Urteil des BVerwG vom 23.09.2004

Versetzung, Arglistige Täuschung, Einverständnis, Rücknahme

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 37.03
Verkündet
VGH 3 B 98.1548
am 23. September 2004
Hardtmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. K u g e l e , G r o e p p e r ,
Dr. B a y e r und Dr. H e i t z
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen den Beschluss des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Mai 2003 wird zu-
rückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens ein-
schließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
G r ü n d e :
I.
Die ehemalige - inzwischen verstorbene - Beigeladene, deren Verfahren von ihrer
Erbin fortgeführt wird, war Lehrerin. Nach einer Beurlaubung über zwölf Jahre wurde
sie durch Bescheid des Regierungspräsidenten Düsseldorf vom 12. März 1993 in
den Schuldienst des Landes Bayern versetzt, nachdem das staatliche Gesundheits-
amt Neu-Ulm ihre gesundheitliche Eignung für das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit
bestätigt und die Regierung von Schwaben mit Schreiben vom 4. März 1993 das
Einverständnis mit der Versetzung erklärt hatte.
Ab dem 14. September 1993 war die ehemalige Beigeladene wegen Krankheit
dienstunfähig. Danach stellte der Beklagte fest, dass sie bereits ab September 1986
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für mehr als fünf Monate in einem psychiatrischen Krankenhaus stationär behandelt
worden war und bei ihrer Einstellungsuntersuchung im Februar 1993 das Formblatt
"Beurteilungsgrundlage" unterschrieben hatte, ohne bei der eigenen Vorgeschichte
oder bei der Frage nach Krankenhausaufenthalten bzw. der Frage nach wiederholten
Behandlungen eines bestimmten Leidens eine psychiatrische Behandlung anzu-
geben.
Mit an die Klägerin adressiertem Bescheid vom 26. Januar 1996 nahm die Regierung
von Schwaben, gestützt auf Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 1
und 2 BayVwVfG, ihr mit Schreiben vom 4. März 1993 erklärtes Einverständnis mit
der Versetzung zurück und verwies darauf, die Zustimmung zur Versetzung sei durch
arglistige Täuschung und durch Angaben erwirkt worden, die in wesentlicher Bezie-
hung unrichtig oder unvollständig gewesen seien.
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht ab-
gewiesen. Das Berufungsgericht hat den Bescheid vom 26. Januar 1996 sowie den
Widerspruchsbescheid aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausge-
führt:
Zur rechtlichen Beurteilung der Rücknahme des Einverständnisses des aufnehmen-
den Dienstherrn bei einer länderübergreifenden Versetzung seien weder die Be-
stimmungen über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts noch die
Regelungen des bürgerlichen Rechts über die Anfechtung wegen eines Willensman-
gels oder wegen arglistiger Täuschung heranzuziehen. Vielmehr fänden auf das Ein-
verständnis des aufnehmenden Dienstherrn mit der Versetzung dieselben Grundsät-
ze Anwendung, die für den Zugang zum Beamtenverhältnis - also für die Ernen-
nung - Geltung hätten. Zwar habe die ehemalige Beigeladene ihre Ernennung durch
arglistige Täuschung herbeigeführt, da sie vor der Versetzung die Frage, ob sie "we-
gen eines bestimmten Leidens längere Zeit oder wiederholt behandelt" worden sei,
wider besseres Wissen verneint habe und auch nicht krankheitsbedingt gehindert
gewesen sei, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Die Rücknah-
me der Einverständniserklärung sei jedoch nicht von der zuständigen Behörde, näm-
lich dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, erklärt worden.
Zudem sei die Frist von sechs Monaten nicht gewahrt worden, innerhalb derer eine
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Ernennung zurückgenommen werden könne, nachdem der obersten Dienstbehörde
die Ernennung und der Rücknahmegrund bekannt geworden seien. Diese Frist gelte
auch für die Rücknahme des Einverständnisses zu einer Versetzung.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verlet-
zung materiellen Rechts und beantragt,
den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Mai 2003
aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungs-
gerichts Augsburg vom 26. März 1998 zurückzuweisen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt ebenso wie der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwal-
tungsgericht das angefochtene Urteil.
II.
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Be-
scheid vom 26. Januar 1996 zu Recht aufgehoben, da er rechtswidrig ist.
1. Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist zulässig. Insoweit kommt es
nicht darauf an, ob die Einverständniserklärung des aufnehmenden Dienstherrn
durch einen Verwaltungsakt aufgehoben werden kann. Maßgebend ist vielmehr,
dass ein solcher ergangen ist. Mit dem an die Klägerin gerichteten Bescheid vom
26. Januar 1996 hat die Regierung von Schwaben eine Maßnahme getroffen, die mit
potentieller Bestandskraft die Rücknahme des Einverständnisses für die Versetzung
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der ehemaligen Beigeladenen in den Schuldienst des Freistaates Bayern rechtsver-
bindlich bewirken sollte. Das ergibt sich bereits aus der Formalgestaltung: Die Maß-
nahme ist ausdrücklich als "Bescheid" bezeichnet, ihre sofortige Vollziehung wird
angeordnet und es ist eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Dies sind die typus-
bestimmenden äußeren Kennzeichen eines schriftlichen Verwaltungsaktes. Inhaltlich
ist die Maßnahme auf Art. 48 BayVwVfG gestützt und als Rücknahme eines Verwal-
tungsaktes bezeichnet. Die Rücknahme eines Verwaltungsaktes ist selbst ein Ver-
waltungsakt (vgl. z.B. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl.,
§ 48 Rn. 241).
Entgegen der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1996
ist die Klägerin als Behörde des Landes Nordrhein-Westfalen (abgebender Dienst-
herr) anfechtungsberechtigt. Die potentielle Verletzung von Rechten des früheren
Dienstherrn ergibt sich schon daraus, dass ihm gegenüber durch Verwaltungsakt
eine verbindliche Regelung getroffen werden sollte. Zudem hat er ein rechtlich be-
achtliches Interesse an der Klärung, ob der Beklagte sein Einverständnis zu der Ver-
setzung der ehemaligen Beigeladenen zurücknehmen durfte. Folge einer Rücknah-
me könnte nämlich sein, dass die Versetzung unmittelbar ihre Wirksamkeit verliert
oder dass die Klägerin verpflichtet ist, die Versetzungsverfügung aufzuheben (vgl.
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Mai 1987 - 4 S 1063/85 - VBlBW 1988, 151),
was dazu führen könnte, dass das Beamtenverhältnis der ehemaligen Beigeladenen
mit dem Land Nordrhein-Westfalen "wiederaufgelebt" wäre. Daraus ergeben sich
möglicherweise Rückabwicklungsverpflichtungen, nachträgliche Besoldungsansprü-
che und Versorgungsansprüche der Hinterbliebenen. Deshalb hat sich der Rechts-
streit durch den Tod der ehemaligen Beigeladenen auch nicht erledigt.
2. Die Anfechtungsklage ist begründet. Der angefochtene Rücknahmebescheid ist
rechtswidrig, weil die Einverständniserklärung kein Verwaltungsakt ist und nicht
durch einen Verwaltungsakt aufgehoben werden kann.
Gemäß § 123 BRRG kann der Beamte nach Maßgabe des § 18 BRRG auch über
den Bereich eines Landes hinaus zu einem anderen Dienstherrn im Geltungsbereich
des Beamtenrechtsrahmengesetzes versetzt werden (so genannte dienstherrnüber-
greifende Versetzung). Die Versetzung wird von dem abgebenden im schriftlichen
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Einverständnis mit dem aufnehmenden Dienstherrn verfügt; in der Verfügung ist zum
Ausdruck zu bringen, dass das Einverständnis vorliegt. Ob, unter welchen Voraus-
setzungen und in welcher Form der aufnehmende Dienstherr sich nachträglich von
seinem Einverständnis lösen kann, ist gesetzlich nicht geregelt. Es ist auch nicht
normativ ausdrücklich bestimmt, welchen Rechtscharakter die Einverständniserklä-
rung des aufnehmenden Dienstherrn hat.
Die Aufhebung der Einverständniserklärung durch eine unmittelbar auf Art. 48
BayVwVfG gestützte Rücknahmeverfügung kommt nicht in Betracht. Gegenstand der
Rücknahme ist nach dieser Bestimmung ein Verwaltungsakt. Die Einverständniser-
klärung gemäß § 123 Abs. 2 BRRG stellt jedoch keinen solchen Verwaltungsakt dar
(a.A. OVG Münster, Urteil vom 28. Mai 1985 - 6 A 66/84 - DVBl 1985, 1247 f.). Ihr
mangelt es an nahezu sämtlichen Merkmalen eines Verwaltungsaktes im Sinne des
Art. 35 BayVwVfG: Sie hat keine unmittelbare Außenwirkung, begründet keine unmit-
telbaren Rechtsfolgen und ist keine hoheitliche Maßnahme.
Die Versetzung, die gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 BRRG von dem abgebenden
Dienstherrn verfügt wird, hat wegen der Statusänderung den Charakter eines Ver-
waltungsaktes (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer, § 26 BBG Rn. 5 a,
44). Demgegenüber ist die Einverständniserklärung eine Mitwirkungshandlung mit-
tels sonstiger öffentlich-rechtlicher Willenserklärung der aufnehmenden Behörde im
Versetzungsverfahren (vgl. Urteil vom 13. November 1986 - BVerwG 2 C 33.84 -
BVerwGE 75, 133 <134>). Sowenig der Dienstherr wegen des Antrags des Beamten
oder wegen des Vorliegens der Einverständniserklärung eines aufnahmebereiten
Dienstherrn verpflichtet ist, den Beamten zu versetzen, ist der Dienstherr, der den
Beamten aufnehmen soll, gehalten, sein Einverständnis wegen der Versetzungsab-
sicht des Beamten oder des bisherigen Dienstherrn zur Übernahme des Beamten zu
erteilen (vgl. Urteil vom 13. November 1986 a.a.O. S. 135; Beschluss vom 6. Novem-
ber 1987 - BVerwG 6 P 3.85 - BVerwGE 78, 257 <261>). Die Versetzung zu einem
anderen Dienstherrn beruht auf der gleichgerichteten und gleichgewichtigen Willens-
entschließung beider beteiligter Dienstherren. Der Wille des bisherigen Dienstherrn,
das bestehende Dienstverhältnis mit dem Beamten zu lösen, und der Wille des auf-
nehmenden Dienstherrn, das Dienstverhältnis mit dem Beamten fortzuführen, sind
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konstitutiv für die dienstherrnübergreifende Versetzung. Die jeweilige Willensbekun-
dung erfolgt durch die Einverständniserklärung und durch die Versetzung.
Aus § 123 Abs. 2 Satz 2 BRRG folgt, dass Adressat der Einverständniserklärung des
aufnehmenden Dienstherrn der Dienstherr ist, in dessen Dienst der Beamte (noch)
steht. Wäre die Einverständniserklärung an den Beamten zu richten, wäre es sinnlos,
in der Versetzungsverfügung zum Ausdruck zu bringen, dass das Einverständnis vor-
liegt. Andererseits könnte die abgebende Behörde diesen Hinweis nicht in die Ver-
setzungsverfügung aufnehmen, wenn ihr die Einverständniserklärung nicht zugegan-
gen wäre. Als verwaltungsinterne Mitwirkungshandlung hat die Einverständniserklä-
rung keine Außenwirkung.
Die Einverständniserklärung begründet auch keine unmittelbare Rechtsfolge, da sie
dem Beamten keinen Anspruch auf Versetzung verschafft und den gegenwärtigen
Dienstherrn des Beamten nicht zur Versetzung verpflichtet. Vielmehr ist sie tat-
bestandliche Voraussetzung der rechtsfolgenbegründenden Versetzungsverfügung.
Zudem ist das dem abgebenden Dienstherrn gegenüber zu erklärende Einverständ-
nis keine hoheitliche Maßnahme. Die beteiligten Dienstherren sind jeweils Träger
öffentlicher Verwaltung und treten sich im Versetzungsverfahren nicht in einem Über-
und Unterordnungsverhältnis, sondern in einem Gleichordnungsverhältnis gegen-
über. Ohne ein Einvernehmen können die Interessen des abgebenden oder des auf-
nehmenden Dienstherrn nicht einseitig durchgesetzt werden. In diesem Gleichord-
nungsverhältnis verbietet sich der von einer Seite erlassene, mit Verbindlichkeit aus-
gestattete Verwaltungsakt.
3. Der aufnehmende Dienstherr kann sich nachträglich von seiner Einverständniser-
klärung unter den Voraussetzungen lösen, die für die Aufhebung einer dienstherrnü-
bergreifenden Versetzung maßgebend sind. Die Versetzungsverfügung ist ihrerseits
nicht unabänderlich und einer Aufhebung nicht entzogen. Die Beseitigung der Ver-
setzungsverfügung als actus contrarius obliegt allerdings dem abgebenden Dienst-
herrn. Obgleich der Beamte aufgrund der Versetzung in den Dienst eines anderen
Dienstherrn übergetreten ist, erhält dieser nicht die Dispositionsbefugnis über die
Versetzung, weil durch eine Aufhebung der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt
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werden könnte. Die Entscheidung über den Dienstherrenwechsel hat nach der aus-
drücklichen Zuständigkeitsregelung des § 123 Abs. 2 Satz 1 BRRG ausschließlich
der abgebende Dienstherr zu treffen.
Auf die Entscheidung des abgebenden Dienstherrn, an der Versetzungsverfügung
festzuhalten oder sie rückgängig zu machen, hat der aufnehmende Dienstherr sei-
nerseits keinen unmittelbaren Einfluss. Er kann die Entscheidung nicht erzwingen;
hierzu bietet § 123 BRRG keine Handhabe. Der paritätischen Willensbildung des ab-
gebenden und des aufnehmenden Dienstherrn im Versetzungsverfahren entspricht
es, wenn der aufnehmende Dienstherr in der Lage ist, seine Einverständniserklärung
nachträglich zu beseitigen. Dies knüpft an seine spezifische Mitwirkungshandlung im
Versetzungsverfahren an. Der eigene Beitrag wird beseitigt, indem der aufnehmende
Dienstherr durch schriftliche Erklärung das dem abgebenden Dienstherrn schriftlich
erklärte Einverständnis zurückzieht. Gelingt dem aufnehmenden Dienstherrn die Be-
seitigung seines Einverständnisses, führt dies unmittelbar zur Wiederherstellung des
vor der Versetzung bestehenden Zustandes, da ein materielles Wirksamkeitserfor-
dernis der Versetzung entfällt (vgl. Beschluss vom 6. November 1997 a.a.O. S. 261;
Urteil vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 2 C 1.02 - Buchholz 230 § 123 BRRG
Nr. 4).
Die Wirkung, die der Beseitigung des Einverständnisses zukommt, verlangt eine
strenge Begrenzung der Voraussetzungen. Nach § 123 BRRG hat die dienstherrnü-
bergreifende Versetzung zur Folge, dass das Dienstverhältnis zum abgebenden
Dienstherrn erlischt und ein Dienstverhältnis zum aufnehmenden Dienstherrn be-
gründet wird. Zwar wird durch die Versetzung das Beamtenverhältnis nicht unterbro-
chen oder neu begründet, sondern mit dem neuen Dienstherrn fortgesetzt (vgl. Urteil
vom 11. April 1991 - BVerwG 10 C 1.91 - Buchholz 261 § 3 BUKG Nr. 1 S. 2). Die
Versetzung unterliegt als solche auch nicht der Formenstrenge der Ernennung.
Gleichwohl hat die Versetzung für den Beamten und den aufnehmenden Dienstherrn
ernennungsähnliche Wirkung. Der neue Dienstherr tritt in die Rechte und Pflichten
aus dem Beamtenverhältnis ein. Deshalb sind auf die Versetzung die Grundsätze
anzuwenden, die auch für die erstmalige Begründung eines Beamtenverhältnisses
gelten (vgl. Urteil vom 13. November 1986 a.a.O. S. 135; Beschluss vom
6. November 1987 a.a.O. S. 261; auch Urteil vom 23. Februar 1989 - BVerwG 2 C
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25.87 - BVerwGE 81, 282 <284 f.>), ohne dass es darauf ankommt, ob es - etwa
wegen einer mit der Versetzung verbundenen Beförderung - einer zusätzlichen Er-
nennung bedarf.
Zudem hat der Mangel des Einverständnisses die Nichtigkeit der Versetzungsverfü-
gung zur Folge, weil das Einverständnis eine materiellrechtlich zwingend erforderli-
che Wirksamkeitsvoraussetzung der Versetzung ist (vgl. Urteil vom 19. Dezember
2002 a.a.O. S. 2). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob das Einverständnis bereits
bei Erlass der Versetzungsverfügung nicht vorgelegen hat oder ob es nachträglich
rückwirkend beseitigt worden ist. Die Zurücknahme der Einverständniserklärung be-
rührt ebenso wie deren Abgabe die Rechtssicherheit und die Ämterstabilität.
Schließlich ist die länderübergreifende Versetzung ein Rechtsakt in einem Dreiecks-
verhältnis und berührt substantielle Interessen des Beamten und des abgebenden
sowie des aufnehmenden Dienstherrn. Mit der Versetzung verändert sich im Hinblick
auf abweichende beamtenrechtliche Regelungen die Rechts- und Pflichtenstellung
des Beamten. Die beteiligten Dienstherren haben die bisherigen Maßnahmen (insbe-
sondere Stellenbesetzung, Besoldung, u.U. Versorgung) rückabzuwickeln. Die über
das bipolare Rechtsverhältnis hinausgehende Wirkung der Versetzung bzw. deren
nachträgliche Aufhebung fordert ebenfalls eine erhöhte Rechtsbeständigkeit.
Die auf die Versetzung anzuwendenden speziellen Regelungen des Beamtenrechts
schließen die Anwendbarkeit der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften über
die Rücknahme (vgl. § 48 VwVfG) und die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes (vgl.
§ 44 VwVfG) sowie die Heilung von Verfahrens- und Formfehlern (vgl. § 45 VwVfG)
aus. Ebenfalls ausgeschlossen ist die entsprechende Anwendung der bürgerlich-
rechtlichen Vorschriften über die Anfechtung von Willenserklärungen wegen Irrtums
oder Täuschung (a.A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Mai 1987 a.a.O.). Um
die Regelungslücke im Bereich des § 123 BRRG zu schließen, sind die speziellen
und sachnäheren Bestimmungen des Beamtenrechts heranzuziehen, die in Bund
und Ländern durch §§ 11, 12 BBG und §§ 8 und 9 BRRG weitgehend vereinheitlicht
sind. Im Übrigen sind die den §§ 119 ff. BGB zugrunde liegenden allgemeinen Be-
wertungen prinzipiell auch in den Bestimmungen über die Rücknahme einer Ernen-
nung (vgl. § 9 BRRG) berücksichtigt.
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4. Nach dem somit entsprechend anwendbaren Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 BayBG ist die
Ernennung zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt
wurde. Gemäß Art. 17 Satz 1 BayBG kann in den Fällen des Art. 15 die Ernennung
nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten zurückgenommen werden, nachdem die
oberste Dienstbehörde von der Ernennung und dem Rücknahmegrund Kenntnis er-
langt hat; nach Satz 3 wird die Rücknahme von der obersten Dienstbehörde erklärt.
Art. 15 und Art. 17 BayBG sind sowohl auf die Versetzung als auch auf die Einver-
ständniserklärung analog anzuwenden. Ebenso wie die oberste Dienstbehörde für
die Rücknahme einer Ernennung zuständig ist, die eine andere Behörde vorgenom-
men hat, ist sie für die Rücknahme des Einverständnisses zu einer Versetzung auch
dann zuständig, wenn eine andere Behörde dieses Einverständnis erklärt hat. Dies
entspricht der besonderen rechtlichen Bedeutung, die die Beseitigung einer be-
standskräftigen Versetzungsverfügung oder einer Ernennung - nicht nur einer Ernen-
nung zur erstmaligen Begründung eines Beamtenverhältnisses - hat. Die Aus-
schlussfrist von sechs Monaten zwingt die oberste Dienstbehörde, alsbald zu ent-
scheiden, ob sie an dem früher erklärten Einverständnis festhält. Danach sollen mög-
lichst bald klare Verhältnisse geschaffen werden und im Interesse der Rechtssicher-
heit und der Ämterstabilität die Ungewissheit über den Status des Beamten nicht un-
nötig lange bestehen bleiben.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass nicht das Bayerische Staatsministerium
für Unterricht und Kultus als oberste Dienstbehörde der ehemaligen Beigeladenen,
sondern die Regierung von Schwaben den angegriffenen Bescheid erlassen hat.
Nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision nicht
angegriffen werden und die das Revisionsgericht binden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO),
ist zudem die Sechsmonatsfrist nicht gewahrt worden, da die oberste Dienstbehörde
bereits durch Schreiben der Regierung von Schwaben am 29. Juni 1995 von der Ver-
setzung, von der Krankheitsgeschichte und von den Angaben der ehemaligen Beige-
ladenen anlässlich ihrer Versetzung in den Dienst des Landes Bayern in Kenntnis
gesetzt worden ist. Danach hätte das Einverständnis spätestens bis Ende des Jahres
1995 zurückgezogen werden müssen. Eine - fristgerechte - Erklärung der obersten
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Dienstbehörde liegt jedoch nicht vor. Die erst nach der gesetzlichen Frist und zudem
von einer unzuständigen Behörde erklärte Aufhebung konnte die Einverständniser-
klärung vom 4. März 1993 nicht wirksam beseitigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Auch die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind zu erstatten, da diese einen Antrag gestellt hat und
damit ein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Albers Dr. Kugele Groepper
Dr. Bayer Dr. Heitz
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 46 248 € fest-
gesetzt (§ 13 Abs. 4 Satz 1 Buchstabe a GKG a.F.).
Albers Groepper Dr. Bayer
Sachgebiet:
BVerwGE: ja
Beamtenrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BRRG §§ 18, 123
VwVfG §§ 44, 45, 48
BayBG Art. 15, 17
Stichworte:
Dienstherrnübergreifende Versetzung; nachträgliche Beseitigung der Einverständ-
niserklärung des aufnehmenden Dienstherrn.
Leitsatz:
Die Erklärung des Einverständnisses des aufnehmenden Dienstherrn mit der Ver-
setzung eines Beamten kann nicht durch Verwaltungsakt zurückgenommen werden.
Sie kann aber durch Erklärung gegenüber dem abgebenden Dienstherrn entspre-
chend den Regeln über die Rücknahme einer Ernennung - ebenso wie die Verset-
zungsverfügung selbst - beseitigt werden.
Urteil des 2. Senats vom 23. September 2004 - BVerwG 2 C 37.03
I. VG Augsburg vom 26.03.1998 - Az.: VG Au 2 K 96.1698 -
II. VGH München vom 05.05.2003 - Az.: VGH 3 B 98.1548 -