Urteil des BVerwG vom 21.09.2010

Verpflegung, Begriff, Unentgeltlichkeit, Rechtsquelle

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 54.09
VGH 14 B 08.583
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. September 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski und Dr. Hartung
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayeri-
schen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juli 2009 wird zu-
rückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger befand sich vom 15. bis zum 20. Januar 2006 auf einer dienstlichen
Fortbildung. Dort erhielt er von Amts wegen unentgeltlich Essen und morgens
und abends auch Getränke, so dass die Beklagte im Rahmen der Reisekos-
tenerstattung das Tagegeld gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 BRKG kürzte. Wider-
spruch und Klage blieben erfolglos. Im Streit steht nur noch die Kürzung (in
Höhe von 38,40 €) für das unentgeltliche Mittagessen an vier Tagen (17. bis
einschließlich 20. Januar 2006), weil dieses kein Getränk enthielt. Insoweit hat
das Berufungsgericht dem Begehren stattgegeben, weil es sich bei einem Mit-
tagessen ohne ein Getränk nicht um eine vollwertige Mahlzeit handele.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Revision und beantragt sinngemäß,
soweit der Rechtsstreit noch anhängig ist, das Urteil des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juli 2009
aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Ur-
teil des Verwaltungsgerichts München vom 8. Februar
2007 zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101
Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung
entscheiden kann, ist unbegründet. Zutreffend hat das Berufungsgericht die
Beklagte verpflichtet, dem Kläger das Trennungstagegeld ohne Kürzung um die
Pauschale für das Mittagessen zu zahlen.
Gemhaben Dienstreisende als Ersatz von Mehr-
aufwendungen für Verpflegung Anspruch auf Tagegeld. Erhalten Dienstreisen-
de ihres Amtes wegen unentgeltliche Verpflegung, wird das Tagegeld gemäß
§ 6 Abs. 2 Satz 1 BRKG gekürzt, und zwar, soweit ein Mittagessen gereicht
wird, um 40 Prozent des Tagegelds für einen vollen Kalendertag, das gemäß
i.V
24 € beträgt. § 6 Abs. 2 Satz 3 BRKG bestimmt weiter, dass dies auch dann
gilt, wenn der Dienstreisende die Verpflegung ohne triftigen Grund nicht in An-
spruch nimmt. Schließlich kann nach § 6 Abs. 2 Satz 4 BRKG die oberste
Dienstbehörde in besonderen Fällen niedrigere Einbehaltungssätze zulassen.
Die damit in diesen Vorschriften vom Gesetzgeber vorgenommene Pauschalie-
rung der erstattungsfähigen Mehraufwendungen für Verpflegung soll die
gleichmäßige und verwaltungsmäßig einfachste Behandlung der Dienstreisen
sicherstellen, nicht zuletzt aber auch die zu erstattenden Aufwendungen im In-
teresse eines sparsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln auf das sachlich not-
wendige und der dienstlichen Stellung des Dienstreisenden angemessene Maß
beschränken (vgl. Urteile vom 21. Januar 1982 - BVerwG 6 A 1.81 - BVerwGE
64, 343 = Buchholz 238.90 Reise- und Umzugskosten Nr. 89 und vom 6. Sep-
tember 1990 - BVerwG 6 C 42.88 - Buchholz 263 LReisekostenR Nr. 3). Die
Pauschale ist so berechnet, dass sie in der Regel ausreicht, diejenigen Mehr-
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aufwendungen abzugelten, die üblicherweise bei einer Dienstreise im Zusam-
menhang mit der Verpflegung entstehen.
Der Begriff der „Unentgeltlichkeit“ ist eindeutig. Er ist nur erfüllt, wenn der
Dienstreisende für seine Verpflegung kein Entgelt zu entrichten hat. Die Bereit-
stellung besonders preisgünstiger Verpflegung erfüllt den Begriff der Unentgelt-
lichkeit ebenso wenig wie die Bereitstellung eines Mittagessens ohne ein Ge-
tränk. Nach der Systematik der Vorschrift bezieht sich die Unentgeltlichkeit auf
den Begriff der „Verpflegung“. Es kommt daher darauf an, dass dem Dienstrei-
senden für seine Verpflegung oder für Teilelemente derselben (Frühstück, Mit-
tagessen, Abendessen) schlechterdings keine Aufwendungen entstehen. Zwar
könnte der Begriff „Mittagessen“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch
ein enges Normverständnis ermöglichen das ein Getränk nicht notwendig ein-
schließt. Jedoch geht der maßgebliche Begriff der „Verpflegung“ nach der Ver-
kehrsanschauung über dieses enge Verständnis hinaus und erfasst die Versor-
gung mit allem zum Leben Notwendigen. Hierzu gehört nach allgemeinkundigen
ernährungsphysiologischen Erkenntnissen auch eine ausreichende Flüs-
sigkeitszufuhr durch Getränke. Die Pauschale soll alles, was zur Erhaltung von
Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beamten notwendig ist, und damit auch
eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr abdecken.
Dementsprechend konkretisiert § 6 Abs. 2 Satz 1 BRKG den Begriff der „Ver-
pflegung“ durch einen Verweis auf die Hauptmahlzeiten Frühstück, Mittag- und
Abendessen. Bei unentgeltlicher Verpflegung werden nach dieser Vorschrift von
dem zustehenden Tagegeld für die einzelnen Hauptmahlzeiten pauschal
entsprechende Prozentzahlen (für das Frühstück 20 Prozent und für das Mittag-
und Abendessen je 40 Prozent des Tagegeldes für einen vollen Kalendertag)
gekürzt, so dass - ist die Gesamtverpflegung am Tag unentgeltlich - der
Anspruch auf das Tagegeld erlischt. Seine Kürzung um den auf das „Mittages-
sen“ entfallenden Anteil setzt wie ausgeführt voraus, dass auch ein unentgeltli-
ches Getränk gereicht wird.
Auch der Grundsatz des § 3 Abs. 1 Satz 1 BRKG, wonach der Dienstreisende
Anspruch auf Reisekostenvergütung zur Abgeltung der dienstlich veranlassten
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Mehraufwendungen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dieser Grund-
satz wird nach Maßgabe der Regelungen über die Gewährung pauschaler Rei-
sekostenvergütung dahin modifiziert, dass es insoweit auf die konkreten Mehr-
aufwendungen nicht ankommt und der Dienstreisende unter Umständen einen
gewissen Überschuss erzielen kann. Es ginge nicht an, das ausgewogene Ver-
hältnis des Reisekostenrechtes zwischen pauschalem und konkretem Aufwen-
dungsersatz zu durchbrechen und hier nur deshalb auf eine entsprechende
Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 1 BRKG zurückzugreifen, weil im Falle des
Klägers dessen Aufwendungen für die Mittagsverpflegung hinter dem pauscha-
len Tagegeldsatz erheblich zurückbleiben.
Dies folgt auch aus der Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 BRKG. Nach dieser
Vorschrift erhalten Dienstreisende, denen erfahrungsgemäß geringere Aufwen-
dungen für Verpflegung (oder Unterkunft) als allgemein üblich entstehen, nach
näherer Bestimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr ermächtigten
Behörde anstelle der Reisekostenvergütung für die notwendigen Mehrauslagen
eine entsprechende Aufwandsvergütung. Zweck der Vorschrift des § 9 Abs. 1
BRKG ist es, dem allgemeinen Grundsatz (§ 3 Abs. 2 BRKG) Geltung zu ver-
schaffen, nur die für die Dienstreise notwendigen Mehraufwendungen zu erset-
zen (Urteile vom 24. März 1977 - BVerwG 2 C 54.73 - Buchholz 238.90 Reise-
und Umzugskosten Nr.69 und vom 4. Juni 1980 - BVerwG 6 C 45.78 - juris).
Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist vorliegend aber allein bereits des-
halb nicht eröffnet, weil eine solche Bestimmung einer Aufwandsvergütung
durch die oberste Dienstbehörde nicht erfolgt ist.
Schließlich kann nach § 9 Abs. 2 BRKG die oberste Dienstbehörde oder die von
ihr ermächtigte Behörde für regelmäßige oder gleichartige Dienstreisen anstelle
der Reisekostenvergütung oder einzelner ihrer Bestandteile eine
Pauschvergütung gewähren, die nach dem Durchschnitt der in einem bestimm-
ten Zeitraum sonst anfallenden Reisekostenvergütungen zu bemessen ist. Ob
die Voraussetzungen dieser Vorschrift eröffnet sind, kann dahinstehen, weil
einer Umdeutung bereits § 47 Abs. 3 VwVfG entgegenstünde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Herbert
Thomsen
Dr. Maidowski
Dr. Hartung
Dr. Eppelt
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren (gemäß § 47
Abs. 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG) auf 38,40 € festgesetzt.
Herbert
Thomsen
Dr. Eppelt
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Beamtenrecht
Fachpresse: ja
Reisekostenrecht
Rechtsquelle:
BRKG
§ 6, § 3, § 9
Stichworte:
Reisekosten; Verpflegung; Mittagessen; unentgeltlich; Dienstreise; Mehrauf-
wand; Essen und Trinken; Getränk; Tagegeld.
Leitsatz:
Der Begriff der Verpflegung in § 6 BRKG umfasst Essen und Trinken.
Zu einem unentgeltlichen Mittagessen im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BRKG
gehört ein Getränk.
Urteil des 2. Senats vom 21. September 2010 - BVerwG 2 C 54.09
I. VG München
vom 08.02.2007 - VG M 17 K 06.1580 -
II. VGH München vom 02.07.2009 - VGH 14 B 08.583 -