Urteil des BVerwG vom 29.04.2004

Teilzeitbeschäftigung, Begriff, Steuerverwaltung, Anwendungsbereich

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet
am 29. April 2004
Schütz
BVerwG 2 C 22.03
Justizhauptsekretärin
OVG 3 LB 107/02
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , Dr. K u g e l e , G
r o e p p e r und Dr. B a y e r
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-
Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2003 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Die 1947 geborene Klägerin beantragte am 15. Juni 2001 die Bewilligung von Al-
tersteilzeit im Umfang von 50 v.H. seit dem 1. Februar 2004 nach dem sog. Block-
modell. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Landesregie-
rung habe am 5./6. Juni 2001 beschlossen, die Gewährung von Altersteilzeit mit so-
fortiger Wirkung auszusetzen. Hiervon seien nach einem präzisierenden Kabinetts-
beschluss vom 16. Juli 2001 lediglich Schwerbeschädigte ausgenommen; außerdem
könnten die obersten Dienstbehörden in Teilbereichen weiterhin Altersteilzeit unter
Wegfall der Planstelle gewähren. Von dieser Möglichkeit habe die Beklagte keinen
Gebrauch gemacht, weil alle durch Altersteilzeit freiwerdenden Planstellen als künftig
wegfallend zu kennzeichnen seien. Bereits die jetzige Stellenausstattung sei so
knapp bemessen, dass die Aufgaben nur unter großen Schwierigkeiten wahrge-
nommen werden könnten. Die Situation werde sich infolge zusätzlicher Aufgaben
noch weiter verschärfen. Weiterhin sei die Doppelbesetzung der Planstellen während
der Freistellungsphase mit einem erheblichen, nicht mehr kompensierbaren finan-
ziellen Mehraufwand verbunden. Vor diesem Hintergrund sei die Aussetzung der Al-
tersteilzeit unausweichlich; die geschilderten dienstlichen Belange stünden ihrer
Bewilligung entgegen.
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Mit ihrer Klage ist die Klägerin in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Beru-
fungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Gewährung von Altersteilzeit noch ei-
nen Anspruch auf Neubescheidung. Zwar bestünden erhebliche Bedenken an der
Verfassungsmäßigkeit der landesrechtlichen Regelung bzw. an ihrer Vereinbarkeit
mit Bundesrecht (§ 44 a BRRG), weil § 88 a Abs. 3 Satz 4, 1. Alternative LBG, nach
der die oberste Dienstbehörde Verwaltungsbereiche und Beamtengruppen von der
Altersteilzeit ausnehmen oder eine höhere Altersgrenze festlegen könne, die An-
wendung der Bestimmungen über die Altersteilzeit voraussetzungslos dem nicht ge-
setzlich gebundenen Ermessen der Exekutive überlasse. Die Altersteilzeit weiche
von den hergebrachten Grundsätzen der vollen Dienstleistungspflicht und der vollen
Alimentation ab, lasse sich der Sache nach auch als Regelung eines vorgezogenen
Ruhestandes begreifen und bedürfe einer Regelung der wesentlichen Fragen durch
den Gesetzgeber selbst. Eine gesetzliche Ermächtigung der Exekutive, den Anwen-
dungsbereich der Gesetzesnorm weitgehend selbst zu bestimmen, sei verfassungs-
rechtlich unzulässig. Auch nach der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung
könne die Exekutive von delegierter Rechtsetzungsgewalt nur in Form der Rechts-
verordnung Gebrauch machen.
Auf die Frage der Verfassungswidrigkeit bzw. der Unvereinbarkeit komme es jedoch
nicht an. Sei die Norm nichtig, so scheide sie als Anspruchsgrundlage für die Ge-
währung der Altersteilzeit aus. Sei sie gültig, so stehe der Klägerin ein aus ihr abzu-
leitender Anspruch auf Gewährung von Altersteilzeit ebenfalls nicht zu. Nach der
Vorschrift könne Altersteilzeit nur gewährt werden, wenn dringende dienstliche Be-
lange nicht entgegenstünden. Im Falle der Klägerin sei diese Voraussetzung nicht
erfüllt. Der von der Beklagten beurteilungsfehlerfrei für notwendig gehaltenen Neu-
besetzung gegebenenfalls freiwerdender Stellen stehe das Fehlen entsprechender
finanzieller Mittel im Landeshaushalt entgegen. Die Notwendigkeit der Neubesetzung
im Bereich der Steuerverwaltung ergebe sich aus dem von der Beklagten vorgeleg-
ten Bericht des Präsidenten des Landesrechnungshofs Schleswig-Holstein an die
Vorsitzende des Finanzausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom
15. November 2001. Daraus folge, dass die Oberfinanzdirektion auf den 1. Januar
2000 für den Bereich der Steuerverwaltung einen Personalmehrbedarf von 545 Stel-
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len errechnet habe. Das Personal in der Steuerverwaltung sei schon jetzt an der
Grenze seiner Belastbarkeit angelangt. Ohne Abbau des Personalfehlbedarfs sei es
künftig nicht sicherzustellen, dass die Steuern nach Maßgabe des Gesetzes gleich-
mäßig, vollständig und zeitnah erhoben würden. Die im Nachtragshaushalt vorgese-
hene Netto-Kreditaufnahme sei verfassungsmäßig nur durch die vom Landtag fest-
gestellte ernsthafte und nachhaltige Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichge-
wichts gerechtfertigt. Die Nichtgewährung von Altersteilzeit sei ein Mittel, die weitere
Reduzierung des Personalbestandes zu vermeiden. Sie trage außerdem der Prog-
nose Rechnung, dass auch im Zeitpunkt der Freistellungsphase der Klägerin noch
ein erheblicher Personalbedarf bestehen werde, während die finanzpolitische Situa-
tion des Landes keine so grundlegende Verbesserung erwarten lasse, dass die für
die Neubesetzung erforderlichen Mittel zur Verfügung stünden.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Mai
2003 und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 15. Juli 2002
sowie die Bescheide der Beklagten vom 14. September 2001 und 14. März
2002 aufzuheben und der Klägerin Altersteilzeit ab 1. Februar 2004 zu bewilli-
gen.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt deren Zurückweisung.
II.
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der
beantragten Altersteilzeit.
Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Altersteilzeit ist § 88 a Abs. 3 Satz 1 des
Landesbeamtengesetzes - LBG - in der zum Zeitpunkt des Beginns der Altersteilzeit
maßgeblichen Fassung vom 19. November 2001 (GVOBl Schl.-H. S. 184). Danach
kann Beamten mit Dienstbezügen auf Antrag, der sich auf den Zeitraum bis zum Be-
ginn des Ruhestandes erstrecken muss, Teilzeitbeschäftigung mit der Hälfte der re-
gelmäßigen Arbeitszeit bewilligt werden, wenn der Beamte das 55. Lebensjahr voll-
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endet hat, er in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Teilzeitbeschäftigung insge-
samt mindestens drei Jahre vollzeitbeschäftigt war, die Teilzeitbeschäftigung vor dem
1. August 2004 beginnt und dringende dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Die
ermäßigte Arbeitszeit kann auch nach § 88 Abs. 5 Satz 1 LBG im so genannten
Blockmodell abgeleistet werden; der Bewilligungszeitraum darf dabei zehn Jahre
nicht überschreiten (§ 88 a Abs. 3 Satz 3 LBG). Nach § 88 a Abs. 3 Satz 4 LBG kann
die oberste Dienstbehörde Verwaltungsbereiche und Beamtengruppen von der
Altersteilzeit ausnehmen, abweichend von Satz 1 Nr. 1 eine höhere Altersgrenze
festlegen und bestimmen, dass die ermäßigte Arbeitszeit nur im Blockmodell
abgeleistet werden darf. Diese Entscheidung unterliegt der personalvertretungsrecht-
lichen Mitbestimmung (§ 88 a Abs. 3 Satz 5 LBG).
Der Begriff des dienstlichen Belangs umschreibt ebenso wie der des "dienstlichen
Bedürfnisses" eine gesetzliche Voraussetzung für die Ermessensentscheidung (vgl.
Urteil vom 28. April 1966 - BVerwG 2 C 68.63 - Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 6). Über
sie entscheidet der Dienstherr ohne Beurteilungsspielraum. Seine Entscheidung ist
vom Gericht vollen Umfangs nachzuprüfen. Allerdings hat es dabei zu respektieren,
dass dienstliche Belange vom Dienstherrn in Ausübung des ihm zustehenden Orga-
nisationsrechts maßgebend geprägt werden durch verwaltungspolitische Entschei-
dungen, die nur beschränkter gerichtlicher Überprüfung unterliegen (Urteil vom
25. Januar 1967 - BVerwG 6 C 58.65 - Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 8, S. 38). Es ist in
erster Linie Sache des Dienstherrn, zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele
die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Priorität zu bestimmen und ihre
Erfüllung durch Bereitstellung personeller und sachlicher Mittel zu sichern.
Der in verschiedenen Gesetzen verwendete unbestimmte Rechtsbegriff der "öffentli-
chen Belange" (der "öffentlichen Interessen", "Interessen der Allgemeinheit" und dgl.)
hat keinen allgemeingültigen Inhalt. Er erfüllt in den einzelnen Gesetzen nach der
ihnen jeweils zugrunde liegenden Interessenlage eine unterschiedliche Funktion.
Sein materieller Sinngehalt und seine besondere Bedeutung ergeben sich erst aus
der Zweckbestimmung und Zielsetzung der jeweiligen gesetzlichen Regelung sowie
aus dem systematischen Zusammenhang, in den der Begriff hineingestellt ist (vgl.
Urteil vom 9. Februar 1972 - BVerwG 6 C 20.69 - BVerwGE 39, 291 <296>).
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Inhaltlich ist unter "dienstlichen Belangen" i.S. des § 88 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LBG
das engere öffentliche, d.h. dienstliche Interesse an sachgemäßer und reibungsloser
Aufgabenerfüllung der Verwaltung zu verstehen (Plog/Wiedow/Lemhöfer, § 72 a BBG
Rn. 8). "Dringende" dienstliche Belange sind solche aus dem Dienstbetrieb resultie-
renden Bedürfnisse, deren Bedeutung über das Normalmaß hinausgeht, die also mit
erhöhter Prioritätsstufe ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen erfordern, um ei-
nen effektiven dienstlichen Betrieb zu gewährleisten. Sie liegen damit zwar noch
unterhalb der Schwelle der "zwingenden" dienstlichen Belange (vgl. § 88 a Abs. 2
Satz 2 LBG), sind ihnen aber bereits angenähert (vgl. Senatsurteil vom
28. November 2002 - BVerwG 2 CN 1.01 - BVerwGE 117, 219 <222 f.> zum Begriff
des "dringenden öffentlichen Interesses").
Mit dem Erfordernis, dass dringende dienstliche Belange nicht entgegenstehen dür-
fen, trägt § 88 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LBG einerseits dem Bedürfnis des Dienstherrn
Rechnung, im Bedarfsfall auf die volle Arbeitsleistung des Beamten zurückzugreifen.
Andererseits berücksichtigt der Umstand, dass nicht jeder dienstliche Belang, son-
dern nur dringende dienstliche Belange der Gewährung der Altersteilzeit entgegen-
stehen, das berechtigte Interesse des Beamten, die Endphase seiner dienstlichen
Laufbahn, die sich nach § 88 a Abs. 3 Satz 3 LBG auf bis zu zehn Jahre erstrecken
kann, mit einer gewissen Verlässlichkeit zu planen.
Keine dringenden dienstlichen Belange sind solche Auswirkungen der Maßnahme,
die regelmäßig und generell mit ihr verbunden sind, beispielsweise die Tatsache,
dass der ausscheidende Beamte nicht mehr zur Verfügung steht, dass gegebenen-
falls eine Ersatzkraft eingestellt werden muss und dass damit die Beihilfe-, Besol-
dungs- und Pensionslasten des Dienstherrn einzelfallbezogen ansteigen. Ebenso
wenig kommen mit der Gewährung der Altersteilzeit verbundene Erschwernisse wie
zum Beispiel die Notwendigkeit einer gewissen Umorganisation als entgegenstehen-
de dringende Belange in Betracht.
Das kumulierte fiskalische Interesse daran, die Kosten für das im öffentlichen Dienst
beschäftigte Personal niedrig zu halten, kann jedoch einen dringenden dienstlichen
Belang darstellen, der die Möglichkeiten der Gewährung der Altersteilzeit ein-
schränkt. Insbesondere ist es möglich, dass die allgemeine Haushaltslage des Lan-
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des auf die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der der Verwaltung übertrage-
nen Aufgaben zurückwirkt - etwa, weil der ausscheidende Beamte aus Mangel an
Haushaltsmitteln nicht ersetzt werden kann, seine Stelle aber zur Erfüllung der vor-
gegebenen Aufgaben besetzt bleiben muss. Wenn und soweit dies der Fall ist, han-
delt es sich um einen dringenden dienstlichen Belang, der einer Gewährung von Al-
tersteilzeit in entsprechendem Umfang entgegensteht.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat mangels durch-
greifender Verfahrensrügen gebunden ist, ist das Personal der Landessteuerverwal-
tung schon heute an der Grenze seiner Belastbarkeit angelangt und nur mit Mühe in
der Lage, den gesetzmäßigen Vollzug der Steuergesetze zu gewährleisten. Diese
Feststellungen reichen aus, um ein dringendes dienstliches Interesse an der vollen
Ausschöpfung der Arbeitskraft der vorhandenen Beamten und damit einen dringen-
den dienstlichen Belang zu begründen. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Be-
klagte aus der jetzigen Finanzsituation des Landes die Prognose ableitet, die Finanz-
lage lasse auch in absehbarer Zukunft keine grundlegende Verbesserung erwarten,
wenn die Klägerin in die Auslaufphase des Blockmodells eintritt und damit die Neu-
besetzung ihres Dienstpostens erforderlich wird. Diese Prognose durfte das Beru-
fungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legen. Eine Beweiserhebung musste sich
ihm nicht aufdrängen. Stichhaltige Anhaltspunkte, die eine Fehlerhaftigkeit der
Prognose in Betracht ziehen ließen, sind nicht dargetan. Wenn das Vorbringen der
Revision zutrifft, dass die Haushaltslage auch schon zwei Jahre vorher - zur Zeit des
Gesetzesbeschlusses - ähnlich ungünstig gewesen sei, nimmt dies der Prognose
nichts an Schlüssigkeit. Die Verfestigung einer schlechten Haushaltslage über meh-
rere Jahre kann vor dem Hintergrund der ursprünglichen Erwartung einer baldigen
Besserung eine negative Entwicklung bedeuten. Eine derartige Verfestigung ge-
mahnt daher zu zusätzlicher Vorsicht bei der Einschätzung der Lage. Jedenfalls wäre
es mit den Grundsätzen einer vorausschauenden Haushaltsführung nicht vereinbar,
dem Land durch die Gewährung von Altersteilzeit Lasten aufzuerlegen, die es nach
heutiger Einschätzung voraussichtlich nicht zu tragen in der Lage sein wird.
Die oberste Dienstbehörde der Klägerin war befugt, die in ihrem Bereich entgegen-
stehenden dienstlichen Belange generell festzustellen oder, falls keine Belange ent-
gegenstehen, die Ermessensausübung zu generalisieren.
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Die Vorschrift des § 88 a Abs. 3 LBG verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch
gegen einfaches Bundesrecht.
Nach § 44 a BRRG ist Teilzeitbeschäftigung für Beamte durch Gesetz zu regeln. Aus
dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und der Gesetzesbindung folgt zugleich, dass
die gesetzliche Regelung selbst ihren Anwendungsbereich festlegen muss und nicht
etwa der gesetzesvollziehenden Verwaltung einen Ermessenspielraum öffnen darf,
das Gesetz anzuwenden oder davon abzusehen. Ein solcher "voraussetzungsloser"
Gestaltungsspielraum wird durch § 88 a Abs. 3 Satz 4 LBG nicht eröffnet. Vielmehr
ist auch die oberste Dienstbehörde bei ihrer Entscheidung, Verwaltungsbereiche und
Beamtengruppen von der Altersteilzeit auszunehmen, eine höhere Altersgrenze fest-
zulegen und zu bestimmen, dass die ermäßigte Arbeitszeit nur im so genannten
Blockmodell geleistet werden darf, an die tatbestandlichen Anforderungen des § 88 a
Abs. 3 Satz 1 LBG gebunden.
§ 88 a Abs. 3 Satz 1 LBG eröffnet der Verwaltung unter der sachlichen Vorausset-
zung, dass dringende dienstliche Belange nicht entgegenstehen, das Ermessen, ei-
nem Antrag des Beamten, der die persönlichen Voraussetzungen der Bestimmung
erfüllt, Teilzeitbeschäftigung mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit zu bewilli-
gen. Die oberste Landesbehörde, in deren Bereich das Ermessen auszuüben ist, darf
auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung ermessensleitende Richtlinien
erlassen, um eine gleichmäßige Ausübung des Ermessens sicherzustellen. Nichts
anderes besagt § 88 a Abs. 3 Satz 4 LBG; die Vorschrift unterstreicht und konturiert
lediglich dieses der Verwaltung ohnehin bereits nach Satz 1 zustehende Recht.
Durch sie lenkt der Gesetzgeber den Blick der obersten Dienstbehörde gezielt da-
rauf, ihr Ermessen auch mit Rücksicht darauf auszuüben, wie sich mehrere, unkoor-
dinierte Einzelmaßnahmen nachgeordneter Behörden kumulativ auswirken können.
Die Vorschrift stellt deshalb deklaratorisch klar, dass sich das Ermessen auch auf
einzelne Verwaltungsbereiche, Beamten- und Altersgruppen erstreckt. Die Vorschrift
ermächtigt demgegenüber weder zum Erlass einer Rechtsverordnung noch dazu, die
Anwendung des § 88 a Abs. 3 Satz 1 LBG insgesamt "auszusetzen", d.h. in ihrem
gesamten Anwendungsbereich nicht anzuwenden. In diesem Sinne ist die Vorschrift
von der Beklagten auch nicht verstanden oder angewandt worden, wenn auch der
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Begriff des "Aussetzens" einem möglichen Missverständnis Vorschub geleistet haben
mag. Von einer generellen Anordnung, das Gesetz nicht mehr anzuwenden, kann
schon deswegen keine Rede sein, weil sich der Beschluss der Landesregierung nur
auf den Bereich der unmittelbaren Landesverwaltung und nicht auf den der
kommunalen Gebietskörperschaften und der sonstigen zur Anwendung des Landes-
beamtengesetzes verpflichteten Einrichtungen bezog und im Übrigen Ausnahmen
zugunsten Schwerbeschädigter ebenso zuließ wie Ausnahmen in solchen Fällen, in
denen die Planstelle des Beamten wegfallen sollte. Dass die Bestimmung nur das
Ermessen betrifft, ergibt sich auch aus der Regelung in § 88 a Abs. 3 Satz 5 LBG,
dass eine Entscheidung nach Satz 4 der Mitbestimmung unterliegt; diese zielt auf
Ermessensentscheidungen der Verwaltung und kaum auf deren zwingende gesetzli-
che Voraussetzungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Albers
Prof. Dawin
Dr. Kugele
Groepper
Dr. Bayer
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren gemäß § 13 Abs. 4
Satz 1 Buchst. a, Satz 2 GKG auf 16 555 € festgesetzt.
Albers
Prof. Dawin
Dr. Kugele
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Beamtenrecht
Fachpresse:
nein
Rechtsquellen:
BRRG
§ 44 a
LBG SH
§ 88 a
Stichworte:
Altersteilzeit, Blockmodell; dringende dienstliche Belange; Ermessen; ermessenslei-
tende Richtlinien; Teilzeitbeschäftigung.
Leitsätze:
Die Gewährung von Altersteilzeit an Beamte steht in Schleswig-Holstein nur dann im
Ermessen des Dienstherrn, wenn dringende dienstliche Interessen nicht entgegen-
stehen. An dieser Voraussetzung kann es fehlen, wenn die Haushaltslage es ge-
genwärtig und in absehbarer Zukunft unmöglich macht, durch Teilzeitarbeit freiwer-
dende Stellen erneut zu besetzen, obwohl deren Wiederbesetzung erforderlich ist.
Die oberste Dienstbehörde ist befugt, dies generell für ihren Bereich festzustellen
und ermessensleitende Richtlinien zu erlassen (wie Urteil vom selben Tag - BVerwG
2 C 21.03 -).
Urteil des 2. Senats vom 29. April 2004 - BVerwG 2 C 22.03
I. VG Schleswig vom 15.07.2002 - Az.: VG 11 A 64/02 -
II. OVG Schleswig vom 16.05.2003 - Az.: OVG 3 LB 107/02 -