Urteil des BVerwG vom 27.05.2004

Zulage, Hitze, Geruch, Ausschluss

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 31.03
OVG 2 L 182/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Mai 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , Dr. K u g e l e ,
Dr. M ü l l e r , G r o e p p e r und Dr. B a y e r
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
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Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-
Vorpommern vom 6. August 2003 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entschei-
dung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens
bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
I .
Der Kläger ist bei der Bundesgrenzschutzinspektion … stationiert und verrichtet
Dienst als Maschinist auf Booten des Bundesgrenzschutzes. Neben seinem Grund-
gehalt erhält er eine Polizeizulage gemäß Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bun-
desbesoldungsordnungen A und B - Anlage I BBesG, eine Zulage für Dienst zu un-
günstigen Zeiten gemäß §§ 3 ff. der Erschwerniszulagenverordnung (EZulV), eine
Bordzulage nach § 23 b EZulV und eine Maschinenzulage nach § 23 d EZulV. Sei-
nen Antrag vom 2. Mai 2000, ihm zusätzlich eine Wechselschichtzulage nach § 20
Abs. 1 EZulV zu gewähren, lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, durch die
Bord- und Maschinenzulage sowie die zur Hälfte gezahlte Zulage für Dienst zu un-
günstigen Zeiten seien alle Erschwernisse an Bord abgegolten. Widerspruch und
Klage blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Bordzulage
schließe die Wechselschichtzulage aus. Soweit der Kläger die Wechselschichtzulage
von August 1993 bis zum 11. Oktober 1998 begehre, sei die Klage bereits mangels
eines Vorverfahrens unzulässig. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger seinen An-
spruch auf die Zeit ab dem 12. Oktober 1998 beschränkt. In diesem Umfang hat das
Berufungsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen aus-
geführt:
Der Kläger erfülle die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 EZulV, wie
zwischen den Parteien nicht streitig sei. Die Zulage sei nicht durch eine Konkurrenz-
regelung ausgeschlossen. Zulagen nach der Erschwerniszulagenverordnung und
nach der Anlage I BBesG könnten grundsätzlich nebeneinander beansprucht wer-
den. Das Verhältnis der Zulagen untereinander sei detailliert geregelt. Der Verord-
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nunggeber habe sich von dem erkennbaren Bemühen leiten lassen, ein klares Sys-
tem zu schaffen.
Das System relativ leicht handhabbarer Ausschluss- und Kürzungsnormen werde,
soweit hier von Belang, nicht durch § 20 Abs. 3 EZulV durchbrochen. § 20 Abs. 4
EZulV sehe vor, dass die Wechselschichtzulage nur zur Hälfte gewährt werde, wenn
für denselben Zeitraum Anspruch auf die Polizeizulage bestehe. Logischerweise
könne eine Zulage, die nur zur Halbierung einer anderen Zulage führe, nicht zugleich
deren völligen Ausschluss bewirken. Dies gelte auch für die Zulage für Dienst zu un-
günstigen Zeiten, die Bordzulage und die Maschinenzulage. Zwar erfordere § 20
Abs. 3 EZulV eine unter Umständen schwierige Bewertung, inwieweit Vergünstigun-
gen auf gleichartige Mehrbelastungen abzielten. Bei der Zulage nach § 20 Abs. 1
EZulV gehe es um den Schichtbetrieb "rund um die Uhr", während die Bordzulage
unter anderem die außergewöhnliche Einschränkung der Privatsphäre und die mit
dem Geschehen an Bord verbundenen psychischen Belastungen sowie Beeinträch-
tigungen durch Kälte, Hitze, Seegang, Seewasser, Lärm und Geruch ausgleichen
solle. Deswegen stehe dem Kläger neben den bereits gewährten Zulagen auch die
Wechselschichtzulage zu, und zwar gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EZulV in halber Höhe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Verlet-
zung formellen Rechts rügt. Zwischen den Parteien sei keineswegs unstreitig, dass
die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Wechselschichtzulage
erfüllt seien. Das Berufungsgericht habe dies zu Unrecht angenommen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom
6. August 2003 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. April 2002 in vollem Umfang zu-
rückzuweisen.
Der Kläger tritt der Revision entgegen und beantragt deren Zurückweisung.
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II.
Die Revision der Beklagten, über die mit Einverständnis aller Beteiligten ohne münd-
liche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1,
§ 141 Satz 1 VwGO), ist begründet. Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klä-
gers stattgegeben, ohne die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung der
streitigen Zulage zu prüfen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung der Wechsel-
schichtzulage ist für die Zeit ab dem 1. Januar 1999 § 20 Abs. 1 der Erschwerniszu-
lagenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998
(BGBl I S. 3497) - EZulV und für die Zeit vom 12. Oktober bis zum 31. Dezember
1998 § 20 Abs. 1 EZulV in der gleich lautenden Fassung vom 17. Juni 1998 (BGBl I
S. 1378). Danach erhalten Beamte eine Wechselschichtzulage von (jetzt:) 102,26 €
monatlich, wenn sie ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt sind, der
einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten
(wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werk-
tags, sonntags und feiertags gearbeitet wird) vorsieht und sie dabei in je fünf Wochen
durchschnittlich mindestens 40 Dienststunden in der dienstplanmäßigen oder
betriebsüblichen Nachtschicht leisten. Nach § 20 Abs. 3 Satz 3 EZulV findet Absatz 1
keine Anwendung auf Beamte, die auf Schiffen tätig sind, wenn die dadurch bedingte
besondere Dienstplangestaltung bereits anderweitig berücksichtigt ist. Nach § 20
Abs. 4 wird die Zulage nur zur Hälfte gewährt, wenn für denselben Zeitraum
Anspruch auf eine Stellenzulage u.a. nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bun-
desbesoldungsordnungen A und B des Bundesbesoldungsgesetzes besteht.
Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass Zulagen nach der Erschwer-
niszulagenverordnung und nach der Anlage I BBesG grundsätzlich nebeneinander
beansprucht werden können. Ausnahmen werden durch Spezialvorschriften bei der
jeweiligen Zulage geregelt. Im Falle der hier streitigen Wechselschichtzulage sind
solche Ausnahmevorschriften die erwähnten Vorschriften des § 20 Abs. 3 Satz 3 und
§ 20 Abs. 4 EZulV.
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Das Berufungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass beide Ausnahmevorschriften
hier die Zahlung der Wechselschichtzulage nicht ausschließen.
Die Wechselschichtzulage fällt für Personal an Bord von Schiffen nur dann weg,
wenn die "dadurch" (d.h. durch den Borddienst) bedingte besondere Dienstplanges-
taltung bereits anderweitig berücksichtigt ist. Mit der Bordzulage soll nicht der durch
besondere Dienstzeiten hervorgerufenen Erschwernis Rechnung getragen werden,
sondern den allgemein erschwerten Lebensbedingungen an Bord, nämlich der au-
ßergewöhnlichen Einschränkung der Privatsphäre und den mit dem Geschehen an
Bord verbundenen psychischen Belastungen sowie Beeinträchtigungen durch Kälte,
Hitze, Seegang, Seewasser, Lärm und Geruch. Demgemäß hat Anspruch auf die
Bordzulage auch, wer als Soldat oder Beamter keinen Wechselschichtdienst zu leis-
ten, sondern normale Dienstzeiten einzuhalten hat. Die durch den Wechselschicht-
dienst hervorgerufenen Erschwerungen sind deshalb mit der Bordzulage nicht abge-
golten. Sie steht dem Kläger dem Grunde nach zu, soweit er Wechselschichtdienst
leistet.
Die Einschränkung, die sich aus § 20 Abs. 4 EZulV ergibt (Halbierung der Zulage
wegen Zahlung der "Polizeizulage"), ist nicht im Streit.
Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und zu
welchen Zeiten der Kläger die in § 20 Abs. 1 EZulV beschriebenen Voraussetzungen
für die Gewährung der Wechselschichtzulage erfüllt hat. Die Sache ist daher an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, dies nachzuho-
len.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussent-
scheidung vorbehalten.
Prof. Dawin Dr. Kugele Dr. Müller
Groepper Dr. Bayer
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren gemäß § 17 Abs. 3
Satz 1, § 17 Abs. 4 Satz 1 GKG auf 3 030,30 € festgesetzt.
Prof. Dawin Dr. Kugele Groepper
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Beamtenrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
EZulV § 20 Abs. 1, 3 und 4
Stichworte:
Borddienst; Bordzulage; Dienst zu ungünstigen Zeiten; Erschwerniszulage; Wech-
selschichtzulage.
Leitsätze:
Die durch die sog. Bordzulage ausgeglichenen Erschwernisse umfassen nicht die
durch Wechselschichtdienst hervorgerufenen Erschwernisse. Bordzulage und
Wechselschichtzulage können nebeneinander gewährt werden.
Urteil des 2. Senats vom 27. Mai 2004 - BVerwG 2 C 31.03
I. VG Greifswald vom 25.04.2002 - Az.: VG 6 A 1838/00 -
II. OVG Greifswald vom 06.08.2003 - Az.:
OVG 2 L 182/02 -