Urteil des BVerwG vom 23.06.2005

Verkürzung der Arbeitszeit, Lehrer, Besoldung, Ratio Legis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 22.04
Verkündet
OVG 2 A 59/02
am 23. Juni 2005
Schütz
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 -
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , G r o e p p e r ,
Dr. B a y e r und Dr. H e i t z
für Recht erkannt:
Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt
Bremen vom 26. November 2003 und des Verwaltungsgerichts
der Freien Hansestadt Bremen vom 9. November 2000, dieses,
soweit die Beklagte darin kostenpflichtig zu einer Zahlung an
die Klägerin verurteilt worden ist, werden aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, soweit über die
Kosten noch nicht unanfechtbar entschieden worden ist.
G r ü n d e :
I.
Die im Jahre 1941 geborene Klägerin steht als Lehrerin im Dienste der Beklagten.
Sie war im Schuljahr 2000/2001 mit 20 Unterrichts-Wochenstunden teilzeitbeschäf-
tigt. Die gesetzliche wöchentliche Unterrichtsverpflichtung einer vergleichbaren voll-
zeitbeschäftigten Lehrkraft betrug zu dieser Zeit 27 Unterrichtsstunden pro Woche.
Die Beklagte gewährte der Klägerin im Schuljahr 2000/2001 eine Ermäßigung ihrer
Unterrichtsverpflichtung aus Altersgründen im Umfang einer Wochenstunde. Eine
derartige Unterrichtsermäßigung erhielten damals über 58 Jahre alte teilzeitbeschäf-
tigte Lehrkräfte mit einer Unterrichtsverpflichtung von mindestens der halben Regel-
stundenpflichtzahl - ohne Differenzierung nach dem Umfang ihrer jeweiligen Teilzeit.
Vollbeschäftigte Lehrkräfte, die 58 Jahre und älter waren, erhielten eine Ermäßigung
von zwei Unterrichtsstunden pro Woche.
1
2
- 3 -
Die Klägerin ist der Meinung, die faktische Verringerung des Pflichtstundendeputats
der älteren Lehrkräfte habe das Verhältnis verändert, in dem ihre Arbeitszeit zu der-
jenigen eines Vollzeitbeschäftigten stehe und nach dem sich gemäß § 6 BBesG ihre
Besoldung errechne. Ihr stehe deshalb Besoldung nicht in Höhe von 20/27, sondern
von 19/25 der Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 12 BremBesG zu.
Ihre hierauf gerichtete Klage hatte in beiden Rechtszügen Erfolg. Das Oberverwal-
tungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Die Arbeitszeit bei Gewährung von
Teilzeitbeschäftigung einerseits und die Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung ande-
rerseits, die nach § 6 BBesG zwecks Errechnung der Besoldung des Teilzeitbeschäf-
tigten ins Verhältnis zueinander gesetzt werden müssten, seien bei Lehrern nur die
jeweiligen Pflicht-Unterrichtsstunden. Deren Anzahl werde auch durch die Ermäßi-
gungsstunden nach § 2 der Verordnung über die Ermäßigung der Unterrichtsver-
pflichtung und die Anrechnung bestimmter Aufgaben auf die Unterrichtsverpflichtung
bestimmt. Der Begriff "Arbeitszeit" in § 6 BBesG sei individuell-normativ zu verste-
hen. Auch weil die Ermäßigungsstunden jedenfalls faktisch wie eine Arbeitszeitrege-
lung wirkten, könnten sie bei der Bemessung der Besoldung nicht außer Betracht
bleiben.
Unabhängig davon werde dem Gebot, Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte nach dem-
selben Maßstab zu behandeln, nur genügt, wenn die Unterrichtsermäßigung nach
dem individuell gewählten Teilstundenmaß, exakt anteilsberechnet, gewährt werde.
Deshalb laute die Verhältniszahl für die Klägerin an sich 18,52/25 und nicht 19/25.
Da aber der Umfang der Ermäßigung nicht mehr im Streit stehe, sei die tatsächlich
gewährte Quote 19/25 als für die Besoldung maßgeblich anzusehen.
Die normativ-individuelle Auslegung des Begriffs der Arbeitszeit im Sinne von § 6
BBesG sei auch wegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG (Verbot mittelbarer Diskriminierung
von Frauen) und wegen Art. 141 EG-Vertrag (Verbot mittelbarer Lohndiskriminierung
von Frauen) geboten. Die Quote der Frauen unter den beamteten teilzeitbeschäftig-
ten Lehrkräften belaufe sich auf etwa 87 %. Für die bei einem anderen Verständnis
des § 6 BBesG unvermeidbare Benachteiligung von Frauen ließen sich keine Recht-
fertigungsgründe finden.
3
4
5
6
- 4 -
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Senat zugelassene Revision eingelegt.
Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und stellt den Antrag,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen
vom 26. November 2003 und des Verwaltungsgerichts der Freien Hanse-
stadt Bremen vom 9. November 2000, dieses, soweit die Beklagte darin
kostenpflichtig zu einer Zahlung an die Klägerin verurteilt worden ist, auf-
zuheben, und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie sieht in der Reduzierung der Pflichtstundenzahl durch Gewährung der Alterser-
mäßigung eine Verkürzung der Arbeitszeit.
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Be-
soldung in Höhe von 19/25 der Dienstbezüge eines nach Besoldungsgruppe A 12
des Bremischen Besoldungsgesetzes besoldeten Vollzeitbeschäftigten. Die Beklagte
hat die Höhe der Dienstbezüge der Klägerin mit 20/27 zutreffend festgesetzt.
Nach § 6 des Bundesbesoldungsgesetzes, dessen für die Zeit vom 1. August 2000
bis zum 31. Juli 2001 maßgebende Fassung mit der gegenwärtig geltenden überein-
stimmt, werden bei Teilzeitbeschäftigung die Dienstbezüge im gleichen Verhältnis
wie die Arbeitszeit gekürzt. Damit bestimmt das Maß, um das die Arbeitszeit eines
Teilzeitbeschäftigten infolge Kürzung geringer ist als die eines Vollzeitbeschäftigten,
den Umfang, in dem die Dienstbezüge des Teilzeitbeschäftigten hinter denen eines
vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten zurückbleiben.
Arbeitszeit im Sinne des § 6 BBesG ist die durchschnittliche Arbeitszeit, die der Be-
amte während der Gesamtdauer der ihm gewährten Teilzeitbeschäftigung zu leisten
hat (Urteil vom 28. November 2002 - BVerwG 2 CN 1.01 - BVerwGE 117, 219
<225>). Sie ergibt sich aus der konstitutiven individuellen Festsetzung und ist nicht
identisch mit der Zeit, in der der Beamte tatsächlich Dienst verrichtet hat. Damit ist
7
8
9
10
11
12
13
14
- 5 -
nach § 6 Abs. 1 BBesG die normativ - in Zeiteinheiten - festgelegte allgemeine
(Voll-)Arbeitszeit in Relation zu setzen zu der individuell festgesetzten Arbeitszeit.
Die Arbeitszeit der im Beamtenverhältnis stehenden Lehrer des Landes Bremen wird
durch das Gesetz zur Regelung der Arbeitszeitaufteilung für Lehrer und Lehrerinnen
an öffentlichen Schulen (Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetz - BremLAAufG) vom
17. Juni 1997 (BremGBl S. 218) nicht abschließend bestimmt. Festgelegt ist - neben
den Arbeitstagen und den so genannten Präsenzzeiten - die Zahl der pro Woche zu
erteilenden Unterrichtsstunden (Unterrichtsverpflichtung). Die Unterrichtsverpflich-
tung ist der Teil der Lehrerarbeitszeit, der einer zeitlichen Festlegung überhaupt zu-
gänglich ist. Denn nur diese Zeit ist exakt messbar; die sonstige Arbeitszeit eines
Lehrers, die aus Unterrichtsvorbereitung, Korrektur von Klassenarbeiten, Gesprä-
chen mit Eltern und Teilnahme an Konferenzen usw. besteht, lässt sich schon wegen
der unterschiedlichen Faktoren, die sich auf das Arbeitstempo des einzelnen Lehrers
auswirken, nur grob pauschalierend schätzen (Urteil vom 23. September 2004
- BVerwG 2 C 61.03 - Buchholz 240 § 6 BBesG Nr. 23). Arbeitszeit im Sinne des § 6
Abs. 1 BBesG als Gegenstand der Kürzung ist bei Lehrern deshalb die für die Lehrer
der einzelnen Schultypen und Schulstufen allgemein geltende Pflichtstundenzahl. Für
eine Lehrerin in der Sekundarstufe I beträgt die Unterrichtsverpflichtung
27 Wochenstunden. Insoweit aber ist die Regelung eine abschließende.
"Kürzung" der Arbeitszeit im Sinne des § 6 Abs. 1 BBesG ist die bei Lehrern mit der
Bewilligung der Teilzeitbeschäftigung einhergehende Verminderung der Zahl der
Pflichtunterrichtsstunden, nicht jedoch die Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung
im Sinne von § 16 Nr. 2 BremLAAufG. Dies ergibt eine Auslegung der beiden Geset-
zesvorschriften nach Wortlaut, Systematik und ratio legis.
Bereits die Verwendung des Begriffs "Ermäßigung" statt "Kürzung" in § 16 Nr. 2
BremLAAufG und in der "Verordnung über die Ermäßigung der Unterrichtsverpflich-
tung und die Anrechnung bestimmter Aufgaben auf die Unterrichtsverpflichtung"
(künftig: Unterrichtsverpflichtungs-Ermäßigungsverordnung - UVpflErmäV) weist da-
rauf hin, dass der bremische Gesetz- und Verordnungsgeber mit der Ermäßigung der
Unterrichtsverpflichtung nicht eine Verkürzung der Arbeitszeit, sondern eine andere
Art der Entlastung von dienstlichen Pflichten beabsichtigt hat.
15
16
17
- 6 -
Im System der Regelung nach der genannten Verordnung ist die Ermäßigung der
Unterrichtsverpflichtung aus Altersgründen - ebenso wie die Ermäßigung der Unter-
richtsverpflichtung für Schwerbehinderte nach § 2 a UVpflErmäV - der Gutschrift von
Anrechnungsstunden gleichgestellt. In § 16 Nr. 2 BremLAAufG, der formell-gesetz-
lichen Verordnungsermächtigung, ist die Anrechnung von Zeiten der Wahrnehmung
besonderer schulischer Aufgaben als ein Unterfall der Ermäßigung der Unterrichts-
verpflichtung dargestellt. Dementsprechend hat der Verordnungsgeber die Stunden-
anrechnung und die Stundenermäßigung aus Altersgründen in derselben Vorschrift
geregelt. Dies zeigt, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber jedenfalls bei der
Rechtsnatur und Wirkungsweise eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der
Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung und der Anrechnung von Zeiten der Wahr-
nehmung besonderer schulischer Aufgaben auf die Unterrichtsverpflichtung gesehen
hat. Deshalb lassen sich aus der detaillierten verordnungsrechtlichen Regelung der
Anrechnung auch Schlüsse auf den Rechtscharakter und die Wirkung der Unter-
richtsermäßigung aus Altersgründen ziehen.
Die Anrechnung von Zeiten, in denen besondere schulische Aufgaben wahrgenom-
men werden, auf die Unterrichtsverpflichtung ist eindeutig nicht als Kürzung der Ar-
beitszeit ausgestaltet. Die Anrechnungsstunden werden den Schulen "en bloc" zu-
gewiesen und auf die zu entlastenden Lehrkräfte entweder nach einem vom Verord-
nungsgeber festgelegten Schlüssel, gemäß einer Umschichtungsentscheidung der
Funktionsträger oder gemäß der Mehrheitsentscheidung der Gesamtkonferenz ver-
teilt (vgl. § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 und 2, § 4 Satz 3, § 6 Abs. 2 sowie 7 Abs. 9
UVpflErmäV). Diese Organe der Schule haben nicht die Kompetenz, das im Be-
scheid über die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung nach § 71 a BremBG festge-
setzte Maß der Teilzeitbeschäftigung - mit Folgen für die Besoldung des Teilzeitbe-
schäftigten - zu verändern. Sie sind lediglich berechtigt, eine gesteigerte Inanspruch-
nahme des Lehrers durch seine sonstigen Aufgaben mittels einer Entlastung bei der
Unterrichtsverteilung auszugleichen.
Durch die Beschränkung der Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen auf Lehrer,
die ausschließlich mit Unterrichtstätigkeit beschäftigt sind (vgl. § 2 Abs. 1 letzter
Halbsatz und Abs. 2 letzter Halbsatz UVpflErmäV), kann es dazu kommen, dass über
18
19
20
- 7 -
58 Jahre alte Lehrer Unterricht in unterschiedlichem Umfang erteilen. Diese
unterschiedliche Ausgestaltung der Dienstleistungspflicht ist gleichfalls nur als Unter-
schied in der Intensität der dienstlichen Inanspruchnahme, nicht als Verschiedenbe-
handlung in Bezug auf die Arbeitszeit zulässig.
Anrechnungsstunden werden nach § 1 Abs. 2 UVpflErmäV gewährt zugunsten der
Schulleiter, ihrer Stellvertreter und der Abteilungsleiter für die Wahrnehmung der ih-
nen obliegenden Leitungs- und Verwaltungsaufgaben sowie nach §§ 6 und 7
UVpflErmäV zugunsten sonstiger Lehrkräfte für besondere sonstige Aufgaben und
für Erschwernisse, die in den organisatorischen, baulichen usw. Gegebenheiten der
Schule begründet sind. Die Zahl der im Einzelfall gewährten Anrechnungsstunden
richtet sich gemäß § 3 Abs. 1 UVpflErmäV nach der Zahl der Klassenverbände und
Kurse, die an der Schule eingerichtet sind, gemäß § 7 Abs. 2 bis 6 UVpflErmäV nach
der Zahl der Dependancen, die zu einer Schule gehören, der Zahl der im Schulge-
bäude beherbergten Klassen einer anderen Schule, dem Anteil ausländischer Schü-
ler sowie bei Berufsschulen nach der Zahl der Berufsfelder, Bildungsgänge und der
zu organisierenden Fachpraxis.
Danach ist es Sinn und Zweck der Vorschriften über die Gutschrift von Anrech-
nungsstunden und die Gewährung von Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen,
denjenigen Lehrern einen Ausgleich zu verschaffen, die durch die Erfüllung der Auf-
gaben ihres Dienstpostens besonders belastet sind. Bei den Anrechnungsstunden
zeigt sich diese Funktion darin, dass die Vergünstigung gewährt wird, wenn der Leh-
rer zusätzliche, d. h. neben Unterrichtsvor- und -nachbereitung, Korrekturen usw.
anfallende Aufgaben wahrnimmt, die ebenfalls während des nicht durch die Erteilung
von Unterricht beanspruchten Teils der Lehrerarbeitszeit erledigt werden müssen.
Die zusätzliche Belastung in diesem Bereich wird dann durch die Gutschrift einer
Anrechnungsstunde auf die Unterrichtsverpflichtung ausgeglichen. Dadurch wird
nicht die Arbeitszeit der Lehrer verkürzt, sondern im Wege der Anrechnung fingiert,
dass der Lehrer durch seinen intensiven Einsatz bei der Erfüllung der besonderen
schulischen Aufgaben ein an sich auf die Unterrichtszeit entfallendes Arbeitszeitkon-
tingent erfüllt hat.
21
22
- 8 -
Dass der Ausgleich einer besonderen, durch die Dienstverrichtung bedingten Belas-
tung auch Zweck der Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung aus Altersgründen ist,
zeigen die gleichlautenden letzten Halbsätze in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 UVpflErmäV.
Die dort getroffene Anordnung, Unterrichtsermäßigungen nur den älteren Lehrern zu
gewähren, die a u s s c h l i e ß l i c h für Unterrichtstätigkeit eingesetzt sind, hat
ihren Grund darin, dass bei diesen Lehrern der durch die Erteilung von Unterricht in
Anspruch genommene Anteil ihrer Gesamtarbeitszeit den größtmöglichen Umfang
hat. Denn diese Lehrer sind nicht mit Aufgaben nach § 3 bis 7 UVpflErmäV betraut
und ihnen werden deshalb auch keine Anrechnungsstunden gutgebracht. Die Ertei-
lung von Unterricht ist aber - auch nach der Einschätzung des Gesetz- und des Ver-
ordnungsgebers - diejenige Aufgabe aus dem Aufgabenkreis der Lehrer, deren Erfül-
lung gerade die älteren Lehrer körperlich und geistig am intensivsten beansprucht
und belastet. Weil diese psychischen und physischen Auswirkungen der Unterrichts-
erteilung von älteren Lehrern stärker als von jüngeren empfunden werden und weil
ältere Lehrer auch für die dienstlichen Verrichtungen außerhalb der Unterrichtsertei-
lung infolge altersbedingter Einschränkungen bei typisierender Betrachtung mögli-
cherweise mehr Zeit und Aufwand benötigen, hat der Verordnungsgeber ihnen einen
Teil der vorgeschriebenen Unterrichtsstunden erlassen. Gekürzt ist damit das Pen-
sum an Unterricht, das die älteren Lehrer während der auch für sie geltenden allge-
meinen Wochenarbeitszeit zu leisten haben, nicht aber die Arbeitszeit selbst. Werden
sie nämlich nicht ausschließlich für Unterrichtstätigkeit eingesetzt, findet eine Ermäßi-
gung nicht statt.
Dieses Ergebnis wird schließlich mit Blick auf das Verhältnis zwischen Gesetz und
Verordnung bestätigt. Würde die Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen und we-
gen Wahrnehmung besonderer schulischer Aufgaben im Sinne des § 16 Nr. 2
BremLAAufG und § 1 UVpflErmäV als Kürzung der Arbeitszeit mittels Reduzierung
der gesetzlichen Pflichtstunden verstanden, enthielte § 16 Nr. 2 BremLAAufG die
Ermächtigung, die zuvor in §§ 2 ff. dieses Gesetzes explizit getroffene Festlegung
der Pflichtstundenzahl durch untergesetzliche Regelung wieder abzuändern. Das
Prinzip des Vorrangs des formellen Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) lässt gesetzesver-
ändernde und gesetzesvertretende Rechtsverordnungen jedoch nur zu, wenn die
gesetzesverdrängende Wirkung auf einem ausdrücklich zugunsten der Rechtsver-
ordnung reduzierten - subsidiären - Geltungsanspruch des Gesetzes beruht, die
23
24
- 9 -
Rechtsverordnung also nur eine ihr aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung einge-
räumte Möglichkeit zur Gesetzesausführung nutzt und wenn dafür sachliche Gründe
bestehen (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1997 - 2 BvR 509/96, 2 BvR 511/96 - NJW
1998, 669 m.w.N.). Eine derartige ausdrückliche Zurücknahme des Geltungsan-
spruchs des Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetzes in Bezug auf die Bestimmung der
Zahl der Pflichtunterrichtsstunden findet sich in § 16 Abs. 2 BremLAAufG nicht.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf eine höhere Besoldung als 20/27 der Dienstbe-
züge eines vollbeschäftigten Lehrers nicht aufgrund des speziellen Gleichheitssatzes
in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und des Gebots der Lohngleichheit des Art. 141 EG-
Vertrag zu.
Nach Art. 141 EG-Vertrag stellt jeder Mitgliedsstaat die Anwendung des Grundsatzes
des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit
sicher, wobei nach Absatz 2 Satz 2 Buchst. b der Bestimmung Gleichheit des Ar-
beitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet, dass für eine
nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist. Art. 141
EG-Vertrag ist nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch
auf öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse anwendbar (vgl. Urteil vom 2. Oktober
1997 - Rechtssache C-1/95 -, Slg. 1997 I S. 5274 Rn. 19). Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG
verbietet u.a. Benachteiligungen wegen des Geschlechts. Das Geschlecht darf
grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung
herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine sol-
che Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern andere Ziele verfolgt. Eine Anknüp-
fung an das Geschlecht kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-
hofs zu Art. 141 EG-Vertrag und des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 3
Satz 1 GG vorliegen, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung überwie-
gend Frauen trifft und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwi-
schen den Geschlechtern zurückzuführen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 6. April 2000
- Rechtssache C-226/98 - Slg. 2000 I S. 2447 m.w.N.; BVerfGE 97, 35, <43>
m.w.N.). Von den besoldungsrechtlichen Folgen, dass die Ermäßigung der Unter-
richtsverpflichtung der älteren Lehrer bei den teilzeitbeschäftigten Lehrkräften nicht
wie bei den Vollzeitbeschäftigten zu einer höheren Vergütung pro tatsächlich gehal-
tener Unterrichtsstunde führt, werden mehr Frauen als Männer betroffen. Denn wie
25
26
- 10 -
das Berufungsgericht festgestellt hat, sind in Bremen 87 % der teilzeitbeschäftigten
Lehrkräfte im Beamtenverhältnis weiblichen Geschlechts.
Der spezielle Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und das Gebot der Lohn-
gleichheit nach Art. 141 EG-Vertrag sind gleichwohl nicht verletzt. Denn durch die
Gewährung der altersbedingten Unterrichtsermäßigung wird nicht die Arbeitszeit ver-
kürzt und folglich auch der Vergütungssatz pro Arbeitsstunde nicht reduziert. Eine
andere Frage ist, ob der Umfang der Ermäßigung im Sinne einer Arbeitserleichterung
den genannten Anforderungen genügt. Sie berührt den Besoldungsanspruch nicht
unmittelbar.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf die höhere Besoldung allerdings auch nicht etwa
wegen einer über das geforderte Maß hinausgehenden Dienstleistung zu. Das Beru-
fungsgericht hat zwar im Einzelnen zutreffend dargelegt, dass die Altersermäßigung
der älteren teilzeitbeschäftigten Lehrer nicht pauschalierend mit einer Stunde, son-
dern konkret nach dem individuell festgesetzten Teilstundenmaß hätte gewährt wer-
den müssen. Danach hätte die Klägerin in den Genuss von 1,48 Ermäßigungsstun-
den pro Woche gelangen müssen. Sie hat also pro Woche etwa eine halbe Unter-
richtsstunde mehr erteilt, als sie hätte erteilen müssen. Eine finanzielle Abgeltung
dieses zusätzlichen Dienstes kann sie dennoch nicht beanspruchen. Der im Umfang
der vorenthaltenen Altersermäßigung erteilte Unterricht war keine Mehrarbeit im Sin-
ne des § 71 Abs. 4 BremBG. Es fehlt an der erforderlichen und auch nicht nachhol-
baren Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit durch den Dienstherrn (vgl.
dazu im Einzelnen Urteil vom 28. Mai 2003 - BVerwG 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72
BBG Nr. 38).
Ein Schadensersatzanspruch besteht ebenfalls nicht, da die Klägerin keinen Scha-
den erlitten hat. Zusätzlicher Dienst eines Beamten ist kein Schaden im Sinne des
allgemeinen Schadensersatzrechts (Urteil vom 28. Mai 2003 - BVerwG 2 C 28.02 -
a.a.O.).
27
28
29
- 11 -
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Albers Prof. Dawin Richter am Bundesver-
waltungsgericht Groepper
ist wegen Urlaubs gehin-
dert zu unterschreiben.
Albers
Dr. Bayer Dr. Heitz
B e s c h l u s s
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 1 780 € festgesetzt (§ 13 Abs. 1
Satz 1 GKG a.F. i.V.m. § 71 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG; Zweijahresbetrag der Diffe-
renz zwischen der gezahlten und der erstrebten Besoldung).
Albers Dr. Dawin Dr. Bayer
30