Urteil des BVerwG vom 25.09.2003

Bemessungsgrundlage, Ruhegehalt, Dienstzeit, Erwerbseinkommen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 53.02
Verkündet
OVG 3 L 95/01
am 25. September 2003
Schütz
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , Dr. K u g e l e , G
r o e p p e r und Dr. B a y e r
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-
Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Oktober 2002
wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger war Regierungsdirektor und wurde mit Ablauf
des 31. Dezember 1994 nach § 1 des Gesetzes zur Anpassung der Zahl von Beam-
ten im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung an die Verringerung
der Streitkräfte (Bundeswehrbeamtenanpassungsgesetz - BwBAnpG) in den Ruhe-
stand versetzt. Bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge ermittelte die Beklagte
eine ruhegehaltfähige Dienstzeit des Klägers von 43 Jahren und 94 Tagen ein-
schließlich der Erhöhungszeit nach § 2 Abs. 1 BwBAnpG. Hieraus errechnete sie
einen Ruhegehaltssatz von 75 v.H.
Nach seiner Zurruhesetzung erzielte der Kläger aus einer Tätigkeit als Rechtsanwalt
im Jahre 1998 ein Einkommen von 79 067 DM. Mit dem angefochtenen Bescheid
vom 28. Dezember 1999 forderte die Beklagte in Anwendung der Ruhensregelung
des § 53 a BeamtVG a.F. 13 259,79 DM als im Jahre 1998 zuviel gezahlte Versor-
gungsbezüge zurück. Sie führte aus: Wenn die Erhöhung der ruhegehaltfähigen
Dienstzeit nach § 2 Abs. 1 BwBAnpG nicht berücksichtigt werde, ergebe sich nach
§ 53 a BeamtVG a.F. ein Ruhegehaltssatz von 63,32 v.H. als Ausgangsgröße für die
Berechnung des "fiktiven Ruhegehalts" als unterer Bemessungsgrundlage. Die Diffe-
renz zum Ruhegehalt des Klägers, das sich vor Anwendung von Ruhens-, Kürzungs-
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und Anrechnungsvorschriften ergibt, belaufe sich demnach auf einen Betrag in Höhe
von 11,68 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Klägers. Die danach ruhen-
den, aber bereits ausgezahlten Versorgungsbezüge müsse der Kläger zurückzahlen.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt: Ebenso wie die obere errechne sich
auch die untere Bemessungsgrundlage im Sinne des § 53 a BeamtVG a.F. in An-
wendung des § 85 BeamtVG. Die danach erforderliche Vergleichsberechnung erge-
be als höheren und damit maßgebenden Ruhegehaltssatz den nach § 85 Abs. 1
BeamtVG ermittelten Satz. Er betrage 74 v.H. Der Sozialbestandteil belaufe sich folg-
lich auf 1 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Berufungsgericht zugelassene Revisi-
on eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom
4. Oktober 2002 und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom
15. Mai 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht tritt der Revisi-
on bei.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zutref-
fend die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Kläger ist nicht verpflichtet,
einen Teil der Versorgungsbezüge für das Jahr 1998 zurückzuzahlen. Eine Anrech-
nung des in diesem Jahr erzielten Erwerbseinkommens ist ausgeschlossen, weil die
Erhöhung des Ruhegehalts gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Anpassung der Zahl
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von Beamten im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung an die Ver-
ringerung der Streitkräfte (Bundeswehrbeamtenanpassungsgesetz - BwBAnpG) vom
20. Dezember 1991 (BGBl I S. 2378) die Anwendung des § 53 a des Gesetzes über
die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversor-
gungsgesetz - BeamtVG) in der vom 1. Oktober 1994 bis zum 31. Dezember 1998
geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenver-
sorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungs-
rechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG 1993) vom 20. September 1994 (BGBl I
S. 2442) im Jahre 1998 nicht ermöglichte. Nach dieser Vorschrift wurde das Er-
werbseinkommen eines Beamten aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit außerhalb
des öffentlichen Dienstes auf das Ruhegehalt bis zur Höhe des Betrages angerech-
net, um den das Ruhegehalt, das sich vor Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und
Anrechnungsvorschriften ergibt, den Betrag überschreitet, der sich als Ruhegehalt
ergäbe, wenn im Einzelnen genannte, eine Ruhegehaltserhöhung bewirkende ge-
setzliche Regelungen unberücksichtigt bleiben. Die Differenz zwischen dem Ruhe-
gehaltsbetrag ohne Ruhensanordnungen, Kürzungen und Anrechnungen, der "obe-
ren Bemessungsgrundlage", und dem "fiktiven Ruhegehalt", das sich bei der Außer-
achtlassung des im jeweiligen Fall verwirklichten Erhöhungstatbestandes nach § 53 a
Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz BeamtVG a.F. ergäbe, der "unteren Bemes-
sungsgrundlage", ist der Ruhegehaltsbestandteil, der dem vorzeitig in den Ruhestand
getretenen Beamten aus "sozialen" Gründen gewährt worden ist.
Zwischen dem "unbereinigten" Ruhegehalt des Klägers nach einem Ruhegehaltssatz
von 75 v.H. als der oberen Bemessungsgrundlage und dem "fiktiven" Ruhegehalt als
der unteren Bemessungsgrundlage besteht keine Differenz in Höhe des Ruhege-
haltsanteils, den der Kläger durch die Erhöhung aufgrund des § 2 Abs. 1 BwBAnpG
erworben hat.
§ 53 a Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. schreibt für die Ermittlung der unteren Bemes-
sungsgrundlage vor, dass die in § 53 a Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz BeamtVG ge-
nannten Erhöhungen nicht berücksichtigt werden. In dieser Vorschrift ist nicht auch
die Außerachtlassung der Erhöhung nach § 2 Abs. 1 BwBAnpG angeordnet. Die
Einbeziehung dieser Erhöhung in den Kreis der nach § 53 a Abs. 1 Satz 1 BeamtVG
a.F. unberücksichtigt zu lassenden Erhöhungstatbestände ist allein durch § 2 Abs. 3
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BwBAnpG angeordnet. Das Bundeswehrbeamtenanpassungsgesetz ist aber gemäß
§ 3 am 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten. Da § 2 Abs. 3 BwBAnpG ab Januar
1998 keine Geltung mehr hatte, konnten die in § 53 a Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ge-
nannten Vorschriften auch nicht mehr § 2 Abs. 1 und 2 BwBAnpG umfassen. Für
eine Anrechnung von Erwerbseinkommen mit Rücksicht auf die Erhöhung des Ru-
hegehalts nach diesen Vorschriften war kein Raum.
Der Kläger hat auch keinen der in § 53 a Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz BeamtVG
a.F. aufgeführten Erhöhungstatbestände verwirklicht. Deshalb ergibt sich zwischen
dem Ruhegehaltssatz nach der oberen und dem "fiktiven" Ruhegehaltssatz nach der
unteren Bemessungsgrundlage keine Differenz. Die vorinstanzliche Aufhebung des
angefochtenen Bescheides in Höhe lediglich des 1,23 v.H. der ruhegehaltfähigen
Dienstbezüge übersteigenden Teils der Versorgungsbezüge beruht auf dem - einge-
schränkten - Antrag des Klägers (vgl. § 88 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Silberkuhl
Prof. Dawin
Dr. Kugele
Groepper
Dr. Bayer
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 6 135 € fest-
gesetzt (§ 13 Abs. 2 GKG).
Dr. Silberkuhl
Prof. Dawin
Dr. Bayer
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Beamtenversorgungsrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
BeamtVG a.F.
§ 53 a Abs. 1
BwBAnpG
§§ 2, 3
Stichworte:
Ruhen der Versorgungsbezüge; obere und untere Bemessungsgrundlage; keine
Einbeziehung der Erhöhung nach § 2 Abs. 1 BwBAnpG in die unberücksichtigt zu
lassenden Erhöhungstatbestände ab 1998.
Leitsatz:
Die Erhöhung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit nach § 2 Abs. 1 des Bundeswehr-
beamtenanpassungsgesetzes gehörte ab 1998 nicht mehr zu den Erhöhungstatbe-
ständen, die sich bei der Anrechnung von Erwerbseinkommen nach § 53 a BeamtVG
a.F. auszuwirken vermochten.
Urteil des 2. Senats vom 25. September 2003 - BVerwG 2 C 53.02
I. VG Schleswig vom 15.05.2001 - Az.: VG 16 A 50/00 -
II. OVG Schleswig vom 04.10.2002 - Az.: OVG 3 L 95/01 -