Urteil des BVerwG vom 27.10.2011

Zulage, Unterbrechung, Krankheit, Verordnung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 73.10
OVG 5 LC 450/08
Verkündet
am 27. Oktober 2011
Stowasser
Obersekretär
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski und
Dr. von der Weiden
für Recht erkannt:
Die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsge-
richts vom 9. November 2010 und des Verwaltungsge-
richts Osnabrück vom 10. September 2008 sowie der Be-
scheid der Beklagten vom 22. Mai 2006 in der Gestalt ih-
res Widerspruchsbescheides vom 21. September 2006
werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem
Kläger für November und Dezember 2005 den Differenz-
betrag zur Wechselschichtzulage in Höhe von monatlich
jeweils 20,45 € zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger ist Kriminaloberkommissar im Dienst des Landes Niedersachsen. Er
ist im Polizeikommissariat B. im Wechselschichtdienst tätig und erhält regelmä-
ßig die Wechselschichtzulage, die neben der Polizeizulage nur anteilig, im Jahr
2005 in Höhe von 50 %, gewährt wird.
Für die Monate November und Dezember 2005 zahlte die Beklagte dem Kläger
nur 50 % der Schichtzulage (30,68 € monatlich) an Stelle von 50 % der Wech-
selschichtzulage (51,13 € monatlich), weil er wegen Erholungsurlaubs, Teil-
nahme an einer Fortbildungsveranstaltung und Krankheit im jeweiligen Berech-
nungszeitraum nicht das Nachtschichtpensum absolviert hatte, das für die Ge-
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währung der Wechselschichtzulage erforderlich ist. Der Kläger macht geltend,
die im Schichtplan vorgesehenen, aber aus den genannten Gründen ausgefal-
lenen Nachtschichten müssten bei der Berechnung des Pensums berücksichtigt
werden. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. In dem Be-
rufungsurteil heißt es im Wesentlichen:
Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 EZulV erhielten die ständig im Wechselschichtdienst
eingesetzten Beamten die monatlich zu zahlende Wechselschichtzulage, wenn
sie in einem Zeitraum von zehn Wochen vor dem Ende des jeweiligen Monats
mindestens 80 Dienststunden in der Nachtschicht geleistet hätten. Der Begriff
des Leistens sei eindeutig; er schließe die Berücksichtigung von Abwesenheits-
zeiten aus. Daher blieben Nachtschichten, in denen der Beamte den nach dem
Schichtplan vorgesehenen Dienst nicht verrichtet habe, außer Betracht, auch
wenn sie wegen einer Unterbrechung im Sinne des § 19 Abs. 1 EZulV wie Er-
holungsurlaub, Krankheit oder Fortbildung ausgefallen seien.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er beantragt,
die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsge-
richts vom 9. November 2010 und des Verwaltungsge-
richts Osnabrück vom 10. September 2008 sowie der Be-
scheid der Beklagten vom 22. Mai 2006 in der Gestalt ih-
res Widerspruchsbescheides vom 21. September 2006
werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem
Kläger für November und Dezember 2005 den Differenz-
betrag zur Wechselschichtzulage in Höhe von monatlich
jeweils 20,45 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses trägt vor, das Bundesministerium des In-
nern teile die Rechtsauffassung des Klägers.
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II
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil des Oberverwal-
tungsgerichts verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), nämlich
gegen § 20 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 der Erschwerniszulagenverordnung
- EZulV - in der hier anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 3. De-
zember 1998 (BGBl I S. 3497), geändert durch Art. 3 Nr. 9 Buchst. a der Ver-
ordnung vom 8. August 2002 (BGBl I S. 3177). Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 4 Satz 1, § 19 Abs. 1 EZulV stehen dem Kläger auch für November und
Dezember 2005 jeweils 50 % der Wechselschichtzulage zu.
Im hier maßgebenden Jahr 2005 galt die aufgrund von § 47 Satz 1 BBesG er-
lassene Erschwerniszulagenverordnung noch unmittelbar für die Beamten der
Länder. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das ge-
samte Beamtenbesoldungsrecht nach Art. 74a Abs. 1 GG wurde durch das Ge-
setz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl S. 2034) mit
Wirkung zum 1. September 2006 abgeschafft. Seitdem gilt das Besoldungs-
recht des Bundes für die Beamten der Länder nach Maßgabe des Art. 125a
Abs. 1 GG vorläufig fort, bis es durch Landesrecht ersetzt wird.
1. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 EZulV ist der Anspruch eines Beamten auf die Ge-
währung der monatlich zu zahlenden Wechselschichtzulage von 102,26 € an
zwei Voraussetzungen geknüpft: Zum einen muss der Beamte ständig im
Wechselschichtdienst eingesetzt sein. Zum anderen muss er in je fünf Wochen
durchschnittlich mindestens 40 Dienststunden in der dienstplanmäßigen oder
betriebsüblichen Nachtschicht leisten. Nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EZulV in der
2005 geltenden Fassung waren nur 50 % der Zulage zu zahlen, wenn für den-
selben Zeitraum Anspruch auf die Stellenzulage nach Nr. 9 der Vorbemerkun-
gen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B des Bundesbesoldungsge-
setzes (Polizeizulage) bestand. Der Kläger hat diese Kürzung nicht in Frage
gestellt, vielmehr seinen Klageantrag darauf beschränkt, die Beklagte zur Zah-
lung von 50 % der Wechselschichtzulage zu verpflichten.
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Nach der Begriffsbestimmung des Satzes 1 des § 20 Abs. 1 EZulV sind Wech-
selschichten wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag
und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Die im Schicht-
plan vorgesehenen Schichten mit unterschiedlichem Dienstbeginn und Dienst-
ende (Früh-, Spät- und Nachtschicht) müssen „rund um die Uhr“ jeden Tag oh-
ne zeitliche Unterbrechung abdecken. Der Beamte wird im Wechselschicht-
dienst eingesetzt, wenn er seinen Dienst regelmäßig, d.h. nicht bedarfsorien-
tiert, nach den Vorgaben des Schichtplans abwechselnd in den verschiedenen
Schichten verrichtet. Seine Dienstzeiten müssen sich regelmäßig ändern. Eine
gleichgewichtige Heranziehung zu den verschiedenen Schichten ist nicht erfor-
derlich.
Die in § 20 Abs. 1 Satz 1 EZulV zur Bestimmung des erforderlichen Nacht-
schichtpensums gebrauchte Formulierung „in je fünf Wochen durchschnittlich
mindestens 40 Dienststunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen
Nachtschicht“ ist nach der Rechtsprechung des Senats dahingehend zu verste-
hen, dass der ständig im Wechselschichtdienst eingesetzte Beamte in einem
Berechnungszeitraum von zehn Wochen mindestens 80 Nachtschichtstunden
aufweisen muss (Urteil vom 11. Dezember 1997 - BVerwG 2 C 36.96 -
Buchholz 240.1 BBesO Nr. 19 S. 27). Eine Nachtschicht liegt vor, wenn die
Schicht überwiegend in die Zeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr fällt (vgl. Leihkauff,
in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Bd. I,
Stand: Juli 2011, A IV/6.1, § 20 EZulV Rn. 8).
Endpunkt dieses Berechnungszeitraums ist der letzte Tag des Monats, für den
die Wechselschichtzulage gewährt werden soll. Die zehn Wochen vor diesem
Tag bilden den zeitlichen Rahmen für die Berechnung des erforderlichen
Nachtschichtpensums. Daher erwirbt ein Beamter mit Beginn des ständiges
Einsatzes im Wechselschichtdienst (§ 18 Abs. 1 EZulV) den Anspruch auf die
Wechselschichtzulage für den jeweiligen Monat, wenn ihm in den zehn Wochen
vor dem Monatsende mindestens 80 Nachtschichtstunden gutzuschreiben sind.
Da dieser zurückliegende Zeitraum für die beiden ersten Monate des ständigen
Einsatzes im Wechselschichtdienst für eine Berechnung nicht zur Verfügung
steht, muss das Nachtschichtpensum, das der Beamte in diesen Monaten ab-
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solviert hat, auf zehn Wochen hochgerechnet werden. Erreicht der Beamte den
nach § 20 Abs. 1 Satz 1 EZulV erforderlichen Nachtschichtanteil im Berech-
nungszeitraum nicht, kommt für den jeweiligen Monat die Gewährung einer
niedrigeren Schichtzulage nach § 20 Abs. 2 EZulV in Betracht.
Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der ständig im
Wechselschichtdienst eingesetzte Kläger in den zehn Wochen vor dem 30. No-
vember und dem 31. Dezember 2005 jeweils weniger als 80 Stunden in der
Nachtschicht Dienst getan. Dies ist darauf zurückzuführen, dass er wegen Er-
holungsurlaubs, Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung und Krankheit
gehindert war, in den Berechnungszeiträumen alle im Schichtplan vorgesehe-
nen Nachtschichten zu absolvieren.
2. Dennoch steht dem Kläger für November und Dezember 2005 jeweils ein
Anspruch auf Zahlung von 50 % der Wechselschichtzulage zu, weil die ausge-
fallenen Nachtschichten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 EZulV in die Berech-
nung des Nachtschichtpensums nach § 20 Abs. 1 Satz 1 EZulV einfließen.
Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Kläger bei Be-
rücksichtigung der Abwesenheitszeiten die Grenze von 80 Nachtschichtstunden
in den zehn Wochen, die dem 30. November und dem 31. Dezember 2005 vo-
rausgegangen sind, jeweils überschritten.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 EZulV wird die Zulage bei einer Unterbrechung der
zulageberechtigenden Tätigkeit unter anderem weitergewährt im Falle eines
Erholungsurlaubs (Nr. 1), einer Erkrankung (Nr. 3) oder einer Teilnahme an
Fortbildungsveranstaltungen (Nr. 5), soweit in den §§ 20 bis 26 nichts anderes
bestimmt ist. Nach Satz 2 wird die Zulage in den Fällen der Nummern 2 bis 6
nur bis zum Ende des Monats weiter gewährt, der auf den Eintritt der Unterbre-
chung folgt.
Die in Satz 1 gebrauchte Formulierung, die Zulage werde bei einer Unterbre-
chung „weitergewährt“, kann nur im Sinne von Weiterzahlen verstanden wer-
den. Ansonsten käme der Unterbrechungsregelung des § 19 Abs. 1 EZulV ne-
ben den einzelnen Zulagetatbeständen der §§ 20 bis 26 EZulV keine Bedeu-
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tung zu. Diese Regelung soll verhindern, dass das berechtigte Fernbleiben vom
Dienst aus einem der in § 19 Abs. 1 Satz 1 EZulV genannten Gründe Nachteile
für die Gewährung der Zulage zur Folge hat. Der Beamte soll die Zulage trotz
der Unterbrechung der dienstlichen Tätigkeit erhalten. Diesem Verschlechte-
rungsverbot kann nur Rechnung getragen werden, wenn er in Bezug auf die
Zulage so gestellt wird, als habe er während der Unterbrechungszeiten Dienst
geleistet. Diese Zeiten müssen in den Grenzen des § 19 Abs. 1 Satz 2 EZulV
wie absolvierte Dienstzeiten behandelt werden.
Nach dem Wortlaut des Satzes 1 gilt dies nicht, wenn in den Zulagetatbe-
ständen der §§ 20 bis 26 EZulV etwas anderes bestimmt ist. Eine derartige an-
dere Bestimmung ist nur anzunehmen, wenn ein Zulagetatbestand die Geltung
des § 19 EZulV ausdrücklich, d.h. unter Verweis oder Bezugnahme auf diese
Vorschrift, ausschließt (vgl. auch Leihkauff, a.a.O. § 20 EZulV Rn. 26.3). Dieses
restriktive Begriffsverständnis mit der Folge eines grundsätzlich umfassenden
Geltungsanspruchs des § 19 EZulV für alle Erschwerniszulagen der §§ 20
bis 26 EZulV ergibt sich aus der systematischen Stellung und dem Regelungs-
gehalt des § 19 EZulV, der Ausschlussregelung des § 22a Abs. 3 Satz 3 EZulV
sowie aus Zweck und Zielsetzung der §§ 20 bis 26 EZulV.
Die Bedeutung des § 19 Abs. 1 EZulV als allgemeine Regelung des 3. Ab-
schnitts der Verordnung wird aus der Stellung am Beginn dieses Abschnitts und
aus ihrem Regelungsgehalt deutlich. Die Vorschrift ist den Zulagetatbeständen
des 3. Abschnitts (§§ 20 bis 26 EZulV) vorangestellt. Diese Erschwerniszulagen
sind unabhängig von den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen Regelungs-
gegenstand des § 19 Abs. 1 EZulV. Die Vorschrift bezieht sich inhaltlich auf die
nachfolgenden Zulagetatbestände der §§ 20 bis 26 EZulV, indem sie sie um
eine Regelung für Zeiten der Unterbrechung der zulageberechtigenden dienstli-
chen Tätigkeit ergänzt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass § 19 EZulV für die
anderen, nicht im 3. Abschnitt aufgeführten Erschwerniszulagen nicht gilt.
Der umfassende Geltungsanspruch des § 19 Abs. 1 EZulV für die Zulagetatbe-
stände der §§ 20 bis 26 EZulV wird durch § 22a Abs. 3 Satz 3 EZulV belegt.
Danach findet § 19 EZulV auf die Erschwerniszulage für Polizeivollzugsbeamte
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als fliegendes Personal keine Anwendung. Daraus kann geschlossen werden,
dass es einer ausdrücklichen Anordnung bedarf, um die Anwendung des § 19
EZulV auf einen Zulagetatbestand auszuschließen.
Hierfür sprechen auch Zweck und Zielsetzung der Erschwerniszulagen der
§§ 20 bis 26 EZulV. Diese Zulagen werden in festen Monatsbeträgen gezahlt,
weil sie Erschwernisse im Sinne des § 47 Satz 1 BBesG pauschal abgelten, die
nach der Einschätzung des Verordnungsgebers bei der dienstlichen Tätigkeit
typischerweise wiederkehrend auftreten (BRDrucks 187/98 S. 19; vgl. Leihkauff,
a.a.O. § 19 EZulV, Rn. 1). Ihre Gewährung hängt von der Wahrnehmung eines
bestimmten Dienstpostens, d.h. von den Aufgaben des Amtes des Beamten im
konkret-funktionellen Sinne, ab. Der Dienstposten muss entweder durch Aufga-
ben, deren Erfüllung typischerweise mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten
oder Härten verbunden ist, oder durch besonders schwierige Arbeitsbedingun-
gen gekennzeichnet sein.
Dieser Anknüpfung an den Dienstposten entspricht, dass die von den Er-
schwerniszulagen des 3. Abschnitts abgegoltenen dienstlichen Belastungen
typischerweise im Lauf der Zeit zunehmen und dauerhaft auftreten. So tragen
die Schichtzulagen nach § 20 Abs. 1 und 2 EZulV den gesundheitlichen und
sozialen Auswirkungen des Schichtdienstes Rechnung. Der regelmäßige
Wechsel der Arbeitszeiten zwingt zu einer permanenten Umstellung des Le-
bensrhythmus, die insbesondere beim Wechselschichtdienst mit erheblichen
Nachtschichtanteilen erfahrungsgemäß zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen
führt und sich besonders nachteilig auf die Lebensgestaltung auswirkt. Es kann
als gesicherte arbeitsmedizinische Erkenntnis gelten, dass eine Anpassung
oder Gewöhnung an den unregelmäßigen Lebensrhythmus nicht vollständig
möglich ist und regelmäßige Nachtarbeit typischerweise vegetative Störungen,
Krankheiten der Kreislauforgane sowie Schlafstörungen zur Folge hat (Urteile
vom 25. Januar 2007 - BVerwG 2 C 28.05 - Buchholz 237.8 § 208 RhPLBG
Nr. 1 Rn. 39 und vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 12.08 - Buchholz 240 § 47
BBesG Nr. 11 Rn. 8).
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Mit dem Zweck der Erschwerniszulagen des 3. Abschnitts als Abgeltung dauer-
haft auftretender dienstlicher Belastungen lässt sich nicht vereinbaren, die Zu-
lagen wegen einer Unterbrechung im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 EZulV vorü-
bergehend nicht zu zahlen. Diese regelmäßig kurzzeitigen Unterbrechungen
sind nicht geeignet, die dauerhaften Belastungen der Dienstausübung zu besei-
tigen oder spürbar zu vermindern. Dies gilt in besonderem Maß für die typi-
schen Belastungen des ständigen Wechselschichtdienstes. Sie wirken sich bei
Beamten, die diesen Dienst ständig leisten, auch dann aus, wenn sie das erfor-
derliche Nachtschichtpensum wegen Unterbrechungen des Dienstes in einzel-
nen Berechnungszeiträumen nicht absolvieren (so auch BAG, Urteil vom
24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - NZA 2010, 958 Rn. 32
ständige Wechselschichtarbeit>). Längeren Unterbrechungen trägt die zeitliche
Grenze des § 19 Abs. 1 Satz 2 EZulV für die Weitergewährung der Zulage
Rechnung.
Die Erschwerniszulagen der §§ 20 bis 26 EZulV sind nach Zweck und Zielset-
zung den Stellenzulagen im Sinne des § 42 Abs.1 Satz 1 BBesG vergleichbar.
Für Stellenzulagen ist anerkannt, dass die Verknüpfung mit einem Dienstposten
mit herausgehobenen Funktionen ihre Zahlung rechtfertigt, solange der Beamte
diesen Dienstposten innehat. Die Zulagen werden bei rechtlich anerkannten
Unterbrechungen der dienstlichen Tätigkeit, etwa wegen Erholungsurlaubs,
Krankheit oder Fortbildung, weitergezahlt, ohne dass dies einer normativen Re-
gelung bedarf (Urteile vom 6. April 1989 - BVerwG 2 C 10.87 - Buchholz 240.1
BBesO Nr. 3 S. 8 f., vom 18. April 1991 - BVerwG 2 C 31.90 - Buchholz 240.1
BBesO Nr. 4 S. 11 und vom 24. August 1995 - BVerwG 2 C 1.95 - Buchholz
240.1 BBesO Nr. 16 S. 15 f.).
Nach alledem kann aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 EZulV, wonach
die Beamten die Wechselschichtzulage erhalten, wenn sie das erforderliche
Nachtschichtpensum leisten, nicht geschlossen werden, § 19 Abs. 1 EZulV fin-
de auf die Gewährung der Wechselschichtzulage keine Anwendung. Der Begriff
des Leistens schließt die Weitergewährung dieser Zulage in Fällen von Unter-
brechungen der dienstlichen Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 EZulV
nicht aus. Da die Anwendung dieser allgemeinen Regelung in § 20 EZulV nicht
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ausdrücklich ausgeschlossen ist, ergänzt sie aufgrund ihres umfassenden Gel-
tungsanspruchs für die Erschwerniszulagen des 3. Abschnitts der Verordnung
auch den Tatbestand der Wechselschichtzulage. Daher werden Dienstzeiten in
dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschichten, die ein Beamter aus
den in § 19 Abs. 1 EZulV genannten Gründen versäumt, für die Berechnung
des erforderlichen Nachtschichtpensums einbezogen, als hätte der Beamte
Dienst verrichtet.
Nichts anderes folgt aus der Normierung verschiedener Schichtzulagen mit un-
terschiedlich hohen Monatsbeträgen nach § 20 Abs. 1 und 2 EZulV. Diese Ab-
stufungen tragen dem unterschiedlichen Ausmaß der dauerhaften Belastungen
Rechnung, die bei ständigem Dienst in den verschiedenen Schichtsystemen
typischerweise zu erwarten sind. Es sind keine normativen Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass für die Schichtzulagen ein anderes Regelungskonzept gelten
soll als für die übrigen Zulagen nach §§ 20 bis 26 EZulV. Daher ergänzt § 19
Abs. 1 EZulV jeden Schichtzulagentatbestand, indem er Unterbrechungszeiten
den Zeiten der Dienstleistung gleichstellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Herbert Dr. Heitz Thomsen
Dr. Maidowski Dr. von der Weiden
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Sachgebiet: BVerwGE: nein
Beamtenbesoldungsrecht Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BBesG
§§ 42, 47
EZulV
§§19, 20 Abs. 1, 2 und 4, § 22a Abs. 3
Stichworte:
Erschwerniszulagen; Wechselschichtzulage; Wechselschichten; Schichtplan;
Nachtschichtpensum; Berechnungszeitraum für das Nachtschichtpensum; pau-
schale Abgeltung dienstlicher Erschwernisse; gesundheitliche und soziale Fol-
gen des ständigen Wechselschichtdienstes; Stellenzulagen; Berücksichtigung
von Unterbrechungszeiten; Erholungsurlaub; Krankheit; Fortbildung.
Leitsatz:
Nachtschichten, die der Beamte aus den in § 19 Abs. 1 Satz 1 EZulV genann-
ten Gründen (Erholungsurlaub, Krankheit oder Fortbildung) nicht absolviert hat,
sind bei der Berechnung des Nachtschichtpensums, das nach § 20 Abs. 1
Satz 1 EZulV für die Gewährung der Wechselschichtzulage erforderlich ist, in
dem zeitlichen Rahmen des § 19 Abs. 1 Satz 2 EZulV wie Dienstzeiten zu be-
rücksichtigen.
Urteil des 2. Senats vom 27. Oktober 2011 - BVerwG 2 C 73.10
I. VG Osnabrück vom 10.09.2008 - VG 3 A 203/06 -
II. OVG Lüneburg
vom 09.11.2010 - OVG 5 LC 450/08 -