Urteil des BVerwG vom 18.12.2014

Öffentliche Aufgabe, Ermessen, Amt, Verfahrenskosten

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 C 27.13
VGH 4 S 1569/12
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Dezember 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und Dollinger
beschlossen:
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Das Verfahren wird eingestellt.
Die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württem-
berg vom 5. Februar 2013 und des Verwaltungsgerichts
Freiburg vom 10. Juli 2012 sind wirkungslos.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands für das Revisionsverfah-
ren wird auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 141 Satz 1, § 125
Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Vorentschei-
dungen sind wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Über die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen ist gemäß § 161 Abs. 2
VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach-
und Streitstandes zu entscheiden. In Anlehnung an das in § 154 Abs. 1 VwGO
normierte Grundprinzip des Kostenrechts, nach dem der unterliegende Teil die
Verfahrenskosten zu tragen hat, entspricht es regelmäßig billigem Ermessen,
die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung voraussicht-
lich unterlegen wäre (Urteil vom 6. April 1989 - BVerwG 1 C 70.86 - BVerwGE
81, 356 <363>).
Danach sind hier dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Durch Urteil vom
27. November 2014 - BVerwG 2 C 24.13 - ist das der Versetzung des Klägers
zugrunde liegende Regelungskonzept in §§ 7 und 8 des Landesgesetzes Ba-
den-Württemberg über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialar-
beit im Justizvollzug - LBGS - vom 1. Juli 2004 (GBl S. 469 <504>; in der Fas-
sung des Änderungsgesetzes vom 11. Dezember 2007, GBl S. 580) als in sich
widersprüchlich und unvollständig beanstandet worden.
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Diese Bewertung betrifft auch und gerade die Dienststellenkonstruktion. Nach
§ 7 Abs. 1 LBGS i.V.m. § 1 des zwischen dem Beklagten und dem freien Träger
geschlossenen Vertrages vom 6. Dezember 2006 ist die Aufgabe der Bewäh-
rungs- und Gerichtshilfe im ganzen Land auf den privaten Träger als Beliehe-
nen übertragen. Dieser ist damit selbst zur Aufgabenerfüllung berufen und zu-
ständig. Dementsprechend wird durch § 8 Nr. 9 LBGS die organisatorisch-
fachliche Einbindung der Bewährungs- und Gerichtshelfer in die Landesjustiz-
verwaltung aufgehoben. Dessen ungeachtet sieht § 8 Nr. 10 Satz 1 LBGS
i.V.m. § 1 Abs. 1 DVO LBGS landeseigene Dienststellen der Bewährungs- und
Gerichtshilfe vor, obwohl diese Funktion vom Land gar nicht mehr ausgeübt
wird.
Die Widersprüchlichkeit der Dienststellenkonstruktion setzt sich hinsichtlich der
den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern zugewiesenen Tätigkeiten
fort. Durch die Aufgabenübertragung an den privaten Träger gibt es hinsichtlich
der Bewährungs- und Gerichtshilfe kein entsprechendes Funktionsamt mehr,
das den Beamten vom beklagten Land übertragen und in einer landeseigenen
Dienststelle ausgeübt werden könnte. Den betroffenen Beamten ist auch keine
andere Aufgabe übertragen, vielmehr versehen sie weiterhin ihre bislang aus-
geübten Tätigkeiten. Dies ist in § 3 Abs. 1 Satz 1 des zwischen dem beklagten
Land und dem freien Träger vom 6. Dezember 2006 geschlossenen Vertrages
sogar vertraglich festgelegt. Mit dem Regelungskonzept ist den Beamten damit
eine Tätigkeit zugedacht, die nicht im Zuständigkeitsbereich ihres Dienstherrn
liegt.
Damit ist der Kläger auch nicht „in ein anderes Amt“ bei einer anderen Dienst-
stelle versetzt worden (§ 36 LBG in der hier maßgeblichen Fassung vom
19. März 1996, GBl S. 285). Er wird vielmehr einer Dienststelle zugewiesen, bei
der es eine öffentliche Aufgabe - und damit auch ein „Amt“ - gar nicht gibt. Der-
artige „Versetzungen“ entsprechen weder den gesetzlichen Vorgaben noch den
Anforderungen aus Art. 33 Abs. 5 GG (Urteil vom 18. September 2008
- BVerwG 2 C 8.07 - BVerwGE 132, 31 Rn. 13).
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2
GKG.
Domgörgen
Dr. Kenntner
Dollinger
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