Urteil des BVerwG vom 30.10.2013

Probezeit, Prognostische Beurteilung, Beamtenverhältnis, Altersgrenze

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 16.12
OVG 6 B 20.09
Verkündet am
30. Oktober 2013
Melzer
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen sowie
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Rothfuß
für Recht erkannt:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg vom 5. September 2011 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückver-
wiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussent-
scheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis
auf Probe und beansprucht ihre Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit.
Am 1. Dezember 1997 berief die Beklagte die 1964 geborene Klägerin in das
Beamtenverhältnis auf Probe. Mit Wirkung vom 1. April 2000 stellte sie die Klä-
gerin an und ernannte sie zur Verwaltungsrätin. Die Klägerin leistete von An-
fang 1999 bis Anfang Februar 2005 keinen Dienst. Sie befand sich nach der
Geburt ihrer Kinder im Mutterschutz, im Erziehungsurlaub und in der Elternzeit.
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Nach dem Ende der Elternzeit war die Klägerin von Anfang Februar 2005 bis
Ende 2006 wegen der Folgewirkungen zweier Bandscheibenvorfälle dienstun-
fähig erkrankt. Im Hinblick hierauf verlängerte die Beklagte die Probezeit bis
Mitte September 2007. Nachdem die Klägerin von Anfang Januar bis Anfang
April 2007 im Rahmen ihrer stufenweisen Wiedereingliederung nur teilweise
gearbeitet hatte, leistete sie ab April 2007 wieder vollständig Dienst.
Die Beklagte entließ die Klägerin mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aus dem
Beamtenverhältnis auf Probe. Die gesundheitliche Eignung der Klägerin sei
nicht nachgewiesen. Die bis zum Ablauf der Probezeit verbliebene Dienstzeit
reiche nicht aus, um ihre gesundheitliche Eignung zuverlässig festzustellen.
In der Berufungsinstanz hat das Oberverwaltungsgericht die erstinstanzlich er-
folgreiche Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausge-
führt:
Die gerichtlich nur beschränkt überprüfbare prognostische Einschätzung der
Beklagten, die Klägerin sei aus gesundheitlichen Gründen für die Übernahme in
das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht geeignet, sei aufgrund der Beweis-
aufnahme nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei während ihrer verlängerten
Probezeit nahezu zwei Jahre ununterbrochen dienstunfähig erkrankt gewesen.
Zum einen habe die Klägerin ab Anfang 2005 mehrere Bandscheibenvorfälle
erlitten. Zum anderen hätten diese zu einem chronifizierten Schmerzsyndrom
mit selbstständigem Krankheitswert geführt. Diese beiden Diagnosen schlössen
eine positive gesundheitliche Eignungsprognose zum Ablauf der Probezeit der
Klägerin aus.
Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit
der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sie beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
vom 5. September 2011 aufzuheben und die Berufung der
Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ber-
lin vom 29. Juni 2009 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzu-
heben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist
(§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ver-
letzt § 31 des Bundesbeamtengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neu-
ordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 9. Juli 2001 (- BBG a.F. -, BGBl I
S. 1510). Ob es sich aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig darstellt
(§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher
Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.
1. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG a.F. kann ein Beamter auf Probe wegen
mangelnder Bewährung (Eignung, Befähigung, fachliche Leistung) entlassen
werden. Auch die fehlende gesundheitliche Eignung stellt einen Entlassungs-
grund dar. Dies folgt zudem aus Art. 33 Abs. 2 GG, dessen Kriterien § 31
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG a.F. übernimmt. Geeignet ist nach Art. 33 Abs. 2 GG
nur derjenige, der dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und cha-
rakterlicher Hinsicht gewachsen ist (BVerfG, Beschlüsse vom 21. Februar 1995
- 1 BvR 1397/93 - BVerfGE 92, 140 <151> und vom 20. April 2004 - 1 BvR
838/01 u.a. - BVerfGE 110, 304 <322>; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C
12.11 - Rn. 10
vorgesehen>). Bei der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Eignungsbeurteilung
hat der Dienstherr daher immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob
der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hin-
sicht entspricht (Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O.).
Obwohl § 31 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. davon spricht, dass ein Beamter auf Probe
entlassen werden „kann“, ist der Behörde hinsichtlich der Entlassung eines
Probebeamten, der sich in der Probezeit nicht bewährt hat, kein Ermessen er-
öffnet. Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 der Bundeslaufbahnordnung (- BLV a.F. -) in der
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hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 2002 (BGBl I
S. 2459) werden Beamtinnen und Beamte, die sich nicht bewährt haben, ent-
lassen. Das Wort „kann“ trägt lediglich dem Gesichtspunkt Rechnung, dass die
Probezeit, wie hier geschehen, zu verlängern ist, wenn die Bewährung oder
Nichtbewährung des Beamten noch nicht endgültig festgestellt worden ist
(Urteile vom 24. November 1988 - BVerwG 2 C 24.87 - Buchholz 237.6 § 39
Nds. LBG Nr. 7 S. 6; vom 19. März 1998 - BVerwG 2 C 5.97 - BVerwGE 106,
263 <271> = Buchholz 237.6 § 39 Nds. LBG Nr. 9 S. 7 und vom 3. Dezember
1998 - BVerwG 2 C 26.97 - BVerwGE 108, 64 <70> = Buchholz 111 Art. 20 EV
Nr. 4 S. 15).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung eines
Probebeamten ist der Ablauf der Probezeit, nicht der Zeitpunkt des Erlasses der
letzten Verwaltungsentscheidung. Dies folgt aus dem materiellen Recht, das
auch bestimmt zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müs-
sen (stRspr; vgl. Urteile vom 17. Oktober 1989 - BVerwG 9 C 58.88 - Buchholz
402.25 § 5 AsylVfG Nr. 8 S. 9, vom 31. März 2004 - BVerwG 8 C 5.03 - BVerw-
GE 120, 246 <250> = Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 20 S. 74 f. und vom
23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11
Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54 jeweils Rn. 11).
Die Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. über die Entlassung von Beam-
ten auf Probe wegen mangelnder Bewährung (Eignung, Befähigung, fachliche
Leistung) steht im Zusammenhang mit § 9 BBG a.F., der die Voraussetzungen
für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit festlegt. Danach darf Beamter
auf Lebenszeit u.a nur werden, wer sich als Laufbahnbewerber oder als anderer
Bewerber (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 BBG a.F.) in einer Probezeit bewährt hat. Ferner
schreibt § 7 Abs. 3 Satz 1 BLV a.F. vor, dass vor Ablauf der Probezeit festge-
stellt wird, ob der Beamte sich bewährt hat.
Aus diesen Bestimmungen folgt, dass in die Entscheidung des Dienstherrn über
die gesundheitliche Bewährung des Probebeamten, nur solche Umstände Ein-
gang finden, die während der Probezeit bekannt geworden sind oder die zwar
nach Ablauf dieser Zeit eingetreten sind, aber Rückschlüsse auf die Bewährung
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des Beamten in der laufbahnrechtlichen Probezeit zulassen (Urteil vom
25. Februar 1993 - BVerwG 2 C 27.90 - BVerwGE 92, 147 <150 ff.> = Buchholz
237.7 § 9 NWLBG Nr. 1 S. 5).
War die Erkrankung eines Probebeamten bereits vor der Begründung dieses
Beamtenverhältnisses bekannt, so darf der Dienstherr die gesundheitliche Eig-
nung des Beamten bei der anstehenden Ernennung zum Beamten auf Lebens-
zeit nur dann im Hinblick auf diese Erkrankung verneinen, wenn sich die Grund-
lagen ihrer Bewertung inzwischen geändert haben. Bei unveränderter Sachlage
ist der Dienstherr an seine Bewertung der gesundheitlichen Eignung vor Be-
gründung des Probebeamtenverhältnisses gebunden.
a) Ohne Verstoß gegen revisibles Recht hat das Oberverwaltungsgericht ent-
schieden, trotz der Anstellung der Klägerin zum 1. April 2000 habe die Beklagte
zum Ablauf der verlängerten Probezeit Mitte September 2007 noch über deren
gesundheitliche Eignung befinden können. Mit der Anstellung der Klägerin war
nicht die Feststellung ihrer Bewährung in der Probezeit verbunden, die die ge-
sundheitliche Eignung mit umfasst. Ist die Anstellung wegen Kindererziehungs-
zeiten vorgezogen worden, so ist nach § 10 Abs. 3 Satz 6 BLV a.F. die vorge-
schriebene Probezeit ungeachtet der Anstellung abzuleisten. Die Regel des
§ 10 Abs. 2 Satz 1 BLV a.F. findet dann keine Anwendung.
b) Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Beklagten stehe hinsicht-
lich der Frage der gesundheitlichen Eignung der Klägerin ein Beurteilungsspiel-
raum zu, ist mit Art. 19 Abs. 4 und Art. 33 Abs. 2 GG sowie § 31 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 BBG a.F. nicht vereinbar.
Die Voraussetzungen, denen ein Bewerber in gesundheitlicher Hinsicht genü-
gen muss, um sich durch die erfolgreiche Ableistung der Probezeit zu bewäh-
ren, ergeben sich aus den körperlichen Anforderungen, die der Beamte erfüllen
muss, um die Ämter seiner Laufbahn wahrnehmen zu können. Der Dienstherr
legt diese Anforderungen in Ausübung seiner Organisationsgewalt fest; subjek-
tive Rechte der Beamten werden hierdurch grundsätzlich nicht berührt. Diese
Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfä-
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higkeit der Bewerber zu messen ist (Urteile vom 21. Juni 2007 - BVerwG 2 A
6.06 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 22 und vom 25. Juli 2013
a.a.O. Rn. 12). Für die vergleichende fachliche Eignung der Bewerber steht
dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zu, der vor allem die Gewichtung
der leistungsbezogenen Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG umfasst (Urtei-
le vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <150 f.> =
Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 S. 17 und vom 4. November 2010
- BVerwG 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG
Nr. 47 jeweils Rn. 45).
Demgegenüber ist dem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der
Frage eröffnet, ob der Bewerber den laufbahnbezogenen festgelegten Voraus-
setzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt. Über die gesundheitliche Eig-
nung von Bewerbern im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG haben letztverantwortlich
die Verwaltungsgerichte zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche
Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein. Insoweit sind die Voraussetzun-
gen, unter denen eine Einschränkung der aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgen-
den Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte für die Auslegung und
Anwendung normativer Regelungen anzunehmen ist, nicht erfüllt (Urteil vom
25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 24 ff.).
Die prognostische Beurteilung, ob der Bewerber den gesundheitlichen Anforde-
rungen der jeweiligen Laufbahn voraussichtlich genügen wird, ist aufgrund einer
fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu treffen. Auf dieser Basis kön-
nen sich die Verwaltungsgerichte im gleichen Maße ein eigenverantwortliches
Urteil über die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung des Bewerbers und
über die Erfüllung der dienstlichen Anforderungen bilden wie die zuständige Be-
hörde. Können die Verwaltungsgerichte mit sachkundiger Hilfe ihrer Aufgabe
gerecht werden, die entscheidungsrelevanten tatsächlichen Umstände festzu-
stellen und rechtlich zu bewerten, besteht kein Anlass, die gerichtliche Kontroll-
dichte zugunsten der Verwaltung einzuschränken. Insoweit besteht eine Paral-
lele zur Beurteilung der Dienstunfähigkeit eines Beamten als Voraussetzung für
seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. Auch hier steht der Behörde
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kein Beurteilungsspielraum zu (vgl. Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C
73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25 jeweils Rn. 14 f.)
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht jedoch nicht auf diesem Verstoß
gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG. Das Oberverwaltungsge-
richt ist zwar im Obersatz davon ausgegangen, die Entscheidung der Beklagten
über die gesundheitliche Eignung sei lediglich auf die Einhaltung der bei einem
Beurteilungsspielraum allgemein anerkannten Grenzen überprüfbar. Im Gegen-
satz hierzu hat es aber zu deren Überprüfung eine umfangreiche Beweisauf-
nahme durchgeführt und aufgrund dieser die Begründung der Beklagten für die
angebliche mangelnde gesundheitliche Eignung der Klägerin wesentlich er-
gänzt.
c) Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Bewährung in gesundheit-
licher Hinsicht erfordere, dass sich nach der prognostischen Einschätzung des
Dienstherrn künftige Erkrankungen des Beamten und dauernde vorzeitige
Dienstunfähigkeit mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausschließen
lassen, ist mit Art. 33 Abs. 2 GG und demnach mit § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
BBG a.F. unvereinbar. Diesen Prognosemaßstab hat der Senat in Bezug auf
die Bewertung der gesundheitlichen Eignung von solchen Bewerbern aufgege-
ben, die die Ernennung zum Probebeamten beanspruchen (Urteil vom 25. Juli
2013 a.a.O. Rn. 16). Gleiches muss für die Prognoseentscheidung gelten, ob
Probebeamte für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ge-
sundheitlich geeignet sind. Maßgeblich sind folgende Erwägungen:
Das Lebenszeit- und das Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG) verpflichten
den Dienstherrn zur lebenslangen Versorgung der Ruhestandsbeamten. Daher
verleihen sie dem Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitli-
chen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit der Beamten einen
verfassungsrechtlichen Stellenwert. Durch die Festlegung der Höchstalters-
grenze für die Verbeamtung und der Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhe-
stand bringen Gesetz- und Verordnungsgeber zum Ausdruck, welche Lebens-
dienstzeit angemessen ist, um die Altersversorgung zu erdienen. Dementspre-
chend kann der Dienstherr unter Berufung auf den gesundheitlichen Zustand
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des Bewerbers die Begründung eines Beamtenverhältnisses ablehnen, wenn
absehbar ist, dass bei diesem das angemessene Verhältnis von Lebensdienst-
zeit und Ruhestandszeit voraussichtlich spürbar gestört sein wird. Dies ist der
Fall, wenn der Beamte vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dau-
ernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wird (Urteil vom 23. Februar
2012 - BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG
Nr. 54 jeweils Rn. 21). Gleiches gilt, wenn der Beamte zwar die gesetzliche Al-
tersgrenze im Dienst erreichen wird, es aber absehbar ist, dass er wegen einer
chronischen Erkrankung voraussichtlich regelmäßig erhebliche dem Dienst-
herrn in der Gesamtheit nicht zumutbare Ausfallzeiten aufweisen wird. Die
wahrscheinlich erwartbaren Fehlzeiten müssen in der Summe ein Ausmaß er-
reichen, das einer Pensionierung wegen Dienstunfähigkeit etliche Jahre vor
Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze gleichkommt. Es muss der Schluss
gerechtfertigt sein, die Lebensdienstzeit sei erheblich verkürzt.
Der bisherige, vom Senat aufgegebene Prognosemaßstab stellt demgegenüber
eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG auf
Zugang zu einem öffentlichen Amt dar. Er hat in der Praxis dazu geführt, dass
Bewerber und Probebeamte ohne Prüfung ihrer voraussichtlichen gesundheitli-
chen Entwicklung als ungeeignet angesehen worden sind, weil ihr Gesund-
heitszustand vom Regelzustand abgewichen ist oder sie in der Probezeit vorü-
bergehend erkrankten. Dies ist insbesondere im Hinblick auf den langen, sich
über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraum und die Unsicherheit medizi-
nischer Prognosen angesichts des Art. 33 Abs. 2 GG unverhältnismäßig.
Solange der Gesetzgeber keinen kürzeren Prognosezeitraum bestimmt, ist
maßgeblich für die Prognose, ob der Bewerber dauernd dienstunfähig oder auf-
grund einer chronischen Erkrankung regelmäßig erhebliche Ausfallzeiten auf-
weisen wird, die Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze. Je nach Lauf-
bahn kann sich die Prognose danach auf mehrere Jahrzehnte erstrecken. Die
damit verbundenen Unwägbarkeiten werden noch durch die Komplexität von
medizinisch fundierten Vorhersagen über den voraussichtlichen Verlauf einer
Erkrankung verschärft. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Einschätzung der ge-
sundheitlichen Entwicklung, sondern auch im Hinblick auf den medizinischen
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Fortschritt. Künftige Präventions- und Heilmethoden können zum Zeitpunkt der
Eignungsprognose noch nicht in die Bewertung einbezogen werden. Vielfach ist
auch die Wechselwirkung und damit Ursächlichkeit einzelner Faktoren für das
Risiko schwerwiegender Symptombildungen noch nicht sicher erforscht. Zudem
kann nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch nicht davon ausgegangen
werden, der teilweise Ausfall der Lebensdienstzeit von Beamten sei in nen-
nenswertem Umfang auf solche Krankheiten zurückzuführen, die zum Zeitpunkt
der Einstellungsentscheidung vorhersehbar waren. Vielmehr geht dies regel-
mäßig auf erst nachträglich eingetretene Umstände zurück (Urteil vom 25. Juli
2013 a.a.O. Rn. 16 ff.).
Daher kann der Dienstherr einem Bewerber die gesundheitliche Eignung für die
angestrebte Laufbahn nur dann absprechen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte
die Annahme rechtfertigen, er werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor
Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit
vorzeitig in den Ruhestand versetzt oder er werde mit überwiegender Wahr-
scheinlichkeit bis zur Pensionierung über Jahre hinweg regelmäßig krankheits-
bedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit auf-
weisen (im Anschluss an das Urteil vom 25. Juli 2013). Dabei kann die gesund-
heitliche Eignung nur im Hinblick auf Erkrankungen, insbesondere chronische
Erkrankungen verneint werden, nicht aber unter Berufung auf gesundheitliche
Folgen, die mit dem allgemeinen Lebensrisiko, wie z.B. einem Unfall bei sportli-
chen Aktivitäten des Bewerbers, verbunden sind.
Ist zum Zeitpunkt der Begründung des Beamtenverhältnisses auf Probe oder
auf Lebenszeit eine Erkrankung des Bewerbers bereits bekannt, so ist der Ein-
tritt der dauernden Dienstunfähigkeit des Bewerbers vor Erreichen der gesetzli-
chen Altersgrenze oder von regelmäßigen und erheblichen Ausfallzeiten über
Jahre hinweg überwiegend wahrscheinlich, wenn für die Richtigkeit dieser An-
nahme nach objektiven Gesichtspunkten derart gewichtige Gründe sprechen,
dass andere denkbare Möglichkeiten vernünftigerweise nicht maßgeblich in Be-
tracht kommen.
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Lassen sich vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit oder krankheitsbedingte er-
hebliche und regelmäßige Ausfallzeiten nach Ausschöpfen der zugänglichen
Beweisquellen weder feststellen noch ausschließen („non liquet“), so geht dies
zu Lasten des Dienstherrn. Denn die Voraussetzungen für die Annahme der
mangelnden gesundheitlichen Eignung eines Bewerbers im Sinne von § 31
Abs. 1 BBG a.F. sind nicht erfüllt.
Bloße Zweifel des Dienstherrn an der gesundheitlichen Eignung des Bewer-
bers, die den genannten Anforderungen nicht genügen, sind dagegen unerheb-
lich. Soweit der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung für die Annahme
mangelnder gesundheitlicher Eignung des Bewerbers auch „nachhaltige Zwei-
fel“ des Dienstherrn, insbesondere aufgrund von erheblichen krankheitsbeding-
ten Fehlzeiten, hat ausreichen lassen, wird diese aufgegeben (Urteil vom
18. Juli 2001 - BVerwG 2 A 5.00 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 60 S. 2 und Be-
schluss vom 16. September 1986 - BVerwG 2 B 92.86 - Buchholz 232 § 31
BBG Nr. 39 S. 16 m.w.N.). Auch bei längeren oder wiederkehrenden krank-
heitsbedingten Fehlzeiten während der Probezeit ist auf der Grundlage aussa-
gekräftiger ärztlicher Stellungnahmen zu klären, ob der Beamte wegen der die-
sen Fehlzeiten zugrundeliegenden Erkrankung mit überwiegender Wahrschein-
lichkeit vor Erreichen der Regelaltersgrenze wegen Dienstunfähigkeit in den
Ruhestand versetzt werden muss. Gleiches gilt, wenn der Beamte erhebliche
und regelmäßige Ausfallzeiten aufweisen wird.
Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und
psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkun-
gen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Das individuelle Leistungs-
vermögen muss in Bezug zu den körperlichen Anforderungen der Dienstposten
gesetzt werden, die den Statusämtern der betreffenden Laufbahn zugeordnet
sind. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizini-
sche Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt.
Für die Prognose über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszu-
standes des Bewerbers muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medi-
zinische Tatsachenbasis auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkennt-
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nisse und seiner Verfassung erstellen. Der Arzt muss das Ausmaß der Ein-
schränkungen feststellen und deren voraussichtliche Bedeutung für die Leis-
tungsfähigkeit sowie für die Erfüllung der dienstlichen Anforderungen medizi-
nisch fundiert einschätzen. Er muss in seiner Stellungnahme Anknüpfungs- und
Befundtatsachen darstellen, seine Untersuchungsmethoden erläutern und seine
Hypothesen sowie deren Grundlage offen legen. Auf dieser Grundlage hat er
unter Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand
des Bewerbers eine Aussage über die voraussichtliche Entwicklung des Leis-
tungsvermögens zu treffen, die den Dienstherrn in die Lage versetzt, die
Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung eigenverantwortlich zu beantworten
(Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 23).
Als Grundlage für die vom Dienstherrn oder vom Gericht zu treffende Entschei-
dung über die gesundheitliche Eignung eines Bewerbers reicht die nicht näher
belegte Einschätzung eines Mediziners über den voraussichtlichen Verlauf der
beim Bewerber bestehenden Erkrankung nicht aus. Sofern statistische Er-
kenntnisse über die gewöhnlich zu erwartende Entwicklung einer Erkrankung
herangezogen werden sollen, sind diese nur verwertbar, wenn sie auf einer be-
lastbaren Basis beruhen. Dafür muss über einen längeren Zeitraum hinweg ei-
ne signifikante Anzahl von Personen beobachtet worden sein. Zudem ist es bei
der medizinischen Bewertung zu berücksichtigen, wenn der individuelle Krank-
heitsverlauf des Betroffenen Besonderheiten gegenüber den statistischen Er-
kenntnissen aufweist.
Die Notwendigkeit, einen Arzt hinzuzuziehen, bedeutet aber nicht, dass diesem
die Entscheidungsverantwortung für das gesundheitliche Eignungsurteil über-
tragen werden darf. Vielmehr wird der Arzt als Sachverständiger tätig, auf des-
sen Hilfe die zuständige Behörde und das Gericht angewiesen sind, um die not-
wendigen Feststellungen treffen zu können. Die Behörde muss - ebenso wie
das Gericht - die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen inhaltlich nach-
vollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden. Im Hinblick auf
die Verwertbarkeit der ärztlichen Stellungnahme muss geprüft werden, ob Zwei-
fel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Arztes bestehen, dieser von
zutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgegangen ist und die entschei-
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dungserheblichen Fragen plausibel und nachvollziehbar abgehandelt hat. Ge-
gebenenfalls muss darauf hingewirkt werden, dass der Arzt seine Ausführungen
ergänzt, oder es ist ein weiterer Arzt, insbesondere ein Facharzt, einzuschalten
(Urteile vom 21. Juni 2007 - BVerwG 2 A 6.06 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG
Nr. 35 Rn. 22 f. und vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 11).
2. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsge-
richts kann der Senat nicht entscheiden, ob die Klägerin zum maßgeblichen
Zeitpunkt des Ablaufs der Probezeit nach Maßgabe der dargelegten Grundsät-
ze im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG a.F. gesundheitlich ungeeignet
und deshalb zu entlassen war. Die mündlichen Erläuterungen des gerichtlichen
Sachverständigen Prof. Dr. K. in der Berufungsverhandlung, denen das Ober-
verwaltungsgericht gefolgt ist, sind nicht verwertbar. Diese gutachtliche Stel-
lungnahme leidet an rechtserheblichen Mängeln.
Ein Sachverständigengutachten kann seine Aufgabe, dem Gericht die zur Fest-
stellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde
zu vermitteln, nicht erfüllen, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder un-
lösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Vo-
raussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der
Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Urteil vom 19. Dezember 1968
- BVerwG 8 C 29.67 - BVerwGE 31, 149 <156>; Beschlüsse vom 10. März
1977 - BVerwG 6 B 38.76 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 21 S. 6 und
vom 31. Oktober 2012 - BVerwG 2 B 33.12 - NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 34). Dies
gilt auch für mündliche Darlegungen eines Sachverständigen zur Erläuterung
des schriftlichen Gutachtens nach § 411 Abs. 3 ZPO.
Nach diesen Grundsätzen konnte das Oberverwaltungsgericht seine Einschät-
zung, die Klägerin sei gesundheitlich nicht geeignet und sei deshalb zu Recht
entlassen worden, nicht auf die lediglich mündlichen Ausführungen des Gutach-
ters Prof. Dr. K. in der Berufungsverhandlung stützen. Die Stellungnahme des
Gutachters beruht insoweit auf einer erkennbar unzureichenden tatsächlichen
Grundlage.
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Zum einen hat dieser bei seinen mündlichen Ausführungen zum chronifizierten
Schmerzsyndrom der Klägerin nicht gewürdigt, dass die Schmerzbehandlung
mit Botox ab September 2006 erfolgreich war. Nach der Niederschrift über die
letzte Berufungsverhandlung hat der Gutachter dort selbst ausgeführt, seine
Feststellung eines chronifizierten Schmerzsyndroms wäre unrichtig, wenn bei
der Klägerin eine Therapieform nachhaltig angeschlagen hätte. Zum anderen
hätte der Gutachter vor seiner entscheidenden Aussage zum Vorliegen eines
chronifizierten Schmerzsyndroms die Unterlagen des behandelnden Arztes ein-
sehen müssen. Ohne Prüfung der Unterlagen über die intensive und lang an-
dauernde Schmerztherapie war eine sachverständige Äußerung über das
Schmerzsyndrom, das den Gutachter zur geänderten Beantwortung der ihm
gestellten Beweisfrage veranlasst hat, nicht möglich.
Das Oberverwaltungsgericht hat nunmehr zu klären, ob die Klägerin zum Ablauf
ihrer Probezeit neben der Bandscheibenerkrankung noch an einer weiteren
Krankheit litt, die es in ihrer Gesamtheit als überwiegend wahrscheinlich mach-
ten, dass sie mit der Folge einer erheblich geringeren Lebensdienstzeit vor Er-
reichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhe-
stand zu versetzen sein oder über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt
ausfallen wird.
3. § 31 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. bestimmt, dass in dem hier gegebenen Fall des
Satzes 1 Nr. 2 bei allein mangelnder gesundheitlicher Eignung § 42 Abs. 3
BBG a.F. sinngemäß anzuwenden ist. Auf diese Regelung, deren Verletzung
zur Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung führt, ist das Oberverwaltungs-
gericht im angegriffenen Urteil nicht eingegangen.
Die sinngemäße Anwendung dieser Vorschrift über die Versetzung eines Le-
benszeitbeamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit auf den Fall der
Entlassung eines Probebeamten wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung
muss der gegenüber § 42 Abs. 3 BBG a.F. geänderten Ausgangslage Rech-
nung tragen. Bei einem dauernd dienstunfähigen Lebenszeitbeamten soll ent-
sprechend dem Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ von der Zur-
ruhesetzung abgesehen werden, wenn ihm ein anderes Amt derselben oder
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einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Demgegenüber kommt es für
die anderweitige Verwendung eines Probebeamten darauf an, ob der Betroffe-
ne noch für einen ausreichend großen Teil der Dienstposten der gesamten bis-
herigen Laufbahn oder für eine andere Laufbahn, für die der Beamte die Befä-
higung besitzt oder voraussichtlich erwerben wird, mit insgesamt geringeren ge-
sundheitlichen Anforderungen gesundheitlich geeignet ist. Die aus § 42 Abs. 3
BBG a.F. folgende Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendung (Ur-
teil vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz
232 § 42 BBG Nr. 25 jeweils Rn. 25 ff.) besteht im Einzelfall nicht, wenn ihr
Zweck von vornherein nicht erreicht werden kann. Dies ist anzunehmen, wenn
die Erkrankung des Beamten von solcher Art oder Schwere ist, dass dieser für
sämtliche Dienstposten der betreffenden oder einer anderen Laufbahn, in die
der Beamte wechseln könnte, ersichtlich gesundheitlich ungeeignet ist. Auch
diese Frage hat das Oberverwaltungsgericht im erneuten Berufungsverfahren
zu klären, falls es erneut zu dem Ergebnis kommt, der Klägerin fehle die ge-
sundheitliche Eignung.
4. Wird die gesundheitliche Eignung der Klägerin festgestellt, so ist nach § 31
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG a.F. für die Entscheidung der Rechtmäßigkeit der Ent-
lassungsverfügung auch die fachliche Eignung der Klägerin während der Pro-
bezeit zu klären. Insoweit steht der Beklagten aber ein gerichtlich nur be-
schränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
5. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht auch über
den gerichtlich geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Ernennung zur
Beamtin auf Lebenszeit zu entscheiden haben, den es im angegriffenen Urteil
nicht beschieden hat. Dieser Anspruch besteht, wenn feststeht, dass sich die
Klägerin in der Probezeit bewährt hat.
Rechtsgrundlage dieses Anspruchs der Klägerin auf Ernennung zur Beamtin
auf Lebenszeit ist § 9 Abs. 2 BBG a.F. (vgl. § 147 Abs. 2 Satz 1 BBG in der
Fassung des Gesetzes zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund
und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 15. März 2012,
BGBl I S. 462). Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BBG a.F. ist ein Beamtenverhältnis auf
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Probe spätestens nach fünf Jahren in ein solches auf Lebenszeit umzuwandeln,
wenn der Beamte die beamtenrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt, d.h.
wenn er sich bewährt hat. Ansonsten ist er zu entlassen. Nach Satz 2 verlän-
gert sich die Frist um die Zeit einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge. Der An-
spruch setzt neben den Anforderungen des § 7 BBG a.F. die Vollendung des
27. Lebensjahres sowie die Bewährung des Probebeamten in der Probezeit
voraus. Dagegen ist nicht von Bedeutung, ob eine entsprechende Planstelle frei
ist.
Die Probezeit dient der Klärung der Frage der Bewährung des Probebeamten.
Während dieser Zeit hat der Beamte seine allseitige Eignung, unter Einschluss
der gesundheitlichen Eignung, für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf
Lebenszeit nachzuweisen. Entsprechend diesem Zweck der Probezeit und der
ihm obliegenden Fürsorgepflicht ist der Dienstherr gehalten, unverzüglich nach
ihrem Ablauf eine Entscheidung über die Bewährung des Beamten zu treffen
(Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit oder Entlassung) und damit
zugleich dem Beamten Klarheit über seinen künftigen Berufsweg zu verschaf-
fen (Urteil vom 24. November 1988 - BVerwG 2 C 24.87 - Buchholz 237.6 § 39
NdsLBG Nr. 7 S. 8).
Da für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit die Erkenntnisse
bis zum Ablauf der Probezeit maßgeblich sind, ist der Beurteilungszeitpunkt des
Verpflichtungsbegehrens mit dem der Anfechtungsklage gegen die Entlas-
sungsverfügung identisch. Es können nur solche Umstände Eingang in die Ent-
scheidung finden, die während der Probezeit bekannt geworden sind oder die
zwar nach Ablauf der Probezeit eingetreten sind, aber Rückschlüsse auf die
Bewährung des Beamten in der laufbahnrechtlichen Probezeit zulassen (Urteil
vom 25. Februar 1993 - BVerwG 2 C 27.90 - BVerwGE 92, 147 <151 f.> =
Buchholz 237.7 § 9 NWLBG Nr. 1 S. 5 m.w.N.).
Domgörgen
Dr. Heitz
Thomsen
Dr. Hartung
Rothfuß
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B e s c h l u s s
vom 6. Dezember 2013
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren gemäß §§ 40, 47 Abs. 1 und 3
sowie § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG a.F. auf 63 185,20 € festgesetzt.
Domgörgen
Dr. Heitz
Dr. Hartung
Sachgebiet:
BVerwGE: ja
Beamtenrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
BBG a.F.
§ 9, § 31 Abs. 1, § 42
BLV a.F.
§ 7
Stichworte:
Gesundheitliche Eignung; maßgeblicher Zeitpunkt; Ablauf der Probezeit; Ent-
lassung von Beamten auf Probe; Beamte auf Lebenszeit; mangelnde Bewäh-
rung; Anstellung; Kinderbetreuungszeiten; körperliche Anforderungen; Beurtei-
lungsspielraum; prognostische Beurteilung; fundierte medizinische Tatsachen-
grundlage; überwiegende Wahrscheinlichkeit; dauernde Dienstunfähigkeit; re-
gelmäßige krankheitsbedingte Ausfallzeit; Lebensdienstzeit; Ruhestandszeit;
Prognosemaßstab; statistische Erkenntnisse; Verwertbarkeit eines ärztlichen
Sachverständigengutachtens.
Leitsatz:
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung eines
Probebeamten ist der Ablauf der Probezeit, nicht der Zeitpunkt des Erlasses der
letzten Verwaltungsentscheidung.
Einem Beamten auf Probe fehlt die gesundheitliche Eignung für die Berufung in
das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die
Annahme rechtfertigen, er werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Er-
reichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vor-
zeitig in den Ruhestand versetzt. Die gesundheitliche Eignung fehlt auch, wenn
er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zum Erreichen der gesetzlichen
Altersgrenze über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen und
deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen wird (im An-
schluss an Urteil vom 25. Juli 2013 - BVerwG 2 C 12.11 -).
Urteil des 2. Senats vom 30. Oktober 2013 - BVerwG 2 C 16.12
I. VG Berlin vom 29.06.2009 - Az.: VG 7 A 147.08 Berlin -
II. OVG Berlin-Brandenburg vom 05.09.2011 - Az.: OVG 6 B 20.09 -