Urteil des BVerwG vom 16.07.2015

Lehrer, Schule, Vergleich, Unterricht

BVerwGE: ja
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Recht des öffentlichen Dienstes einschließlich des
Beamtendisziplinarrechts und des Dienstrechts der Soldaten
sowie des Rechts der Wehrpflichtigen und der
Zivildienstpflichtigen
Rechtsquelle/n:
GG Art. 3
NBG § 10 Satz 2, § 60
BGleiG § 15 Abs. 1
Richtlinie Nr. 97/81/EG Anhang § 4 Nr. 1
Titelzeile:
Funktionstätigkeiten bei Teilzeitbeschäftigung
Stichworte:
Beamter; Lehrer; Arbeitszeit; Lehrerarbeitszeit; Pflichtstunden;
Funktionstätigkeiten; Teilzeit; Teilzeitquote; Zeitausgleich.
Leitsatz:
Teilzeitbeschäftigte Beamte haben einen Anspruch darauf, nicht über ihre
Teilzeitquote hinaus zur Dienstleistung herangezogen zu werden. Deshalb dürfen
teilzeitbeschäftigte Lehrer in der Summe ihrer Tätigkeiten (Unterricht, Vor- und
Nachbereitung des Unterrichts, Teilnahme an Schulkonferenzen etc., aber auch
Funktionstätigkeiten, d.h. nicht unmittelbar unterrichtsbezogene schulische
Verwaltungsaufgaben, wie z.B. die Leitung der Schulbibliothek) nur entsprechend
ihrer Teilzeitquote zur Dienstleistung herangezogen werden. Das bedeutet, dass
der Teilzeitquote entweder bei der Übertragung von Funktionstätigkeiten
Rechnung zu tragen ist oder ein zeitlicher Ausgleich durch entsprechend
geringere Heranziehung zu anderen Aufgaben erfolgen muss.
Urteil des 2. Senats vom 16. Juli 2015 - BVerwG 2 C 16.14
I. VG Lüneburg vom 27. August 2009
Az: VG 1 A 243/06
II. OVG Lüneburg vom 13. Dezember 2011
Az: OVG 5 LC 269/09
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 16.14
OVG 5 LC 269/09
Verkündet
am 16. Juli 2015
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2015
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden als
Vorsitzenden und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung,
Rothfuß, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsge-
richts vom 13. Dezember 2011 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückver-
wiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussent-
scheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Die 1957 geborene Klägerin ist als Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe A 14
LBesO) an einem Gymnasium mit einer Pflichtstundenzahl von 13/23,5 Wo-
chenstunden teilzeitbeschäftigt.
Im November 2000 bewarb sie sich um die Stelle einer Oberstudienrätin mit der
Funktionstätigkeit „Betreuung und Verwaltung der Lernmittel“ sowie „Koordina-
tion des Schüleraustausches mit England, Frankreich und den USA“ an ihrem
Gymnasium. Nach einer sechsmonatigen Erprobungszeit auf diesem Dienst-
posten wurde sie mit Wirkung zum 1. August 2002 zur Oberstudienrätin er-
nannt. Der der Klägerin im Rahmen ihrer Funktionstätigkeit übertragenen Auf-
gabenbereich hat sich im Laufe der Zeit inhaltlich geändert. Seit 2007 umfasst
er die Leitung der Fachstelle Spanisch, den Schüleraustausch, die Betreuung
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von EU-Projekten (Comenius etc.) und die Unterstützung von Angeboten im
Rahmen der Ganztagsschule.
Bereits im Januar 2006 beantragte die Klägerin eine Reduzierung ihrer Funkti-
onstätigkeit, hilfsweise die Gewährung von Anrechnungsstunden, weiter hilfs-
weise die Gewährung einer zusätzlichen Vergütung. Zur Begründung machte
sie geltend, dass sie als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft im ersten Beförderungs-
amt gleichheitswidrig behandelt werde, und zwar - erstens - gegenüber teilzeit-
beschäftigten Lehrkräften im Eingangsamt, - zweitens - gegenüber vollzeitbe-
schäftigten Lehrkräften im ersten Beförderungsamt und - drittens - gegenüber
sonstigen nach A 14 besoldeten Beamten. Die Beklagte lehnte das Begehren
der Klägerin unter Bezugnahme auf die geltende Erlasslage ab, nach der eine
Ermäßigung der Funktionstätigkeit nicht in Betracht komme.
Die hiergegen erhobene Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das
Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 13. De-
zember 2011 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf
Folgendes abgestellt:
Beim Vergleich mit den - nicht zusätzlich mit Funktionsaufgaben betrauten -
Studienräten (Besoldungsgruppe A 13 LBesO) sei zu beachten, dass die be-
reits zu Oberstudienräten beförderten Lehrkräfte besonders leistungsstark sei-
en. Der Dienstherr könne grundsätzlich erwarten, dass die mit dem Beförde-
rungsamt verbundene Mehrbelastung von diesen leistungsstarken Beamten
durch planvolle und effiziente Arbeitsorganisation innerhalb der durchschnittli-
chen Wochenarbeitszeit bewältigt werde.
Die Erlasslage, nach der eine Ermäßigung der Funktionstätigkeit ausgeschlos-
sen sei, sei mit Verfassungs- und Europarecht vereinbar. Die Klägerin als teil-
zeitbeschäftigte Lehrkraft werde nicht gleichheitswidrig benachteiligt, da eine
bestehende Mehrbelastung gegenüber vollzeitbeschäftigten Lehrkräften durch
entsprechende zeitliche Entlastungen ausgeglichen werden könne.
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren
weiter und beantragt,
die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsge-
richts vom 13. Dezember 2011 und des Verwaltungsge-
richts Lüneburg vom 27. August 2009 sowie den Ableh-
nungsbescheid der Beklagten vom 5. September 2006
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
1. ihr einen angemessenen zeitlichen Ausgleich zu ge-
währen, soweit die ihr ab dem 23. Januar 2006 übertrage-
nen Funktionsaufgaben zu einer höheren als der ihrer
Teilzeitquote entsprechenden durchschnittlichen Wochen-
arbeitszeit geführt haben,
2. künftig sicherzustellen, dass die ihr übertragenen Funk-
tionsaufgaben nicht zu einer höheren durchschnittlichen
Wochenarbeitszeit führen als es ihrer Teilzeitquote ent-
spricht.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Klägerin ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungs-
urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entschei-
dung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht, nämlich
Art. 3 Abs. 1 bis 3 GG. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht angenom-
men, dass ein Anspruch der Klägerin auf Zeitausgleich für eine ihre Teilzeitquo-
te übersteigende Beanspruchung mit Funktionstätigkeiten bereits durch die blo-
ße Möglichkeit eines Zeitausgleichs ausgeschlossen ist. Vielmehr muss im Ein-
zelfall konkret sichergestellt sein, dass die Gesamtheit der Unterrichtsstunden,
unterrichtsbezogener und anderer schulbezogener Tätigkeiten sowie Funktions-
tätigkeiten die - entsprechend der Teilzeitquote reduzierte - Gesamtarbeitszeit
nicht überschreitet. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts reichen
nicht aus, um abschließend über den geltend gemachten Anspruch entscheiden
zu können.
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1. Die allgemein für Beamte festgesetzte regelmäßige Wochenarbeitszeit (hier
§ 60 Abs. 1 Niedersächsisches Beamtengesetz - NBG - vom 25. März 2009 -,
Nds. GVBl. S. 72) gilt auch für beamtete Lehrer. Sie geht davon aus, dass der
Beamte seinen Dienst grundsätzlich ausschließlich am Dienstort erfüllt und ca.
sechs Wochen Jahresurlaub hat, und bedarf für Lehrer aufgrund der Besonder-
heiten des Lehrerberufs - außerunterrichtlicher Dienst in der Schule und zu
Hause, 13 Wochen unterrichtsfreie Zeit - einer Konkretisierung. Diese erfolgt
durch die Festsetzung von Unterrichtsstunden als Pflichtstunden. Die Festle-
gung ausschließlich dieses Teils der Arbeitszeit der Lehrer erklärt sich daraus,
dass deren Arbeitszeit nur hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden
exakt messbar ist, während sie im Übrigen entsprechend der pädagogischen
Aufgabe wegen der erforderlichen Unterrichtsvorbereitung, der Korrekturen,
Elternbesprechungen, Konferenzen und dergleichen nicht im Einzelnen in über-
prüfbarer Form bestimmt, sondern nur - grob pauschalierend - geschätzt wer-
den kann. Dieser Aufgabenbereich neben dem Unterricht ist umso weniger zeit-
lich messbar, als die insoweit aufzuwendende Zeit auch nach Schülerzahl,
Schulfächern und schließlich individuell nach Fähigkeiten, Einsatzbereitschaft
und Erfahrung des einzelnen Lehrers differiert (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile
vom 23. September 2004 - 2 C 61.03 - BVerwGE 122, 65 <66 f.> und vom
30. August 2012 - 2 C 82.10 - Buchholz 237.6 § 54 NdsLBG Nr. 3).
Bei der Festsetzung der Pflichtstundenzahl dient die allgemein angeordnete
regelmäßige Arbeitszeit als Orientierungsrahmen, um die Arbeitszeitregelung
für Lehrkräfte nicht von der allgemein für Beamte geltenden Arbeitszeitregelung
loszulösen. Auf diese Weise ist die Pflichtstundenregelung für Lehrer in die für
alle Landesbeamten geltende Arbeitszeitregelung eingebettet (BVerwG, Urteile
vom 28. Januar 2004 - 2 C 19.03 - Buchholz 237.4 § 76 HmbLBG Nr. 2 S. 2
und vom 23. September 2004 - 2 C 61.03 - BVerwGE 122, 65 <66>). Sie bedarf
als maßgebliche Regelung der Lehrerarbeitszeit ebenso einer normativen Re-
gelung wie die Regelung der Arbeitszeit für Beamte insgesamt (BVerwG, Urteil
vom 30. August 2012 - 2 C 23.10 - BVerwGE 144, 93 Rn. 12 ff.). Dementspre-
chend ist in § 60 Abs. 1 NBG die regelmäßige Wochenarbeitszeit der Beamten
von 40 Stunden festgelegt und regeln die Verordnung über die Arbeitszeit der
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Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (Lehrerarbeitszeitverordnung - ArbZVO-
Lehr) vom 2. August 2004 (Nds. GVBl. S. 303) sowie die am 1. August 2012 in
Kraft getretene Niedersächsische Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtin-
nen und Beamten an öffentlichen Schulen - Nds. ArbZVO-Schule - vom 14. Mai
2012 (Nds. GVBl. S. 106) die Pflichtstunden der Lehrer.
Die wöchentliche Gesamtarbeitszeit der Lehrer gliedert sich mithin in die - durch
die Bestimmungen über die Pflichtstundenzahl vorgegebene - Unterrichtszeit
einerseits und die Zeit außerunterrichtlicher Dienstwahrnehmung andererseits.
Zu letzterer gehören gleichermaßen die unterrichtsbezogenen Vor- und Nach-
arbeiten (Unterrichtsvorbereitung, Korrektur von Klassenarbeiten etc.), sonstige
unterrichtsbezogenen Tätigkeiten (Elterngespräche, Klassenkonferenzen etc.)
und weitere schulbezogene Tätigkeiten (Pausenaufsicht etc.) Diese weiteren
schulbezogenen Tätigkeiten schließen Funktionstätigkeiten ein, d.h. nicht un-
mittelbar unterrichtsbezogene schulische Verwaltungsaufgaben, wie z.B. die
Leitung der Schulbibliothek und die Organisation des Schüleraustauschs. Es
gibt hinsichtlich der Arbeitszeit keine Notwendigkeit und keine Rechtfertigung
für eine gesonderte Kategorie „Funktionstätigkeiten“. Funktionstätigkeiten ha-
ben dienstlichen Charakter und sind vom Lehrer wahrzunehmen, wenn sie ihm
normativ, durch Verwaltungsvorschrift oder durch Einzelanordnung auferlegt
sind. Lediglich zur Klarstellung weist der Senat im Hinblick auf missverständli-
che Formulierungen zur Ausschreibung darauf hin, dass nicht die einzelnen im
Bereich einer Schule wahrgenommenen Funktionstätigkeiten Bestandteil des
Statusamtes "Oberstudienrätin/Oberstudienrat" sind, sondern nur die Ausübung
irgendeiner Funktionstätigkeit. Zu prüfen ist allerdings, ob mit der Anordnung
von Funktionstätigkeiten in einer Gesamtschau mit den anderen dienstlichen
Aufgaben der zulässige Rahmen der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit
- hier von 40 Stunden - überschritten wird.
Wie der Dienstherr in dem dargelegten Rahmen die Lehrerarbeitszeit ausge-
staltet und konkretisiert, steht in seinem pflichtgemäß auszuübenden Ermes-
sen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich im Laufe der Zeit Veränderungen
ergeben können, die sich zu Lasten oder zu Gunsten der Lehrer auf deren Ar-
beitsbelastung auswirken. Ob sich hiernach die vom Dienstherrn jeweils ge-
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wählte Konkretisierung im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens hält,
hängt von einer nicht nur rechtlichen, sondern insbesondere auch tatsächlichen
Würdigung und Abwägung der für seine Entscheidung maßgebenden Umstän-
de ab (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 1992 - 2 B 5.92 - Buchholz
237.4 § 76 HmbLBG Nr. 1 und vom 21. September 2005 - 2 B 25.05 - juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier nicht von einer Überschreitung der
durchschnittlichen Wochenarbeitszeit durch die Funktionstätigkeiten bei - voll-
zeitbeschäftigten - Oberstudienräten (Besoldungsgruppe A 14 LBesO) auszu-
gehen. Zwar müssen sie in demselben Umfang Unterricht erteilen wie Studien-
räte (Besoldungsgruppe A 13 LBesO) und haben zusätzlich Funktionstätigkei-
ten wahrzunehmen. Sie leisten damit im Umfang der ihnen übertragenen Funk-
tionstätigkeiten ein höheres Pensum. Allerdings ist mit dem Oberverwaltungs-
gericht darauf abzustellen, dass Beförderungsämter an besonders leistungs-
starke Beamte vergeben werden und der Dienstherr daher grundsätzlich erwar-
ten kann, dass die mit dem Beförderungsamt verbundene Mehrbelastung durch
planvolle und effiziente Arbeitsorganisation dergestalt bewältigt wird, dass die
durchschnittliche Wochenarbeitszeit nicht überschritten wird. Zwar darf die
Reichweite dieses Gesichtspunkts nicht überspannt werden. Er trägt aber über-
schaubare Mehrbelastungen wie die auf alle Oberstudienräte an einer Schule
verteilten Funktionstätigkeiten und bildet zugleich den rechtfertigenden sachli-
chen Grund für die Ungleichbehandlung zwischen - vollzeitbeschäftigten - Stu-
dienräten und Oberstudienräten, Art. 3 Abs. 1 GG.
Allerdings ist zu beachten, dass teilzeitbeschäftigte Beamte nicht nur einen An-
spruch darauf haben, entsprechend ihrer Teilzeitquote besoldet zu werden,
sondern auch darauf, nicht über ihre Teilzeitquote hinaus zur Dienstleistung
herangezogen zu werden. Dieser Anspruch folgt aus Art. 3 Abs. 1 bis 3 GG
(vgl. auch § 4 Nr. 1 des Anhangs zur Richtlinie Nr. 97/81/EG - Teilzeitrichtlinie -
sowie die Benachteiligungsverbote bei Teilzeitbeschäftigung in § 10 Satz 2
NBG und in § 15 Abs. 1 BGleiG).
Besteht die Arbeitszeit aus mehreren Bestandteilen, muss eine Gesamtbetrach-
tung erfolgen. Ein Mehr in einem Bereich muss durch ein Weniger in einem an-
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deren Bereich ausgeglichen werden. Der Saldo darf nicht über die sich aus der
Teilzeitquote ergebende Arbeitszeit hinausgehen. Alle Bestandteile der Lehrer-
arbeitszeit sind insoweit gleichwertig und ausschließlich quantitativ zu betrach-
ten. Eine gleichheitswidrige Behandlung eines teilzeitbeschäftigten Lehrers ist
deshalb dann anzunehmen, wenn er im Vergleich mit einem vollzeitbeschäftig-
ten Lehrer quantitativ relativ stärker beansprucht wird; das ist nicht der Fall,
wenn Belastungen an einer Stelle durch Entlastungen an anderer Stelle ganz
oder nahezu vollständig ausgeglichen werden (BVerwG, Urteil vom 23. Sep-
tember 2004 - 2 C 61.03 - BVerwGE 122, 65 <73>; vgl. auch BVerwG, Urteil
vom 29. Oktober 2009 - 2 C 82.08 - Buchholz § 240 § 6 BBesG Nr. 27 m.w.N.).
Teilzeitbeschäftigte Lehrer dürfen somit in der Summe ihrer Tätigkeiten (Unter-
richt, Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Teilnahme an Schulkonferenzen,
Elterngespräche, Vertretungsstunden etc., aber auch Funktionstätigkeiten) nur
entsprechend ihrer Teilzeitquote zur Dienstleistung herangezogen werden. Das
bedeutet, dass der Teilzeitquote bei der Übertragung von Funktionstätigkeiten
Rechnung getragen werden oder ein zeitlicher Ausgleich durch entsprechend
geringere Heranziehung zu anderen Aufgaben erfolgen muss.
Der Teilzeitquote kann bereits bei der Zuteilung von Funktionstätigkeiten Rech-
nung getragen werden. Die zugewiesene Funktionstätigkeit muss dann im Ver-
gleich zu der Funktionstätigkeit eines vollzeitbeschäftigten Oberstudienrats ei-
nen der Teilzeitquote entsprechend verringerten zeitlichen Aufwand beanspru-
chen. Ein solches Vorgehen dürfte sich in der Regel aus praktischen Gründen
empfehlen, um Schwierigkeiten bei der Bemessung des ansonsten erforderli-
chen Zeitausgleichs zu vermeiden. Wird mit der zugeordneten Funktionstätig-
keit die sich aus der Teilzeitquote ergebende Arbeitszeit überschritten, muss
dies in einem anderen Bereich der Arbeitszeit ausgeglichen werden. Das kann
im Bereich außerunterrichtlicher Tätigkeit z.B. durch geringere Heranziehung zu
Vertretungsstunden oder Pausenaufsichten geschehen. Ist ein Ausgleich in die-
sem Bereich nicht im erforderlichen Umfang möglich oder nicht gewollt, muss
der Ausgleich durch Ermäßigung der Unterrichtszeit erfolgen. Die Art und Wei-
se der Herstellung des angemessenen Zeitausgleichs obliegt dem Dienstherrn
im Rahmen seiner Organisationsgewalt. Dabei genügt - selbstverständlich -
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nicht, dass ein hiernach erforderlicher Ausgleich nur möglich ist; entscheidend
ist vielmehr, dass es auf einen solchen Ausgleich einen Rechtsanspruch gibt
und der Ausgleich auch tatsächlich erfolgt. Ist der Ausgleich noch nicht erfolgt,
ist dies unabhängig davon nachzuholen, ob die Lehrerarbeitszeit normativ ge-
regelt und ein Anspruch auf Zeitausgleich für eine über die Teilzeitquote hin-
ausgehende Heranziehung zu einzelnen Bestandteilen der Lehrerarbeitszeit
ausdrücklich normiert ist.
Angesichts des nicht exakt messbaren und häufig auch stark schwankenden
und sich verändernden Zeitaufwands für die einzelnen Funktionstätigkeiten ist
ein exakter Ausgleich nicht möglich und auch nicht erforderlich; es genügt ein
auf Schätzungen beruhender annähernder Ausgleich (vgl. BVerwG, Urteil vom
23. September 2004 - 2 C 61.03 - BVerwGE 122, 65 <73>), der bei Bedarf
nachvollziehbar zu erläutern ist. Der Dienstherr muss im Rahmen seines Orga-
nisationsermessens sowohl den Rechten und Bedürfnissen der voll- und teil-
zeitbeschäftigten Lehrer als auch den schulischen Belangen angemessen
Rechnung tragen.
Bei der Bemessung des Zeitausgleichs darf auch berücksichtigt werden, dass
der Dienstherr - generell auf Landesebene oder vor Ort in der Schule - Vorga-
ben dazu machen darf, welchen Zeitaufwand er für die einzelne Funktionsauf-
gabe als angemessen ansieht. Eine solche Vorgabe wiederum hat zur Folge,
dass ein pflichtbewusster Lehrer grundsätzlich im Durchschnitt auch nur diese
Zeit für die jeweilige Aufgabe aufwenden muss. Ist damit die Aufgabe nicht zu
bewältigen, kann der Dienstherr durch organisatorische Maßnahmen Abhilfe
schaffen, wie z.B. durch einen der unerwartet hohen zeitlichen Inanspruchnah-
me Rechnung tragenden zeitlichen Ausgleich. Nicht maßgeblich für die Beurtei-
lung des erforderlichen Zeitaufwands ist die subjektive Einschätzung des jewei-
ligen Lehrers.
3. Ausgehend hiervon erweist sich das Berufungsurteil als rechtsfehlerhaft. Das
Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht genügen lassen, dass für eine über die
Teilzeitquote hinausgehende Wahrnehmung von Funktionstätigkeiten die Ge-
währung eines Zeitausgleichs nach der Erlasslage - lediglich - möglich ist. Des-
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halb hat es Feststellungen dazu für entbehrlich gehalten, ob die Klägerin über
ihre Teilzeitquote hinaus zu Funktionstätigkeiten herangezogen worden ist und
wird und - wenn dies zu bejahen ist - ob ein zeitlich adäquater Ausgleich erfolgt
ist und erfolgt. Weil diese tatsächlichen Feststellungen fehlen, kann der Senat
nicht selbst über den geltend gemachten Anspruch entscheiden. Die Zurück-
verweisung an das Oberverwaltungsgericht ermöglicht die Nachholung dieser
Feststellungen. Ein geeignetes Beweismittel, um den Zeitaufwand für die Funk-
tionstätigkeiten der Klägerin im Vergleich zu den vollzeitbeschäftigten Oberstu-
dienräten an der Schule der Klägerin einschätzen zu können, dürfte die Befra-
gung des Leiters dieser Schule sein, ggf. ergänzt durch die Befragung eines
Leiters einer anderen, in Größe und Struktur vergleichbaren Schule.
Unabhängig hiervon wird auf Landesebene zu prüfen sein, welche arbeitszeit-
bezogenen normativen Regelungen im Zusammenhang mit Funktionstätigkei-
ten zu treffen sind.
Dr. von der Weiden Dr. Hartung Rothfuß
Dollinger Dr. Günther
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG).
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