Urteil des BVerwG vom 24.11.2005

Nebentätigkeit, Schiedsrichter, Arbeitskraft, Bedingung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 32.04
Verkündet
VGH 1 UE 2541/02
am 24. November 2005
Schütz
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , Dr. K u g e l e ,
Dr. B a y e r und Dr. H e i t z
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2003 wird zurück-
gewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist Vorsitzender Richter am Landgericht. Er nimmt regelmäßig Nebentä-
tigkeiten als Schiedsrichter und Schlichter wahr. Seinen Anträgen, ihm zwei Neben-
tätigkeiten als Vorsitzender eines Schiedsgerichts und eine Nebentätigkeit als
Schlichter zu genehmigen, gab die Präsidentin des Oberlandesgerichts im Jahr 2000
jeweils mit der "Auflage und Bedingung" statt, dass der Gesamtbetrag der Vergütun-
gen aus genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten den im Hessischen Richtergesetz
festgelegten Höchstbetrag für ein Kalenderjahr nicht überschreiten würde. Dieser
Betrag belief sich im Jahr 2000 auf 35 658 DM, im Jahr 2001 auf 36 300 DM.
Der Kläger übte die drei Nebentätigkeiten aus. Die dadurch erzielten Vergütungen
führten in den Jahren 2000 und 2001 zur Überschreitung des Höchstbetrages.
Die in erster Instanz erfolgreiche Klage auf Erteilung inhaltlich uneingeschränkter
Nebentätigkeitsgenehmigungen wies der Verwaltungsgerichtshof auf die Berufung
des Beklagten ab. In den Gründen des Berufungsurteils heißt es, durch die den Ge-
nehmigungen beigefügte "Auflage und Bedingung" habe die Erfüllung der gesetzli-
chen Genehmigungsvoraussetzungen sichergestellt werden sollen. Die Überschrei-
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tung des in § 7 i Satz 1 des Hessischen Richtergesetzes - HRiG - festgelegten
Höchstbetrages stelle gemäß § 7 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HRiG einen Versagungsgrund
dar. Ausnahmen könnten gemäß § 7 i Satz 2 HRiG nur in begründeten Einzelfällen
zugelassen werden. Hierfür habe der Kläger nichts vorgetragen. Diese gesetzlichen
Regelungen hielten sich in dem durch § 71 Abs. 1 DRiG, § 42 Abs. 2 BRRG
abgesteckten Rahmen. Nach der Rahmenvorschrift des § 42 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6
BRRG seien Nebentätigkeiten wegen Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu
untersagen, wenn sie dem Ansehen der Justiz abträglich sein könnten. Dieses An-
sehen könne auch beschädigt werden, wenn Richter hohe Einnahmen aus Nebentä-
tigkeiten erzielten. Richter würden durch ihre Dienstbezüge so gestellt, dass sie auf
Nebeneinkünfte wirtschaftlich nicht angewiesen seien. Daher könne aus hohen Ne-
bentätigkeitsvergütungen der Schluss gezogen werden, der Vorrang des Hauptamtes
sei nicht mehr gewährleistet. Die gesetzliche Vergütungsgrenze verstoße auch nicht
gegen Grundrechte. Das grundrechtlich geschützte Interesse von Richtern, ihre
Arbeitskraft in der Freizeit gegen Entgelt zu verwerten, werde durch den hergebrach-
ten Grundsatz eingeschränkt, die volle Arbeitskraft für das Hauptamt einzusetzen.
Nebentätigkeiten seien geeignet, die Leistungen im Hauptamt zu gefährden. Daher
könne der Gesetzgeber Maßnahmen ergreifen, um den Anreiz zur Übernahme von
Nebentätigkeiten zu mindern. Hierzu gehöre die Festlegung einer Vergütungsgrenze.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Vorschriften des Hessischen Richter-
gesetzes über die Vergütungsgrenze verstießen gegen Bundesverfassungs- und
Bundesrahmenrecht. Er beantragt,
das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2003
aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichts Frankfurt am Main vom 12. November 2001 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren.
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II.
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Erteilung un-
bedingter Nebentätigkeitsgenehmigungen.
Gemäß § 7 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HRiG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 16. De-
zember 1997 (GVBl I S. 445) ist die Genehmigung für eine Nebentätigkeit zu versa-
gen, wenn davon auszugehen ist, dass der Gesamtbetrag der Vergütungen für ge-
nehmigungspflichtige Nebentätigkeiten die Höchstgrenze nach § 7 i HRiG übersteigt.
Nach Satz 1 dieser Vorschrift darf der Gesamtbetrag dreißig vom Hundert des jährli-
chen Grundgehalts eines Richters der Besoldungsgruppe R 2, letzte Lebensalters-
stufe, nicht übersteigen. Gemäß § 7 i Satz 2 HRiG kann die Dienstbehörde in be-
gründeten Einzelfällen Ausnahmen zulassen, wenn die Wahrnehmung der Nebentä-
tigkeit auch im öffentlichen Interesse liegt (Nr. 1) oder die Begrenzung unter Berück-
sichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht angemessen wäre (Nr. 2); dabei ist zu
berücksichtigen, ob ein anderer Richter für die Übernahme der Tätigkeit zur Ver-
fügung steht.
Der Beklagte hat die Wirksamkeit der Nebentätigkeitsgenehmigungen im Grundsatz
zu Recht an die Bedingung geknüpft, dass die jeweilige Nebentätigkeitsvergütung
nicht zu einer Überschreitung der gesetzlichen Vergütungsgrenze führte. Die Bedin-
gung war erforderlich, um der Genehmigungsvoraussetzung gemäß § 7 h Abs. 1
Satz 1 Nr. 2, § 7 i Satz 1 HRiG Rechnung zu tragen (§ 36 Abs. 1 2. Alt., Abs. 2 Nr. 2
HVwVfG). Damit wurde dem Kläger aufgegeben, die Einhaltung der gesetzlichen
Vergütungsgrenze zu prüfen, bevor er sich zur Ausübung der bedingt genehmigten
Nebentätigkeiten verpflichtete. Er durfte grundsätzlich nicht tätig werden, wenn er da-
durch eine über der Grenze liegende Vergütung erzielte. Nebentätigkeiten, deren
Vergütung darunter lag, durfte er wahrnehmen, solange der Gesamtbetrag der in
einem Kalenderjahr fälligen Vergütungen die Grenze nicht überstieg.
Das durch den Versagungsgrund gemäß § 7 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 7 i HRiG be-
gründete Nebentätigkeitsverbot verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die lan-
desgesetzlichen Regelungen sind sowohl mit den Vorgaben des Bundesrahmen-
rechts als auch mit den Grundrechten vereinbar:
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1. Gemäß Art. 98 Abs. 3 Satz 1 GG ist die Rechtsstellung der Richter in den Ländern
durch besondere Landesgesetze zu regeln. Der Bund ist gemäß Art. 98 Abs. 3
Satz 2 GG zum Erlass von Rahmenvorschriften ermächtigt. Demnach teilen sich
Bund und Länder die Gesetzgebungskompetenz für das Dienstrecht der Richter im
Landesdienst. Die Gesetzgebung des Bundes auf Grund einer Rahmenkompetenz
muss auf inhaltliche Konkretisierung und Gestaltung durch die Länder angelegt sein.
Auch Rahmengesetze, die vor dem Inkrafttreten des Art. 75 Abs. 2 GG i.d.F. des
Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146)
erlassen wurden, müssen der ergänzenden Gesetzgebung der Länder substanzielle
Freiräume lassen, damit diese mit eigenem politischem Gestaltungswillen Recht set-
zen können. Die Landesgesetzgeber dürfen nicht darauf beschränkt werden, zwi-
schen vorgegebenen rechtlichen Möglichkeiten zu wählen oder gar rahmengesetzli-
che Vorgaben inhaltlich in das Landesrecht zu übernehmen. Die Kompetenz zur
Rahmengesetzgebung für eine Materie ermöglicht es dem Bund nur dann, einen
Teilbereich abschließend zu regeln, wenn insoweit ein besonders starkes und legiti-
mes Interesse an einer bundeseinheitlichen Regelung besteht und das rahmenrecht-
liche Regelungswerk insgesamt noch ausreichenden Gestaltungsspielraum lässt
(BVerfGE 111, 226 <248 ff.>). Aus dem Charakter der Rahmengesetzgebung folgt
der Auslegungsgrundsatz, dass rahmenrechtliche Regelungen im Zweifel auf Ausfül-
lung angelegt sind und inhaltlich nicht weiterreichen als dies ihr Wortlaut zwingend
erfordert (BVerfGE 93, 319 <341>).
In Ausübung der Rahmenkompetenz gemäß Art. 98 Abs. 3 Satz 2 GG hat der Bun-
desgesetzgeber die Länder durch § 71 Abs. 1 DRiG verpflichtet, die Rechtsverhält-
nisse der Richter im Landesdienst auf der Grundlage des Kapitels I des Beamten-
rechtsrahmengesetzes, d.h. gemäß §§ 1 bis 120 BRRG zu regeln, soweit das Bun-
desgesetz nichts anderes bestimmt. Hierbei handelt es sich ihrerseits um rahmen-
rechtliche Vorschriften, die der Bundesgesetzgeber auf Grund der Rahmenkompe-
tenz gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG erlassen hat. Durch die gesetzliche For-
mulierung "auf der Grundlage" in § 71 Abs. 1 Satz 1 DRiG kommt zum Ausdruck,
dass die auf das Beamtenverhältnis zugeschnittenen Regelungen des Beamten-
rechtsrahmengesetzes keine Bindungswirkung für die Regelung des Dienstrechts der
Richter entfalten, wenn sie sich mit der besonderen Rechtsstellung der Richter nicht
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vereinbaren lassen. Zudem folgt daraus, dass die Landesgesetzgeber dieser
Rechtsstellung bei der Ausfüllung des bundesrechtlichen Rahmens Rechnung tragen
können.
Für das Nebentätigkeitsrecht der Richter im Landesdienst fordert die rahmenrechtli-
che Regelung in § 71 Abs. 1 Satz 1 DRiG die Beachtung der rahmenrechtlichen Bin-
dungen des § 42 BRRG. Insoweit ergeben sich aus der Rechtsstellung der Richter
keine Besonderheiten.
Als Maßstab für die Versagung von Nebentätigkeitsgenehmigungen und damit für
Nebentätigkeitsverbote gibt § 42 Abs. 2 Satz 1 BRRG die Besorgnis der Beeinträch-
tigung dienstlicher Interessen vor. Dies setzt voraus, dass bei verständiger Würdi-
gung der Umstände des Einzelfalls Grund zu der Annahme besteht, dass durch die
Nebentätigkeit Erfordernisse von einigem Gewicht beeinträchtigt werden, die unmit-
telbar die dienstlichen Aufgaben betreffen oder mit den gesetzlichen Pflichten von
Beamten oder Richtern in Zusammenhang stehen (Urteile vom 26. Juni 1980
- BVerwG 2 C 37.78 - BVerwGE 60, 254 <257> und vom 30. Juni 1983 - BVerwG
2 C 57.82 - BVerwGE 67, 287 <293>). Die Generalklausel des § 42 Abs. 2 Satz 1
BRRG wird durch die nicht abschließende Aufzählung von Beispielsfällen in § 42
Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 6 BRRG konkretisiert. Liegen die Voraussetzungen eines be-
sonderen Versagungsgrundes gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 BRRG vor, so sind regel-
mäßig die Voraussetzungen des Satzes 1 gegeben.
Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 BRRG beeinträchtigt eine Nebentätigkeit dienstliche
Interessen, wenn sie dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung bzw. der Rechtspfle-
ge abträglich sein kann. Nach dem Wortlaut soll bereits die Möglichkeit einer Anse-
hensbeeinträchtigung ausreichen, um ein Nebentätigkeitsverbot zu begründen. Damit
wird die Begrifflichkeit der "Besorgnis" im Sinne von § 42 Abs. 2 Satz 1 BRRG
aufgegriffen. Es kommt darauf an, ob es bei verständiger Würdigung ernsthaft mög-
lich ist, dass die Nebentätigkeit ansehensmindernde Auswirkungen hat. Dies ist der
Fall, wenn sie geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öf-
fentlichen Dienstes zu beeinträchtigen. Das uneingeschränkte Vertrauen der Öffent-
lichkeit, dass die hoheitlichen Aufgaben gesetzmäßig wahrgenommen und hierbei die
sich aus dem Beamten- und Richterstatus ergebenden besonderen Pflichten be-
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achtet werden, trägt entscheidend zur Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens bei
(Urteile vom 6. Dezember 1989 - BVerwG 6 C 52.87 - BVerwGE 84, 194 <201>, vom
12. Dezember 1996 - BVerwG 2 C 37.95 - BVerwGE 102, 326 <328> und vom
24. Juni 1998 - BVerwG 1 D 23.97 - BVerwGE 113, 229 <232>). Dies gilt in beson-
derer Weise für die Richter, weil ihnen die rechtsprechende Gewalt nach dem
Grundgesetz "anvertraut" ist (vgl. Art. 92 1. Halbs. GG).
Mit diesem Bedeutungsgehalt gibt der Beispielsfall gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6
BRRG einen Rahmen vor, der den Landesgesetzgebern Raum für eine inhaltliche
Konkretisierung gibt. Nach ihrem Wortlaut ist die Vorschrift auslegungsfähig und da-
mit für den Landesgesetzgeber in unterschiedlicher Weise konkretisierbar. Der Bun-
desgesetzgeber hat sich auf die grundlegende Wertung beschränkt, dass jede Mög-
lichkeit der Ansehensbeeinträchtigung für ein Nebentätigkeitsverbot ausreichen soll.
Die Offenheit hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitsgrades einer möglichen Anse-
hensbeeinträchtigung gibt dem Landesgesetzgeber einen begrenzten Gestaltungs-
spielraum. Er kann die rahmenrechtliche Vorgabe unverändert übernehmen und ihre
Konkretisierung im Einzelfall der Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung durch
Konkretisierung anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überlassen. Er kann
aber auch den Wahrscheinlichkeitsgrad der Möglichkeit einer Ansehensbeeinträchti-
gung durch weitere Versagungsgründe inhaltlich umschreiben und auf diese Weise
der Vorschrift des § 42 Abs. 2 Satz 1 BRRG konkrete Konturen geben.
Der Spielraum des Landesgesetzgebers ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit
durch die Zielsetzung begrenzt, die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu ver-
meiden. Zu diesem Zweck kann er gesetzliche Versagungsgründe schaffen, die an
die Art der Nebentätigkeit, deren Umfang oder an die Höhe der Nebentätigkeitsver-
gütung anknüpfen. Die Möglichkeit, die Vergütungshöhe aus Gründen der Anse-
henswahrung selbst zu einem Versagungsgrund zu machen, wird dem Landesge-
setzgeber auch nicht durch § 42 Abs. 5 Satz 2 BRRG verschlossen. Diese Rahmen-
vorschrift gibt nach ihrem Wortlaut lediglich die Verpflichtung vor, bei Beantragung
einer Nebentätigkeitsgenehmigung Nachweise über die voraussichtlichen Entgelte
vorzuschreiben. Sie dient der Prüfung, ob mit der Vergütung versteckte Vorteile in
Bezug auf das Amt des Antragstellers verbunden sind, die dessen Unbefangenheit
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und Uneigennützigkeit bei Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben gefährden kön-
nen (BTDrucks 13/6424, S. 12).
Schließlich beschränkt § 42 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 BRRG den Landesgesetzgeber nicht
darauf, nur die Auswirkungen einer konkreten Nebentätigkeit zu erfassen. Vielmehr
kann er in dem Bestreben, einer Ansehensbeeinträchtigung entgegenzuwirken, auch
über den Einzelfall hinausreichende Bezüge und Zusammenhänge in den Blick
nehmen.
Dieser Bedeutungsgehalt des § 42 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 BRRG wird auch dadurch na-
he gelegt, dass ein besonders starkes und legitimes Interesse, wie es für eine er-
schöpfende bundesgesetzliche Regelung von Nebentätigkeitsverboten zur Anse-
henswahrung auf Grund der Rahmenkompetenz des Art. 98 Abs. 3 Satz 2 GG erfor-
derlich ist, nicht ersichtlich ist. Das gilt erst recht angesichts der doppelt gelockerten
Bindung des Richterrahmenrechts mit seinem Verweis auf das Beamtenrahmenrecht
und mehr noch angesichts der besonderen Stellung der Richter (Art. 92 Halbs. 1
GG).
Auch die Spezialregelung in § 40 DRiG schließt ein Nebentätigkeitsverbot wegen Ü-
berschreitung einer jährlichen Vergütungsgrenze nicht aus. Gemäß § 40 Abs. 1
Satz 2 DRiG ist einem Richter die Genehmigung einer Nebentätigkeit als Schieds-
richter oder Schlichter zu versagen, wenn er zur Zeit der Entscheidung über die Er-
teilung der Genehmigung mit der Sache befasst ist oder nach der Geschäftsvertei-
lung befasst werden kann. Dieser Regelung, die auch für Richter im Landesdienst
unmittelbar Geltung beansprucht, lässt sich die grundlegende Entscheidung des
Bundesgesetzgebers entnehmen, dass Nebentätigkeiten als Schiedsrichter und
Schlichter grundsätzlich mit dem Richteramt vereinbar sind. Darüber hinaus soll sie
der richterlichen Unabhängigkeit und Unbefangenheit Rechnung tragen und verhin-
dern, dass Richter durch eine frühere Nebentätigkeit später an der Ausübung ihres
Amtes gehindert werden. Sie enthält jedoch keine erschöpfende Regelung für die
Ausübung von Nebentätigkeiten als Schiedsrichter oder Schlichter (Urteil vom
30. Juni 1983 a.a.O. <290, 292>).
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2. Das durch § 7 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 7 i Satz 1 HRiG begründete Nebentätig-
keitsverbot stellt einen Eingriff in das jedenfalls durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte
Recht von Richtern dar, ihre Arbeitskraft in der Freizeit gegen Entgelt zu verwerten
(Urteile vom 26. Juni 1980 a.a.O. <255> und vom 30. Juni 1983 a.a.O. <294>). Es
kann dahingestellt bleiben, ob ein Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufsaus-
übung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG anzunehmen ist, wenn ein Richter mit einer gewis-
sen Regelmäßigkeit bestimmte Nebentätigkeiten ausübt. Denn sowohl die allgemei-
ne Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG als auch die Freiheit der Berufsaus-
übung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG können auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt
werden, das durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit entspricht. Dies bedeutet, dass der gesetzliche Eingriff zur
Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein sowie bei einer Ge-
samtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn recht-
fertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt sein muss (BVerfGE
30, 292 <316>; 65, 116 <125>; 94, 372 <390>; BVerwG, Urteil vom 6. Dezember
1989 a.a.O. <199>).
Der Eingriff ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe die ihn tragenden Gemeinwohlbelange
gefördert werden können. Er ist erforderlich, wenn kein anderes gleich wirksames
Mittel zur Verfügung steht, bei dessen Einsatz das Grundrecht nicht oder doch weni-
ger fühlbar eingeschränkt wird (BVerfGE 30, 292 <316>; 39, 210 <230>; 77, 308
<332>). Eignung und Erforderlichkeit können nur auf Grund prognostischer Ein-
schätzungen beurteilt werden. Hierfür ist dem Gesetzgeber ein Bewertungsspielraum
eröffnet, dessen Reichweite von der Eigenart des jeweiligen Regelungsbereichs und
der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter abhängt (BVerfGE 50, 290
<332>; 57, 139 <159>). Für Berufsausübungsregelungen besteht regelmäßig ein
weiter Spielraum bei der Bestimmung der Zielsetzungen und der zu ihrer Förderung
eingesetzten Mittel. Hier darf der Gesetzgeber Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit
in den Vordergrund stellen (BVerfGE 7, 377 <406>; 30, 292 <316>; 77, 308 <332>).
Dieser weite Einschätzungsspielraum gilt auch für die Regelung von Nebentätig-
keitsverboten für Richter: Zum einen unterliegen sie ebenso wie Beamte einer be-
sonderen Pflichtenbindung, aus der sich Beeinträchtigungen der Grundrechtsaus-
übung aus Rücksicht auf dienstliche Belange ergeben (BVerfGE 7, 155 <162>; 39,
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334 <366>; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Januar 1991 - 2 BvR 550/90 -
NJW 1991, 1477). Zum anderen kommt Nebentätigkeitsverboten keine existenzielle
Bedeutung zu, weil der Lebensunterhalt von Richtern und ihren Familien durch die
Alimentation sichergestellt wird. Zwischen den hergebrachten Grundsätzen der amts-
angemessenen Alimentation und der Pflicht, dem Dienstherrn die gesamte Persön-
lichkeit und volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, besteht ein enger sachlicher
Zusammenhang. Die Alimentation wird gewährt, um es Richtern zu ermöglichen, sich
in wirtschaftlicher Unabhängigkeit mit vollem Einsatz dem Hauptamt zu widmen. Die
Wahrnehmung des Hauptamts soll nicht darunter leiden, dass Richter sich durch
anderweitige Beschäftigungen etwas hinzuverdienen müssen (BVerfGE 21, 329
<345>; 37, 167 <179>; 44, 249 <265>).
Mit der Einführung von § 7 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 7 i HRiG wollte der Landesge-
setzgeber dem Eindruck entgegenwirken, Richter könnten Nebentätigkeiten einen
dem Hauptamt vergleichbaren Stellenwert einräumen oder in wirtschaftliche Abhän-
gigkeit von hohen Nebeneinkünften geraten (LTDrucks 14/3037, S. 9, 16). Der Lan-
desgesetzgeber hat die jährliche Vergütungsgrenze als geeignetes und erforderli-
ches Mittel angesehen, um den Anschein zu vermeiden, Richter könnten ihr Haupt-
amt wegen der Möglichkeiten vernachlässigen, durch Nebentätigkeiten hohe Zusatz-
einkünfte zu erzielen. Auf diese Weise soll das Ansehen der Justiz und somit das
Vertrauen der Öffentlichkeit in deren Integrität und Funktionsfähigkeit gewährleistet
werden (vgl. LTDrucks 14/3037, S. 9, 16).
Diese Erwägungen werden von dem weiten gesetzgeberischen Einschätzungsspiel-
raum für die Beurteilung von Eignung und Erforderlichkeit der Vergütungsgrenze ge-
deckt. Es liegt nicht fern, dass die uneingeschränkte Möglichkeit, Nebentätigkeiten
auszuüben und dadurch neben der ungekürzten Besoldung in nicht limitiertem Maße
Vergütungen zu beziehen, geeignet ist, die dienstlichen Leistungen im Hauptamt und
damit das Interesse des Staates und seiner Bürger ernsthaft zu gefährden. Daher
kann der Gesetzgeber mit Blick auf Art. 33 Abs. 5 GG allgemein den Anreiz zur
Übernahme von Nebentätigkeiten verringern (BVerfGE 55, 207 <237 ff.>). Davon
ausgehend ist die Bewertung, aus hohen Nebeneinkünften könnten nachteilige
Schlüsse auf die Wahrnehmung des Richteramtes gezogen werden, jedenfalls nicht
von vornherein ausgeschlossen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es die sachliche
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Unabhängigkeit der Richter gemäß Art. 97 Abs. 1 GG im Gegensatz zu Beamten
weitgehend ausschließt, die Art und Weise der Wahrnehmung des Hauptamtes zu
beeinflussen: Die richterliche Tätigkeit unterliegt der Dienstaufsicht nur hinsichtlich
der äußeren Ordnung, d.h. der dem Kernbereich der Rechtsprechungstätigkeit weit
entrückten Bereiche (BGHZ 51, 280 <287>; 102, 369 <371>). Richter sind davon
entbunden, ihre Dienstgeschäfte innerhalb bestimmter Dienstzeiten und in der
Dienststelle zu erledigen (Urteil vom 29. Oktober 1987 - BVerwG 2 C 57.86 -
BVerwGE 78, 211 <213>).
Die Vergütungsgrenze von 30 v.H. eines Richtergrundgehalts der Besoldungsgruppe
R 2 im Kalenderjahr erweist sich bei einer Gesamtabwägung aus folgenden Gründen
als im Grundsatz noch zumutbar:
Nicht nur wird der amtsangemessene Lebensunterhalt durch die Alimentation si-
chergestellt. Zudem ist der mögliche Hinzuverdienst in Höhe eines Bruchteils eines
Richterjahresgehalts nicht unerheblich. Dies gilt umso mehr, als gemäß § 7 i Satz 1
HRiG nur Vergütungen aus genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten berücksichtigt
werden. Vergütungen aus schriftstellerischen, wissenschaftlichen, künstlerischen
oder Vortragstätigkeiten, aus Tätigkeiten als Prüfer oder in der Aus- und Fortbildung
des öffentlichen Dienstes werden nicht erfasst, weil diese Nebentätigkeiten teils ei-
nen besonderen Grundrechtsschutz genießen, teils in einem dringenden öffentlichen
Interesse liegen, sodass daher dienstliche Interessen grundsätzlich durch sie als
nicht beeinträchtigt gelten und sie deshalb gemäß § 7 g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HRiG nur
anzeigepflichtig sind. Daher bleibt bei generalisierender Betrachtungsweise ge-
nügend Raum für die entgeltliche Verwertung der Arbeitskraft in der Freizeit.
Schließlich wird die Verhältnismäßigkeit wegen der in § 7 i Satz 2 HRiG vorgesehe-
nen Möglichkeiten gewahrt, in begründeten Einzelfällen die Überschreitung der Ver-
gütungsgrenze zuzulassen. So kommt eine Ausnahme aus Billigkeitsgründen gemäß
§ 7 i Satz 2 Nr. 2 HRiG etwa in Betracht, wenn sich die Überschreitung der Vergü-
tungsgrenze erst nach Übernahme einer Nebentätigkeit absehen lässt oder wenn die
konkrete Nebentätigkeit nach Art und Umfang offensichtlich nur eine geringe Belas-
tung für den jeweiligen Richter darstellt. Ebenso kann zu berücksichtigen sein, ob ein
öffentliches Interesse daran besteht, dass die Tätigkeit, die nebenberuflich ange-
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strebt wird, überhaupt in kompetenter Weise ausgeübt wird, und ob gegebenenfalls
bei einer strikten Reglementierung nach Maßgabe der Einkommensobergrenze des
Nebentätigkeitsrechts zahlenmäßig noch genügend andere versierte Richter oder
andere unabhängige Juristen zur Deckung des im öffentlichen Interesse bestehen-
den Bedarfs zur Verfügung stehen. In derartigen Fällen muss eine sachgerechte
Abwägung der einander widerstreitenden öffentlichen und sodann auch der privaten
Interessen möglich bleiben. Allerdings ist es wegen des Erfordernisses des begrün-
deten Einzelfalles gemäß § 7 i Satz 2 HRiG nicht möglich, bestimmte Arten von Ne-
bentätigkeiten, etwa als Schiedsrichter oder Schlichter durch Zulassung von Aus-
nahmen generell von der Einhaltung der gesetzlichen Vergütungsgrenze freizustel-
len. Eine Ausnahme kann immer nur auf die besonderen Umstände des jeweiligen
Einzelfalls gestützt werden.
Im vorliegenden Verfahren besteht kein Anlass, sich mit den gesetzlichen Voraus-
setzungen des § 7 i Satz 2 HRiG näher auseinander zu setzen. Das Berufungsge-
richt hat festgestellt, der Kläger habe in Bezug auf die drei bedingt genehmigten Ne-
bentätigkeiten keine einzelfallbezogenen Umstände vorgetragen. Daran ist der Senat
gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Albers Prof. Dawin Dr. Kugele
Dr. Bayer Dr. Heitz
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 50 651,23 €
festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. i.V.m. § 71 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG i.d.F.
von Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004,
BGBl I S. 718). Der Streitwert beläuft sich auf die Summe der Vergütungen für die
drei bedingt genehmigten Nebentätigkeiten (Ziffer 10.6 des Streitwertkatalogs für die
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Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004). Mit seinem Klage-
begehren will der Kläger in der Sache seine Berechtigung zur Ausübung der Neben-
tätigkeiten festgestellt wissen.
Albers Dr. Kugele Dr. Heitz
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Beamtenrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 75, Art. 98 Abs. 3
DRiG
§§ 40, 71 Abs. 1
BRRG
§ 42 Abs. 2
HRiG
§ 7 h Abs. 1, § 7 i
Stichworte:
Rahmengesetzgebung; allgemeine Handlungsfreiheit; Freiheit der Berufsausübung;
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Nebentätigkeitsgenehmigung; Nebentätigkeits-
vergütung; jährliche Vergütungsgrenze; Beeinträchtigung dienstlicher Interessen; An-
sehen der Justiz; Integrität des öffentlichen Dienstes.
Leitsatz:
Die Regelungen gemäß § 7 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 7 i HRiG, wonach Richtern die
Nebentätigkeitsgenehmigung zu versagen ist, wenn die Vergütungsgrenze von
30 v.H. eines Richtergrundgehalts der Besoldungsgruppe R 2 im Kalenderjahr über-
schritten wird, ist dann, wenn sie mit einer Härte- oder Billigkeitsregelung einhergeht,
mit Bundesrahmenrecht (§ 71 Abs. 1 DRiG, § 42 Abs. 2 BRRG) und mit den Grund-
rechten gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
Urteil des 2. Senats vom 24. November 2005 - BVerwG 2 C 32.04
I. VG Frankfurt am Main vom 12.11.2001 - Az.: VG 9 E 5148/00(1) -
II. VGH Kassel vom 17.12.2003 - Az.: VGH 1 UE 2541/02 -