhr sowie am 14. März
2008 bereits um 10:23 Uhr - jeweils Freitage - am Terminal ausgebucht hat. Da
die Kernarbeitszeit nach dem Kommandobefehl 01/06 für Soldaten, die die
Fernpendlerregelung in Anspruch nahmen, bis zum 19. März 2008 erst um
12:00 Uhr endete, ist der Soldat damit vor Ablauf der Kernarbeitszeit gegangen
und hat insgesamt 174 Minuten (annähernd drei Stunden) zu wenig Dienst ge-
leistet.
Zwar liegen für diese beiden Freitage keine Ausbuchungsbelege oder Bu-
chungsjournale mehr vor; die Zeugin B. hat in der Berufungshauptverhandlung
jedoch versichert, die Liste mit den vom Terminal erfassten Ausbuchungen auf
der Grundlage des ihr seinerzeit noch möglichen Einblicks in die elektronische
Zeit- und Datenerfassung sowie der seinerzeit noch vorliegenden Informationen
gewissenhaft erstellt zu haben. An der Richtigkeit ihrer Angaben zu zweifeln,
besteht kein Anlass. Die Zeugin hat beim Senat einen glaubwürdigen Eindruck
hinterlassen, zumal sie keine Aussagen getroffen hat, wenn sie sich eines Um-
stands nicht sicher war, so etwa des Umstands ihrer Erkrankung im Jahre 2008.
Soweit der Soldat eingewandt hat, wegen ihrer Erkrankung habe es Unklarhei-
49
50
- 19 -
ten bei der Zeiterfassung gegeben, verliert die Auflistung dadurch nicht ihre
Tragfähigkeit. Der Zeuge Kapitän zur See … hat insoweit klargestellt, die durch
die krankheitsbedingte Abwesenheit der Zeugin und wegen einer weniger erfah-
renen Aushilfe aufgetretenen Probleme bei der Zeiterfassung hätten nicht die
Erfassung der Gehenszeiten berührt, sondern die Berechnung der Dienstzeiten
betroffen; dies sei später nachgeholt worden. Es seien keine Buchungen verlo-
ren gegangen. Dem entspricht Ziffer 1 der durch Verlesen in die Berufungs-
hauptverhandlung eingeführten Kommandomitteilung 22/08 vom 7. April 2008,
die auf die in einigen Fällen erforderliche Berichtigung bestimmter Buchungs-
journale hinweist und ausführt, ab dem 8. April 2008 würden die notwendigen
Berichtigungen erfolgen, ohne dass es dafür erforderlich sei, Korrekturbelege
einzureichen.
Für die sonstigen Freitage war der Auflistung der Zeugin B. demgegenüber kei-
ne Aussage über den Zeitpunkt der vom Terminal erfassten Gehenszeiten des
Soldaten zu entnehmen, sodass dem Senat insoweit keine belastbaren Unter-
lagen zur Verfügung standen, aus denen er ein Gehen des Soldaten vor Ablauf
der Kernarbeitszeit hätte ableiten können; insoweit war der Soldat freizustellen.
ccc) Der Soldat hat am 29. Februar 2008 und am 14. März 2008 auch mit Wis-
sen und Wollen gehandelt. Soweit er sich eingelassen hat, er habe angenom-
men, durch die Fernpendlergenehmigung berechtigt gewesen zu sein, am Frei-
tag auch vor Ablauf der für Wochenendpendler geltenden Kerndienstzeit gehen
zu dürfen, glaubt der Senat ihm nicht.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein entsprechender Irrtum, der bei einer
Nachfrage beim Vorgesetzten leicht hätte aufgeklärt werden können, nicht oh-
nehin einen den Vorsatz unberührt lassenden vermeidbaren Verbotsirrtum dar-
gestellt hätte (Urteil vom 13. September 2011 - BVerwG 2 WD 15.10 - Buchholz
450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 33 Rn. 34).
Der Soldat verfügt jedenfalls sowohl über eine jahrzehntelange Berufserfahrung
als auch - ausweislich seiner Beurteilungen - über gute geistige Fähigkeiten.
Daher glaubt der Senat ihm nicht, dass er tatsächlich der fernliegenden und
51
52
53
54
- 20 -
durch Nichts im Wortlaut des o.g. Kommandobefehls gestützten Auffassung
gewesen sein könnte, die Gestattung, freitags früher die Freizeit anzutreten,
erfasse die Genehmigung, freitags länger durch Sport Dienst zu tun. Zur Über-
zeugung des Senats steht auch auf der Grundlage des von dem Soldaten in der
Berufungshauptverhandlung gewonnenen Eindrucks fest, dass es ihm unter
dem Deckmantel der Fernpendlerregelung und unter Umgehung des Genehmi-
gungserfordernisses für die Sportausübung an Freitagen darum ging, die durch
eine zeitbeanspruchende Sportausübung bereits ohnehin erheblich reduzierte
aktive Arbeitszeit weiter zu reduzieren. Nicht nur die bereits in den Beurteilun-
gen erwähnte Neigung des Soldaten zur Bequemlichkeit spricht dafür, sondern
auch dessen Verhalten in der Berufungshauptverhandlung, in der er mehrfach
ausweichend betonte, die Anschuldigungen des Dienstherrn würden „so“ jeden-
falls nicht zutreffen. Vor diesem Hintergrund ist die Einlassung des Soldaten als
unglaubhafte Schutzbehauptung zu werten.
c) Von dem unter Anschuldigungspunkt 2 im 4. Absatz angeschuldigten Vor-
wurf, an 20 Tagen jeweils dienstags und donnerstags zwischen dem 22. April
und 6. November 2008 unter Verwendung der „Koffertaste“ ohne Genehmigung
oder Vorliegen eines dienstlichen Grundes sich vorsätzlich oder fahrlässig als
dienstlich abwesend ausgebucht zu haben, war der Soldat freizustellen. Wie
bereits unter b) aa) dargelegt, steht nicht mit der für eine Verurteilung erforderli-
chen Gewissheit fest, dass dem Soldaten an diesen Tagen keine Genehmigung
erteilt worden ist, während der Dienstzeit Sport auszuüben.
d) Hinsichtlich des unter Anschuldigungspunkt 2 Absätze 2 und 3 angeschuldig-
ten Verhaltens, für 30 dieser 50 Tage Korrekturbelege eingereicht zu haben, in
denen die tatsächliche Gehenszeit wahrheitswidrig angegeben war, und dabei
in sieben Fällen wahrheitswidrig einen Dienstgang angegeben zu haben, steht
zur Überzeugung des Senats die Berechtigung des Vorwurfs für den 22. August
2008, den 29. August 2008, den 19. September 2008, den 26. September 2008,
den 10. Oktober 2008 und den 31. Oktober 2008, mithin für 6 Tage, fest.
aa) Eine tragfähige Feststellung konnte zur Überzeugung des Senats nur auf
der Grundlage noch aktenkundig dokumentierter Korrekturbelege erfolgen, die
55
56
57
- 21 -
vom Soldaten selbst herrührten. Dies war nur bei den durch Verlesen in die Be-
rufungshauptverhandlung eingeführten Korrekturbelegen für den 25. Juli 2008,
den 22. August 2008, den 29. August 2008, den 19. September 2008, den
26. September 2008, den 9. Oktober 2008, den 10. Oktober 2008, den 30. Ok-
tober 2008 und den 31. Oktober 2008 der Fall.
Von den neun noch existenten Korrekturbelegen schied der Korrekturbeleg für
den 25. Juli 2008 aus, weil die Kommens- und Gehenszeit nach dem Bu-
chungsjournal (1. Juli - 31. Juli 2008) jeweils mit 6:29 Uhr ausgewiesen war.
Dies deutete stark auf einen technischen Defekt hin, der auch dem Korrekturbe-
leg seine Aussagekraft nahm. Auszuscheiden hatten fernerhin die Korrekturbe-
lege für den 9. und den 30. Oktober 2008, weil für diese Donnerstage nach den
unter b) aa) getroffenen Feststellungen des Senats nicht auszuschließen war,
dass eine Genehmigung vorgelegen hatte. Der 30. Oktober 2008 hatte zudem
auch deshalb unberücksichtigt zu bleiben, weil der Zeuge Oberfeldwebel d. R.
… die Aussage des Soldaten bestätigt hat, mit dem Zeugen zusammen an die-
sem Donnerstag den so genannten Seemannssonntag begangen zu haben und
dann wieder zum Dienst gegangen zu sein. Wegen der Vorwürfe, für die Kor-
rekturbelege gar nicht vorlagen, war der Soldat freizustellen.
bb) Hinsichtlich des 22. August 2008, des 29. August 2008, des 19. September
2008, des 26. September 2008, des 10. Oktober 2008 und des 31. Oktober
2008, bei denen es sich sämtlich um Freitage handelt, steht zur Überzeugung
des Senats fest, dass der Soldat den Dienst am 22. August 2008 nicht - wie im
Korrekturbeleg angegeben - um 14.35 Uhr, am 29. August 2008 nicht - wie im
Korrekturbeleg angegeben - um 14:35 Uhr, am 19. September 2008 nicht - wie
im Korrekturbeleg angegeben - um 14:40 Uhr, am 26. September 2008 nicht -
wie im Korrekturbeleg angegeben - um 14:30 Uhr, am 10. Oktober 2008 nicht -
wie im Korrekturbeleg angegeben - um 14:35 Uhr und am 31. Oktober 2008
nicht – wie im Korrekturbeleg angegeben - um 14:40 Uhr wegen eines Dienst-
ganges beendet hat, sondern bereits früher.
Dies folgt bereits aus den eigenen Einlassungen des Soldaten. Er selbst hat
ausgesagt, an Freitagen vermeintlich im Hinblick auf die von Fregattenkapitän
58
59
60
- 22 -
… erteilte Pendlergenehmigung ohne vorherige Genehmigung durch den Vor-
gesetzten (Dezernatsleiter … oder dessen Vertreter) während seiner Dienstzeit
Sport ausgeübt zu haben. Die von ihm in den o.g. Korrekturbelegen angegebe-
nen Zeiten, zu denen sein Dienst sein Ende gefunden haben soll, schließen
deshalb Zeiträume ein, in denen er Sport ausgeübt hat. Da dies jedoch - wie
unter b) bb) aaa) dargelegt - ohne Genehmigung des Vorgesetzten geschah,
lag auch nicht der vom Soldaten in den Belegen als Grund für eine Korrektur
angegebene Dienstgang vor, der ein Hinausschieben des Arbeitszeitendes um
den Zeitraum der Sportausübung zur Folge gehabt hätte. Die Angabe in den
Korrekturbelegen, einen „Dienstgang (ohne Rückkehr an den Arbeitsplatz)“ vor-
genommen zu haben, war daher objektiv wahrheitswidrig und hatte zur Folge,
dass dem Soldaten - zusätzlich zu den Zeiten unerlaubter Abwesenheit gemäß
Anschuldigungspunkt 2, 1. Absatz, - eine zwar nicht mehr genau bezifferbare
Anzahl, jedoch jedenfalls mehrere Stunden als Dienstzeit gutgeschrieben wur-
den.
cc) Aus den bereits im Zusammenhang mit dem Anschuldigungspunkt 2 unter
b) bb) ccc) dargelegten Gründen steht zur Überzeugung des Senats auch hier
fest, dass der Soldat willentlich und wissentlich unwahre Angaben getätigt hat,
um auf dem Wege einer durch eine ungenehmigte Sportausübung erhöhten
Wochenarbeitszeit mehr Freizeit zu erzielen.
e) Hinsichtlich des unter Anschuldigungspunkt 2 Absätze 2 und 3 weiterhin an-
geschuldigten Verhaltens, wahrheitswidrige Korrekturbelege für sieben Tage
zum „Zwecke der Verschleierung seiner unerlaubten Abwesenheit“ unter Um-
gehung des Vorgesetzten sowie entgegen des Kommandobefehls 1/2008 ein-
gereicht zu haben, steht zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls fest, dass der
Vorwurf für die sechs erwähnten Freitage berechtigt ist. Dies schließt auch die
Annahme aus, die Sportausübung sei an diesen Freitagen durch den zuständi-
gen Vorgesetzten jedenfalls nachträglich genehmigt worden (vgl. oben b) bb)
aaa)).
aa) Dass die wahrheitswidrig einen Dienstgang ausweisenden sechs Korrektur-
belege vom Soldaten tatsächlich am vorgesetzten Dezernatsleiter vorbei der
61
62
63
- 23 -
S1-Leiste des Kommandos … übermittelt worden sind, hat der Soldat nicht in
Abrede gestellt. Er hat sich lediglich dahingehend eingelassen, irrtümlich von
einer Übermittlung auch an seinen Vorgesetzten ausgegangen zu sein, nach-
dem er das Korrekturformular zunächst an sich selbst übersandt und dann unter
Verwendung des - für den Vorgesetzten vorgesehenen - Buttons weitergeleitet
habe.
bb) Zur Überzeugung des Senats steht hingegen fest, dass der Soldat wissent-
lich und willentlich den Vorgesetzten übergangen hat. Seine Einlassung, er sei
irrtümlich von einer Übersendung der elektronisch übermittelten Korrekturmittei-
lungen auch an seinen Vorgesetzten ausgegangen, ist eine Schutzbehauptung.
Für jeden auch nur durchschnittlich IT-erfahrenen und intelligenten Benutzer ist
nach dem Aufbau des in der Berufungshauptverhandlung in Augenschein ge-
nommenen und in die Berufungshauptverhandlung eingeführten (elektroni-
schen) Meldeformulars einsichtig, dass bei der Betätigung eines gerade für den
Vorgesetzten zur Bestätigung einer - von einem Untergebenen angezeigten -
Dienstzeitkorrektur vorgesehenen Buttons keine Übermittlung an den Vorge-
setzten (mehr) erfolgt. Es wäre widersinnig, den Vorgesetzten über einen von
ihm selbst veranlassten Umstand in Kenntnis zu setzen. Dies erkannt zu haben,
liegt beim Soldaten schon deshalb auf der Hand, weil sein Arbeitsumfeld durch
IT-Technik geprägt war, auch wenn er den Senat Glauben machen wollte, in-
soweit eher unbedarft zu sein. Dem entspricht, dass auch der Zeuge Kapitän
zur See … in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt hat, der Soldat müsse
aufgrund seines Werdeganges über IT-Sachkunde verfügen. Der Zeuge Fregat-
tenkapitän … hat darüber hinaus in der Berufungshauptverhandlung erklärt, die
IT Kenntnisse des Soldaten seien überdurchschnittlich. Darüber hinaus ist dem
Korrekturbeleg vom 23. Oktober 2008 zu entnehmen, dass der Soldat durchaus
in der Lage war, Korrekturbelege auf direktem Wege an - wenn auch nur zeit-
weilige - Vorgesetzte - wie an den Kapitänleutnant a.D. … - zu übermitteln. Hin-
zu trat schließlich, dass sowohl dieser Zeuge als auch der Zeuge Kapitänleut-
nant … ausgesagt haben, weder sie noch nach ihrem Wissensstand andere
Kameraden hätten mit dem Versenden der elektronischen Korrekturbelege Pro-
bleme gehabt. Insbesondere der Zeuge Kapitänleutnant … hat in der Beru-
64
65
- 24 -
fungshauptverhandlung ausgesagt, die vom Soldaten behaupteten Probleme
seien für ihn nicht nachvollziehbar.
4. Der Soldat hat durch die festgestellten Verhaltensweisen gemäß § 23 Abs. 1
SG vorsätzlich ein Dienstvergehen begangen.
a) Er hat gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG schuldhaft versto-
ßen, indem er wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich, den Dienst ohne
Genehmigung vor Ablauf der Kernarbeitszeit beendete. Die Pflicht zum treuen
Dienen ist von zentraler Bedeutung und beinhaltet die Pflicht zur Anwesenheit
und gewissenhafter Dienstleistung. Ihre Verletzung berührt nicht nur die Ein-
satzbereitschaft der Truppe, sondern erschüttert auch die Grundlagen des
Dienstverhältnisses selbst (Urteil vom 17. Januar 2013 - BVerwG 2 WD 25.11 -
juris Rn. 35 m.w.N.).
Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht begründet
zudem einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, wenn dem festgestellten
Verhalten - wie vorliegend ebenfalls vorsätzlich - unabhängig von den anderen
Pflichtverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Dies ist
schon dann der Fall, wenn er Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder die
Eignung des Soldaten für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Dabei
kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrau-
enswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestell-
te Verhalten dazu geeignet war (Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD
20.09 - juris Rn. 27 m.w.N.).
b) Durch das wissentliche und willentliche Übermitteln von sechs elektronischen
Korrekturbelegen, in denen bewusst wahrheitswidrig Dienstgänge angegeben
wurden, um dadurch unberechtigt Dienstzeit gutgeschrieben zu bekommen,
verstieß der Soldat vorsätzlich gegen die Wahrheitspflicht nach § 13 Abs. 1 SG.
Die Verpflichtung, die Wahrheit zu „sagen“, ist nicht auf mündliche Äußerungen
oder bestimmte Übermittlungsformen oder Medien begrenzt, sondern schließt
nach seinem Sinngehalt und nach dem Regelungszweck der Vorschrift auch
Kommunikationsformen und Information ein, die vom Soldaten über elektroni-
66
67
68
69
- 25 -
sche Medien erfolgen (Urteil vom 4. September 2009 - 2 WD 17.08 - BVerwGE
134, 379 = Buchholz 450.2 § 13 WDO 2002 Nr. 1 jeweils Rn. 69).
Mit diesem Verstoß ging ebenfalls ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 17 Abs. 2
Satz 1 SG einher.
c) Der Soldat hat schließlich gegen die Pflicht zum Gehorsam nach § 11 Abs. 1
Satz 1 SG dadurch verstoßen, dass er die elektronischen Korrekturmitteilungen
wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich, unter Umgehung des Vorgesetz-
ten an die S1 Leiste übermittelt hat. Ein Verstoß gegen diese soldatische Kern-
pflicht (Urteil vom 22. August 2007 - BVerwG 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181
= Buchholz 449 § 11 SG Nr. 2 jeweils Rn. 71) liegt vor, weil der Kommandeur
mit Kommandobefehl 1/2008 die wirkungsgleiche Umsetzung der Dienstverein-
barung zwischen dem Kommando … und dem Personalrat („über die gleitende
Arbeitszeit und die automatisierte Zeiterfassung für die Arbeitnehmerin-
nen/nehmer und Beamtinnen/Beamten“) vom 14. März 2008 angewiesen und
damit einen Befehl erteilt hat (vgl. § 2 Nr. 2 WStG). Dies schloss die (dienstver-
tragliche) Regelung (gemäß Ziffer 5.4 Satz 2) für die Kommandoangehörigen
ein, einen Korrekturbeleg dem Systembediener bzw. Zeiterfasser über den Vor-
gesetzten zuleiten zu müssen.
Auch damit ging ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG einher.
5. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs
wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen.
Diese besteht darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb
wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten (Urteil vom 11. Juni 2008
- BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23).
a) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbin-
dung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und
seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Füh-
rung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
70
71
72
73
74
- 26 -
aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Un-
rechtsgehalt der Verfehlung. Danach wiegt das Dienstvergehen des Soldaten
nicht leicht. Sowohl die innerhalb des Kanons soldatischer Pflichten besonders
betonte Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) als auch die Pflicht, überhaupt zur
Dienstleistung präsent zu sein (§ 7 SG) und Gehorsam zu leisten (§ 11 SG),
zählen zu den soldatische Kernpflichten, sodass Verstöße gegen sie von be-
sonderem Eigengewicht sind. Ein Soldat, der gegenüber Vorgesetzten und
Dienststellen der Bundeswehr in dienstlichen Angelegenheiten unwahre Erklä-
rungen abgibt, büßt hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein. Die Bedeu-
tung der Wahrheitspflicht kommt schon darin zum Ausdruck, dass diese - an-
ders als z.B. bei Beamten - für Soldaten in § 13 Abs. 1 SG ausdrücklich gere-
gelt ist. Eine militärische Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden,
wenn sich die Führung und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgege-
bener Meldungen, Erklärungen und Aussagen Untergebener verlassen können.
Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst recht im Einsatzfall ge-
gebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden. Wer als
Soldat in dienstlichen Äußerungen und Erklärungen vorsätzlich unrichtige An-
gaben macht, lässt unmissverständlich erkennen, dass seine Bereitschaft zur
Erfüllung der Wahrheitspflicht nicht im gebotenen Umfang vorhanden ist. Eine
solche Dienstpflichtverletzung und die daraus folgende Beschädigung seiner
persönlichen Integrität haben erhebliche Bedeutung für die militärische Ver-
wendungsfähigkeit des Soldaten (Urteil vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 2 WD
33.11 -), weil sie einen erheblichen Persönlichkeitsmangel offenbaren (Urteil
vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 6
Rn. 46). Dies gilt auch dann, wenn sich die Bedeutung der Urkunde ausschließ-
lich auf den dienstinternen Bereich bezieht, wie dies bei einer Korrekturmeldung
zur Dienstzeit der Fall ist. Im Hinblick auf die sich daraus ergebenden Konse-
quenzen für die Grundpflicht zur Dienstleistung kommt derartigen Urkunden, auf
deren Echtheit der Vorgesetzte mangels eigener Kontrollmöglichkeit vertrauen
muss, eine auch für den Soldaten erkennbare erhebliche Bedeutung zu (zu
Krankenmeldescheinen: Urteil vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris
Rn. 43). Hinzu tritt die Vorgesetzteneigenschaft des Soldaten gemäß § 10 SG.
75
76
- 27 -
bb) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen, weil es den Dienst-
herrn seinerzeit veranlasst hat, den Soldaten aus seiner bisherigen Verwen-
dung zu nehmen. Darüber hinaus schädigte der Soldat den Dienstherrn da-
durch, dass er Bezüge erhielt ohne dafür die dienstliche Gegenleistung in vol-
lem Umfang zu erbringen. Dass es durch das Verhalten des Soldaten ange-
sichts des - nach seiner Aussage - seinerzeit überschaubaren Arbeitsanfalls in
dem Dezernat darüber hinaus auch zu einer konkreten Beeinträchtigung dienst-
licher Interessen gekommen wäre, ist indes nicht ersichtlich. Die ideellen Aus-
wirkungen innerhalb der Einheit blieben zudem überschaubar, da nach der
durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführten erstinstanzli-
chen Aussage des Kapitäns zur See … im … jedenfalls die Hintergründe des
gegen den Soldaten anhängigen Disziplinarverfahrens nicht bekannt geworden
sind.
cc) Das Maß der Schuld wird dadurch bestimmt, dass der Soldat vorsätzlich
gehandelt hat.
Milderungsgründe sowohl in der Person als auch in den Umständen der Tat
liegen nicht vor. Der Soldat kann sich namentlich nicht erfolgreich auf ein
schuldmilderndes Mitverschulden von Dienstvorgesetzten berufen. Auch wenn
die tendenziell großzügige Handhabung der Genehmigung zur Sportausübung
während der Dienstzeit - der Soldat hat ausgesagt, zum Teil an jedem Wochen-
tag Sport ausgeübt zu haben - bei dem Soldaten den Eindruck begünstigt ha-
ben mag, er erfülle bereits damit seine Dienstpflichten, befand er sich nicht in
einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen von Vorgesetzten
erforderlich gemacht hätte (Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 -
juris Rn. 37). Zudem korrespondiert mit dem Vorteil der Berechtigung, die Lage
der Dienstzeit in erheblichem Umfang selbst bestimmen zu dürfen, ein höheres
Maß an persönlicher Verantwortung, was gleichzeitig eine Berufung auf das
dienstaufsichtliche Versagen von Vorgesetzten begrenzt (Urteil vom 4. Sep-
tember 2009 - BVerwG 2 WD 17.08 - Buchholz 450.2 § 13 WDO 2002 Nr. 1
Rn. 103). Hinzu tritt, dass die Angehörigen des Kommandos in der Komman-
domitteilung 99/08 vom 9. Dezember 2008 (unter 6.) ausdrücklich darauf hin-
77
78
- 28 -
gewiesen worden waren, das absichtliche Erzeugen falscher Zeiterfassungs-
daten begründe ein schweres Dienstvergehen.
dd) Der Soldat handelte in der Absicht, auf Kosten der Dienstzeit zusätzlich
Freizeit zu erlangen, und somit eigennützig.
ee) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien Persönlichkeit und bisherige Füh-
rung sind die nach der aktuellen Beurteilungslage weiterhin nur durchschnittli-
chen Leistungen des Soldaten in den Blick zu nehmen, welche deshalb auch
keinen Milderungsgrund begründen können (Urteil vom 12. Juli 2012 - BVerwG
2 WD 31.11 - juris Rn. 31). Darüber hinaus hat der Senat nach dem in der Beru-
fungshauptverhandlung vom Soldaten gewonnenen Eindruck festgestellt, dass
dieser weder die disziplinarische Relevanz seines Handelns noch die Schwere
der Pflichtverletzungen erkannt hat oder sie gar bereut. Mehrfach hat er durch
die Aussage, „so“ wie in der Anschuldigungsschrift vorgeworfen habe er nicht
gehandelt, zu erkennen gegeben, dass nicht schon das disziplinargerichtliche
Verfahren als solches bei ihm pflichtenmahnende Wirkung gezeitigt hat.
b) Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in
seiner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema
aus:
aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbe-
handlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen
Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Disziplinarmaßnahme für die in Re-
de stehende Fallgruppe eine Regelmaßnahme als „Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen“.
Soweit der Soldat den Dienst vor Ablauf der Kernarbeitszeit ohne Genehmigung
beendet und damit nicht in vollem Umfang Dienst geleistet hat, bildet nicht wie
in den sonstigen Fällen eines kürzeren unerlaubten Fernbleibens vom Dienst
Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Herabsetzung im Dienst-
grad. Jedenfalls bei einem wiederholten, im Gesamtumfang aber nur mehrere
Stunden und weniger als einen Arbeitstag dauernden unerlaubtem Fernbleiben
79
80
81
82
83
- 29 -
vom Dienst - wie hier - bildet ein Beförderungsverbot (§ 58 Abs. 1 Nr. 2 WDO
i.V.m. § 60 Abs. 1 WDO) den Ausgangspunkt. Dies gilt für die erheblich schwe-
rer ins Gewicht fallenden Verstöße gegen die soldatische Wahrheitspflicht (vgl.
Urteil vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 43) nur deshalb glei-
chermaßen, weil dem Soldaten zwar in sechs Fällen ein Verstoß nachzuweisen
war, der dadurch erlangte Vorteil sich zeitlich ebenfalls jedoch im Stundenbe-
reich bewegte. Diese Faktoren führen auch dazu, dass innerhalb des Spek-
trums der bei Verstößen gegen die Gehorsamspflicht regelmäßig zum Aus-
gangspunkt der Zumessungserwägung zunehmenden Disziplinarmaßnahmen
(Gehaltskürzung, Beförderungsverbot oder Herabsetzung im Dienstgrad, vgl.
Urteil vom 13. März 2008 - BVerwG 2 WD 6.07 - juris Rn. 113) den Ausgangs-
punkt der Zumessungserwägung ebenfalls noch ein Beförderungsverbot bildet.
bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1
WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdiszi-
plinarrechts Umstände vorliegen, die im Fall des Soldaten eine Milderung ge-
genüber dem in Ansatz gebrachten Beförderungsverbot verlangen (Urteil vom
14. April 2011 - BVerwG 2 WD 7.10 - juris Rn. 15 m.w.N.).
Dabei ist vor allem hinsichtlich der „Eigenart und Schwere“ sowie der „Auswir-
kungen“ des Dienstvergehens zu klären, ob die regelmäßig zu verhängende
Disziplinarmaßnahme zu modifizieren ist. Für die „Eigenart und Schwere des
Dienstvergehens“ kann z. B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausge-
hobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt versagt hat oder in einem
besonders wichtigen Pflichtenbereich. Bei den „Auswirkungen“ des Fehlverhal-
tens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb (insbesondere die weitere
Verwendbarkeit des Soldaten, Rückwirkungen auf Vorgesetzte oder Unterge-
bene, negative personalwirtschaftliche Konsequenzen) sowie schädliche Weite-
rungen für das Außenbild der Bundeswehr zu berücksichtigen. Hinsichtlich des
Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ ist neben der Schuldform (Vorsatz,
Fahrlässigkeit) und der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB analog) das Vorliegen
von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen bei der end-
gültigen Bestimmung der Disziplinarmaßnahme in Betracht zu ziehen.
84
85
- 30 -
Angesichts der mehrfachen sowie vorsätzlichen und bei uneingeschränkter
Schuldfähigkeit begangenen Verstöße gegen zentrale soldatische Pflichten, oh-
ne dass dafür Milderungsgründe in der Person oder den Umständen der Tat
vorliegen, besteht demnach kein Grund, vom Ausgangspunkt der Zumessungs-
erwägungen abzuweichen. Diese Umstände sowie die fehlende Einsicht des
Soldaten sowohl in die disziplinarische Verfehlung als auch deren Schwere ver-
langen eine nachhaltige Pflichtenmahnung für den Zeitraum von drei Jahren
(§ 60 Abs. 2 Satz 1 WDO). Daran vermag auch die im Vergleich zu anderen
gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht übermäßig lange Dauer, die Entziehung
der Ermächtigung zum Umgang mit VS-Material und - wie der Soldat behaup-
tet - die seit März 2009 unterwertige Verwendung beim … nichts zu ändern.
Zum einen handelt es sich teilweise um Folgen des Dienstvergehens, die in der
Sphäre des Soldaten selbst liegen; zum anderen ist es dem Soldaten freige-
stellt und er darauf zu verweisen, in einem anderen gerichtlichen Verfahren klä-
ren zu lassen, ob er tatsächlich unterwertig beschäftigt wird.
c) Soweit der Soldat vorträgt, bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme
müsse das schon bislang faktisch bestehende Beförderungsverbot mildernd mit
einfließen, verkennt er, dass es sich bislang nicht ausgewirkt hat. Ausweislich
der Beurteilungen hat der Soldat seine individuelle Laufbahnperspektive bereits
seit Jahren erreicht. Da sich das zu verhängende Beförderungsverbot deshalb
auch zukünftig auf seinen weiteren dienstlichen Werdegang nicht auswirken
wird, war daneben gemäß § 58 Abs. 4 Satz 2, Halbs. 1 WDO eine Kürzung der
Dienstbezüge (§ 59 WDO) auszusprechen. Dabei geboten die bereits im Zu-
sammenhang mit der Bestimmung der Dauer des Beförderungsverbots heran-
gezogenen Umstände unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse
des Soldaten eine Kürzung der Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer von
ebenfalls drei Jahren.
3. Da das Rechtsmittel des Soldaten Erfolg hatte, waren dem Bund die Kosten
des Berufungsverfahrens gemäß § 139 Abs. 1 Satz 1 WDO ebenso aufzuerle-
gen wie die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen. Die erst-
instanzliche Kostenentscheidung war wegen der über die vom Truppendienst-
86
87
88
- 31 -
gericht hinausgehenden Freistellungen im Rechtsmittelverfahren zugunsten des
Soldaten gem. § 138 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 WDO anzupassen.
Dr. von Heimburg
Dr. Burmeister
Dr. Eppelt