Urteil des BVerwG vom 19.03.2015

Ärztliches Gutachten, Versorgung, Versetzung, Leistungsfähigkeit

BVerwGE: nein
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Recht des öffentlichen Dienstes einschließlich des
Beamtendisziplinarrechts und des Dienstrechts der Soldaten
sowie des Rechts der Wehrpflichtigen und der
Zivildienstpflichtigen
Rechtsquelle/n:
BayBG 1998 Art. 56 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, Abs. 4, Art. 60a
Abs. 2, Art.100a
BBG § 44 Abs. 1 Satz 2
BRRG § 127 Nr. 2
BeamtStG §§ 50, 63 Abs. 3 Satz 2
VwGO § 137 Abs. 2
Titelzeile:
Anforderungen an (amts-)ärztliches Gutachten zur
Dienstunfähigkeit und an die Suche nach einer anderweitigen
Verwendung des Beamten
Stichworte:
Dienstunfähigkeit; Anforderungen an (amts-)ärztliche Gutachten;
"Schülerphobie"; Weiterverwendung vor Versorgung; Suchpflicht; Anforderungen
an die Suchanfrage; Kurzbeschreibung; Verschweigensfrist; Fehlanzeige.
Leitsatz:
1. Ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes (amts-)ärztliches Gutachten
muss sowohl die notwendigen medizinischen Feststellungen zum Sachverhalt
darstellen als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden
Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, seinen dienstlichen
Anforderungen zu genügen.
2. Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung ist auf den gesamten
Bereich des Dienstherrn zu erstrecken. Sie muss ebenso freie wie in absehbarer
Zeit voraussichtlich neu zu besetzende Dienstposten einbeziehen und eine die
noch vorhandene Leistungsfähigkeit des dienstunfähigen Beamten
charakterisierende und sachliche Kurzbeschreibung enthalten. Die bloße
Einräumung einer sog. Verschweigensfrist, derzufolge die suchende Behörde von
einer "Fehlanzeige" ausgeht, wenn nicht innerhalb bestimmter Frist eine
Rückmeldung vorliegt, genügt nicht.
Urteil des 2. Senats vom 19. März 2015 - BVerwG 2 C 37.13
I. VG Ansbach vom 24. März 2009
Az: VG AN 1 K 08.2198
II. VGH München vom 11. Januar 2012
Az: VGH 3 B 10.346
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 37.13
VGH 3 B 10.346
Verkündet
am 19. März 2015
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung,
Dr. Kenntner und Dollinger
für Recht erkannt:
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 11. Januar 2012 und das Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichts Ansbach vom 24. März 2009 sowie
der Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Un-
terricht und Kultus vom 7. August 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2008 werden
aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen seine Versetzung in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit.
Der 1968 geborene Kläger steht als Studienrat mit der Lehrbefähigung für Mu-
sik seit 2000 als Beamter auf Lebenszeit (BesGr A 13 LBesO) im Dienst des
Beklagten. Zuletzt war er an einem Gymnasium tätig und unterrichtete aus-
schließlich das Fach Musik.
Nach dem gehäuften Auftreten von Fehltagen veranlasste der Beklagte im
Herbst 2006 erstmals eine amtsärztliche Untersuchung des Klägers. Der zu-
ständige Amtsarzt, ein Psychiater, diagnostizierte eine leichte chronische seeli-
sche Störung und hielt den Kläger für in der Lage, 16 Wochenstunden zu unter-
richten. Im Juni 2007 erkrankte der Kläger erneut für längere Zeit. Die vom Be-
klagten daraufhin veranlasste amtsärztliche Untersuchung führte ein Facharzt
für öffentliches Gesundheitswesen durch, der im Gesundheitszeugnis vom
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28. November 2007 eine "chronifizierte seelische Störung" feststellte. Der Klä-
ger sei nicht mehr in der Lage, den Beruf als Lehrer auszuüben. Für anderwei-
tige Tätigkeiten im öffentlichen Dienst ohne Kontakt mit Schülern sei er hinge-
gen uneingeschränkt leistungsfähig. Erläuterungen oder Herleitungen dieser
Ergebnisse enthielt das amtsärztliche Zeugnis nicht.
Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus sah in seinem Ressort keine
Verwendungsmöglichkeit, da für den Kläger zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung
und auch später keine geeigneten und statusgemäßen Stellen frei waren. Eine
von ihm an die Staatskanzlei und die anderen Ressorts gerichtete schriftliche
Suchanfrage bezüglich einer anderweitigen Verwendung des Klägers endete
mit dem Satz: "Das Staatsministerium geht von einer Fehlanzeige aus, wenn
nicht innerhalb von vier Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine Rückmel-
dung Ihres Hauses erfolgt." Die Ressorts reagierten auf diese Suchanfrage
nicht.
Der Beklagte versetzte den Kläger wegen Dienstunfähigkeit mit Wirkung zum
1. September 2008 in den Ruhestand. Widerspruch, Klage und Berufung des
Klägers sind erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner
durch Beschluss ergangenen Entscheidung insbesondere darauf verwiesen,
dass die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements keine
Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zurruhesetzung eines Beamten sei. Der
Kläger sei dienstunfähig, weil er aufgrund seiner seelischen Störung nicht mehr
in der Lage sei, den Beruf als Lehrer auszuüben. Der Beklagte sei auch seiner
Suchpflicht nach einer anderweitigen Verwendung des Klägers nachgekom-
men.
Mit der Revision beantragt der Kläger,
den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 11. Januar 2012 und das Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichts Ansbach vom 24. März 2009 sowie
den Bescheid des Beklagten vom 7. August 2008 in Ge-
stalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2008
aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Der Beschluss des Verwaltungsge-
richtshofs verletzt revisibles Landesbeamtenrecht (§ 127 Nr. 2 BRRG, § 63
Abs. 3 Satz 2 BeamtStG), weil die vorzeitige Versetzung des Klägers in den
Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ohne hinreichende Klärung seiner ander-
weitigen Verwendbarkeit gegen den gesetzlichen Grundsatz der "Weiterver-
wendung vor Versorgung" verstößt.
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung ist Art. 56 Bayerisches Be-
amtengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1998 (GVBl
702), in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbe-
scheids (BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1
Rn. 10) gültigen Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 2003 (GVBl S. 374, künf-
tig: BayBG a.F.).
Gemäß Art. 56 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F. ist ein Beamter auf Lebenszeit in den
Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder
aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd un-
fähig (dienstunfähig) ist. Bei der Dienstunfähigkeit handelt es sich um einen un-
bestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwal-
tungsgerichte unterliegt. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Ein-
schränkungen der Leistungsfähigkeit eines Beamten kommt dem Dienstherrn
kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu
(BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 17). Kann
der Beamte den Anforderungen seines Amtes und denjenigen einer anderweiti-
gen Verwendung nicht mehr voll entsprechen, unter Beibehaltung des übertra-
genen Amtes aber seine Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte
der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen, soll er für begrenzt dienstfähig erklärt
werden (Art. 56a BayBG a.F.; hierzu auch BVerwG, Urteile vom 30. August
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2012 - 2 C 82.10 - Buchholz 237.6 § 54 NdsLBG Nr. 3 Rn. 11 und vom
27. März 2014 - 2 C 50.11 - BVerwGE 149, 244 Rn. 26).
Die Versetzung eines Beamten in den vorzeitigen Ruhestand wegen dauernder
Dienstunfähigkeit setzt die Feststellung seiner krankheitsbedingten Leistungs-
einschränkungen voraus. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel
besondere medizinische Sachkenntnis, über die nur ein Arzt verfügt.
Den Gesundheitszustand des Beamten feststellen und medizinisch bewerten
muss der Arzt, die Schlussfolgerungen hieraus für die Beurteilung der Dienstfä-
higkeit zu ziehen ist dagegen Aufgabe der Behörde und ggf. des Gerichts. Der
Arzt wird lediglich als sachverständiger Helfer tätig, um den zuständigen Stellen
diejenige Fachkenntnis zu vermitteln, die für deren Entscheidung erforderlich ist
(vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1
Rn. 18 m.w.N.; hierzu auch Beschluss vom 6. März 2012 - 2 A 5.10 - RiA 2012,
165 f.). Ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes (amts-)ärztliches Gut-
achten darf sich daher nicht darauf beschränken, nur ein Untersuchungsergeb-
nis mitzuteilen. Es muss auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und
Gründe enthalten, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung
erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststel-
lungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befun-
de, darstellen als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden
Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, seinen dienstlichen Anfor-
derungen weiter zu genügen (stRspr, BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013
- 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 31 sowie zuletzt Beschluss vom 13. März
2014 - 2 B 49.12 - juris Rn. 8 f.).
Die hier im amtsärztlichen Gesundheitszeugnis vom 28. November 2007 der
Sache nach bescheinigte "Schülerphobie" genügt diesen Anforderungen nicht.
Die Einschätzung des Amtsarztes, der Kläger leide an einer chronifizierten see-
lischen Störung, die einen Kontakt mit Schülern ausschließe und es ihm un-
möglich mache, den Lehrerberuf weiter auszuüben, ist nicht auf tatsächliche
Umstände gestützt, die die Feststellung, dem Kläger sei ein Schülerkontakt aus
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gesundheitlichen Gründen nicht mehr zumutbar, plausibel machen könnten. Die
entsprechenden Mitteilungen im amtsärztlichen Gesundheitszeugnis vom
28. November 2007 sind weder aus sich heraus verständlich noch nachvoll-
ziehbar. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass nur dreizehn Monate zu-
vor ein anderer Amtsarzt als Facharzt für Psychiatrie beim Kläger bei ähnlicher
Diagnose noch zu dem Ergebnis gekommen war, seine psychosoziale Leis-
tungsfähigkeit als Lehrer sei zwar reduziert, reiche aber noch für 16 Unter-
richtsstunden wöchentlich bei bis zu vier Unterrichtsstunden täglich aus. Eine
fundierte Aussage zum Umfang der gesundheitsbedingten Einschränkungen
hätte unter diesen Voraussetzungen einer zusätzlichen fachpsychiatrischen
Untersuchung und Begutachtung bedurft.
Dessen ungeachtet hat der Verwaltungsgerichtshof im angefochtenen Be-
schluss festgestellt, dass der Kläger aufgrund seiner chronifizierten seelischen
Störung dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, den Beruf als Lehrer auszuüben.
An diese tatsächliche Feststellung ist das Bundesverwaltungsgericht mangels
entsprechender Rügen des Klägers gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden und
hat sie seiner rechtlichen Betrachtung zugrunde zu legen. Damit ist von einer
dauernden Dienstunfähigkeit des Klägers auszugehen.
2. Die Dienstunfähigkeit des Beamten ist zwar eine notwendige, nicht aber eine
hinreichende Voraussetzung für die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand.
Von einer Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit
soll nach Art. 56 Abs. 4 Satz 1 BayBG a.F. abgesehen werden, wenn ihm ein
anderes Amt derselben, einer entsprechenden, gleichwertigen oder einer ande-
ren Laufbahn übertragen werden kann. Gemäß Art. 56 Abs. 4 Satz 2 BayBG
a.F. ist in Fällen des Satzes 1 die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zu-
stimmung des Beamten zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben
Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden
ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass der Beamte den ge-
sundheitlichen Anforderungen des neuen Amts genügt. Damit hat der Gesetz-
geber den Dienstherrn die Verpflichtung auferlegt, für dienstunfähige Beamte
nach anderweitigen, ihnen gesundheitlich möglichen und zumutbaren Verwen-
dungen zu suchen (BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 73.08 - BVerwGE
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133, 297 Rn. 25 ff. zu § 42 Abs. 3 BBG a.F.). Erst wenn feststeht, dass der in
seiner Beschäftigungsbehörde dienstunfähige Beamte auch nicht anderweitig
von seinem Dienstherrn eingesetzt werden kann, darf er wegen Dienstunfähig-
keit vorzeitig zur Ruhe gesetzt werden. Ohne gesetzliche Suchpflicht könnte die
Verwaltung über die Geltung des Grundsatzes "Weiterverwendung vor Versor-
gung" nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit entscheiden und autonom
festlegen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Kriterien sie sich
um eine anderweitige Verwendung bemüht. Das wäre mit Wortlaut und Zweck
des Gesetzes unvereinbar (BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 73.08 -
BVerwGE 133, 297 Rn. 25 ff.).
Der gesetzliche Vorrang der weiteren Dienstleistung vor der Frühpensionierung
wird auch durch den Wortlaut des Satzes 1 des Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F. zum
Ausdruck gebracht, wonach von der Versetzung in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit abgesehen werden "soll". Soll-Vorschriften gestatten Abwei-
chungen von der gesetzlichen Regel nur in atypischen Ausnahmefällen, in de-
nen das Festhalten an dieser Regel auch unter Berücksichtigung des Willens
des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil vom 26. März 2009
- 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 Rn. 26).
Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung ist regelmäßig auf den ge-
samten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken. Dies folgt aus dem Wortlaut des
Satzes 2 des Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F., der die Übertragung eines neuen Amts
für zulässig erklärt, wenn es zum Bereich desselben Dienstherrn gehört. Für
diesen Umfang der Suchpflicht spricht auch, dass den Beamten zur Vermei-
dung der Frühpensionierung nach Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayBG a.F. auch der
Erwerb einer anderen Laufbahnbefähigung zur Pflicht gemacht werden kann.
Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung muss sich auf Dienstposten
erstrecken, die frei sind oder in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen
sind. Der Senat hält für diese vorausschauende Suche nach frei werdenden
und/oder neu zu besetzenden Dienstposten einen Zeitraum von sechs Monaten
für angemessen. Die Zeitspanne entspricht dem in Art. 56 Abs. 1 Satz 2 BayBG
a.F. (entsprechend § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG und § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG)
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vom Gesetzgeber vorgegebenen Zeitraum von weiteren sechs Monaten. Dage-
gen begründet Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F. keine Verpflichtung anderer Behör-
den, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine
Weiterverwendung zu ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C
73.08 - BVerwGE 133, 297 Rn. 29).
Die Suchanfrage muss eine die noch vorhandene Leistungsfähigkeit des
dienstunfähigen Beamten charakterisierende und sachliche Kurzbeschreibung
enthalten. Diese Kurzbeschreibung muss den angefragten Behörden die Ein-
schätzung erlauben, ob der Beamte für eine Verwendung in ihrem Verantwor-
tungsbereich in Betracht kommt. Dabei ist zu beachten, dass diese Beschrei-
bung den Anspruch des Beamten auf Personaldatenschutz wahrt (§ 50 Be-
amtStG, Art. 60a Abs. 2 Satz 3 und Art. 100a BayBG in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 27. August 1998, GVBl S. 702). Deshalb darf die Kurzbe-
schreibung keine Mitteilung persönlicher Daten des Beamten enthalten, die
nach dem geschilderten Zweck der Suchanfrage nicht erforderlich sind. Regel-
mäßig genügt es, die konkreten Leistungseinschränkungen mitzuteilen. Eine
Offenbarung der Diagnose oder gar von detaillierten Krankheitsbefunden ist für
den Zweck der Suchanfrage als Konkretisierung des gesetzlichen Grundsatzes
"Weiterverwendung vor Versorgung" weder erforderlich noch unter daten-
schutzrechtlichen Aspekten zulässig.
Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der ihm oblie-
genden Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen
Beamten die Vorgaben des Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F. beachtet hat. Denn es
geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem
Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es
zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den
gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat (BVerwG, Urteil vom 17. August
2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <108 f.>).
Diesen Anforderungen genügt die hier zu beurteilende ressortübergreifende
Suchanfrage nicht. Zwar wird in der Anfrage der Sachverhalt zutreffend dahin
erläutert, dass der Kläger krankheitsbedingt nur den Beruf des Lehrers nicht
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mehr ausüben kann, er innerhalb der öffentlichen Verwaltung, aber außerhalb
des Schuldienstes, jedoch vollschichtig einsatzfähig ist. Außerdem ist die An-
frage an die Personalabteilungen der anderen Ressorts und an die Staatskanz-
lei adressiert; sie deckt damit den gesamten Verwaltungsbereich des Beklagten
ab. Die Setzung einer Verschweigensfrist, derzufolge die suchende Behörde
von einer Fehlanzeige ausgeht, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist
Rückmeldungen vorliegen, lässt sich indes nicht mit dem gesetzlichen "Grund-
satz der Weiterverwendung vor Versorgung" in Einklang bringen. Denn die Ein-
räumung einer bloßen Verschweigensfrist setzt nicht den erforderlichen Impuls
für die angefragten Behörden, hinreichend ernsthaft und nachdrücklich nach
einer anderweitig möglichen Verwendung des dienstunfähigen Beamten Aus-
schau zu halten. Die Möglichkeit, durch schlichtes Verschweigen auf eine
Suchanfrage zu reagieren, eröffnet die Möglichkeit, den gesetzlichen Grundsatz
der "Weiterverwendung vor Versorgung" zu unterlaufen.
In welcher Form die Verwaltung der Suchpflicht nachkommt, sei es - wie vorlie-
gend - durch schriftliche Anfragen oder aber durch E-Mail-Abfragen oder auf
andere Weise, bleibt ihrer Organisationsgewalt überlassen. Ebenso bedarf es
für die Suche nach einer anderweitigen Verwendung des dienstunfähigen Be-
amten nur dann einer Nachfrage, wenn die Suchanfrage von einer angefragten
Behörde unbeantwortet bleibt (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2012 - 2 A
5.10 - IÖD 2012, 122 <123>).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Domgörgen Dr. von der Weiden Dr. Hartung
Dr. Kenntner Dollinger
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B e s c h l u s s
vom 19. März 2015
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
§ 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG auf 54 607,15 € festgesetzt.
Domgörgen Dr. von der Weiden Dollinger