Urteil des BVerwG vom 25.10.2012

Angriff, Erwerbsfähigkeit, Minderung, Psychische Krankheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 41.11
OVG 10 A 11091/10
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Oktober 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. von der Weiden,
Dr. Hartung und Dr. Kenntner
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberver-
waltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. April 2011 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der 1948 geborene Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den vorzeitigen
Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit als Richter am Amtsgericht im Dienst des
Beklagten.
Am 13. November 2007 wurde der Kläger nach einer Verhandlung von einem
Verfahrensbeteiligten im Gerichtsgebäude beschimpft. Dritte hielten den Betei-
ligten von einem körperlichen Angriff auf den Kläger ab. Wegen dieses Vorfalls
konnte der Kläger ab Januar 2008 krankheitsbedingt keinen Dienst mehr leis-
ten. Mit seinem Einverständnis wurde er mit Ablauf des 30. September 2009 in
den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Der Beklagte erkannte den Vorfall vom 13.
November 2007 als Dienstunfall an.
Im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung von Unfallausgleich stellte der
Beklagte beim Kläger aufgrund einer amtsärztlichen Untersuchung eine Minde-
rung der Erwerbsfähigkeit vom Unfalltag an von 35 vom Hundert und ab dem
13. Juni 2008 von 40 vom Hundert fest. Die nach erfolglosem Vorverfahren er-
hobene Klage, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger ab dem 1. Juni 2009
Unfallausgleich für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert zu
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gewähren, wies das Verwaltungsgericht mit rechtskräftig gewordenem Urteil
vom 20. Dezember 2011 (- 6 K 1358/09.KO -) ab.
Den Antrag des Klägers, den Vorfall vom 13. November 2007 wegen seiner
Schwere als qualifizierten Dienstunfall anzuerkennen und erhöhtes Unfallruhe-
gehalt zu zahlen, lehnte der Beklagte ab. Widerspruch und Klage blieben erfolg-
los. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die gebotenen strengen
Anforderungen an das Merkmal des rechtswidrigen Angriffs seien nicht erfüllt.
Es müsse sich um einen massiven Angriff gehandelt haben. Eine einfache Kör-
perverletzung müsse unmittelbare Folge des zielgerichteten Handelns des
Schädigers gewesen sein. Ferner müsse die objektive Gefahr einer schweren
Körperverletzung bestanden haben.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung for-
mellen und materiellen Rechts rügt. Er beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz
vom 15. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts
Koblenz vom 26. August 2010 sowie den Bescheid des
Ministeriums der Justiz vom 7. September 2009 und den
Widerspruchsbescheid vom 10. November 2009 aufzuhe-
ben und den Beklagten zu verpflichten, das Vorliegen ei-
nes qualifizierten Dienstunfalls anzuerkennen und ein er-
höhtes Unfallruhegehalt zu bewilligen,
hilfsweise,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz
vom 15. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts
Koblenz vom 26. August 2010 sowie den Bescheid des
Ministeriums der Justiz vom 7. September 2009 und den
Widerspruchsbescheid vom 10. November 2009 aufzuhe-
ben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen An-
trag vom 15. Juni 2008 unter Beachtung der Rechtsauf-
fassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
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äußerst hilfsweise,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz
vom 15. April 2011 aufzuheben und die Rechtssache zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 sowie §§ 141 und 125
Abs. 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar revisibles
Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63
Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Es erweist sich aber aus anderen als den vom Ober-
verwaltungsgericht herangezogenen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144
Abs. 4 VwGO).
1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt § 37 BeamtVG in der Fas-
sung des Gesetzes vom 21. Dezember 2004 (BGBl I S. 3592), der hier nach § 1
des am 1. September 2006 in Kraft getretenen Landesgesetzes zur Ersetzung
und Ergänzung von Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes (Art. 4
des Landesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2007/2008 vom
21. Dezember 2007, GVBl S. 283) anwendbar ist. Für die Unfallfürsorge ist das
Recht maßgeblich, das im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern
sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst (vgl. Urteile
vom 16. Mai 1963 - BVerwG 2 C 27.60 - BVerwGE 16, 103 <104> und -
BVerwG 2 C 153.60 - Buchholz 237.7 § 142 LBG NRW Nr. 2 S. 5 und vom 6.
Januar 1969 - BVerwG 6 C 38.66 - BVerwGE 31, 170 <172> = Buchholz 232 §
141a BBG Nr. 1 S. 2).
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Nach § 1 des Landesgesetzes i.V.m. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG wird einem
Richter im Landesdienst das erhöhte Unfallruhegehalt nach Absatz 1 auch ge-
währt, wenn der Richter in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen
Angriff einen Dienstunfall mit den in Absatz 1 genannten Folgen erleidet. Auf-
grund der nicht angegriffenen und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden
tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszuge-
hen, dass der Kläger in Ausübung seines Dienstes rechtswidrig angegriffen
worden ist.
Dem Oberverwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass § 1 des Landesge-
setzes i.V.m. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG nicht voraussetzt, dass der rechtswid-
rige Angriff für den Beamten oder Richter eine besondere Lebensgefahr be-
gründet hat. Wortlaut und Systematik der Regelungen schließen es aus, die in §
37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG genannte Voraussetzung als ungeschriebenes
Merkmal der Tatbestände des Absatzes 2 anzusehen.
Mit § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG unvereinbar sind dagegen die Anforderungen
des Oberverwaltungsgerichts an das Vorliegen eines rechtswidrigen Angriffs.
Nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG wird erhöhtes Unfallruhegehalt nach Absatz 1
auch gewährt, wenn der Beamte in Ausübung des Dienstes durch einen
rechtswidrigen Angriff einen Dienstunfall mit den in Absatz 1 genannten Folgen
erleidet. Demnach muss es sich bei dem rechtswidrigen Angriff um einen
Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG handeln. Dies setzt
nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung des Dienstunfalls unter anderem
voraus, dass der Angriff einen Körperschaden des Beamten, d.h. eine Beein-
trächtigung der körperlichen Integrität oder eine psychische Krankheit verur-
sacht hat. Er muss bei wertender Betrachtungsweise zumindest eine wesentli-
che Mitursache für den Körperschaden darstellen (Urteile vom 15. September
1994 - BVerwG 2 C 24.92 - Buchholz 237.6 § 227 NdsLBG Nr. 1 S. 3 f. und
vom 18. April 2002 - BVerwG 2 C 22.01 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 12
S. 2 f.; Beschluss vom 8. März 2004 - BVerwG 2 B 54.03 - Buchholz 239.1 § 31
BeamtVG Nr. 13 S. 4; vgl. zu § 31 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG: Urteil vom 29. Ok-
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tober 2009 - BVerwG 2 C 134.07 - BVerwGE 135, 176 = Buchholz 239.1 § 31
BeamtVG Nr. 22 ).
Bei Berücksichtigung des systematischen Regelungszusammenhangs mit dem
Dienstunfallbegriff des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG liegt ein Angriff im Sinne
des § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG vor, wenn sich der Beamte in Ausübung oder
infolge des Dienstes einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ver-
halten eines Dritten ausgesetzt sieht, durch das ihm zielgerichtet, d.h. mit zu-
mindest bedingtem Vorsatz, ein Körperschaden zugefügt werden soll (Urteil
vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 2 C 17.98 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr.
2 S. 1 f.; vgl. zum inhaltsgleichen Angriffsbegriff des § 31 Abs. 4 Satz 1
BeamtVG: Urteil vom 29. Oktober 2009 a.a.O. ).
Allerdings ist nicht erforderlich, dass der Angriff zu der vom Täter beabsichtig-
ten Körperverletzung des Beamten geführt hat. Es reicht aus, dass dieser in der
konkreten Gefahr der beabsichtigten Körperverletzung geschwebt hat und infol-
gedessen einen anderweitigen Körperschaden, insbesondere eine Verletzung
der seelischen Integrität erlitten hat (zu § 31 Abs. 4 BeamtVG: Urteil vom 29.
Oktober 2009 a.a.O. ).
Andernfalls wären solche Fälle nicht
erfasst, bei denen nur der Zufall eine Verletzung der körperlichen Integrität ver-
hindert hat, der Beamte oder Richter aber wegen der erlittenen Bedrohung er-
heblich psychisch belastet ist und erkrankt.
Damit sind zusätzliche Anforderungen, wie „massiver Angriff“, „Vollendung einer
einfachen Körperverletzung“, „körperlicher Kontakt zwischen dem Angreifer und
dem Amtsträger“ oder „objektiv bestehende Gefahr einer schweren Körperver-
letzung“, nicht zu vereinbaren. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Schädiger
eine Waffe bei sich führt, um eine Drohung in die Tat umsetzen zu können.
Denn auch ein drohender Schlag mit der Faust begründet für das Opfer die ob-
jektive Gefahr eines erheblichen Körperschadens.
Diese Auslegung wird auch dem Zweck des § 37 BeamtVG gerecht. Der Ge-
setzgeber will mit den Fallgruppen des § 37 BeamtVG einer gesteigerten, im
dienstlichen Bereich wurzelnden Gefährdungslage durch die Gewährung eines
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erhöhten versorgungsrechtlichen Schutzes Rechnung tragen. Nicht zuletzt im
öffentlichen Interesse an einer effektiven Erledigung der öffentlichen Aufgaben
soll die Bereitschaft des Beamten oder Richters zur Erfüllung seiner dienstli-
chen Pflichten gestärkt werden, weil er damit rechnen kann, die Folgen dienst-
lich bedingter Körperschäden in Fällen einer solchen Gefährdung nicht allein
tragen zu müssen (vgl. Urteil vom 29. Oktober 2009 a.a.O. Rn. 19 und 21). Ni-
veaugleich mit den anderen Fallgruppen des erhöhten Unfallruhegehalts ist die
Gefährdungslage nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG dann gegeben, wenn die
Verletzungshandlung vom Schädiger mit Wissen und Wollen der zu erwarten-
den Rechtsgutbeeinträchtigung ausgeführt wird und sie in einem inneren Zu-
sammenhang mit der Dienstverrichtung des Amtsträgers steht (Urteil vom 8.
Oktober 1998 a.a.O. S. 2).
Dem berechtigten Interesse des Dienstherrn, diesen erhöhten Dienstunfall-
schutz nicht ausufern zu lassen, ist durch die besonders hohen Anforderungen
an die Folgen des Dienstunfalls in § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG Rechnung ge-
tragen.
Nach den nicht angegriffenen und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden
tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts stand das Verhalten
des Schädigers auch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Diensthandlung
des Klägers. Denn der Schädiger hatte den Kläger angegriffen, weil er mit des-
sen Verhandlungsführung nicht einverstanden war.
Begründet ist auch die Verfahrensrüge des Klägers, das Oberverwaltungsge-
richt habe bei der Würdigung des Sachverhalts wesentliche Aspekte des tat-
sächlichen Geschehens unberücksichtigt gelassen.
Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien,
aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Danach
ist das Gericht verpflichtet, seiner Überzeugungsbildung den im Verfahren fest-
gestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen (Beschluss
vom 19. August 2008 - BVerwG 3 B 11.08 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht
Nr. 110 Rn. 6 m.w.N.). Dieses Gebot hat das Oberverwaltungsgericht verletzt.
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Bei seiner Annahme, der Schädiger habe lediglich versucht, den Kläger in sei-
nem sozialen Geltungsanspruch herabzusetzen, ihn zu beleidigen und auch zu
bedrohen, hat das Oberverwaltungsgericht wesentliche Aspekte des Vorfalls
unberücksichtigt gelassen. Denn der Schädiger hat den Kläger wegen seiner
Verhandlungsführung nicht nur verbal bedroht („Dich mach´ ich kalt“ und „Du
bist tot“), sondern hat auch versucht, auf ihn einzuschlagen. Nach den tatsäch-
lichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hatte sich der Schädiger
dem Kläger im Vorraum des Gerichtssaals bis auf wenige Zentimeter genähert,
hatte sich vor diesem aufgebaut, hatte die Faust erhoben, um auf den Kläger
einzuschlagen, und konnte lediglich von umstehenden Personen hiervon abge-
halten werden.
2. Das Berufungsurteil erweist sich aber aus anderen als den vom Oberverwal-
tungsgericht genannten Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Dem Erfolg des Hauptantrags und der gestaffelten Hilfsanträge des Klägers
steht entgegen, dass der rechtswidrige Angriff vom 13. November 2007 beim
Kläger nicht zu den Folgen geführt hat, die das Gesetz für die Zahlung des er-
höhten Unfallruhegehalts voraussetzt.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG muss der Beamte oder
Richter infolge des Dienstunfalles dienstunfähig geworden und in den Ruhe-
stand getreten sowie im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand infolge des
Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 vom Hundert be-
schränkt sein. Aufgrund der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts,
mit dem die Klage des Klägers auf Gewährung von Unfallausgleich für eine
Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert ab dem 1. Juli 2009 ab-
gewiesen wurde, steht fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht im Zeit-
punkt seines Eintritts in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles um 50 vom
Hundert gemindert ist.
Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre
Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist.
Die Beteiligten der Verfahren sind identisch; auch die Klage auf Gewährung von
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Unfallausgleich nach § 35 Abs. 1 BeamtVG richtete sich gegen den Beklagten.
Für die gesetzliche Rechtskraftwirkung ist ohne Bedeutung, dass der Streit-
gegenstand des Revisionsverfahrens (erhöhtes Unfallruhegehalt) nicht mit dem
Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens (Unfallausgleich)
identisch ist. Die Rechtskraft eines Urteils bindet auch, wenn und soweit sich
die im Urteil entschiedene Frage in einem späteren Verfahren mit anderem
Streitgegenstand als Vorfrage stellt (Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9
C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <33> m.w.N. = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr.
3 S. 4 f.). Die Rechtskraft eines Urteils soll gerade verhindern, dass die aus
einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein
Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und
Rechtslage - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - erneut zum Gegen-
stand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird. Das Ge-
richt ist im Folgeverfahren an einer erneuten Sachprüfung gehindert (Urteile
vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <258> =
Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 S. 15 und vom 10. Mai 1994 - BVerwG 9 C
501.93 - BVerwGE 96, 24 <26> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68 S. 2 f.
m.w.N.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032).
Streitgegenstand des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts war nicht
der Anspruch auf Unfallausgleich nach § 35 Abs. 1 BeamtVG dem Grunde
nach. Diesen Anspruch hat die Beklagte bereits durch den Feststellungsbe-
scheid vom 7. Juli 2009 - allerdings nur für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
von 40 vom Hundert - rechtsverbindlich anerkannt. Gegenstand des Verfahrens
vor dem Verwaltungsgericht war vielmehr der vom Kläger darüber hinaus gel-
tend gemachte Anspruch auf Unfallausgleich ab dem 1. Juli 2009 für eine Min-
derung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert, der allein vom Grad der Min-
derung abhängt. Damit war der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit des
Klägers Teil des Streitgegenstandes. Mit Eintritt der Rechtskraft des die Klage
abweisenden Urteils steht nach § 121 Nr. 1 VwGO auch für Verfahren mit ei-
nem anderen Streitgegenstand fest, dass der Kläger im streitgegenständlichen
Zeitraum nicht in seiner Erwerbsfähigkeit um 50 vom Hundert gemindert ist.
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Das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts erfasst auch den für den An-
spruch nach § 1 des Landesgesetzes i.V.m. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG maß-
geblichen Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand. Denn das Ver-
waltungsgericht hat über den Anspruch auf Unfallausgleich für den Zeitraum
vom 1. Juli 2009 bis zur mündlichen Verhandlung am 20. Dezember 2011 ent-
schieden. Der Kläger ist mit Ablauf des 30. September 2009 in den Ruhestand
getreten.
Unerheblich ist der Umstand, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts hinsicht-
lich des Anspruchs des Klägers auf Gewährung eines Unfallausgleichs für eine
Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert ab dem 1. Juli 2009 erst
während des Revisionsverfahrens rechtskräftig geworden ist. Das Urteil kann
berücksichtigt werden, weil der Eintritt der Rechtskraft nicht weiter beweisbe-
dürftig ist, seine Verwertung einer endgültigen Streiterledigung dient, die Betei-
ligten vom Senat hierauf hingewiesen worden sind und schließlich schützens-
werte Interessen der Beteiligten dadurch nicht berührt werden (Urteil vom 21.
Juni 1979 - BVerwG 5 C 47.78 - BVerwGE 58, 146 <152> = Buchholz 436.0 §
90 BSHG Nr. 15 S. 6; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1984 - III ZR 27/83 - BGHZ
92, 302 = NJW 1985, 1338 f., jeweils m.w.N.)
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Domgörgen
Dr. Heitz
Dr. von der Weiden
Dr. Hartung
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B e s c h l u s s
vom 12. Dezember 2012
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren gemäß § 47
Abs. 1, § 63 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG auf 27 985,54 € festgesetzt. Dies ent-
spricht dem zweifachen Jahresbetrag der Differenz zwischen dem gewährten
und dem vom Kläger erstrebten Unfallruhegehalt (vgl. Beschluss vom 13. Sep-
tember 1999 - BVerwG 2 B 53.99 - Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 106 S. 3).
Domgörgen
Dr. Hartung
Dr. Kenntner
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Beamtenversorgungsrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
BeamtVG F2004
§ 37
VwGO
§ 108 Abs. 1, § 121 Nr. 1
Stichworte:
Unfallfürsorge; erhöhtes Unfallruhegehalt; besondere Lebensgefahr; rechtswid-
riger Angriff; Begründung einer objektiven Gefährdungslage für den Beamten
oder Richter; Überzeugungsbildung; vollständige Erfassung des festgestellten
Sachverhalts; Rechtskraft; Vorfrage für andere Verfahren; Grad der Minderung
der Erwerbsfähigkeit; Berücksichtigung von nachträglich eingetretenen Um-
ständen im Revisionsverfahren.
Leitsatz:
Der Begriff des rechtswidrigen Angriffs im Sinne von § 37 Abs. 2 Nr. 1
BeamtVG setzt voraus, dass der Angreifer den Beamten wegen dieser Eigen-
schaft oder der dienstlichen Tätigkeit objektiv in die Gefahr einer Schädigung
bringt. Es ist nicht erforderlich, dass der Angreifer den Beamten körperlich be-
einträchtigt (im Anschluss an Urteile vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 2 C 17.98 -
Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 2 und vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 2 C
134.07 - BVerwGE 135, 176 = Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 22).
Urteil des 2. Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 2 C 41.11
I. VG Koblenz vom 26.08.2010 - Az.: VG 6 K 1379/09. KO -
II. OVG Koblenz vom 15.04.2011 - Az.: OVG 10 A 11091/10 -