Urteil des BVerwG vom 20.07.2004

Billigkeit, Verfahrenskosten, Verfahrensökonomie, Kopftuch

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 C 35.03
OVG 2 LB 2171/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. M ü l l e r
beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Urteile des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. Oktober
2000 und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom
13. März 2002 sind wirkungslos.
- 2 -
Die Kosten des Rechtsstreits in der ersten und zweiten Instanz
trägt die Beklagte. Die in der Revisionsinstanz entstandenen
Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfah-
ren auf 22 360 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben,
ist das Verfahren entsprechend § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3
Satz 1 VwGO einzustellen. Die Vorentscheidungen sind wirkungslos (§ 173 VwGO
i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1, zweiter Halbsatz ZPO).
Der Ausgang des Rechtsstreits war offen. Zu beantworten waren u.a. die Fragen, ob
und inwiefern die Rechtmäßigkeit der seinerzeit getroffenen Entscheidung der Be-
klagten über die Eignung der Klägerin unter Heranziehung auch der am 11. Mai 2004
in Kraft getretenen Vorschrift des § 51 Abs. 3 des Niedersächsischen Schulgesetzes
in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen
Schulgesetzes und des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes vom 29. April 2004
(Nds.GVBl S. 140) zu überprüfen ist (vgl. dazu Urteil vom 27. November 1980
- BVerwG 2 C 38.79 - BVerwGE 61, 176 <191 f.>), ferner, ob diese Vorschrift zwei-
felsfrei verfassungsgemäß ist und ob sie durch die erklärte Absicht der Klägerin, im
Unterricht immer ein Kopftuch zu tragen, verwirklicht wird. Da im Rahmen einer Kos-
tenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO aus Gründen der Verfahrensökonomie
keine schwierigen Rechtsfragen geklärt werden können, entspricht es grundsätzlich
der Billigkeit, wenn die Verfahrenskosten von den Parteien je zur Hälfte getragen
werden. Die Entscheidung im vorliegenden Verfahren hätte angesichts der unter-
schiedlichen Normstruktur der jeweils maßgeblichen landesrechtlichen Regelungen
auch andere Fragen aufgeworfen, als sie in dem Parallelverfahren nach baden-
württembergischen Landesrecht zu entscheiden waren (vgl. Urteil vom 24. Juni 2004
- BVerwG 2 C 45.03 -).
- 3 -
Die Kostenentscheidung gilt jedoch nicht für die Kosten, die in den Vorinstanzen an-
gefallen sind. Nach der Rechtslage, wie sie für das Verwaltungsgericht und das
Oberverwaltungsgericht maßgeblich war, hätte die Klage auf der Grundlage des Ur-
teils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -
(BVerfGE 108, 282 ff.) Erfolg haben müssen. Erst durch das In-Kraft-Treten des § 51
Abs. 3 Nds.SchulG n.F. ist - mit der Folge der nunmehr aus Billigkeitsgründen gebo-
tenen Kostenteilung - die Rechtslage offen geworden. Deshalb sind die Kosten der
ersten und zweiten Instanz der Beklagten aufzuerlegen (vgl. BGHZ 37, 233 <246 ff.>;
RGZ 101, 162 <165>).
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b GKG
a.F. (Halbjahresbezüge aus der Besoldungsgruppe A 12 gemäß der im Mai 2002
geltenden Tabelle) in Verbindung mit der Übergangsvorschrift des § 72 Nr. 1, erster
Halbsatz GKG n.F.
Albers
Prof. Dawin
Dr. Müller