Urteil des BVerwG vom 19.03.2015

Unternehmen, Versetzung, Post, Begriff

BVerwGE: nein
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Recht des öffentlichen Dienstes einschließlich des
Beamtendisziplinarrechts und des Dienstrechts der Soldaten
sowie des Rechts der Wehrpflichtigen und der
Zivildienstpflichtigen
Rechtsquelle/n:
GG Art. 33 Abs. 5, Art. 143b Abs. 3
BEDBPStruktG §§ 1, 4
PostPersRG §§ 4, 6, 8
Titelzeile:
Vorruhestand bei Beamten in Postnachfolgeunternehmen
Stichworte:
Beamter; Postnachfolgeunternehmen; Vorruhestand; Zurruhesetzung; Bereich
mit Personalüberhang; betriebliche Belange; betriebswirtschaftliche Belange;
amtsangemessene Beschäftigung; Arbeitsposten; Ermessen.
Leitsatz:
1. Betrieblicher Belang im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BEDBPStruktG ist jedes
Interesse an der sachgerechten und reibungslosen Erfüllung der betrieblichen
Aufgaben.
2. Betriebswirtschaftlicher Belang im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BEDBPStruktG
ist jeder wirtschaftliche oder finanzielle Vorteil aus einer Weiterbeschäftigung des
Beamten.
3. Betriebliche oder betriebswirtschaftliche Belange können einem Antrag auf
Zurruhesetzung dann nicht entgegengehalten werden, wenn der Beamte nicht
amtsangemessen beschäftigt wird und seine amtsangemessene Beschäftigung
auch nicht in absehbarer Zeit, d.h. in der Regel innerhalb von zwei Jahren,
ermöglicht werden kann.
4. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BEDBPStruktG
vor, hat der Beamte einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.
Eine generelle Ablehnung der Zurruhesetzung ist ermessensfehlerhaft.
Urteil des 2. Senats vom 19. März 2015 - BVerwG 2 C 31.13
I. VG Berlin vom 16. Juni 2010
Az: VG 26 A 76.08
II. OVG Berlin-Brandenburg vom 14. Dezember 2011
Az: OVG 6 B 13.10
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 31.13
OVG 6 B 13.10
Verkündet
am 19. März 2015
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung,
Dr. Kenntner und Dollinger
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberver-
waltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Dezember
2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger begehrt seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand.
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Der 1954 geborene Kläger steht als Posthauptsekretär (BesGr A 8 BBesO) im
Dienst der Beklagten und wurde der Deutschen Post AG zur Dienstleistung zu-
gewiesen. Seit Jahresbeginn 2006 ist er bei der Niederlassung BRIEF Berlin
Nord tätig und wird seit Februar 2010 im Stützpunkt Zehlendorf verwendet. Dort
nimmt er Aufgaben der Verkehrsmengeneingabe sowie Tätigkeiten im Rahmen
des Entwurfs von Begehungsplänen bei der Zustellung wahr.
Im März 2007 beantragte der Kläger, ihn zum 31. Dezember 2009 in den vor-
zeitigen Ruhestand zu versetzen. Diesen Antrag lehnte die Deutsche Post AG,
Niederlassung BRIEF, mit der Begründung ab, der Kläger werde zwar seit Ja-
nuar 2006 nicht im Regeleinsatz auf einem dauerhaften Personalposten ver-
wendet und befinde sich im sog. personellen Überhang. Er werde jedoch amts-
angemessen beschäftigt. Da die neu geschaffene Vorruhestandsregelung abso-
luten Ausnahmecharakter habe, müsse der Antrag abgelehnt werden. Der hier-
gegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers
auf Zurruhesetzung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu
zu bescheiden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht
das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen; die Berufung
des Klägers hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberverwal-
tungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Einer Zurruhesetzung des Klägers
stünden betriebliche Belange entgegen, weil sein Einsatz die auf regulären Ar-
beitsposten beschäftigten Mitarbeiter entlaste und eine qualitative Verbesse-
rung der Arbeitsergebnisse ermögliche. Die Wahrnehmung von Aufgaben der
Verkehrsmengeneingabe und die Erstellung von Begehungsplänen für die Zu-
stellung sei auch amtsangemessen. Allein der Umstand, dass der Kläger seine
Tätigkeit gelegentlich wechsle, führe nicht dazu, dass er wie ein Leiharbeitneh-
mer behandelt werde; vielmehr sei er dauerhaft in die Niederlassung BRIEF
eingegliedert. Außerdem stünden der Zurruhesetzung des Klägers auch be-
triebswirtschaftliche Belange entgegen, weil nach der unternehmerischen Ein-
schätzung der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers betriebswirt-
schaftlich sinnvoller für das Unternehmen sei als seine Zurruhesetzung. Unbe-
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denklich sei im Übrigen, dass die Deutsche Post AG generell aus Kostengrün-
den von einer Anwendung der Vorruhestandsregelung absehe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger insbesondere gel-
tend, betriebliche oder betriebswirtschaftliche Belange könnten der Zurruheset-
zung nur ausnahmsweise entgegenstehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Branden-
burg vom 14. Dezember 2011 und das Urteil des Verwal-
tungsgerichts Berlin vom 16. Juni 2010 aufzuheben und
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom
26. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbeschei-
des vom 20. Februar 2008 zu verpflichten, den Kläger
gemäß § 4 Abs. 1 BEDBPStruktG in den vorzeitigen Ru-
hestand zu versetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsge-
richts verletzt Bundesrecht nicht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat
keinen Anspruch auf Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand. Einer Verset-
zung des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand stehen Belange im Sinne des
§ 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bun-
deseisenbahnvermögen und in den Postnachfolgeunternehmen vom 27. De-
zember 1993 - im Folgenden: BEDBPStruktG - (BGBl. I S. 2378 <2426>), zu-
letzt geändert durch Gesetz vom 21. November 2012 (BGBl. I S. 2299), entge-
gen.
§ 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des genannten Gesetzes enthält eine Vorruhestandsrege-
lung für Bedienstete der Postnachfolgeunternehmen. Danach können Beamtin-
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nen und Beamte, die bei einem Postnachfolgeunternehmen in Bereichen mit
Personalüberhang beschäftigt sind, bis zum 31. Dezember 2016 auf Antrag in
den Ruhestand versetzt werden, wenn sie das 55. Lebensjahr vollendet haben
(Nr. 1), ihre Verwendung in Bereichen mit Personalbedarf bei der sie beschäfti-
genden Aktiengesellschaft und in einem Tochter- oder Enkelunternehmen nicht
möglich ist und der Aktiengesellschaft auch keine Verwendungsmöglichkeit in
Verwaltungen bekannt ist (Nr. 2) und betriebliche oder betriebswirtschaftliche
Belange nicht entgegenstehen (Nr. 3).
Der Begriff des "Bereichs mit Personalüberhang" im Sinne des § 4 Abs. 1 i.V.m.
§ 1 Nr. 2 BEDBPStruktG ist als Gegenbegriff zum "Bereich mit Personalbedarf"
im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BEDBPStruktG zu verstehen. "Personalüber-
hang" bedeutet, dass mehr Bedienstete vorhanden sind als auf regulären - das
heißt auf dauerhaft zur Aufgabenerledigung eingerichteten - Arbeitsposten be-
schäftigt werden. Der Begriff des "Bereichs" umschreibt eine abgegrenzte Ein-
heit innerhalb des Unternehmens, nicht das gesamte Unternehmen. Er bezieht
sich auf die Organisationseinheit, der der Beamte innerhalb des Postnachfol-
geunternehmens zugeordnet ist, und die Qualifikations- bzw. Tätigkeitsebene
des Beamten. Das Verwaltungsgericht hat "Bereich" im Sinne des § 1 Nr. 2 und
des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BEDBPStruktG deshalb zutreffend definiert als den abs-
trakt-funktionalen Aufgabenbereich innerhalb einer Organisationseinheit des
Postnachfolgeunternehmens, der von Beamten eines bestimmten Statusamts
oder vergleichbar eingestuften Tarifbeschäftigten wahrgenommen wird.
Ein Beamter hat gemäß Art. 33 Abs. 5 GG einen verfassungsrechtlich verbürg-
ten Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung. Das bedeutet, dass ihm
ein abstrakt-funktionelles Amt und ein konkret-funktionelles Amt übertragen
werden muss, deren Wertigkeit der Bedeutung des statusrechtlichen Amtes
entspricht. Dem Beamten darf kein dienstlicher Aufgabenbereich übertragen
werden, der in Anbetracht seines Statusamtes "unterwertig" ist (stRspr, vgl.
BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1985 - 2 BvL 16/82 - BVerfGE 70, 251 <266>;
BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 2 C 51.13 - IÖD 2015, 64 <69>
m.w.N.).
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Der bei einem privaten Unternehmen beschäftigte Beamte hat zwar kein "Amt".
Es kann deshalb bei dem privaten Unternehmen auch keine "amtsangemesse-
ne Beschäftigung" im engeren Sinne geben. Allerdings bestimmt Art. 143b
Abs. 3 Satz 1 GG, dass die bei der Deutschen Bundespost tätigen Bundesbe-
amten auf die Postnachfolgeunternehmen "unter Wahrung ihrer Rechtsstellung"
beschäftigt werden. Die gemäß Art. 143b Abs. 3 Satz 3 GG erforderliche bun-
desgesetzliche Bestimmung des Näheren ist im Postpersonalrechtsgesetz ge-
regelt. § 8 PostPersRG ordnet an, dass gleichwertige Tätigkeiten bei den Akti-
engesellschaften als amtsgemäße Funktionen gelten. Die Gleichwertigkeit der
einem Beamten übertragenen Tätigkeit ist aufgrund eines Funktionsvergleichs
mit den Tätigkeiten bei der früheren Bundespost zu beurteilen. Eine nach die-
sem Maßstab gleichwertige Tätigkeit gilt als amtsangemessene Beschäftigung
(vgl. BVerwG, Urteile vom 3. März 2005 - 2 C 11.04 - BVerwGE 123, 107 <113>
und vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 15).
Der Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung erfordert stets die Übertra-
gung eines dem jeweiligen Statusamt entsprechenden Aufgabenbereichs. Not-
wendig ist daher - wie der Senat bereits für den Fall einer (hier nicht vorliegen-
den) dauerhaften Zuweisung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG entschieden
hat - zum einen die Übertragung eines allgemein bei dem betreffenden Unter-
nehmen möglichen Aufgabenkreises, die wie bei einem abstrakt-funktionellen
Amt den Kreis der dort amtsangemessenen Tätigkeiten festlegt, und zum ande-
ren die Übertragung eines konkreten Aufgabenbereichs, die - als Teilmenge
des allgemein möglichen Aufgabenbereichs - wie bei einem konkret-funktio-
nellen Amt den Kreis der aktuell zu erfüllenden amtsangemessenen Aufgaben
bestimmt. Die dem Beamten möglichen und die von ihm aktuell konkret zu erfül-
lenden Aufgabenbereiche - entsprechend dem abstrakt-funktionellen Amt und
dem konkret-funktionellen Amt - müssen festgelegt werden (BVerwG, Be-
schluss vom 3. April 2014 - 2 B 70.12 - IÖD 2014, 124 <127>; Urteil vom 5. Juni
2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 24, jeweils zu § 4 Abs. 4 Satz 2 Post-
PersRG).
Ist der Beamte in diesem Rahmen auf einem regulären Arbeitsposten beschäf-
tigt oder kann er auf einem solchen Arbeitsposten beschäftigt werden, fehlt es
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an der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BEDBPStruktG, wenn die Wertigkeit
des Arbeitspostens der des Statusamtes des Beamten entspricht. Ist der Beam-
te zwar nicht auf einem regulären Arbeitsposten, aber entsprechend der Wer-
tigkeit seines Statusamtes beschäftigt oder kann er entsprechend beschäftigt
werden, fehlt es an der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BEDBPStruktG,
wenn betriebliche oder betriebswirtschaftliche Belange entgegenstehen.
Die beiden letztgenannten Begriffe sind weit zu verstehen: Betriebliche Belange
im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BEDBPStruktG erfassen jedes Interesse an der
sachgerechten und reibungslosen Erfüllung der betrieblichen Aufgaben. Für
betriebswirtschaftliche Belange im Sinne dieser Bestimmung genügt jeder wirt-
schaftliche oder finanzielle Vorteil aus einer Weiterbeschäftigung des Beamten.
Diese Auslegung folgt aus dem Gesetzeszweck und der Gesetzessystematik.
Der Bedeutungsgehalt unbestimmter Rechtsbegriffe wie etwa "dienstlicher Be-
lang", "öffentliches Interesse" oder "dienstlicher Grund" erschließt sich aus der
Zweckbestimmung und Zielsetzung der jeweiligen gesetzlichen Regelung sowie
aus dem systematischen Zusammenhang, in den der Begriff hineingestellt ist
(stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Februar 1972 - 6 C 20.69 - BVerwGE 39,
291 <296>, vom 29. April 2004 - 2 C 21.03 - BVerwGE 120, 382 <384> und
vom 30. März 2006 - 2 C 23.05 - DVBl 2006, 1191 <1192>). Auch wenn dabei
die organisatorischen und personalwirtschaftlichen Entscheidungen, die der
Dienstherr in Ausübung seines Organisationsrechts getroffen hat, regelmäßig
zugrunde zu legen sind, handelt es sich um Rechtsbegriffe, die der vollen ge-
richtlichen Überprüfung unterliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009
- 2 C 68.08 - Buchholz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 16).
Zweck des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bundes-
eisenbahnvermögen und in den Postnachfolgeunternehmen ist in erster Linie
die Ermöglichung eines im Hinblick auf die technologische Entwicklung und die
Wettbewerbssituation notwendigen Personalabbaus. Die Vorruhestandsrege-
lung ergänzt die vorhandenen Möglichkeiten, nicht mehr benötigtes Personal
anderweitig oder zeitweise unterwertig einzusetzen, durch die Möglichkeit, nicht
oder nicht mehr amtsangemessen zu beschäftigende Beamte in den (Vor-)Ru-
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hestand zu versetzen. Der Vorruhestand ist damit ein "Instrument zum sozial-
verträglichen Personalabbau" mit Ausnahmecharakter (BT-Drs. 16/1938,
S. 1 ff.).
Das weite Verständnis der betrieblichen und betriebswirtschaftlichen Belange
folgt auch daraus, dass § 4 Abs. 1 Nr. 3 BEDBPStruktG anders als andere Re-
gelungen für Beamte der Postnachfolgeunternehmen und als andere Vorschrif-
ten des vorzeitigen Ruhestands keine Qualifizierung der Belange als "dringend"
oder "zwingend" vorsieht.
Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG - kann dem
Beamten mit seiner Zustimmung vorübergehend eine Tätigkeit bei einem Un-
ternehmen zugewiesen werden, wenn die Aktiengesellschaft, bei der er be-
schäftigt ist, hieran ein "dringendes betriebliches oder personalwirtschaftliches
Interesse" hat. Nach § 6 PostPersRG können Beamte vorübergehend auf ei-
nem anderen Arbeitsposten von geringerer Bewertung verwendet werden,
wenn "betriebliche" Gründe es erfordern. Es ist naheliegend, dass § 4 Abs. 1
Nr. 3 BEDBPStruktG an die in § 4 Abs. 4 Satz 1 und § 6 PostPersRG verwen-
deten Begriffe anknüpft und "betriebliche Belange" (auch) deshalb weniger ge-
wichtig sind als "dringende betriebliche Belange".
Die systematische Betrachtung mit anderen Regelungen des vorzeitigen Ruhe-
stands bestätigt dieses Ergebnis. § 4 BEDBPStruktG ist in seiner Normstruktur
Bestimmungen zur Gewährung von Altersteilzeit und Teilzeit vergleichbar, bei
denen die Gewährung davon abhängt, dass "dienstliche Belange" (vgl. nur § 91
Abs. 1 BBG), "dringende dienstliche Belange" (vgl. nur § 72b BBG a.F., § 93
Abs. 1 Nr. 4 BBG) oder "zwingende dienstliche Gründe" (vgl. § 76c DRiG in der
bis zum 31.03.2009 geltenden Fassung) nicht entgegenstehen (vgl. BVerwG,
Urteile vom 29. April 2004 - 2 C 21.03 - BVerwGE 120, 382 <384> m.w.N., vom
30. März 2006 - 2 C 23.05 - Buchholz 236.2 § 76c DRiG Nr. 1 Rn. 15 ff. und
vom 25. Juni 2009 - 2 C 68.08 - Buchholz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 16),
enthält Qualifizierungen wie "dringend" oder "zwingend" selbst jedoch nicht.
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Allerdings bedarf § 4 Abs. 1 Nr. 3 BEDBPStruktG insoweit der einschränkenden
Auslegung, als betriebliche oder betriebswirtschaftliche Gründe einem Antrag
auf Zurruhesetzung dann nicht entgegengehalten werden können, wenn der
Beamte nicht einer amtsangemessenen Beschäftigung gleichwertig eingesetzt
wird und eine solche Beschäftigung auch nicht in absehbarer Zeit, d.h. in der
Regel innerhalb von zwei Jahren, ermöglicht werden kann. Hinsichtlich der
Länge des insoweit zu betrachtenden Zeitraums kann die gesetzliche Wertung
in § 27 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BBG herangezogen werden, wonach eine
Abordnung auch ohne Zustimmung des Beamten zu einer nicht dem bisherigen
Amt entsprechenden Tätigkeit möglich ist, wenn sie nicht länger als zwei Jahre
dauert (Lenders/Weber, PostPersRG, 2. Aufl. 2014, § 6 Rn. 6).
Liegen alle tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3
BEDBPStruktG vor, hat die zuständige Stelle über die Zurruhesetzung nach
Ermessen zu entscheiden (§ 40 VwVfG). Der Beamte hat einen Anspruch auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung, weil die Vorruhestandsregelung des § 4
BEDBPStruktG zwar in erster Linie dem Wettbewerbsinteresse des Postnach-
folgeunternehmens zu dienen bestimmt ist, daneben aber auch Fürsorgeaspek-
ten gegenüber den nicht oder nicht amtsangemessen beschäftigten Beamten
Rechnung trägt (vgl. BT-Drs. 16/1938 S. 1) und somit subjektiv-rechtliche Quali-
tät zugunsten der bei den Postnachfolgeunternehmen beschäftigten Beamten
hat. Eine Ermessensbetätigung, die eine Zurruhesetzung und damit die Anwen-
dung des Gesetzes generell ausschließt, ist damit nicht vereinbar.
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf Zurruhesetzung
aufgrund von § 4 Abs. 1 BEDBPStruktG. Die Annahme des Oberverwaltungs-
gerichts, dass der Kläger sich in einem Bereich mit Personalüberhang befindet,
ist von den Beteiligten - auch im Revisionsverfahren - ebenso wenig in Frage
gestellt worden wie das ebenfalls vom Oberverwaltungsgericht festgestellte, der
Wertigkeit seines Statusamts entsprechende, Niveau seiner Beschäftigung. Der
Antrag auf Versetzung in den Ruhestand scheitert zwar nicht an dem Fehlen
der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BEDBPStruktG,
denn der Kläger hat keinen regulären Arbeitsposten (auf amtsangemessenem
Niveau) inne und einen solchen auch nicht in Aussicht. Jedoch stehen seiner
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Versetzung in den Ruhestand betriebliche und betriebswirtschaftliche Belange
im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BEDBPStruktG entgegen. Nach den tatsächli-
chen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts trägt die Tätigkeit des Klä-
gers zur sachgerechten Aufgabenerfüllung seines Betriebes bei und begründet
damit einen betrieblichen Belang. Auch ist nach diesen Feststellungen seine
Weiterbeschäftigung für das Unternehmen wirtschaftlicher als seine Zurruhe-
setzung, was einen betriebswirtschaftlichen Belang darstellt. Der Kläger ist
dauerhaft in den Betrieb eingegliedert und die ihm zugeordnete Tätigkeit ist
nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ihrem Niveau nach
amtsangemessen.
Da es hiernach bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Er-
messensbetätigung fehlt, sind die - rechtsfehlerhaften - Ausführungen des
Oberverwaltungsgerichts, wonach eine generelle Ermessensausübung der Be-
klagten zu Lasten der Beamten zulässig sei, nicht entscheidungstragend.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Domgörgen
Dr. von der Weiden
Dr. Hartung
Dr. Kenntner
Dollinger
B e s c h l u s s
vom 19. März 2015
Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren wird auf
37 856,91 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG
a.F.).
Domgörgen
Dr. von der Weiden
Dr. Kenntner
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