Urteil des BVerwG vom 17.06.2004

Besoldung, Entscheidungsformel, Beamter, Nettoeinkommen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 34.02
Verkündet
VG 9 E 1852/01 (V)
am 17. Juni 2004
Schütz
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 -
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , Dr. K u g e l e ,
G r o e p p e r und Dr. B a y e r
für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom
17. Juni 2002 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt,
dem Kläger für das Jahr 2000 392, 04 € und für das Jahr 2001
383,04 € nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Mai 2001 zu zahlen. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen der Kläger
und die Beklagte je zur Hälfte.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist Bundesbankoberrat und hat drei Kinder. Im Februar 2000 beanstande-
te er, dass die Höhe des Familienzuschlags für sein drittes Kind nicht den Anforde-
rungen entspreche, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt habe.
Nachdem die Beklagte diese Beanstandung und den Widerspruch zurückgewiesen
hatte, hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 817 € netto
für die Jahre 2000 und 2001 nebst 4 % Zinsen zu zahlen und für die Zeit ab dem
Jahr 2002 sicherzustellen, dass dem Kläger mit Rücksicht auf das dritte Kind für die
Dauer seiner Berechtigung zum Bezug der dritten Stufe des Familienzuschlags jähr-
lich ein Gesamtbetrag als Familienzuschlag (dritte Stufe) netto gewährt wird, der
115 % des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs entsprechend dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 entspricht.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt (vgl. IÖD 2003, 42):
Die Klage sei auch zulässig, soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur
künftigen Leistungsgewährung nach Maßgabe der Ausführungen des Bundesverfas-
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sungsgerichts in seinem Beschluss vom 24. November 1998 begehre. Eine nähere
Eingrenzung des Klagebegehrens, insbesondere die Angabe konkreter Zahlbeträge
könne nicht gefordert werden.
Der Kläger habe unmittelbar aus Art. 33 Abs. 5 GG einen Anspruch auf einen Fami-
lienzuschlag für sein drittes Kind, der netto mindestens 115 % des durchschnittlichen
Sozialhilfebedarfs eines Kindes erreiche. Diesen Anspruch habe die Beklagte in den
Jahren 2000 und 2001 nicht in vollem Umfange erfüllt und 412,98 € netto für das
Jahr 2000 und 404,02 € netto für das Jahr 2001 zu wenig Familienzuschlag für das
dritte Kind des Klägers gezahlt. Dies sei im Ansatz zwischen den Beteiligten unstrei-
tig, wie sich aus der im Streitverfahren von der Beklagten und von dem Kläger vorge-
legten Berechnung ergebe. Dem stehe § 2 Abs. 1 BBesG nicht entgegen, da als ge-
setzliche Regelung auch Art. 33 Abs. 5 GG, zumindest seit der Auslegung dieser Be-
stimmung durch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 24. No-
vember 1998, angesehen werden müsse. Danach habe der Beamte unmittelbar von
Verfassungs wegen einen individuellen Anspruch darauf, für das dritte und jedes
weitere Kind einen Familienzuschlag zu erhalten, der netto jährlich mindestens
115 % des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs eines Kindes erreiche. Der Anspruch
gemäß Ziffer 2 des Tenors der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
24. November 1998 könne mittels Klage vor den Fachgerichten durchgesetzt
werden. Einer erneuten Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfas-
sungsgericht bedürfe es nicht.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen und im Einverständnis mit dem Kläger
erhobenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts und bean-
tragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juni
2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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II.
Die Revision der Beklagten hat nur teilweise Erfolg.
Das Verwaltungsgericht ist im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass es die
Beklagte unmittelbar zur Zahlung von Bezügen verurteilen durfte und musste, soweit
die Besoldung des Klägers in den Jahren 2000 und 2001 unterhalb der ver-
fassungsrechtlich vorgegebenen Mindestgrenze lag. Das Verwaltungsgericht war
nicht darauf verwiesen, gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der besoldungsrechtlichen Be-
stimmungen einzuholen, auf denen die Bezüge des Klägers ab dem Jahre 2000 be-
ruhten.
In seinem Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u.a. - (BVerfGE 99, 300
<304>) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden (Entscheidungsformel zu 2.):
"Der Gesetzgeber hat die als verfassungswidrig beanstandete
Rechtslage bis zum 31. Dezember 1999 mit der Verfassung in
Übereinstimmung zu bringen.
Kommt der Gesetzgeber dem nicht nach, so gilt mit Wirkung vom
1. Januar 2000:
Besoldungsempfänger haben für das dritte und jedes weitere un-
terhaltsberechtigte Kind Anspruch auf familienbezogene Gehalts-
bestandteile in Höhe von 115 v.H. des durchschnittlichen sozialhil-
ferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes, der sich nach Maßga-
be der Gründe zu C. III. 3. errechnet."
Rechtsgrundlage dieser Entscheidung ist § 35 BVerfGG, wonach das Bundesverfas-
sungsgericht in seiner Entscheidung bestimmen kann, wer sie vollstreckt, und im
Einzelfall auch die Art und Weise der Vollstreckung regeln kann.
Die Vollstreckungsanordnung enthält zwei voneinander unabhängige Aussprüche:
Zum einen wird der Gesetzgeber verpflichtet, innerhalb einer bestimmten Frist die in
der Entscheidungsformel zu 1. als verfassungswidrig beanstandete Rechtslage neu
zu ordnen. Für den Fall, dass er diesem Normsetzungsauftrag nicht nachkommt,
sollen die Besoldungsempfänger mit mehr als zwei Kindern ab dem 1. Januar 2000
gegebenenfalls über die formelle Gesetzeslage hinaus einen Leistungsanspruch
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unmittelbar nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Mindestbe-
soldung ab dem dritten Kind haben.
Während der erste, an den Gesetzgeber gerichtete appellativ-verbindliche Teil der
Entscheidungsformel zu 2. nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann, enthält der
zweite Teil der Entscheidungsformel zu 2. als normersetzende Interimsregelung ei-
nen selbstständigen Ausspruch, der keine Vollstreckungsanordnung zum ersten Teil
des Tenors, sondern eine davon abweichende Ermächtigung zu einer "gesetzesre-
formatorischen Judikatur" der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, wie sich ausdrücklich
aus der "Erläuterung" am Ende der Entscheidung (a.a.O., S. 332) ergibt. Danach
sind "die Fachgerichte … befugt, familienbezogene Gehaltsbestandteile nach diesem
Maßstab zuzusprechen". Die "Vollstreckung" durch die Fachgerichte ist nicht
geeignet, den Gesetzgeber unmittelbar zum Handeln zu veranlassen, wie dies nach
dem ersten Teil der Entscheidungsformel zu 2. intendiert wird. Vielmehr wird ein
Leistungsanspruch jenseits legislatorischer Maßnahmen begründet. Diese Entschei-
dung beruht auf der unbeschränkten Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts,
Inhalt und Reichweite seiner eigenen Entscheidungen zu bestimmen.
Dies gilt auch für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen den verfassungs-
bedingten materiellrechtlichen Anforderungen an die Beamtenbesoldung und den
- ebenfalls verfassungsbedingten - formellen Anforderungen des Gesetzesvorbe-
halts. Im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Besoldung, wie sie auch in § 2 Abs. 1
BBesG zum Ausdruck kommt, ist es grundsätzlich der abschließenden Prüfung durch
das Bundesverfassungsgericht vorbehalten, ob der Gesetzgeber die Besoldung der
Beamten mit mehr als zwei Kindern verfassungskonform geregelt hat. An die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber gemäß § 31
Abs. 1 BVerfGG gebunden; er darf eine mit der Verfassung unvereinbare Rechtslage
nicht fortbestehen lassen. "Sollte der Gesetzgeber die Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichts nicht umsetzen, so ist es grundsätzlich nicht Aufgabe der Fachge-
richte, für eine solche Umsetzung zu sorgen. Eine Vollstreckung seiner Entscheidun-
gen im Sinne des § 35 BVerfGG ist dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten"
(a.a.O., S. 313 f.).
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Der Gesetzesvorbehalt hindert indessen nicht die Anordnung der "Vollstreckung"
verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, die - wie hier - gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2
BVerfGG mit Gesetzeskraft ausgestattet sind und gleichsam anstelle eines förmli-
chen Gesetzes die Rechtslage in Übereinstimmung mit den Anforderungen des
Grundgesetzes bringen. Das bereits durch das Grundgesetz angelegte Spannungs-
verhältnis zwischen dem Gesetzesvorbehalt einerseits und einer ungenügenden in-
haltlichen Normgestaltung andererseits hat das Bundesverfassungsgericht hinsicht-
lich der Besoldung von Beamten mit drei und mehr Kindern in der Weise gelöst, dass
primär dem Gesetzgeber aufgegeben worden ist, eine den verfassungsrechtlichen
Anforderungen inhaltlich genügende Regelung zu schaffen. Ein entsprechendes
Tätigwerden hätte den formellen und materiellen verfassungsrechtlichen Anfor-
derungen entsprochen. Erst für den Fall, dass der Gesetzgeber seinen verfassungs-
gebotenen Regelungsverpflichtungen zeitgerecht nicht nachkommen würde, sollten
(sekundär) die Dienstherren unmittelbar verpflichtet sein, Besoldung nach den Min-
destvorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu zahlen. Hiernach stellt sich die
Vollstreckungsanordnung als "ultima ratio" dar.
Gegen die Verbindlichkeit der Vollstreckungsanordnung bestehen auch im Übrigen
keine Bedenken. Die Durchführung der "Vollstreckung" seiner Entscheidungen ob-
liegt nicht ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht oder einem sonstigen be-
sonderen "Vollstreckungsorgan". Vielmehr bestimmt das Bundesverfassungsgericht
gemäß § 35 BVerfGG, wer die Entscheidung vollstreckt. Eine solche Bestimmung hat
es in dem Beschluss vom 24. November 1998 (a.a.O., S. 331 f.) getroffen. Es hat für
den Fall, dass der Gesetzgeber seine durch die vorgenannte Entscheidung
festgestellte Verpflichtung nicht bis zum 31. Dezember 1999 erfüllt, die Dienstherren
verpflichtet, für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind familienbezo-
gene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 v.H. des durchschnittlichen sozialhilfe-
rechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes zu gewähren. Das Bundesverfassungsge-
richt hat darüber hinaus ausdrücklich den Fachgerichten die Befugnis zuerkannt,
familienbezogene Gehaltsbestandteile nach diesem Maßstab zuzusprechen.
Die "Vollstreckung" durch die Fachgerichte ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil
die Verurteilung des Dienstherrn zu einer höheren als der gesetzlich vorgesehenen
Besoldung voraussetzt, dass der Gesetzgeber seiner Pflicht zur verfassungskonfor-
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men Anpassung der Beamtenbesoldung bis zum 31. Dezember 1999 nicht nachge-
kommen ist. Aufgrund der - zulässigen - Bedingung wird den Fachgerichten keine
Ermächtigung übertragen, die nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht oder anderen Staatsorganen vorbe-
halten bleibt. Ob der Gesetzgeber seine Verpflichtung zur angemessenen Besoldung
eines Beamten mit mehr als zwei Kindern erfüllt hat, bedarf nicht erneuter verfas-
sungsgerichtlicher Würdigung. Die spezifischen verfassungsrechtlichen Fragen der
Besoldung von Beamten mit mehr als zwei Kindern sind längst geklärt (vgl. BVerfG,
Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 - BVerfGE 44, 249, vom 22. März
1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 und vom 24. November 1998 a.a.O.). Die Un-
tergrenze einer der Alimentationspflicht entsprechenden Besoldung ist in der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts sowohl im Hinblick auf den Mehrbedarf
des dritten Kindes und weiterer Kinder als auch im Hinblick auf die Berechnung der
zur Deckung dieses Mehrbedarfs einzusetzenden Einkünfte hinreichend konkretisiert.
Den Fachgerichten wird nicht die Kompetenz eingeräumt, als ungenügend erkannte
Besoldungsgesetze zu verwerfen. Vielmehr ist ihnen nur die Möglichkeit eingeräumt,
ergänzende Leistungen über die gesetzlich vorgesehenen Beträge hinaus zuzuspre-
chen.
Die Vollstreckungsanordnung in dem Beschluss vom 24. November 1998 (a.a.O.,
S. 331 f.) ist zukunftsgerichtet. Sie beschränkt sich nicht darauf, ein Tätigwerden der
Fachgerichte zu ermöglichen, um die Konsequenzen aus der Unvereinbarkeit der in
der Entscheidungsformel bezeichneten Vorschriften bis zu dem Gesetz über die An-
passung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1995 (Bundes-
besoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1995) vom 18. Dezember 1995
(BGBl I S. 1942) zu ziehen. Vielmehr wird der Gesetzgeber auch für die Zukunft ver-
pflichtet, die Besoldung kinderreicher Beamter entsprechend den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts zu ordnen; demgemäß sind die Verwaltungsgerichte
durch die Vollstreckungsanordnung pro futuro verpflichtet, im Falle weiterhin unzu-
reichender Gesetzgebung Besoldungsansprüche unmittelbar zuzuerkennen. Denn
der Kreis der von der Entscheidungsformel zu 2. begünstigten Beamten ist deutlich
weiter gefasst als nach dem Ausspruch zu 1. über die Unvereinbarkeit der die Be-
schwerdeführer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens betreffenden Besoldungs-
regelungen mit dem Grundgesetz. Zudem ist den Verwaltungsgerichten die Vollstre-
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ckungsbefugnis mit Wirkung vom 1. Januar 2000, also erst ab einem zukünftigen
Zeitpunkt eingeräumt und dem Gesetzgeber nochmals eine Frist belassen worden,
um den verfassungsgemäßen Zustand herzustellen.
Die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts hat sich nicht dadurch
erledigt, dass im Anschluss an den Beschluss der Familienzuschlag nach Anlage V
des Bundesbesoldungsgesetzes für das dritte und jedes weitere zu berücksichtigen-
de Kind durch Art. 9 § 2 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versor-
gungsbezügen in Bund und Ländern 1999 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsan-
passungsgesetz 1999 - BBVAnpG 99) vom 19. November 1999 (BGBl I S. 2198) um
je 200 DM und durch Art. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Versorgungsabschlä-
ge vom 19. Dezember 2000 (BGBl I S. 1786) für das Jahr 2001 um je 203,60 DM
erhöht worden ist. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass diese Sonderregelungen
ausdrücklich "der Berücksichtigung der Grundsätze der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentation von Beamten mit
drei und mehr Kindern vom 24. November 1998" dienen sollten (vgl. BTDrs 14/1088
S. 11).
Der unmittelbar anspruchsbegründende Teil der Entscheidungsformel zu 2. des Be-
schlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 (a.a.O., S. 304)
steht nicht unter dem Vorbehalt, dass der Gesetzgeber bis spätestens Dezember
1999 "irgendwelche" besoldungs-, sozial- und steuerpolitischen Maßnahmen getrof-
fen hat, die (auch) der Förderung von Beamten mit mehr als zwei Kindern dienen.
Zum Zeitpunkt seines Beschlusses war dem Bundesverfassungsgericht bekannt,
dass der Gesetzgeber seit dem zuletzt als verfassungswidrig beanstandeten Bun-
desbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1995 tätig geworden ist und mit
dem Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1996/1997 vom
24. März 1997 (BGBl I S. 590) sowie dem Bundesbesoldungs- und -versorgungs-
anpassungsgesetz 1998 vom 6. August 1998 (BGBl I S. 2026) auch Besoldungsver-
besserungen für das dritte und jedes weitere Kind eines Beamten vorgesehen hatte.
Ersichtlich ist das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, dass unzurei-
chende gesetzliche Verbesserungen nicht dem Gebot entsprachen, die als verfas-
sungswidrig beanstandete Rechtslage bis zum 31. Dezember 1999 für sämtliche Be-
soldungsempfänger mit der Verfassung in Übereinstimmung zu bringen. Selbst
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quantitativ beachtliche Anstrengungen des Besoldungsgesetzgebers führen nicht
ohne weiteres dazu, dass die Vollstreckungsanordnung obsolet wird. Verbleibt trotz
der Bemühungen um eine Verbesserung der finanziellen Situation kinderreicher Be-
amter weiterhin ein verfassungswidriges Besoldungsdefizit, haben die benachteilig-
ten Beamten ab dem 1. Januar 2000 einen unmittelbar verfassungsbegründeten und
durch die Vollstreckungsanordnung formell legitimierten Anspruch auf erhöhte famili-
enbezogene Besoldung. Dies gilt jedenfalls, soweit ein einheitlicher Zusatzbetrag für
das dritte und jedes weitere Kind vorgesehen ist und ohne weiteres - schon nach
dem Rechenwerk in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. No-
vember 1998 (a.a.O. S. 323 ff.) - absehbar war, dass dieser Betrag nicht für alle Be-
soldungsgruppen den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen würde.
Allerdings ist der Gesetzgeber nach wie vor dazu aufgefordert, aus eigener Kompe-
tenz die Maßstäbe zu bilden und Parameter festzulegen, nach denen die Besoldung
der kinderreichen Beamten bemessen und der Bedarf eines dritten und jeden weite-
ren Kindes ermittelt wird. Im Falle einer solchen Gesetzgebung entfällt die Vollstre-
ckungsbefugnis der Verwaltungsgerichte auf der Grundlage des Beschlusses vom
24. November 1998. Unter diesen Voraussetzungen gewinnt das Monopol der Ver-
werfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 GG wieder den
Vorrang. Ob dies ebenfalls dann gilt, wenn sich auf Grund von Entscheidungen des
Gesetzgebers in anderen Bereichen Anhaltspunkte ergeben, dass aus verfassungs-
rechtlicher Sicht die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Berechnungsme-
thode (vgl. Beschluss vom 24. November 1998 a.a.O., Entscheidungsgründe zu
C. III. 3.) seitens dieses Gerichts - und gemäß Art. 100 GG nur durch dieses - zu
modifizieren wäre, bedarf hier keiner abschließenden Klärung, weil für die im Streit
befindlichen Jahre 2000 und 2001 derartige Änderungen nicht erkennbar sind.
Entsprechend den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Maßstäben (vgl.
Beschluss vom 24. November 1998 a.a.O. S. 321 f., Entscheidungsgründe zu
C. III. 3.), die nach der Vollstreckungsanordnung für die Verwaltungsgerichte ver-
bindlich sind, ergibt sich für den Kläger ein Besoldungsdefizit pro Monat von
64,09 DM (= 32,67 €) im Jahre 2000 und von 62,43 DM (= 31,92 €) im Jahre 2001.
Danach ist der Leistungsausspruch des Verwaltungsgerichts bezüglich der Jahre
2000 und 2001 zu reduzieren.
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Die Besoldung der Beamten mit mehr als zwei Kindern genügt erst dann den verfas-
sungsrechtlichen Vorgaben, wenn der Beamte mit Rücksicht auf das dritte und jedes
weitere Kind ein höheres Nettoeinkommen erzielt, das ausreicht, um den Bedarf die-
ses Kindes zu decken. Deshalb ist zunächst das Nettoeinkommen zu ermitteln, das
ein Beamter derselben Besoldungsgruppe mit zwei Kindern einerseits und mit drei
oder mehr Kindern andererseits hat. Dieses Nettoeinkommen ist pauschalierend und
typisierend festzustellen (vgl. BVerfGE 81, 363 <380 f.>; 99, 300 <321>).
In dem vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess (vgl. § 86
Abs. 1 VwGO) hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen; es
ist nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden. Dies gilt auch und insbesonde-
re für die Nachzeichnung und Konkretisierung der komplexen Anforderungen rechtli-
cher und tatsächlicher Art an die Alimentierung der Beamten mit zwei und mehr Kin-
dern, wie sie in Vollzug der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsge-
richts vorzunehmen ist. Diesen Anforderungen werden die Feststellungen des Ver-
waltungsgerichts nicht gerecht, das ohne kritische Prüfung die Berechnungen der
Beteiligten übernommen hat, obgleich dieses Parteivorbringen teilweise nicht nach-
zuvollziehen ist und teilweise den verfassungsgerichtlichen Vorgaben nicht genügt.
So sind bei der Berechnung des Nettoeinkommens des Klägers für das Jahr 2000
unzutreffend z.B. die so genannte Bankzulage und andere geldwerte Vorteile einbe-
zogen worden.
Aufgrund des unstreitig gewordenen Zahlenmaterials, das im Revisionsverfahren
vorgelegt worden ist, hat daher der Senat die erforderlichen Berechnungen selbst
vorzunehmen. Dabei ist ihm auch in Einzelheiten eine Abweichung von Vorgaben
des Bundesverfassungsgerichts verwehrt. Auch wenn sich im Rechengang in der
einen oder anderen Hinsicht Zweifel an der Systemgerechtigkeit ergeben mögen, ist
dafür im Vollstreckungsverfahren kein Raum. Modifikationen kann insoweit - wie dar-
gelegt - nur der Gesetzgeber herbeiführen. Bei der danach gebotenen strikten Bin-
dung an die Gründe zu C.III.3. der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts er-
gibt sich folgender Rechengang:
Zu ermittelnde Vergleichsgrößen bezogen auf ein Kalenderjahr sind die Nettoein-
kommen, die ein Beamter derselben Besoldungsgruppe mit zwei Kindern und ein
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Beamter dieser Besoldungsgruppe mit mehr als zwei Kindern erzielt. Auszugehen ist
von dem Grundgehalt der Endstufe der Besoldungsgruppe, der das Amt des Beam-
ten zugeordnet ist. Dabei bleiben die Absenkung der Besoldung nach Maßgabe der
Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ebenso wie z.B. eine Besoldungskür-
zung nach § 3 a BBesG und individuelle Besoldungsbestandteile unberücksichtigt.
Hinzuzurechnen sind dagegen die weiteren allgemein vorgesehenen Besoldungsbe-
standteile wie z.B. Einmalzahlungen, die allgemeine Stellenzulage nach Nr. 27 der
Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B, soweit es um einen
Beamten der Besoldungsgruppe A 13 geht, das Urlaubsgeld und die jährliche Son-
derzuwendung (nunmehr Sonderzahlung). Darüber hinaus sind der Familienzuschlag
und das Kindergeld für eine Beamtenfamilie jeweils mit einem dritten, vierten und
jedem weiteren Kind einzubeziehen.
Von diesem Bruttoeinkommen - ausgenommen das Kindergeld, das der Einkom-
mensteuer nicht unterworfen ist - werden abgezogen die Lohnsteuer nach Maßgabe
der besonderen Lohnsteuertabellen, der Solidaritätszuschlag sowie - jedenfalls für
die Jahre 2000 und 2001 - die Kirchensteuer mit einem Steuersatz von 8 v.H. Der
Vergleich beider entsprechend ermittelter Nettoeinkommen ergibt die für die verfas-
sungsrechtliche Beurteilung maßgebliche Differenz des Nettoeinkommens eines Be-
amten mit zwei und eines Beamten mit mehr als zwei Kindern.
Nach diesen Vorgaben betrug das monatliche Grundgehalt der Endstufe der Besol-
dungsgruppe A 14, der das Amt des Klägers zugeordnet ist, im Jahre 2000
7 822,29 DM (vgl. die Bekanntmachung der Anlage IV des BBesG nach dem Bun-
desbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1999 vom 19. November 1999,
BGBl I S. 2198, 2208). Im Jahre 2001 erreichte dieses Grundgehalt 7 963,09 DM
(vgl. Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2000 vom 19. April
2001, BGBl I S. 618, 649). Die Familienzuschläge betrugen für einen Beamten mit
zwei Kindern im Jahre 2000: 351,48 DM + 162,06 DM und im Jahre 2001:
357,82 DM + 164,98 DM. Ein Beamter mit drei Kindern, der in den Genuss der Er-
höhungsbeträge nach Art. 9 § 2 BBVAnpG 1999 kam, erhielt im Jahre 2000 zusätz-
lich 214,96 DM + 200 DM und im Jahre 2001 gemäß Art. 5 des Gesetzes zur Neu-
ordnung der Versorgungsabschläge vom 19. Dezember 2000 (BGBl I S. 1786) zu-
sätzlich 218,83 DM + 203,60 DM.
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Diese (Brutto-) Werte erhöhen sich um das jährliche Urlaubsgeld und die jährliche
Sonderzuwendung. Beamte der Besoldungsgruppe A 14 erhalten keine allgemeine
Stellenzulage nach Nr. 27 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnun-
gen A und B. Für diese Beamten waren in den Jahren 2000 und 2001 auch keine
Einmalzahlungen vorgesehen.
Von den Jahresbruttobezügen sind die Lohnsteuer/Einkommensteuer nach den ent-
sprechenden Tabellen, die Kirchensteuer mit einem Satz von 8 v.H. sowie der Soli-
daritätszuschlag in Abzug zu bringen. Zu addieren ist das Kindergeld, das in den
Jahren 2000 und 2001 für zwei Kinder jeweils 6 480 DM und für drei Kinder jeweils
10 080 DM erreichte.
Aus dieser Berechnung ergibt sich bei einem Vergleich des monatlichen Einkom-
mens einer Beamtenfamilie mit zwei Kindern und einer Beamtenfamilie mit drei Kin-
dern eine Differenz im Jahre 2000 in Höhe von monatlich 601,43 DM und im Jahre
2001 in Höhe von monatlich 611,13 DM.
Der ermittelten Einkommensdifferenz ist der Bedarf des dritten Kindes gegenüberzu-
stellen. Diese Bedarfsberechnung geht von 115 v.H. des durchschnittlichen sozialhil-
ferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes aus. Zunächst ist getrennt für die Ver-
gleichsjahre der bundes- und jahresdurchschnittliche Regelsatz für Minderjährige, die
mit beiden Elternteilen zusammenleben, im Alter ab der Geburt bis zur Vollendung
des 18. Lebensjahres zu berechnen. Dabei bleiben - entsprechend der Berechnung
der Dienstbezüge - unberücksichtigt die (ebenfalls abgesenkten) Regelsätze in den
Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen. Hinzugerechnet wird ein Zuschlag von 20 v.H. zur Abgeltung einmaliger
Leistungen, ein weiterer Zuschlag für die Kosten der Unterkunft ausgehend von
einem Wohnbedarf von 11 m² für das Kind sowie ein Zuschlag von 20 v.H. der
anteiligen Durchschnittsmiete zur Abgeltung der auf das Kind entfallenden Ener-
giekosten. Der danach errechnete Bedarf erhöht sich um 15 v.H. (vgl. zur Berech-
nungsweise BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 a.a.O. S. 322).
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Da die sozialhilferechtlichen Regelsätze in den einzelnen Bundesländern unter-
schiedlich festgesetzt, zur Jahresmitte erhöht und Altersklassen gebildet worden
sind, müssen für das jeweilige Kalenderjahr gewichtete Durchschnittsregelsätze be-
rechnet werden. Danach ist mit einem Gewichtungsfaktor für jede der drei Alters-
gruppen (bis zum vollendeten 7. Lebensjahr, vom 8. bis zum vollendeten 14. Le-
bensjahr, vom 15. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr) entsprechend der Anzahl der
erfassten Jahrgänge ein Landesdurchschnitt und anschließend ein Durchschnitt über
alle (alten) Bundesländer zu bilden. Daraus ergibt sich als gewichteter Durchschnitts-
regelsatz für das Jahr 2000: 354,31 DM und für das Jahr 2001: 358,83 DM.
Zur Abgeltung einmaliger Leistungen wird ein Zuschlag in Höhe von 20 v.H. des ge-
wichteten Durchschnittsregelsatzes erhoben. Dieser betrug im Jahr 2000 (354,31 DM
x 20 v.H. =) 70,86 DM und im Jahr 2001 (358,83 DM x 20 v.H. =) 71,77 DM.
Weiterhin werden die Unterkunftskosten eines dritten (und jedes weiteren) Kindes mit
einem Wohnraumbedarf von 11 m² sowie die auf das dritte Kind entfallenden
Heizkosten angesetzt. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sind die
durchschnittlichen Mieten - in den alten Bundesländern - zugrunde zu legen. Teilsta-
tistiken wie etwa die Wohngeldstatistik sollen danach nicht maßgeblich sein. Nach
dem Wohngeld- und Mietenbericht 2002 (Unterrichtung durch die Bundesregierung,
BTDrs 15/2200 S. 9, 15, 16) betrug im Jahre 2002 die durchschnittliche Bruttokalt-
miete 6,09 € (= 11,91 DM). Der Steigerungssatz gegenüber dem Jahr 2001 betrug
1,4 v.H. und von 2000 nach 2001 1,1 v.H. Daraus ergibt sich eine Durchschnittsmiete
für das Jahr 2000 in Höhe von 11,62 DM und für das Jahr 2001 von 11,75 DM.
Demgemäß beträgt die durchschnittliche Bruttokaltmiete für das dritte Kind im Jahre
2000 (11 m² x 11, 62 =) 127,82 DM und im Jahre 2001 (11 m² x 11,75 =) 129,25 DM.
Schließlich ist der auf das dritte Kind entfallende Anteil der Bruttowarmmiete einzu-
stellen. Die kindbezogenen Heizkosten machen 20 v.H. der Kaltmiete aus (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 a.a.O. S. 322). Davon ist auch für die
Jahre 2000 und 2001 auszugehen, obgleich nach dem Dritten Bericht über die Höhe
des Existenzminimums von Kindern und Familien für das Jahr 2001 (Unterrichtung
durch die Bundesregierung; BTDrs 14/1926 S. 4) der Anteil zwischenzeitlich auf
22 v.H. gestiegen sein soll. Daraus ergibt sich ein sozialhilferechtlicher Gesamtbedarf
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für das dritte Kind im Jahr 2000 von 578,55 DM und im Jahr 2001 von 585,70 DM.
Unter Berücksichtigung eines Zuschlages von 15 v.H. des sozialhilferechtlichen
Bedarfs beläuft sich der alimentationsrechtlich relevante Bedarf des dritten Kindes im
Jahre 2000 auf monatlich 665,33 DM und im Jahre 2001 auf monatlich 673,56 DM.
Es verblieben somit im Jahre 2000 ungedeckte Kosten pro Monat in Höhe von
63,90 DM (= 32,67 € und 392,04 € p.a.) und im Jahre 2001 in Höhe von 62,43 DM
(= 31,92 € und 383,04 € p.a.).
Dass dieses Besoldungsdefizit verglichen mit dem Gesamteinkommen des Klägers
geringfügig ist, nämlich weniger als 1 v.H. der Bruttobesoldung betrug, und dass die
Beklagte eine Unterschreitung des Bedarfs ausschließlich in den höheren Besol-
dungsgruppen konstatiert hat, lässt die Verfassungswidrigkeit der Besoldung des
Klägers in den Jahren 2000 bis 2001 unberührt. Die Vergleichsberechnung auf der
Grundlage des sozialhilferechtlichen Bedarfs mit einem Zuschlag von 15 v.H. kenn-
zeichnet den Mindestbedarf des Kindes eines Beamten. "Weisen die dem Beamten
für sein drittes und jedes weitere Kind gewährten Zuschläge nicht einmal einen Ab-
stand von 15 v.H. zum sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf auf, so hat der Gesetz-
geber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten" (BVerfG, Beschluss
vom 24. November 1998 a.a.O. S. 322).
Die weitergehende Klage kann hingegen keinen Erfolg haben. Ihr hat das Verwal-
tungsgericht zu Unrecht stattgegeben. Für den Ausspruch in dem angefochtenen
Urteil, die Beklagte habe für die Zeit ab dem Jahr 2002 sicherzustellen, dass dem
Kläger im Hinblick auf das dritte Kind für die Dauer seiner Berechtigung zum Bezug
der dritten Stufe des Familienzuschlages jährlich ein Gesamtbetrag als Familienzu-
schlag (3. Stufe) netto gewährt wird, der 115 v.H. des sozialhilferechtlichen Gesamt-
bedarfs entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. No-
vember 1998 ausmacht, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Er ist deshalb aufzuhe-
ben und die Klage insoweit abzuweisen.
Sollte mit dieser Entscheidungsformel die Verpflichtung der Beklagten begründet
werden, gesetzliche Regelungen zu schaffen, die den Maßgaben des Beschlusses
des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 entsprechen, fehlt es an
der Kompetenz der Verwaltungsgerichte, den Gesetzgeber zum Normerlass anzu-
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halten. Hierzu werden die Fachgerichte auch nicht durch den Beschluss des Bun-
desverfassungsgerichts vom 24. November 1998 ermächtigt. Sollte der Beklagten
eine unmittelbare Zahlungsverpflichtung aufgegeben werden, so wird der verfas-
sungsgerichtlich anerkannte Vorrang verfassungskonformer Gesetzgebung missach-
tet. Zudem ist der Ausspruch zu unbestimmt, weil er der Beklagten nicht zu erkennen
gibt, welchen Verpflichtungen sie in Zukunft zu genügen hat, und deshalb nicht
Grundlage einer Vollstreckung nach § 167 ff. VwGO sein könnte.
Der Anspruch auf Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit beruht auf der entsprechen-
den Anwendung der §§ 291, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Albers Prof. Dawin Dr. Kugele
Groepper Dr. Bayer
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 000 € fest-
gesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Albers Groepper Dr. Bayer
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Beamtenbesoldungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 33 Abs. 5, Art. 100
BVerfGG §§ 31, 35
BBesG
§ 40
Stichworte:
Besoldung kinderreicher Beamter; Gesetzesbindung der Besoldung; Vollstreckungs-
anordnung des BVerfG.
Leitsatz:
Die Verwaltungsgerichte sind mit Wirkung ab dem 1. Januar 2000 befugt, auf der
Grundlage der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts den
Dienstherrn eines Beamten mit mehr als zwei Kindern zu höheren Gehaltszahlungen
zu verurteilen, soweit die gesetzlich bestimmte Besoldung nicht den konkreten Vor-
gaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998
(BVerfGE 99, 300 <321 ff. zu C.III.3.>) entspricht. Dies gilt allerdings nur so lange,
wie der Gesetzgeber es unterlässt, Maßstäbe zu bilden und Parameter festzulegen,
nach denen die Besoldung der kinderreichen Beamten bemessen und der Bedarf
eines dritten und jeden weiteren Kindes ermittelt wird.
Urteil des 2. Senats vom 17. Juni 2004 - BVerwG 2 C 34.02
VG Frankfurt, Urteil vom 17.06.2002 - Az.: VG 9 E 1852/01 (V) -