Urteil des BVerwG vom 26.07.2012

Treu Und Glauben, Eugh, Ablauf der Frist, Schutz der Gesundheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 26.11
OVG 1 Bf 283/07
Verkündet
am 26. Juli 2012
Melzer
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2012
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Dr. von der Weiden,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen sowie
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Kenntner
für Recht erkannt:
Das Revisionsverfahren wird eingestellt, soweit der Kläger
die Revision zurückgenommen hat.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die in der
Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. August 2005 zuviel geleis-
tete Arbeit von insgesamt 420 Stunden Entschädigung in
Geld nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die
Mehrarbeitsvergütung zu zahlen.
Die Urteile des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts
vom 9. Februar 2011 und des Verwaltungsgerichts Ham-
burg vom 21. Juni 2007 werden aufgehoben, soweit sie
dem entgegenstehen.
Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt 3/5, die Beklagte trägt 2/5 der Kosten des
Verfahrens.
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G r ü n d e :
I
Der Kläger war bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der
Altersgrenze am 31. Juli 2010 im Einsatzdienst der Beklagten als Feuerwehr-
beamter tätig. Er verlangt einen Ausgleich für vom 1. Januar 1999 bis
31. August 2005 über 48 Stunden in der Woche hinaus geleisteten Dienst. In
dieser Zeit betrug die Wochenarbeitszeit für Hamburger Feuerwehrbeamte im
Einsatzdienst 50 Stunden.
Im März 2001 beantragte der Kläger erfolglos einen Ausgleich für den seit dem
1. Januar 1999 zuviel geleisteten Dienst. Im anschließenden Klageverfahren
hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und in der Berufungsinstanz in Hö-
he von 2 510,45 € teilweise Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat ange-
nommen, der Kläger habe einen Anspruch auf einen Ausgleich von 175,68
Stunden. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger sei im geltend gemachten Zeitraum unter Verstoß gegen Unions-
recht zu einer Arbeitszeit von durchschnittlich mehr als 48 Wochenstunden he-
rangezogen worden.
Dafür stehe ihm seit dem 1. Januar 2001 ein Ausgleichsanspruch aus Treu und
Glauben in Verbindung mit den Rechtsgedanken des Mehrarbeitsrechts der
Beamten zu. Der Anspruch sei auf den Zeitraum ab dem Jahr der Antragstel-
lung, hier ab 2001, begrenzt. Als Ausgleich sei zwar vorrangig Dienstbefreiung
zu gewähren. Könne der Ausgleichsanspruch erst mit jahrelanger Verspätung
durchgesetzt werden und stünden einer Dienstbefreiung zudem zwingende
dienstliche Gründe entgegen, sei ein Geldausgleich zu zahlen. Auszugleichen
sei jede Stunde, die der Beamte monatlich über die ohne Ausgleich höchstzu-
lässige Mehrarbeit von fünf Stunden im Monat hinaus Dienst geleistet habe. Da
der Geldausgleich die zukünftige Dienstbefreiung ersetze, sei er in Anlehnung
an die aktuell geltenden Sätze für Mehrarbeitsvergütung zu berechnen. Diese
seien um ein Sechstel zu reduzieren, weil sie auf der Grundlage einer 40-
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Stunden-Woche berechnet würden, während es um einen Ausgleich für über 48
Stunden in der Woche hinaus geleisteten Dienst gehe. Dieser Anspruch sei
nicht teilweise verjährt, weil der Lauf der Verjährungsfrist rechtzeitig durch den
2001 eingelegten Widerspruch gehemmt gewesen sei.
Daneben stehe dem Beamten in gleicher Höhe ein unionsrechtlicher Entschä-
digungsanspruch zu. Dessen Voraussetzungen seien ebenfalls seit dem
1. Januar 2001 erfüllt. Seitdem habe die Beklagte die Rechtsprechung des Ge-
richtshofs der Union offenkundig verkannt. Der Anspruch sei nicht davon ab-
hängig, dass der Beamte zuvor die Einhaltung der unionsrechtlichen Bestim-
mungen oder zeitnah eine Kompensation beantrage.
Mit der hiergegen gerichteten Revision beantragt der Kläger,
die Beklagte zu verpflichten, ihm für die in der Zeit vom
1. Januar 1999 bis 31. August 2005 zuviel geleistete Ar-
beit von insgesamt 600 Stunden Entschädigung in Geld
nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehr-
arbeitsvergütung sowie Wechselschichtzulage zu zahlen,
und die Urteile des Hamburgischen Oberverwaltungsge-
richts vom 9. Februar 2011 und des Verwaltungsgerichts
Hamburg vom 21. Juni 2007 aufzuheben, soweit sie dem
entgegenstehen.
Die Beklagte tritt dem entgegen und beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren.
II
Nachdem der Kläger die Revision mit Zustimmung der Beklagten hinsichtlich
des ursprünglich geltend gemachten und vom Berufungsgericht abgelehnten
Anspruchs auf Wechselschichtzulage zurückgenommen hat, war das Verfahren
insoweit in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 141
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Satz 1 und § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Insoweit hätte die Revision
auch keinen Erfolg gehabt (vgl. § 20 Abs. 3 Satz 1 EZulV).
Im Übrigen ist die Revision des Klägers teilweise begründet. Der Kläger kann
für den vom Berufungsgericht zuerkannten Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis
zum 31. August 2005 einen finanziellen Ausgleich im Umfang von 420 Stunden
nach den im Zeitraum der Zuvielarbeit jeweils geltenden Sätzen der Mehr-
arbeitsvergütung verlangen. Soweit das Berufungsgericht demgegenüber vom
monatlich zuviel geleisteten Dienst fünf Stunden abgezogen, auf die aktuelle
Mehrarbeitsvergütung abgestellt und diese um ein Sechstel reduziert hat, ver-
stößt das Berufungsurteil gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO,
§ 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die Revision des Klägers ist
jedoch unbegründet, soweit er auch für vor dem 1. Januar 2001 liegende Zeiten
Ansprüche geltend macht.
Der Kläger hat vom 1. Januar 1999 bis 31. August 2005 regelmäßig anstelle der
unionsrechtlich höchstens zulässigen 48 Wochenstunden 50 Stunden Dienst
geleistet. Dies verstieß gegen Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG des Rates
vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung
(RL 93/104/EG, ABl EG Nr. L 307 vom 13. Dezember 1993 S. 18) sowie Art. 6
Buchst. b der insoweit inhaltsgleichen Nachfolge-Richtlinie 2003/88/EG des Eu-
ropäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte
Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG, ABl EG Nr. L 299 vom
18. November 2003 S. 9, Arbeitszeitrichtlinie), sodass die entgegenstehenden
Bestimmungen des Arbeitszeitrechts der Beklagten wegen des Anwendungs-
vorrangs des Unionsrechts außer Betracht zu bleiben haben (Urteil vom
25. März 2010 - BVerwG 2 C 72.08 - BVerwGE 136, 165 = Buchholz 239.1 § 6
BeamtVG Nr. 6 jeweils Rn. 28). Nach der Begriffsbestimmung des Art. 2 Nr. 1
RL 2003/88/EG sowie Art. 2 Nr. 1 RL 93/104/EG sind Zeiten des Bereitschafts-
dienstes in vollem Umfang in die Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit
einzubeziehen, da die Beamten in der Dienststelle anwesend und jederzeit
einsatzbereit sein mussten. Die Umsetzungsfrist der im Wesentlichen wortglei-
chen Vorgängerrichtlinie war bereits seit 1996 abgelaufen (Art. 18 Abs. 1
Buchst. a RL 93/104/EG). Eine Rechtfertigung der unionsrechtswidrigen Zuviel-
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arbeit als Mehrarbeit war nicht möglich (vgl. Urteil vom 29. September 2011
- BVerwG 2 C 32.10 - BVerwG 140, 351 Rn. 11 - 14 m.w.N.).
Für diese unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit stehen dem Kläger ein uni-
onsrechtlicher (1) und ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch (2) zu. Die
beiden Ansprüche unterscheiden sich zwar in ihren Voraussetzungen, sind aber
in der Rechtsfolge (3) gleichgerichtet. Danach ist die pauschal zu errechnende
Zuvielarbeit (4) ohne Abzüge auszugleichen, und zwar vorrangig durch Freizeit,
hier ausnahmsweise durch Geld (5). Der Geldausgleich ist in Anlehnung an die
zum jeweiligen Zeitpunkt der Zuvielarbeit geltenden Stundensätze für Mehr-
arbeit im Vollzeitdienst zu gewähren (6). Die danach ab dem 1. Januar 2001 be-
stehenden Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt (7).
1. Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch entsteht nach der gefestigten
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Union (EuGH), wenn drei Voraussetzun-
gen erfüllt sind: Die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist,
verleiht dem Geschädigten Rechte (a), der Verstoß gegen diese Norm ist hin-
reichend qualifiziert (b), und zwischen dem Verstoß und dem Schaden besteht
ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (c). Diese von den nationalen Gerich-
ten zu prüfenden Voraussetzungen sind ab dem 1. Januar 2001 gegeben (vgl.
zum Ganzen: EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - NZA
2011, 53 Rn. 47 f. m.w.N.).
a) Die erste Voraussetzung liegt vor. Art. 6 Nr. 2 RL 93/104/EG sowie Art. 6
Buchst. b RL 2003/88/EG verleihen mit der Festsetzung einer wöchentlichen
Höchstarbeitszeit dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur
Umsetzung in das Arbeitszeitrecht des Beklagten unmittelbar vor den nationa-
len Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 25. November 2010
- Fuß - a.a.O. Rn. 49 f.).
b) Die Überschreitung der unionsrechtlich vorgegebenen Wochenarbeitszeit
begründet bereits seit 1. Januar 2001 einen hinreichend qualifizierten Verstoß.
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Ein derartiger Verstoß liegt vor, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem
Umsetzungsermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten
hat. Ob und wann dies der Fall ist, hängt unter anderem davon ab, wie eindeu-
tig die verletzte Vorschrift ist und wie viel Spielraum dem Mitgliedstaat bei der
Umsetzung eingeräumt ist. Ist eine Vorschrift der Auslegung fähig und bedürf-
tig, ist ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht erst dann
anzunehmen, wenn die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs ver-
kannt worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - Fuß - a.a.O.
Rn. 51 f. m.w.N.).
Die Festsetzung der Höchstarbeitszeit (48 Stunden in der Woche) durch Art. 6
Nr. 2 RL 93/104/EG sowie Art. 6 Buchst. b RL 2003/88/EG ist eindeutig. Sie war
gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a RL 93/104/EG bis zum Ablauf der Umsetzungs-
frist am 23. November 1996 im nationalen Recht zu verankern. Seit dem Urteil
des Gerichtshofs der Union vom 3. Oktober 2000 - Rs. C-303/98, Simap -
(Slg. 2000, I-7997) stand zudem fest, dass nach Art. 2 Nr. 1 RL 93/104/EG bei
der Festsetzung von Höchstarbeitszeiten Bereitschaftsdienst wie Volldienst zu
werten ist. In der Nachfolgerichtlinie ist auch diese Vorschrift wortgleich in Art. 2
Nr. 1 RL 2003/88/EG übernommen worden. Damit hätte spätestens zum 1. Ja-
nuar 2001 das Arbeitszeitrecht für die Landesbeamten durch die Beklagte als
umsetzungspflichtige Landesgesetz- und Verordnungsgeberin angepasst wer-
den müssen. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte während des hier streitigen
Zeitraums nicht nachgekommen (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbs. HmbBG
a.F. sowie § 1 Abs. 2 ArbzVO Hmb a.F.), obwohl der Gerichtshof die-
se Rechtsprechung noch mehrfach bestätigt hat (EuGH, Urteile vom 9. Sep-
tember 2003 - Rs. C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-08415 und vom 5. Oktober
2004 - verb. Rs. C-397/01 bis 403/01, Pfeiffer u.a. - Slg. 2004, I-8878; Be-
schluss vom 3. Juli 2001 - Rs. C-241/99 CIG - Slg. 2001, I-5141). Erst im An-
schluss an den Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04, Personalrat der
Feuerwehr Hamburg - (Slg. 2005, I-7113) hat sie das Arbeitszeitrecht für die
Feuerwehrbeamten geändert. Ungeachtet der fehlenden Umsetzung der Richt-
linie waren Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des
Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegen-
stehendes nationales Recht unangewendet zu lassen. Ein Träger öffentlicher
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Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Umset-
zung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010
- Fuß - a.a.O. Rn. 39 und 85 sowie vom 15. April 2008 - Rs. C-268/06, Impact -
Slg. 2008, I-02483 Rn. 85). Danach hat die Beklagte nicht nur in ihrer Eigen-
schaft als zuständige Normgeberin durch dessen Nichtumsetzung hinreichend
qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen, sondern auch in ihrer Eigenschaft
als Dienstherrin durch die Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs.
Entgegen der Auffassung der Beklagten musste nicht erst durch den EuGH ge-
klärt werden, dass die Arbeitszeitrichtlinien auch den Dienst bei der Feuerwehr
erfassen. Der Wortlaut der Richtlinien ist insoweit eindeutig. Eines zusätzlichen
Indizes für das Vorliegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes bedarf es
deshalb nicht. Insbesondere hängt die Anwendbarkeit des Unionsrechts nicht
davon ab, dass sie vom EuGH für jede einzelne Vorschrift und für jede von den
beiden Richtlinien erfasste Beschäftigtengruppe gesondert festgestellt wird. Ob
eine eindeutige Vorschrift des Unionsrechts vorliegt, deren Nichtbeachtung die
unionsrechtliche Staatshaftung auslöst, ist anhand objektiver Kriterien, für deren
Feststellung auf die Rechtsprechung des EuGH zurückzugreifen ist, zu ermit-
teln; auf ein Verschulden des Mitgliedstaates kommt es nicht an. Deshalb ist es
unerheblich, ob der Mitgliedstaat durch seine Organe (so hier der Bundesrat mit
Beschluss vom 2. April 2004 - BRDrucks 105/04 -), Behörden oder Gerichte
(wie hier insbesondere BAG, Urteil vom 29. Mai 2002 - 5 AZR 370/01 - PersV
2002, 457 ff. und BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2003 - BVerwG 6 P
7.03 - BVerwGE 119, 363 ff. = Buchholz 451.9 Art. 234 EG-Vertrag Nr. 2) die
Anwendung der Richtlinien auf den Feuerwehrdienst für zweifelhaft gehalten
oder sogar verneint haben.
Die Beklagte hatte zur Rechtfertigung ihres Verhaltens darauf abgestellt, dass
sie den Feuerwehrdienst nach Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Rahmenrichtlinie
89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maß-
nahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der
Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl EG Nr. L 183 S. 1) als von der Anwendung der
Arbeitszeitrichtlinien ausgenommen halten durfte. Mit dem EuGH ist dem-
gegenüber festzustellen, dass die Vorschriften insoweit eindeutig und klar sind
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und keinen Raum für vernünftige Zweifel lassen (Urteil vom 25. November 2010
- Fuß - a.a.O. Rn. 54, 57 f.; Beschluss vom 14. Juli 2005 - Personalrat der Feu-
erwehr Hamburg - a.a.O. Rn. 36).
Bereits nach ihrem eindeutigen Wortlaut erfasst die Ausnahmevorschrift des
Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG keine ganzen Tätigkeitsfel-
der, sondern nur Ausschnitte („spezifische Tätigkeiten bei den Katastrophen-
schutzdiensten“). Deshalb hatte der EuGH bereits im Urteil vom 3. Oktober
2000 - Simap - a.a.O. (Rn. 35) ausgeführt, dass diese Ausnahmevorschrift eng
auszulegen ist. Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof während des hier
streitigen Zeitraums noch mehrfach bestätigt (EuGH, Urteile vom 9. September
2003 - Jaeger - a.a.O. Rn. 89 und vom 5. Oktober 2004 - Pfeiffer u.a. - a.a.O.
Rn. 52 ff.; Beschluss vom 3. Juli 2001 a.a.O. - CIG - Rn. 28 ff.), wobei er dies in
dem Urteil vom 5. Oktober 2004 - Pfeiffer u.a. - (Rn. 52 ff.) näher mit dem Hin-
weis auf den Wortlaut begründet hat. Im Beschluss vom 14. Juli 2005
- Personalrat der Feuerwehr Hamburg - (a.a.O. Rn. 42, 48) hat er dies schließ-
lich ausdrücklich in Bezug auf den Feuerwehrdienst festgestellt.
Im Übrigen erwähnt Art. 17 Abs. 2 Nr. 2.1 Buchst. c Ziff. iii RL 93/104/EG unter
anderem ausdrücklich die Feuerwehrdienste, ebenso die Nachfolgerichtlinie in
Art. 17 Abs. 3 Buchst. c Ziff. iii RL 2003/88/EG. Diese Erwähnung wäre über-
flüssig, wenn die betreffende Tätigkeit bereits ganz vom Anwendungsbereich
der beiden Arbeitszeitrichtlinien ausgeschlossen wäre. Sie belegt im Gegenteil
eindeutig, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die grundsätzliche Anwendbar-
keit dieser Richtlinie auf den Feuerwehrdienst festgelegt, zugleich aber vorge-
sehen hat, dass unter außergewöhnlichen Umständen von einzelnen Bestim-
mungen der Richtlinie - hier insbesondere vom kürzeren Bezugszeitraum, nicht
aber von der 48-Stunden-Grenze - abgewichen werden kann (vgl. EuGH, Be-
schluss vom 14. Juli 2005 - Personalrat der Feuerwehr Hamburg - a.a.O.
Rn. 60 sowie Urteil vom 5. Oktober 2004 - Pfeiffer u.a. - a.a.O. Rn. 62 zu den in
derselben Richtlinienvorschrift ebenfalls erwähnten Ambulanzdiensten).
c) Schließlich besteht unzweifelhaft ein unmittelbarer Kausalzusammenhang
zwischen dem Verstoß gegen diese Richtlinien und dem Schaden, der durch
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den Verlust der Ruhezeit entstanden ist, die dem Kläger zugestanden hätte,
wenn die in dieser Bestimmung vorgesehene wöchentliche Höchstarbeitszeit
eingehalten worden wäre (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - Fuß - a.a.O.
Rn. 59). Dabei ist es unerheblich, dass zusätzlicher Dienst eines Beamten und
der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem
Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadenersatzrechts dar-
stellt (vgl. dazu Urteile vom 21. Februar 1991 - BVerwG 2 C 48.88 - BVerwGE
88, 60 <63 f.> = Buchholz 237.1 Art. 80 BayLBG Nr. 2 S. 4 f. m.w.N. und vom
28. Mai 2003 - BVerwG 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6
m.w.N.). Denn auch insoweit ist allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hie-
rin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - Fuß - a.a.O.
Tenor 1 und Tenor 4 sowie Rn. 59, 61, 63).
d) An weitere Voraussetzungen - etwa an ein Antragserfordernis - ist der uni-
onsrechtliche Staatshaftungsanspruch nicht gebunden (EuGH, Urteil vom
25. November 2010 - Fuß - a.a.O. Rn. 78, 84, 86 f., 90). Die im Urteil vom
29. September 2011 (- BVerwG 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20) zum
Ausdruck kommende gegenteilige Ansicht gibt der Senat auf. Die Rechtsfolgen
des unionsrechtlichen Ausgleichsanspruchs richten sich nach dem nationalen
Recht, wobei Form, Art und Weise der Berechnung der Entschädigung in einem
angemessenen Verhältnis zum Schaden stehen müssen, sodass ein effektiver
Schutz der Rechte des Einzelnen gewährleistet ist. Danach ist es Sache des
nationalen Rechts, ob der Schadenersatz in Form von Freizeitausgleich oder in
Form einer finanziellen Entschädigung zu gewähren ist (vgl. EuGH, Urteil vom
25. November 2010 - Fuß - a.a.O. Rn. 92 f. 94 ff. jeweils m.w.N.). Da der Ver-
lust an Freizeit nach nationalem Recht kein Schaden ist, ist zur Ausfüllung des
unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs auf die Rechtsfolgen aus dem na-
tionalrechtlichen Billigkeitsanspruch zurückzugreifen.
2. Für die unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit steht dem Kläger daneben
ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und
Glauben i.V.m. den Regeln über einen Ausgleich von Mehrarbeit, hier § 76
Abs. 2 Satz 2 HmbBG a.F. (entspricht § 61 Abs. 3 Satz 2 und 3 HmbBG) zu
(vgl. Urteile vom 29. September 2011 - BVerwG 2 C 32.10 - BVerwGE 140,
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351, LS 1 und Rn. 8 f. und vom 28. Mai 2003 - BVerwG 2 C 28.02 - a.a.O.
S. 6 f.). Der Billigkeitsanspruch setzt voraus, dass der Beamte rechtswidrig zu-
viel gearbeitet hat. Er kommt aber nur für rechtswidrige Zuvielarbeit in Betracht,
die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wur-
de (Urteil vom 29. September 2011 a.a.O. LS 3 und Rn. 19 f.). Diese Voraus-
setzungen sind seit dem 1. April 2001 erfüllt.
Der Kläger hat erst im März 2001 einen „Antrag“ in diesem Sinne gestellt. Inso-
weit ist aber zunächst klarzustellen, dass normativ geregelte Ansprüche im Be-
amtenrecht nicht von einer Antragstellung abhängen. Nur wenn es um (natio-
nalrechtliche) Ausgleichsansprüche geht, die nicht im Gesetz geregelt sind - wie
der Anspruch auf Zeitausgleich bei rechtswidriger Zuvielarbeit -, bedarf es einer
Geltendmachung im Sinne einer Rügeobliegenheit oder Hinweispflicht des Be-
amten. An die Rüge sind keine hohen Anforderungen zu stellen (Urteil vom
29. September 2011 a.a.O. Rn. 19). Es genügt, dass der Beamte schriftlich zum
Ausdruck bringt, dass er die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt
hält. Ein Antrag im rechtstechnischen Sinn ist nicht erforderlich. Insbesondere
muss der Beamte nicht bereits Freizeitausgleich, hilfsweise finanziellen Ersatz
beantragen oder gar die Ansprüche richtig benennen.
Diese Rügeobliegenheit dient dazu, eine Prüfung des Dienstherrn mit dem Ziel
herbeizuführen, die Belange des Beamten zu berücksichtigen, und die Dienst-
pläne entsprechend anzupassen (Urteil vom 29. September 2011 a.a.O.
Rn. 20). Zugleich muss sich der Dienstherr darauf einstellen können, dass ab
diesem Zeitpunkt möglicherweise Ausgleichsansprüche auf ihn zukommen. In-
sofern folgt die Rügeobliegenheit aus der allgemein bei Rechtsverletzungen
geltenden Schadensminderungspflicht des Gläubigers. Sie ist zugleich Aus-
druck des Grundsatzes, dass Beamte auf die finanziellen Belastungen des
Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht nehmen müssen
(Urteil vom 29. September 2011 a.a.O. Rn. 19).
Die Verpflichtung des Beamten, dies zu rügen, gilt auch dann für den Aus-
gleichsanspruch, wenn er durch einen Verstoß gegen Unionsrecht ausgelöst
wird. Der nationale Ausgleichsanspruch entsteht nicht erst bei einem hinrei-
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chend qualifizierten, sondern bereits bei einem einfachen Verstoß gegen das
Unionsrecht. Deshalb tritt er zum unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch
hinzu und ergänzt ihn im Vorfeld eines qualifizierten Verstoßes gegen das Uni-
onsrecht. Der Beamte gibt dem Dienstherrn mit der Geltendmachung bereits
vor dem Vorliegen eines qualifizierten Verstoßes Anlass zu prüfen, ob die Vor-
gaben der Richtlinie beachtet sind. Damit dient die Rügeobliegenheit gleichzei-
tig der effektiven Umsetzung des Unionsrechts zum frühest möglichen Zeit-
punkt, denn das Unionsrecht verlangte von vornherein - und nicht etwa erst ab
der erstmaligen Klärung durch den EuGH -, dass Bereitschaftsdienst wie Voll-
dienst bei der 48-Stunden-Woche anzurechnen ist.
3. Beide Ansprüche sind auf zeitlichen Ausgleich in angemessenem Umfang
gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn über mehrere Jahre Zuvielarbeit geleistet
wurde (Urteile vom 29. September 2011 a.a.O. Rn. 9 und vom 28. Mai 2003
a.a.O. S. 6 f.). Als angemessen ist der zeitliche Ausgleich von Zuvielarbeit
grundsätzlich dann anzusehen, wenn er ebenso lang ist wie der zuvor geleiste-
te rechtswidrig geforderte Dienst. Zeiten des Bereitschaftsdienstes sind in vol-
lem Umfang auszugleichen; ein Abzug von monatlich fünf ausgleichslos zu leis-
tenden Stunden ist nicht zulässig (vgl. Urteil vom 29. September 2011 a.a.O.
Rn. 15 - 18).
Eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes oder ein Abzug von fünf
Stunden monatlich wären kein voller Ausgleich für Zuvielarbeit über die wö-
chentliche Höchstarbeitszeit hinaus und würden dem Sinn und Zweck der uni-
onsrechtlichen Arbeitszeitregelung widersprechen, die die wöchentliche
Höchstarbeitszeit zum Schutz der Gesundheit und der Arbeitssicherheit festge-
legt hat. Die Sanktionierung einer unionsrechtswidrigen Praxis würde zudem
das Gebot verletzen, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu sichern, weil
die Überschreitung der normativ festgelegten Höchstarbeitszeit in diesem Um-
fang folgenlos bliebe. Zwar sind Beamte grundsätzlich verpflichtet, in gewissem
Umfang ausgleichslose Mehrarbeit zu leisten (vgl. § 76 Abs. 2 Satz 2 HmbBG
a.F., entspricht § 61 Abs. 3 Satz 2 HmbBG, § 88 BBG). Dies gilt jedoch nur bei
(rechtmäßiger) Mehrarbeit, nicht aber bei rechtswidrig angeordneter Zuviel-
arbeit (in Abkehr von den Urteilen vom 28. Mai 2003 - BVerwG 2 C 35.02 -
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Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 39 S. 9 und - BVerwG 2 C 28.02 - Buchholz 232
§ 72 BBG Nr. 38 S. 5). Unabhängig davon darf die unionsrechtlich verbindliche
Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit grundsätzlich nicht durch Mehr-
arbeitsstunden überschritten werden (Art. 6 Buchst. b RL 2003/88/EG sowie
Art. 6 Nr. 2 RL 93/104/EG); Abweichungen sind nur im Rahmen der unions-
rechtlichen Bestimmungen zulässig (vgl. Art. 17, 18 und 22 RL 2003/88/EG so-
wie Art. 17 und 18 RL 93/104/EG).
4. Die Zuvielarbeit ist pauschal unter Abzug des sechswöchigen Urlaubsan-
spruchs sowie einer weiteren Woche für die Wochenfeiertage zu errechnen.
Darüber hinausgehende Anwesenheitstage sind grundsätzlich nicht zu berück-
sichtigen. Abwesenheitszeiten aufgrund von Krankheit, Sonderurlaub, Abord-
nungen, Fortbildungen, etc. sind nur dann abzuziehen, wenn sie im Jahr einen
erheblichen Umfang erreichen. Dies ist anzunehmen, wenn der Beamte des-
halb mindestens in Höhe des Jahresurlaubs von sechs Wochen ununterbro-
chen keinen Feuerwehrdienst geleistet hat.
Danach sind von 52 Wochen im Jahr sieben Wochen abzuziehen, sodass der
Berechnung der auszugleichenden Zuvielarbeit 45 Wochen mit je zwei Stunden
zugrunde zu legen sind. Damit sind im Jahr bei der Hamburger Feuerwehr 90
Stunden, und im Monat 7,5 Stunden, rechtswidrig zu viel gearbeitet worden.
Abwesenheitszeiten in erheblichem Umfang sind nicht festgestellt, sodass im
gesamten geltend gemachten Zeitraum 600 Stunden Zuvielarbeit angefallen
sind. Ansprüche hat der Kläger aber erst ab dem 1. Januar 2001, sodass bei
ihm 420 Stunden auszugleichen sind.
5. Die so errechneten Zuvielarbeitsstunden sind vorrangig durch Freizeit aus-
zugleichen. Kann aber aus vom Beamten nicht zu vertretenden Gründen ein
Freizeitausgleich nicht in angemessener Zeit gewährt werden, so gebieten so-
wohl der an Treu und Glauben orientierte Interessenausgleich als auch der uni-
onsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die Ansprüche nicht untergehen,
sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln. Dies betrifft zu-
nächst Fälle, in denen Feuerwehrbeamte - wie hier - nicht mehr in einem akti-
ven Beamtenverhältnis zur beklagten Körperschaft stehen. Dies gilt aber auch
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unabhängig davon, wenn - wie hier außerdem - zwingende dienstliche Gründe
der zeitnahen Gewährung von Freizeitausgleich entgegenstehen. Das Mehr-
arbeitsrecht sieht dessen Umwandlung in einen Geldanspruch vor, wenn aus
zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahreszeitraums Frei-
zeitausgleich gewährt werden kann (vgl. § 76 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 HmbBG
a.F. <§ 61 Abs. 3 Satz 2 und 3 HmbBG>, § 3 Abs. 1 Nr. 3 BMVergV). Insofern
kann trotz des grundlegenden Unterschieds zwischen rechtmäßiger Mehrarbeit
und rechtswidriger Zuvielarbeit auf die Vorschriften des Mehrarbeitsrechts zu-
rückgegriffen werden, weil der Zweck des Ausgleichs von Mehrarbeit der glei-
che ist wie derjenige von Zuvielarbeit. In beiden Fällen geht es um einen Aus-
gleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten zum Dienst.
6. Als Anknüpfungspunkt für den danach zu gewährenden Geldausgleich bieten
sich allein die im jeweiligen Zeitpunkt der Zuvielarbeit geltenden Sätze der
Mehrarbeitsvergütung an. Auf die Besoldung kann nicht zurückgegriffen wer-
den, da diese kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste dar-
stellt (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75
u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE
71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>),
sondern vielmehr die Gegenleistung des Dienstherrn dafür ist, dass sich der
Beamte mit voller Hingabe der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr,
vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329
<345>, vom 15. Oktober 1985 a.a.O. S. 59 und vom 20. März 2007 a.a.O.). Sie
ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung
einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.
Bei dem Wertersatz geht es wie beim Freizeitausgleich, an dessen Stelle er tritt,
um einen billigen sowie angemessenen Ausgleich, der zudem dem unionsrecht-
lichen Effektivitätsgrundsatz entsprechen muss. Eine Ermäßigung des Aus-
gleichs durch eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes (vgl. § 5
BMVergV) ist daher auch bei einer Umwandlung in einen Geldausgleich aus
den bereits dargestellten Gründen unzulässig (vgl. zum Ganzen auch Urteil
vom 29. September 2011 a.a.O. Rn. 16 f.). Deshalb darf entgegen der Auffas-
sung des Berufungsgerichts die Mehrarbeitsvergütung auch nicht um ein
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Sechstel reduziert werden. Die regelmäßige Arbeitszeit, auf deren Grundlage
die Mehrarbeitsvergütung gewährt wird, beträgt auch für Feuerwehrbeamte 40
und nicht etwa 48 Stunden (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 HmbBG a.F., § 1 Abs. 1
Satz 1 ArbzVO Hmb a.F.). Zu einer Überschreitung dieser Stundenzahl kommt
es nur aufgrund einer geringeren Gewichtung der Zeiten des Bereitschafts-
dienstes (vgl. § 1 Abs. 2 ArbzVO Hmb a.F.) gegenüber dem Volldienst durch
den Landesverordnungsgeber, die aber bei der Bemessung der Mehrarbeits-
vergütung ohne Bedeutung ist.
7. Nicht nur der nationalrechtliche Ausgleichsanspruch, sondern auch der uni-
onsrechtliche Staatshaftungsanspruch unterliegt den Verjährungsregeln des
nationalen Rechts (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96,
Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 m.w.N. und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00,
Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35 m.w.N.). Fehlen - wie hier - speziel-
le Verjährungsvorschriften des einschlägigen Fachrechts, so sind die Verjäh-
rungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden.
Dabei ist nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch
maßgebenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche
Verjährungsregelung als die sachnächste analog heranzuziehen ist (vgl. Urteile
vom 15. Juni 2006 - BVerwG 2 C 10.05 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 45 Rn. 19
m.w.N., vom 24. Januar 2007 - BVerwG 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 45 =
Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 20 Rn. 45 m.w.N. und vom 11. Dezember 2008
- BVerwG 3 C 37.07 - BVerwGE 132, 324 Rn. 8 = Buchholz 428.2 § 8 VZOG
Nr. 11 Rn. 8 m.w.N.).
Da es sich auch beim unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch nicht um ei-
nen Schadenersatzanspruch im Sinne der zivilrechtlichen Vorschriften (§ 199
Abs. 2 und 3 BGB) handelt, unterliegen beide Ansprüche den allgemeinen Ver-
jährungsregelungen und damit nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisie-
rungsgesetzes am 1. Januar 2002 der regelmäßigen Verjährung von drei Jah-
ren. Vorher entstandene Ansprüche unterlagen der 30-jährigen Verjährungsfrist,
die aber nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB
auf die ab dem 1. Januar 2002 gemäß § 195 BGB geltende und an diesem Ta-
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ge beginnende regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren verkürzt worden
ist.
Bei den monatsweise entstandenen Ausgleichsansprüchen beginnt die regel-
mäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des jeweiligen Jahres (§ 199 Abs. 1
Nr. 1 BGB). Außerdem muss der Gläubiger von der Person des Schuldners und
den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt haben oder diese
ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Dass er aber auch aus dieser Kenntnis die richtigen Rechtsfolgerungen zieht,
wird nicht vorausgesetzt. Selbst wenn man aber mit der zivilrechtlichen Recht-
sprechung bei einer verworrenen Rechtslage die Verjährungsfrist ausnahms-
weise erst mit einer gerichtlichen Klärung der Rechtslage beginnen ließe (vgl.
BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07 - juris Rn. 7 = WM 2008,
1077 f.; Urteile vom 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98 - juris Rn. 19 = LM BGB
§ 852 Nr. 150 <9/1999> und vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07 - NJW-
RR 2009, 547-549 ), führte dies zu keinem anderen Er-
gebnis. Zwar hat der Senat den Billigkeitsausgleich erstmals im Urteil vom
28. Mai 2003 - BVerwG 2 C 28.02 - (Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f.) ge-
währt, jedoch hatte der EuGH bereits 1991 den unionsrechtlichen Staatshaf-
tungsanspruch entwickelt (EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90
und C 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991, I 5357 Rn. 35; vgl. auch Urteil vom
25. November 2010 - Fuß - a.a.O. Rn. 45). Ein hinreichend qualifizierter Ver-
stoß des Beklagten gegen Unionsrecht ist zudem seit dem Urteil des EuGH
vom 3. Oktober 2000 - Rs. C-303/98, Simap - (Slg. 2000, I-7997) anzunehmen,
sodass spätestens seitdem hinreichende Anhaltspunkte dafür bestanden, dass
ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch wegen der Zuvielarbeit erfolgver-
sprechend sein könnte.
Der Lauf der Verjährungsfrist wird durch Klageerhebung oder durch den nach
§ 126 Abs. 3 BRRG im Beamtenrecht vorgeschalteten Widerspruch gemäß
§ 210 BGB a.F. unterbrochen sowie seit dem 1. Januar 2002 gemäß § 204
Abs. 1 Nr. 12 BGB gehemmt (vgl. Urteil vom 9. März 1979 - BVerwG
6 C 11.78 - juris Rn. 12, 13; Beschluss vom 14. April 2011 - BVerwG
2 B 27.10 - juris Rn. 18). Danach wurde die Verjährung der Ansprüche des Klä-
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gers bereits durch seinen Widerspruch vom März 2001 unterbrochen. Nach der
Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB gilt diese Unterbrechung
mit Ablauf des 31. Dezember 2001 als beendet und zugleich der Lauf der neu-
en Verjährungsfrist mit dem Beginn des 1. Januar 2002 als gehemmt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1, Absatz 2 VwGO.
Dr. Heitz
Dr. von der Weiden
Thomsen
Dr. Hartung
Dr. Kenntner
Beschluss vom 7. September 2012
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisions-
verfahren auf die Wertstufe bis 16 000 € festgesetzt
(§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG).
Dr. Heitz
Thomsen
Dr. Hartung
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