Urteil des BVerwG vom 30.01.2003, 2 C 5.02
Kapitalabfindung, Ortszuschlag, Beamter, Erlöschen
B U N D E S V E R W A L T U N G S G E R I C H T
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 5.02 Verkündet OVG 1 A 5008/99 am 30. Januar 2003 Schütz Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , Dr. K u g e l e , G r o e p p e r und Dr. B a y e r
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen vom 2. August 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 sowie - nach altem Recht - des
Ortszuschlags der Stufe 2. Er ist Beamter und seit April 1996
geschieden. Vor der Scheidung hatte er eine "Trennungs- und
Ehescheidungsfolgenvereinbarung" geschlossen. Darin verpflichtete er sich zu einer einmaligen Abfindung in Höhe von
20 000 DM. Mit deren Zahlung sollten sämtliche Unterhaltsansprüche seiner Ehefrau abgefunden sein. Die Eheleute verzichteten wechselseitig auf jeglichen nachehelichen Unterhalt. Das
Bundesministerium des Innern gewährte dem Kläger seit 1. Mai
1996 nur noch den Ortszuschlag der Stufe 1 und verweigerte
seit der Rechtsänderung im Jahre 1997 den Familienzuschlag der
Stufe 1.
Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, Voraussetzung zur Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 bzw. des Ortszuschlags der Stufe 2
sei, dass der Beamte gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau zum
Unterhalt verpflichtet sei. Die Unterhaltsverpflichtung des
Klägers sei durch die Kapitalabfindung erloschen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger die
Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. August 2001 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. September 1999 sowie die Bescheide des Bundesministeriums des Innern vom 6. August 1996 und 6. März 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger vom 1. Mai 1996 bis 30. Juni 1997 den Ortszuschlag der Stufe 2 und seit 1. Juli 1997 den Familienzuschlag der Stufe 1 zu gewähren.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch
auf Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 sowie - nach
altem Recht - des Ortszuschlags der Stufe 2.
Ein geschiedener Beamter, der aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet ist, hat nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG in der seit
1. Juli 1997 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Reformgesetz) vom 24. Februar 1997
(BGBl I S. 322) Anspruch auf die Gewährung von Familienzuschlag der Stufe 1. In der zuvor geltenden Gesetzesfassung vom
22. Februar 1996 (BGBl I S. 262) hatte er Anspruch auf
Ortszuschlag der Stufe 2 (vgl. § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG a.F.).
Anspruchsvoraussetzung ist nach beiden Gesetzesfassungen, dass
der Beamte seiner geschiedenen Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet ist. Was als Unterhaltsverpflichtung im Sinne der
genannten Bestimmungen zu verstehen ist, richtet sich mangels
eigenständiger Regelung im Bundesbesoldungsrecht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (vgl. Urteile vom 19. September 1991 - BVerwG 2 C 28.90 - BVerwGE 89, 53 <54 f.> und
vom 12. März 1991 - BVerwG 6 C 51.88 - Buchholz 240 § 40 BBesG
Nr. 23 S. 23 jeweils m.w.N.). Danach ist der Kläger nicht zum
nachehelichen Unterhalt verpflichtet.
Nach §§ 1569, 1585 Abs. 1 und 2 sowie § 1585 c BGB können
Ehegatten über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der
Scheidung eine Vereinbarung des Inhalts treffen, dass statt
einer Unterhaltsrente eine Abfindung in Kapital gezahlt wird,
die die Unterhaltspflicht zum Erlöschen bringt. Von dieser
Möglichkeit haben der Kläger und seine damalige Ehefrau mit
der "Trennungs- und Ehescheidungsfolgenvereinbarung" Gebrauch
gemacht. Die darin vorgesehene Kapitalabfindung in Höhe von
20 000 DM sollte nach dem Willen der Vertragsparteien den Unterhaltsanspruch der Ehefrau des Klägers zum Erlöschen bringen
(§ 1585 Abs. 2 BGB). Das ist mit der vom Berufungsgericht
festgestellten Zahlung des Betrags durch den Kläger an seine
damalige Ehefrau geschehen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Unterhaltspflicht ist außerdem dadurch weggefallen, dass seine Ehefrau
in der Vereinbarung auch auf jeglichen nachehelichen Unterhalt
ausdrücklich verzichtet hat (vgl. Urteil vom 12. März 1991,
a.a.O. S. 24). Dieser nicht formbedürftige (vgl. BGH, Urteil
vom 1. April 1987 - IVb ZR 33/86 - NJW 1987, 2739 <2740>) Verzicht ist wirksam. Denn Ehegatten können im Rahmen der ihnen
nach § 1585 c BGB zustehenden Vertragsfreiheit einen gesetzlichen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ausschließen und so-
gar auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes wirksam verzichten (vgl.
u.a. BGH, Urteil vom 8. März 1995 - XII ZR 165/93 - NJW-RR
1995, 833 <834> m.w.N.). Da der Kläger nach dem bürgerlichen
Recht nicht zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet ist, hat
er keinen Anspruch auf den Familienzuschlag der Stufe 1 nach
§ 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG bzw. den Ortszuschlag der Stufe 2 nach
§ 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG a.F.
Allerdings wird bei Anwendung des § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - Versorgungsausgleichshärtegesetz (VAHRG) - vom 21. Februar 1983 (BGBl I
S. 105) ein bestehender Anspruch auf Unterhalt auch dann angenommen, wenn der Berechtigte durch eine Vereinbarung nach
§ 1585 c BGB auf Unterhaltsleistungen gegen Zahlung einer Abfindung verzichtet hat (vgl. Urteil des Senats vom 22. Juli
1999 - BVerwG 2 C 25.98 - BVerwGE 109, 231 <232 ff.>; BSG, Urteile vom 8. Dezember 1993 - 8 RKn 6/93 - NJW 1994, 2374 und
vom 12. April 1995 - 5 RJ 42/94 - NJW-RR 1996, 897 sowie BGH,
Urteil vom 8. Juni 1994 - IV ZR 200/93). Diese Auslegung ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des
§ 5 VAHRG zum Ausgleich scheidungsbedingter unterhalts- und
versorgungsrechtlicher Härten eine pauschalierende Regelung
getroffen hat, bei der es - im Gegensatz zur Regelung des § 40
Abs. 1 Nr. 3 BBesG - auf besondere Umstände des Einzelfalls
nicht ankommen soll. Für die Anwendung des § 5 VAHRG ist daher
nicht von Belang, in welcher Höhe der Berechtigte gegen den
Verpflichteten einen Unterhaltsanspruch hat und ob dieser Anspruch in Verbindung mit der Kürzung der Rente die Lebensführung des Verpflichteten tatsächlich beeinträchtigt (vgl.
BTDrucks 9/2296 S. 14). Entscheidend ist, dass eine solche Beeinträchtigung möglich ist. Da dies - wirtschaftlich gesehen -
ebenso im Fall einer Unterhaltsabfindung zutreffen kann, beseitigt auch diese Form der Erfüllung der Unterhaltspflicht
nicht die Tatbestandsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 VAHRG, dass
der Berechtigte gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf
Unterhalt hat.
Aus dieser Auslegung des § 5 VAHRG lässt sich indessen nichts
für das Verständnis des Merkmals "aus der Ehe zum Unterhalt
verpflichtet sind" in § 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG gewinnen. Diese
Vorschrift kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die Stufe 1
des Familienzuschlags (früher Stufe 2 des Ortszuschlags) auch
dann zu zahlen ist, wenn Ansprüche auf laufende Unterhaltszahlungen durch eine Kapitalabfindung abgelöst worden sind, für
die der geschiedene Beamte neue Verbindlichkeiten eingehen
musste oder die ihn durch den Wegfall der Kapitalerträgnisse
wirtschaftlich belastet. Das wäre schon mit dem Wortlaut der
Bestimmung nicht vereinbar, der nicht erkennen lässt, dass der
Besoldungsgesetzgeber von dem familienrechtlichen Begriff der
"Verpflichtung zum Unterhalt", wie er in den §§ 1569 ff. BGB
seinen Ausdruck gefunden hat, hat abgehen wollen. Die gegenteilige Interpretation würde auch dem Zweck der Vorschrift widersprechen. Dieser besteht darin, wegen der Alimentationspflicht gegenüber der Beamtenfamilie die fortbestehende unterhaltsrechtliche Bindung zwischen den geschiedenen Ehegatten
und der dadurch bewirkten erhöhten laufenden Unterhaltsbelastung des Beamten Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 49, 260
<275>; BVerwG, Urteil vom 12. März 1991 - BVerwG 6 C 51.88 -
a.a.O., S. 25). Dementsprechend muss eine monatliche Unterhaltsverpflichtung des Beamten – anders als bei der Pauschalregelung des § 5 VAHRG - mindestens in der Bruttodifferenz
zwischen den Zuschlagsstufen bestehen, um den Anspruch auf die
höhere Stufe zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 19. September
1991 - BVerwG 2 C 28.90 - a.a.O. S. 53 <54>). An einer solchermaßen fortbestehenden Unterhaltsverpflichtung fehlt es
hier.
Es verstößt schließlich nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn
der Gesetzgeber die Familien- und Ortszuschlagsstufen anders
als die Kürzung der Versorgung nach § 5 VAHRG nicht an die
vielfachen denkbaren materiellen Belastungen nach einer Ehescheidung knüpft, sondern an den leicht feststellbaren Tatbestand einer aktuell gegebenen Unterhaltsverpflichtung. Denn im
Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG bestehen zwischen der zu alimentierenden Gruppe geschiedener, aus der Ehe nicht unterhaltspflichtiger Beamter und der Gruppe geschiedener Versorgungsempfänger, die einer scheidungsrechtlich bedingten vom Gesetzgeber als ausgleichspflichtig eingestuften wirtschaftlichen
Sonderbelastung ausgesetzt sind, rechtlich so bedeutsame Unterschiede, dass sich eine Gleichbehandlung verbietet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Silberkuhl Prof. Dawin Dr. Kugele
Groepper Dr. Bayer
B e s c h l u s s :
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 2 620 € (entspricht 5 124 DM) festgelegt
(26 x 197,11 DM; vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1
GKG).
Dr. Silberkuhl Prof. Dawin Dr. Kugele
Sachgebiet: BVerwGE: nein
Beamtenrecht Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BBesG § 40 Abs. 1 Nr. 3 VAHRG § 5
Stichworte:
kein Familienzuschlag der Stufe 1 bei Unterhaltsverzicht der Ehefrau gegen Kapitalabfindung - Erlöschen der Unterhaltspflicht bei Kapitalabfindung
Leitsatz:
Ein geschiedener Beamter hat keinen Anspruch auf den Familienzuschlag der Stufe 1, wenn seine Pflicht zum Unterhalt aus seiner Ehe durch Kapitalabfindung erloschen ist.
Urteil des 2. Senats vom 30. Januar 2003 - BVerwG 2 C 5.02
I. VG Köln vom 30.09.1999 - Az.: VG 15 K 2928/97 - II. OVG Münster vom 02.08.2001 - Az.: OVG 1 A 5008/99 -
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BVerwG: wohnsitz in der schweiz, wohnsitz im ausland, ausbildung, liechtenstein, aeuv, ohne erwerbstätigkeit, subjektives recht, besuch, unzumutbarkeit, anwendungsbereich
5 C 19.11 vom 10.01.2013
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