Urteil des BVerwG vom 20.11.2009

Beförderung, Ernennung, Ermessen, Mitbewerber

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 VR 3.09
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. November 2009
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper als Berichterstatter
gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Ver-
fahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das
Verfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt
haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1
VwGO einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2
VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach-
und Streitstands zu entscheiden. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten
des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil der Antrag des An-
tragstellers voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.
Der durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu
sichernde Bewerbungsverfahrensanspruch dient dem Ziel, im Konkurrenten-
streitverfahren die Besetzung der angestrebten Stelle durch Ernennung oder
Beförderung des Konkurrenten zu verhindern, weil Ernennung oder Beförde-
rung nur nach der eingeschränkten Maßgabe der Vorschriften des Beamten-
rechts rückgängig gemacht werden können. Eine Ernennung oder Beförderung
führt daher, auch wenn sie gegen den Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG)
verstößt, in der Regel zur Erledigung des Konkurrentenrechtsstreits; war die
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Auswahlentscheidung rechtswidrig, bleibt der übergangene Bewerber regelmä-
ßig auf den Schadensersatzanspruch verwiesen.
Diese Folgen einer fehlerhaften Besetzungsentscheidung müssen allerdings
dann nicht eintreten, wenn der ausgeschriebene Dienstposten - wie hier - nicht
im Wege der Beförderung, sondern im Wege der Umsetzung besetzt werden
soll. Zwar hat sich der Dienstherr durch die Ausschreibung auf ein Besetzungs-
verfahren festgelegt, in welchem der Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG
uneingeschränkt gilt. Wird die ausgeschriebene Stelle unter Verletzung dieses
Grundsatzes aber nicht durch Beförderung, sondern durch Umsetzung besetzt,
bleibt es dem Dienstherrn möglich, die Besetzungsentscheidung durch aberma-
lige Umsetzung rückgängig zu machen. In diesem Falle führt die fehlerhafte
Besetzung des ausgeschriebenen Dienstpostens nicht zur Erledigung des Kon-
kurrentenrechtsstreits.
Gleichwohl ist auch in einem solchen Falle ein Rechtsschutzbedürfnis für die
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes anzuerkennen. Denn wenn - wie
hier - Bewerber sowohl im Wege der Beförderung als auch im Wege der Um-
setzung um einen freien Dienstposten konkurrieren, kann die Art des Rechts-
schutzes nicht davon abhängen, ob der jeweils ausgewählte Bewerber noch im
Anschluss an ein Hauptverfahren von seinem Posten entfernt werden könnte
oder ob die Entscheidung endgültig ist. Der Bewerbungsverfahrensanspruch
des übergangenen Bewerbers richtet sich weniger gegen den ausgewählten
Konkurrenten als vielmehr darauf, den ausgeschriebenen Dienstposten frei zu
halten. Dieses im Mittelpunkt des Konkurrentenstreits stehende Interesse ist
auch dann noch gegeben, wenn der Dienstposten im Wege einer Umsetzung
besetzt worden ist, die notfalls - wenn auch möglicherweise nicht immer oder
nur unter Schwierigkeiten - rückgängig gemacht werden kann. Deshalb ist in
beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren die normalerweise dem
Hauptverfahren vorbehaltene Frage der Rechtmäßigkeit der Stellenbesetzung
regelmäßig bereits im Verfahren der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
zu klären. Hinzu kommt, dass der ausgewählte Bewerber auf dem Dienstposten
einen Erfahrungsvorsprung gewinnt, der mit der Länge des Hauptverfahrens
zunimmt und ihm auch dann verbleibt, wenn sich im späteren Hauptverfahren
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die zu seinen Gunsten getroffene Personalentscheidung als rechtswidrig erwei-
sen sollte. Ohne diesen möglicherweise rechtswidrigen Erfahrungsvorsprung
könnte der unterlegene Bewerber in einem späteren Verfahren rügen, der Mit-
bewerber habe bis zur Auswahlentscheidung keine Führungsposition besetzt
(vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/04 -
ZBR 2008, 164). Da sich dienstliche Beurteilungen auf den tatsächlich wahrge-
nommenen Dienstposten unter Berücksichtigung der sich aus dem abstrakt-
funktionellen Amt ergebenden Anforderungen beziehen müssen, können die auf
dem Dienstposten gezeigten Leistungen in einer zutreffenden dienstlichen
Beurteilung wohl nicht ausgeblendet werden (offengelassen im Kammerbe-
schluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Oktober 2007 - 2 BvR
1846/07 - ZBR 2008, 162 und im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
23. Juni 2005 - 2 BvR 221/05 - ZBR 2006, 165 <166>). Denn die dienstliche
Beurteilung muss den im Beurteilungszeitraum tatsächlich vorhandenen Leis-
tungsstand des Beamten bewerten (vgl. Urteile vom 17. April 1986
- Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 8 S. 15, vom 13. November 1997 -
- Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 17 S. 4 und vom 18. Juli 2001
- BVerwG 2 C 41.00 - Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 22).
Die Entscheidung über die Kosten des Beigeladenen beruht auf § 162 Abs. 3
VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 2 GKG.
Groepper
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