Urteil des BVerwG vom 26.11.2009

Nhg, Hochschule, Juristische Person, Universität

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 16.08
OVG 5 LB 342/07
Verkündet
am 26. November 2009
Weikinnis
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Heitz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Nieder-
sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Dezember
2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigelade-
nen, die dieser selbst trägt.
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G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen die Übernahme in ein Beamtenverhältnis mit der
beklagten Stiftung. Er wurde im Juni 1974 unter Berufung in ein Beamten-
verhältnis auf Lebenszeit von dem beigeladenen Land zum ordentlichen Pro-
fessor ernannt und in eine entsprechende Planstelle an der Universität G. ein-
gewiesen. Dort wurde dem Kläger der Lehrstuhl für … übertragen. Zugleich
wurde er zum Direktor des Universitätsinstituts für diesen Fachbereich bestellt.
Im Februar 1999 wurde der Kläger emeritiert.
Nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 können
Hochschulen auf ihren Antrag von der Trägerschaft des Beigeladenen in die
Trägerschaft einer rechts- und dienstherrnfähigen Stiftung des öffentlichen
Rechts überführt werden. Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Oktober
2002 beschloss der Senat der Universität G. am 16. Oktober 2002 mit einer
Mehrheit von zwölf der dreizehn stimmberechtigten Mitglieder, den Überfüh-
rungsantrag zu stellen. Daraufhin erließ die Landesregierung am 17. Dezember
2002 die Stiftungsverordnung über die Errichtung der Beklagten. Diese Verord-
nung trat am 1. Januar 2003 in Kraft.
Im Januar 2003 ordnete der Präsident der Beklagten die Übernahme des Klä-
gers in deren Dienst an. In dem Bescheid heißt es, das Beamtenverhältnis des
Klägers werde mit der Beklagten fortgesetzt, die als neuer Dienstherr an die
Stelle des Beigeladenen trete. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene, in
erster Instanz erfolgreiche Klage hat das Oberverwaltungsgericht auf die Beru-
fung der Beklagten abgewiesen. In den Gründen des Berufungsurteils heißt es
im Wesentlichen:
Eine dienstherrnfähige juristische Person des öffentlichen Rechts könne Beam-
te eines anderen Dienstherrn gegen deren Willen in ihren Dienst übernehmen,
wenn ihr Aufgaben aus dem Zuständigkeitsbereich des bisherigen Dienstherrn
übertragen worden seien. Dieser unfreiwillige Dienstherrnwechsel setze voraus,
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dass das Amt des Beamten bei seinem bisherigen Dienstherrn von dem Aufga-
benübergang berührt werde. Das Amt müsse in einen anderen rechtlichen Ver-
antwortungszusammenhang gestellt werden.
Diese Voraussetzung liege für diejenigen Beamten des Beigeladenen vor, die
am 1. Januar 2003 an der Universität G. tätig gewesen seien. Der Übergang
der Trägerschaft auf die Beklagte habe dazu geführt, dass diese an Stelle des
Beigeladenen für die personelle und sachliche Ausstattung der Universität ver-
antwortlich sei. Nunmehr müsse die Beklagte die an der Universität eingerichte-
ten Ämter, insbesondere die Professorenstellen, mit Beamten besetzen.
Die beklagte Stiftung sei rechtswirksam errichtet worden. Hierfür komme es
allein auf die Gültigkeit der Stiftungsverordnung an. Diese werde von der Nich-
tigkeit der gleichzeitig erlassenen Verordnung über den Bereich Humanmedizin
der Universität G. nicht berührt. Auch komme es für die Errichtung der Beklag-
ten nicht darauf an, ob der Landesgesetzgeber ihr das Eigentum an den für den
Hochschulbetrieb benötigten Grundstücken habe übertragen können. Es reiche
aus, dass deren dauerhafte Nutzung durch die Universität sichergestellt sei.
Die Hochschulträgerschaft einer Stiftung sei mit den verfassungsrechtlichen
Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Der Trägerwechsel habe kei-
ne nachteiligen Auswirkungen auf die freie wissenschaftliche Betätigung in For-
schung und Lehre. Die Universität bleibe als Körperschaft bestehen, ihre aka-
demische Selbstverwaltung werde nicht angetastet. Das Land stelle durch die
jährliche Finanzhilfe an die Stiftung weiterhin die für den Wissenschaftsbetrieb
erforderlichen Finanzmittel bereit. Die Stiftung unterliege der Rechtsaufsicht des
Fachministeriums.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung von
Bundesverfassungsrecht und einfachem Bundesrecht rügt.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsge-
richts vom 5. Dezember 2007 aufzuheben und die Beru-
fung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsge-
richts Göttingen vom 29. März 2006 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat
zu Recht angenommen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Über-
nahme des Klägers in den Dienst der Beklagten vorgelegen haben. Die Beklag-
te ist rechtswirksam als rechts- und dienstherrnfähige juristische Person des
öffentlichen Rechts errichtet worden.
1. Die Übernahme des im Dienst des Beigeladenen stehenden Klägers in ein
Beamtenverhältnis mit der Beklagten findet ihre Rechtsgrundlage in § 128
Abs. 4 dritte Fallgruppe und Abs. 3, §§ 133, 121, 129 Abs. 3 und 4 des Beam-
tenrechtsrahmengesetzes - BRRG - in der Fassung der Bekanntmachung vom
31. März 1999 (BGBl S. 654). Diese Bestimmungen stellten im hier maßgeben-
den Jahr 2003 wie alle Vorschriften des Kapitels II des Beamtenrechtsrahmen-
gesetzes kein von den Ländern auszufüllendes Rahmenrecht dar, sondern gal-
ten einheitlich und unmittelbar als Bundesrecht. Sie begründeten Rechte und
Pflichten für alle Beamten und ihre Dienstherren.
Die Regelungen des § 128 Abs. 2 bis 4 BRRG ermöglichen, den Dienstherrn
der Beamten ohne deren Zustimmung zu wechseln. Sie verstoßen nicht gegen
Art. 33 Abs. 5 GG. Ein hergebrachter Grundsatz des Inhalts, dass Beamte auf
Lebenszeit einem neuen Dienstherrn nicht gegen ihren Willen zugewiesen wer-
den dürfen, besteht nicht, weil er sich bis zum Ende der Weimarer Republik
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nicht herausgebildet hat. Vielmehr wurden zwischen 1918 und 1932 verstärkt
gesetzliche Regelungen eingeführt, die Beamte bei Umbildungen oder Ände-
rungen der Aufgaben dienstherrnfähiger Körperschaften verpflichteten, in den
Dienst eines anderen Dienstherrn zu treten (BVerfG, Beschluss vom 26. No-
vember 1963 - 2 BvL 12/62 - BVerfGE 17, 172 <187 f.>).
Übernahme im Sinne von § 128 Abs. 2 bis 4 BRRG bedeutet, dass das Dienst-
verhältnis der Beamten zu ihrem bisherigen Dienstherrn, der abgebenden Kör-
perschaft, beendet und gleichzeitig ein neues Dienstverhältnis zu der aufneh-
menden Körperschaft begründet wird. Der Dienstherrnwechsel wird konstitutiv
durch Verwaltungsakt herbeigeführt, den gemäß § 129 Abs. 3 und 4 BRRG die
aufnehmende Körperschaft erlässt (Urteil vom 27. Oktober 1970 - BVerwG 6 C
8.69 - BVerwGE 36, 179 <183 f.> = Buchholz 230 § 128 BRRG Nr. 1). Nach
§ 130 Abs. 1 Satz 1 BRRG soll sie den übernommenen Beamten ein Amt über-
tragen, das ihrem bisherigen Amt gleichwertig ist (Urteil vom 11. Juli 1975
- BVerwG 6 C 44.72 - BVerwGE 49, 64 <65 f.> = Buchholz 230 § 130 BRRG
Nr. 1). Als Körperschaft gelten alle juristischen Personen des öffentlichen
Rechts mit Dienstherrnfähigkeit (§ 133 BRRG). Hierzu gehören Körperschaften,
Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, denen das Recht, Beamte zu
haben, durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung verliehen wird (§ 121 Nr.
2 BRRG).
Die Aufzählung des § 121 Nr. 2 BRRG beschränkt die Dienstherrnfähigkeit nicht
auf bestimmte Typen juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Es gibt
keine Rechtsnormen, die die Wesensmerkmale von Typen verbindlich fest-
legen. Das öffentliche Verwaltungsorganisationsrecht kennt weder einen Ty-
penzwang für rechtsfähige juristische Personen noch einen numerus clausus
der Organisationsformen. Vielmehr steht dem Gesetzgeber ein weiter Spiel-
raum für die Gestaltung ihrer Organisation zu, der auch eine Kombination der
Merkmale verschiedener Typen deckt (Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-
Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, S. 913 f.; Kluth,
in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 3, 5. Aufl., § 89 Rn. 26 f.).
Daher ist unerheblich, dass die nach Maßgabe der §§ 55 ff. des Nie-
dersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) vom 24. Juni 2002 (GVBl S. 286)
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errichteten Stiftungen die Voraussetzungen einer Stiftung bürgerlichen Rechts
nicht erfüllen, weil sie ohne die jährliche Finanzhilfe des Landes nicht lebensfä-
hig wären. Es ist ausgeschlossen, dass sie den Stiftungszweck, die Hochschule
zu unterhalten und zu fördern, durch die Erträge des Grundstockvermögens
und durch Zustiftungen auch nur annähernd erfüllen können (vgl. Reuter, in:
Münchner Kommentar, BGB, 5. Aufl., §§ 80, 81 Rn. 49 m.w.N.).
Nach § 128 Abs. 4 dritte Fallgruppe und Abs. 3 BRRG sind die Beamten einer
Körperschaft, deren Aufgaben vollständig oder teilweise auf eine andere Kör-
perschaft übergehen, zu einem verhältnismäßigen Teil in den Dienst der auf-
nehmenden Körperschaft zu übernehmen. Unter einem Übergang von Aufga-
ben ist eine Verlagerung abstrakter Zuständigkeiten durch Rechtssatz oder
Verwaltungsvorschrift zu verstehen (Urteile vom 2. April 1981 - BVerwG 2 C
35.78 - BVerwGE 62, 129 <130> = Buchholz 230 § 128 BRRG Nr. 4 und
BVerwG 2 C 23.78 - Buchholz 230 § 128 BRRG Nr. 5 S. 10 f.). Nach dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind Übernahmen nur zulässig, soweit sie
wegen des Aufgabenübergangs unumgänglich sind. Daher kommen nur Beam-
te in Betracht, deren dienstlicher Aufgabenbereich, d.h. deren Amt im konkret-
funktionellen Sinn, durch den Aufgabenübergang berührt wird. Für den
Dienstherrnwechsel ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass das Amt des
Beamten derjenigen Aufgabe zugeordnet ist, die aus der Zuständigkeit der ab-
gebenden Körperschaft in diejenige der aufnehmenden Körperschaft übergeht.
Im Hinblick auf die Änderung der Zuständigkeit für die Aufgabenwahrnehmung
wird ein Amt, das für diese Aufgabe eingerichtet ist, in den Bereich der auf-
nehmenden Körperschaft verlagert und somit in einen anderen organisations-
rechtlichen Zusammenhang gestellt. Danach kommt es für die Übernahme ge-
mäß § 128 Abs. 4 dritte Fallgruppe und Abs. 3 BRRG gerade nicht darauf an,
dass sich der konkrete Aufgabenbereich des Amtsinhabers und die an ihn ge-
richteten dienstlichen Anforderungen ändern (Urteil vom 2. April 1981
- BVerwG 2 C 35.78 - a.a.O. <132 f.>).
Der Übergang der Trägerschaft für eine Hochschule vom Land auf eine Stiftung
führt zu einem vollständigen Übergang der damit verbundenen Aufgaben und
hat deshalb zur Folge, dass alle Ämter von Landesbeamten, die an der Hoch-
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schule eingerichtet sind, insbesondere auch die Ämter (Lehrstühle) der Profes-
soren, nunmehr der Stiftung zugeordnet sind.
Nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 hat der
Träger der Hochschule die Aufgabe, diese Hochschule zu unterhalten und zu
fördern. Er trägt die Verantwortung für die personelle und sachliche Ausstattung
der Hochschule und gewährleistet die freie wissenschaftliche Betätigung in
Forschung und Lehre. Das Stiftungsmodell nach §§ 55 ff. NHG sieht vor, dass
das Land die Trägerschaft für eine Hochschule auf deren Antrag auf eine
rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts übertragen kann (§ 55 Abs. 1
Satz 1, § 58 Abs. 1 NHG). Mit dem Übergang der Trägerschaft übernimmt die
Stiftung an Stelle des Landes die Aufgabe, die Hochschule zu unterhalten und
zu fördern (§ 55 Abs. 2 NHG). Sie nimmt die staatlichen Angelegenheiten, dar-
unter die Personalverwaltung als eigene Angelegenheiten wahr (§ 55 Abs. 3,
§ 47 Satz 2 Nr. 1 NHG). Da der Stiftung kraft Gesetzes Dienstherrnfähigkeit
verliehen ist, kann sie der Hochschule die erforderlichen Beamten zur Verfü-
gung stellen. Dienstvorgesetzter dieser Beamten ist der Präsident der Hoch-
schule, der zugleich Präsident der Stiftung ist (§ 58 Abs.1 Satz 1 und 2, Abs. 3,
§ 59 Abs. 1 NHG).
Der Übergang der mit der Trägerschaft verbundenen Aufgabe, die Hochschule
zu unterhalten und zu fördern, auf die Stiftung berührt alle an der Hochschule
eingerichteten Ämter im konkret-funktionellen Sinne. Zwar bleiben deren Auf-
gabenbereiche unverändert. So haben die Professoren nach wie vor die Aufga-
be, ihr Fach in Forschung und Lehre zu vertreten. Jedoch ist diese Aufgabe
aufgrund des Trägerwechsels nunmehr der Stiftung zugeordnet. Diese trägt an
Stelle des Landes die Verantwortung für die Einrichtung und sachliche Ausstat-
tung der Ämter sowie für deren personelle Besetzung. Daran ändert nichts,
dass das Land weiterhin die Personalkosten trägt, die es der Stiftung durch eine
jährliche Finanzhilfe bereitstellt.
Dies gilt gleichermaßen für diejenigen Professoren, die zum Zeitpunkt des Trä-
gerwechsels emeritiert sind. Sie haben zwar kein Amt im konkret-funktionellen
Sinne mehr inne, weil sie von ihren Dienstpflichten entbunden sind. Jedoch ist
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ihnen durch die Emeritierung das Recht verliehen, auch nach Erreichen der
gesetzlichen Altersgrenze an der Universität wissenschaftlich tätig zu sein. Sie
dürfen Aufgaben in Forschung und Lehre wahrnehmen, ohne dazu verpflichtet
zu sein (Hartmer, in Flämig: Handbuch des Wissenschaftsrechts, Band 1,
2. Aufl., S. 534 f.).
Der Präsident der Beklagten war für die Übernahme des Klägers in den Dienst
der Beklagten ebenso zuständig wie für den Erlass des Widerspruchsbescheids
(§ 129 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 BRRG; § 58 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 NHG;
§ 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG).
2. Die Beklagte wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2003 als dienstherrnfähige
Person des öffentlichen Rechts wirksam errichtet und übernahm die Träger-
schaft der Universität G.
Das Niedersächsische Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 knüpft die Errich-
tung einer Stiftung mit dem Zweck, die Trägerschaft einer Hochschule zu über-
nehmen, an zwei Voraussetzungen. Zum einen bedarf es eines Antrags der
Hochschule auf Überführung in die Trägerschaft einer Stiftung, der vom Senat
mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder beschlossen werden muss
(§ 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 NHG). Zum anderen bedarf es einer Rechtsverord-
nung, die die Landesregierung mit dem gesetzlich vorgegebenen Inhalt erlässt
(§ 55 Abs. 1 Satz 1 und 3 NHG). Das Inkrafttreten dieser Stiftungsverordnung
löst wiederum zwei gesetzliche Rechtsfolgen aus: Zum einen entsteht die Stif-
tung als rechts- und dienstherrnfähige juristische Person des öffentlichen
Rechts. Zum anderen wird die Hochschule in ihre Trägerschaft überführt. Die
Stiftung löst in dem Augenblick ihrer Errichtung das Land als Träger der Hoch-
schule ab, ohne dass es eines weiteren Rechtsaktes bedarf (§ 55 Abs. 1
Satz 1, § 58 Abs. 1 Satz 1 NHG).
Diese gesetzlichen Errichtungsvoraussetzungen liegen hier vor: Der Senat der
Universität G. beschloss mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit, den Über-
führungsantrag zu stellen. Die Landesregierung erließ die Verordnung über die
Errichtung der Beklagten vom 17. Dezember 2002 - StiftVO-UGÖ - (GVBl
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S. 812), die am 1. Januar 2003 in Kraft trat. In deren § 1 Abs. 1 heißt es, der
Beigeladene errichte die Beklagte als rechtsfähige Stiftung des öffentlichen
Rechts. Nach § 2 Abs. 1 obliegt der Beklagten die Trägerschaft der Universität
G.
a) Der Überführungsantrag wurde rechtswirksam beschlossen. Der bei Inkraft-
treten des neuen Hochschulgesetzes am 1. Oktober 2002 bestehende Senat
war für die Beschlussfassung zuständig.
Das Niedersächsische Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 hat die Hochschul-
verfassung wesentlich verändert. Es hat die Stellung des Präsidiums der Hoch-
schule in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten erheblich gestärkt, während
der Senat als verbliebenes zentrales Kollegialorgan in den Hintergrund tritt (vgl.
Ipsen, NdsVBl 2002, 257).
Nach § 72 Abs. 1 Satz 4 NHG war der bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes
bestehende ebenso wie der nach Satz 1 der Vorschrift bis zum 31. Januar 2003
zu wählende Senat für die gesetzlichen Aufgaben des Senats zuständig.
Demnach war der am 1. Oktober 2002 bestehende Senat für die Wahrnehmung
aller dem Senat gesetzlich zugewiesenen Aufgaben zuständig, solange ihn der
nach § 72 Abs. 1 Satz 1 NHG neu gewählte Senat noch nicht abgelöst hatte.
Der Landesgesetzgeber hat zwar die Aufgaben des Senats durch das
Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 grundlegend neu gestaltet. Wie § 72
Abs. 1 Satz 4 NHG zeigt, hat er daraus aber nicht den Schluss gezogen, die
Ausübung grundsätzlicher und neuartiger Befugnisse des Senats dem bis
31. Januar 2003 neu zu wählenden Gremium vorzubehalten. Vielmehr sollte der
Senat, der noch auf der Grundlage des alten, am 1. Oktober 2002 außer Kraft
getretenen Hochschulgesetzes in der Fassung vom 24. März 1998 (GVBl S.
300) gewählt worden war, bis zur Neuwahl als Übergangssenat amtieren, ohne
inhaltlichen Beschränkungen zu unterliegen (vgl. Ipsen a.a.O. <260>).
Daher war der Senat der Universität G. in der am 1. Oktober 2002 bestehenden
personellen Zusammensetzung zwar nicht verpflichtet, aber gemäß § 72 Abs. 1
Satz 4, § 55 Abs. 1 Satz 2 NHG berechtigt, rechtsverbindlich darüber zu ent-
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scheiden, ob die Universität den Antrag auf Überführung in die Trägerschaft
einer Stiftung stellte. Er musste diese Entscheidung trotz ihrer herausragenden
Bedeutung für die Universität nicht dem neu zu wählenden Senat überlassen.
Die Zuständigkeit des Übergangssenats für diese Entscheidung gemäß § 72
Abs. 1 Satz 4, § 55 Abs. 1 Satz 2 NHG verstößt nicht gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1
GG. Danach muss die gesetzliche Hochschulverfassung die freie wis-
senschaftliche Betätigung der Hochschullehrer gewährleisten. Der effektive
Schutz der Wissenschaftsfreiheit erfordert organisationsrechtliche Vorkehrun-
gen, die eine strukturelle Gefährdung der Freiheit von Forschung und Lehre
ausschließen. Bei Zuständigkeit eines Kollegialorgans der Hochschule in wis-
senschaftsrelevanten, d.h. Forschung und Lehre betreffenden Angelegenheiten
muss organisatorisch sichergestellt sein, dass es wissenschaftsadäquate Ent-
scheidungen treffen kann. Hierfür ist erforderlich, dass die Gruppe der Hoch-
schullehrer in Angelegenheiten, die unmittelbar Fragen der Forschung betref-
fen, ausschlaggebenden Einfluss besitzt. Sie muss in derartigen Angelegenhei-
ten über die absolute Stimmenmehrheit in dem Kollegialorgan verfügen. Ent-
sprechendes gilt für die Berufung von Hochschullehrern (BVerfG, Urteil vom
29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71 und 325/72 - BVerfGE 35, 79 <129 ff.> und Be-
schluss vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911, 927, 928/00 - BVerfGE 111, 333
<355 f.>).
Diesen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG genügte der am 1. Oktober
2002 bestehende Übergangssenat, weil die absolute Mehrheit, nämlich sieben
der dreizehn stimmberechtigten Mitglieder, der Gruppe der Hochschullehrer an-
gehörte (§ 97 Abs. 1 Satz 1, § 83 Abs. 1 NHG vom 24. März 1998). Art. 5 Abs.
3 Satz 1 GG begründet keine Vorgaben für die Mindestgröße und die Dauer der
Amtsperiode eines Kollegialorgans mit Entscheidungszuständigkeiten in
wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten. Auch steht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG
Entscheidungen in Angelegenheiten nicht entgegen, die dem Kollegialorgan
erst nach seiner Wahl übertragen werden. Dies gilt auch für Angelegenheiten
von weit reichender Bedeutung. Schließlich ist es verfassungsrechtlich nicht
geboten, dass alle Fakultäten (Fachbereiche) in dem zentralen Kollegialorgan
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der Hochschule vertreten sind (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004
a.a.O. <351>).
b) Die Stiftungsverordnung vom 17. Dezember 2002 - StiftVO-UGÖ - war
rechtswirksam. Insbesondere blieb sie von der Nichtigkeit der Verordnung über
den Bereich Humanmedizin der Universität G. vom gleichen Tag
- HumanmedGöVO - (GVBl S. 836) unberührt.
Die Verordnung über den Bereich Humanmedizin war bei ihrem Erlass nichtig,
weil die gesetzliche Verordnungsermächtigung des § 46 Abs. 2 Satz 1 und 2
NHG in der Fassung des Gesetzes vom 24. Juni 2002 ihrerseits nichtig war. Sie
verstieß gegen den bundesverfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes, der
auch für die Landesgesetzgebung gilt (vgl. Urteil vom 20. März 2008
- BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG
Nr. 94, jeweils Rn. 10). Der Landesgesetzgeber hat dem Fachministerium durch
§ 46 Abs. 2 Satz 2 NHG eine unzulässige Blankettermächtigung für die
Regelung der Organisationsstrukturen der Bereiche Humanmedizin der Hoch-
schulen erteilt. Das Fachministerium sollte von allen Organisationsnormen des
Hochschulgesetzes abweichen dürfen, ohne an inhaltliche Vorgaben gebunden
zu sein. Darüber hinaus fehlte es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage
für §§ 9 ff. HumanmedGöVO, die die gesetzlich festgelegten Stiftungsorgane für
Stiftungen, denen die Trägerschaft einer Hochschule mit Bereich Human-
medizin übertragen war, um den erweiterten Stiftungsrat und die Organe des
Bereichs Humanmedizin ergänzten.
Die Nichtigkeit dieser Verordnung konnte weder die Errichtung der Beklagten
als juristische Person des öffentlichen Rechts noch die Überführung der Uni-
versität G. in ihrer Gesamtheit in die Trägerschaft der Beklagten verhindern.
Wie unter 2. a) dargelegt hing der Eintritt dieser Rechtsfolgen nach § 55 Abs. 1
Satz 1 NHG ausschließlich davon ab, dass aufgrund des Überführungsantrags
der Universität eine Stiftungsverordnung mit dem gesetzlich vorgesehenen
Mindestinhalt erlassen wurde. Beides ist durch § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Stift-
VO-UGÖ geschehen. Auf die Rechtswirksamkeit der Organisationsstrukturen
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der Fakultäten und Bereiche der Universität kam es in diesem Zusammenhang
nicht an.
Darüber hinaus hat der Landesgesetzgeber die rechtsstaatlichen Defizite der
Verordnungsermächtigung des § 46 Abs. 2 NHG durch Art. 1 Nr. 3 des Ände-
rungsgesetzes vom 22. Januar 2004 (GVBl S. 33) mit Wirkung vom 1. Januar
2003 behoben und durch Art. 1 Nr. 4 bis 7 dieses Gesetzes die Grundlagen für
die besonderen Stiftungsorgane in Angelegenheiten des Bereichs Humanmedi-
zin geschaffen (§ 59 Abs. 3, §§ 60a, 60b, 61 Abs. 4 NHG).
Die Anordnung der rückwirkenden Geltung dieser Regelungen ab dem 1. Janu-
ar 2003 durch Art. 2 Abs. 1 Satz 2 des Änderungsgesetzes verstößt nicht gegen
das Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG. Der Gesetzgeber kann das
Rückwirkungsverbot durchbrechen und rechtlich einwandfreie Normen rückwir-
kend in Kraft setzen, um eine unwirksam geregelte, unklare oder verworrene
Rechtslage zu klären (BVerfG, Beschlüsse vom 25. Mai 1993 - 1 BvR 1509,
1648/91 - BVerfGE 88, 384 <404> und vom 8. April 1998 - 1 BvR 1680/93, 183,
1580/94 - BVerfGE 98, 17 <39>; BVerwG, Urteile vom 5. Dezember 1986
- BVerwG 4 C 31.85 - BVerwGE 75, 262 <267> = Buchholz 406.11 § 155a
BBauG Nr. 5 und vom 4. Mai 2006 - BVerwG 9 C 3.05 - BVerwGE 126, 14 =
Buchholz 407.2 § 19 EKrG Nr. 2, jeweils Rn. 16).
So liegt der Fall hier: Bis zum Erlass des Änderungsgesetzes vom 22. Januar
2004 fehlten sowohl die gesetzlichen Grundlagen für verordnungsrechtliche
Regelungen der Organisation des Bereichs Humanmedizin als auch gesetzliche
Regelungen für die besonderen Organe von Stiftungen, denen die Trägerschaft
für eine Hochschule mit einem derartigen Bereich übertragen ist. Entgegenste-
hende Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes sind nicht ersichtlich.
c) Die Rechtswirksamkeit der Stiftungsverordnung vom 17. Dezember 2002 und
damit der Errichtung der Beklagten hängt nicht davon ab, ob das Eigentum und
die dinglichen Rechte des Landes an den für den Hochschulbetrieb benötigten
Grundstücken gemäß § 55 Abs. 1 Satz 4 und 5 NHG im Falle des Trägerwech-
sels unmittelbar aufgrund Gesetzes auf die Stiftung übergingen.
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Wären diese gesetzlichen Regelungen wegen der konkurrierenden Gesetzge-
bungszuständigkeit des Bundes für das bürgerliche Recht gemäß Art. 74 Abs. 1
Nr. 1 GG nichtig, so käme den gesetzlich vorgesehenen Grundstücksverzeich-
nissen in den Stiftungsverordnungen keine Bedeutung zu. Dies würde aber
nicht zur Folge haben, dass die gesamte Stiftungsverordnung nichtig und damit
die Errichtung der Stiftung hinfällig wäre. Das Oberverwaltungsgericht hat revi-
sionsrechtlich bindend festgestellt, dass die Grundstücke dem Hochschulbetrieb
dauerhaft zur Verfügung stehen, selbst wenn das Land Eigentümer oder
dinglich Berechtigter geblieben ist.
Daher kann die Stiftung ihre Aufgabe, den Wissenschaftsbetrieb der Hochschu-
le zu gewährleisten, auch ohne Eigentum an den hierfür benötigten Grundstü-
cken erfüllen. Die Erträge dieser Grundstücke, die nach § 56 Abs. 1 NHG das
Grundstockvermögen der Stiftung bilden sollen, fallen für die Finanzierung der
Hochschule nicht ins Gewicht. Sie werden regelmäßig weniger Erträge abwer-
fen als Unterhaltungskosten verursachen. Das Stiftungsmodell der §§ 55 ff.
NHG ist so angelegt, dass die Hochschule nicht durch diese Erträge, sondern
durch die jährliche Finanzhilfe des Landes an die Stiftung finanziert wird. Die
Stiftung reicht die staatlichen Mittel nach Maßgabe ihres Wirtschaftsplans an
die Hochschule weiter (§ 56 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 Nr. 6 NHG).
3. Das Stiftungsmodell der §§ 55 ff. des Niedersächsischen Hochschulgesetzes
vom 24. Juni 2002 leidet nicht an grundlegenden verfassungsrechtlichen Defizi-
ten, die eine rechtswirksame Errichtung von Stiftungen und die Überführung
von Hochschulen in deren Trägerschaft auf dieser gesetzlichen Grundlage
ausgeschlossen hätten. Das Land kommt seiner verfassungsrechtlich gebote-
nen Finanzierungsverantwortung auch für Hochschulen in Trägerschaft einer
Stiftung nach und kann eine wirkungsvolle Rechtsaufsicht über die Hochschule
sicherstellen.
Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG müssen die für das Hochschulwesen zuständigen
Länder die personellen, finanziellen und organisatorischen Mittel bereitstellen,
die zur Unterhaltung funktionsfähiger Hochschulen mit einem freien Wissen-
schaftsbetrieb erforderlich sind. Ohne diesen Einsatz des Staates kann in wei-
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ten Bereichen der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften,
keine unabhängige Forschung und wissenschaftliche Lehre mehr betrieben
werden (BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 a.a.O. <114 f.> und Beschluss vom
26. Oktober 2004 a.a.O. <354>). Dabei ist der Landesgesetzgeber nicht auf
bestimmte Organisationsstrukturen und Finanzierungsmodelle für die Hoch-
schulen festgelegt. Ihre mittelbare Finanzierung ist ebenso zulässig wie eine
unmittelbare. Die gesetzlichen Regelungen dürfen jedoch den Wissenschafts-
betrieb an den Hochschulen und die freie wissenschaftliche Betätigung struktu-
rell nicht gefährden. Die ungehinderte Forschung und Lehre müssen ebenso
gewährleistet sein wie deren Förderung durch eine finanzielle Mindestausstat-
tung der Hochschullehrer (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 a.a.O.
<355>).
a) Mit der Überführung einer Hochschule in die Trägerschaft einer Stiftung geht
die Aufgabe, die Hochschule zu unterhalten und zu fördern, nach § 55 Abs. 2
NHG vom Land auf die Stiftung über. Zwischen Land und Hochschule bestehen
keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen mehr. Die Hochschule erhält die für
den Wissenschaftsbetrieb erforderlichen Mittel von der Stiftung. Das Land
nimmt jedoch seine verfassungsrechtliche Finanzierungsverantwortung weiter-
hin wahr, indem es der Stiftung aus Haushaltsmitteln die jährliche Finanzhilfe
zur Verfügung stellt, durch die es den Betrieb der Hochschule gewährleistet
(§ 56 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 57 NHG). Die Finanzhilfe ist nach Aufwendungen
für einzelne Aufgaben und Bereiche der Hochschule wie etwa Lehrangebot,
Grundausstattung der Forschung, fachliche Schwerpunkte und wissenschaftli-
cher Nachwuchs, aufgeschlüsselt. An diese Zweckbestimmungen der Mittel ist
die Stiftung gebunden (§ 56 Abs. 3 Satz 2 NHG). Die Aufwendungen werden
nach den grundlegenden Entwicklungs- und Leistungszielen der Hochschule
bemessen, die sich aus der für mehrere Jahre abgeschlossenen Zielvereinba-
rung zwischen Fachministerium, Hochschule und Stiftung ergeben. Die Zielver-
einbarung enthält Regelungen etwa über die Einrichtung oder Schließung von
Studiengängen, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Si-
cherung der Qualität von Lehre und Forschung und die Festlegung der For-
schungsschwerpunkte. Zugleich sind Regelungen über die staatliche Finanzie-
rung zu treffen (§ 1 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 NHG). Auch stellt das Land die
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Mittel für Besoldung, Versorgung und Beihilfe der Beamten der Stiftung bereit
(vgl. auch Gesetz vom 11. Dezember 2002, GVBl S. 768).
b) Die aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgende Verantwortung des Landes für den
freien Wissenschaftsbetrieb an den Hochschulen erfordert eine wirkungsvolle
Rechtsaufsicht über die Hochschulen. Sie ist auch nach dem Übergang der
Trägerschaft auf eine Stiftung möglich.
Nach § 55 Abs. 4 NHG übt die Stiftung die Rechtsaufsicht über die Hochschule
aus. Da das Präsidium der Hochschule zugleich Organ der Stiftung ist, obliegt
diese Aufgabe dem Stiftungsrat (§ 59 Abs. 1, § 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 NHG).
Dabei wird der Stiftungsrat ohne das vom Senat der Hochschule entsandte Mit-
glied tätig (§ 60 Abs. 3 Satz 3 NHG). Er bereitet Aufsichtsmaßnahmen vor und
führt sie gegenüber der Hochschule oder, wenn sie sich aus der Überwachung
ihres Präsidiums ergeben, gegenüber diesem durch (§ 60 Abs. 3 Satz 1 und 2
NHG).
Aus der Besetzung des Stiftungsrats und seiner rechtlichen Stellung ergeben
sich durchgreifende Zweifel, ob er in der Lage ist, die Hochschule, insbesonde-
re deren Präsidium, wirkungsvoll zu beaufsichtigen (vgl. Ipsen, NdsVBl 2003, 1
<3>). Der Stiftungsrat besteht in der Mehrheit aus ehrenamtlich tätigen Mitglie-
dern (§ 60 Abs. 1 Satz 2 NHG). Seine Beschlüsse werden vom Präsidium vor-
bereitet und ausgeführt (§ 61 Abs. 1 Satz 1 NHG). Demzufolge ist der Stiftungs-
rat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben auf die Informationen und Vorarbei-
ten des Präsidiums angewiesen, das sich wiederum auf das sachkundige Per-
sonal der Hochschule stützen kann. Auf diese notwendigen Hilfen kann der
Stiftungsrat nicht zurückgreifen, wenn es darum geht, die Rechtsaufsicht über
Hochschule und Präsidium zu führen. Das Gesetz zeigt nicht auf, mit welchen
Mitteln der Stiftungsrat Aufsichtsmaßnahmen vorbereiten soll, wie er sich etwa
aufsichtsrelevante Informationen beschaffen und auf ihre Richtigkeit prüfen soll.
Die verfassungsrechtlich gebotene Wirksamkeit der Rechtsaufsicht des Stif-
tungsrats muss durch das Fachministerium sichergestellt werden. Das Gesetz
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räumt ihm die erforderlichen Befugnisse ein, um eine wirkungsvolle Rechtsauf-
sicht des Stiftungsrats sicherzustellen:
Die Stiftung unterliegt ihrerseits der Rechtsaufsicht des Fachministeriums, dem
die herkömmlichen Aufsichtsmaßnahmen zur Verfügung stehen (§ 62 Abs. 1
NHG). Dies betrifft vor allem die Wahrnehmung der staatlichen Angelegenhei-
ten durch die Stiftung (§ 55 Abs. 3, § 47 Satz 2 NHG). Bei der Ausübung der
Rechtsaufsicht über die Hochschule ist die Stiftung an die Weisungen des
Fachministeriums gebunden (§ 62 Abs. 2 NHG). Diese Vorschrift ist im Hinblick
auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verfassungskonform dahingehend auszulegen,
dass das Fachministerium nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, die
Ausübung der Rechtsaufsicht durch den Stiftungsrat inhaltlich uneingeschränkt
zu steuern. Insbesondere muss das Fachministerium den Stiftungsrat bei der
Aufklärung möglicherweise aufsichtsrelevanter Vorgänge und bei der Vorberei-
tung von Aufsichtsmaßnahmen unterstützen. Das Weisungsrecht darf nicht zu-
rückhaltender wahrgenommen werden als die Rechtsaufsicht über Hochschulen
in der Trägerschaft des Landes nach § 51 Abs. 1 NHG.
c) Von den gesetzlichen Regelungen über die personelle Zusammensetzung
des Stiftungsrats geht bei verfassungskonformer Auslegung keine strukturelle
Gefährdung für die Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG aus
(vgl. zu den Voraussetzungen der verfassungskonformen Auslegung Urteile
vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <316> = Buchholz
240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 6 und vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 22.07 -
BVerwGE 131, 242 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 265, jeweils Rn. 25 m.N. zur
Rspr des BVerfG).
Der Stiftungsrat besteht aus sieben Mitgliedern. Mitglieder sind neben jeweils
einem Vertreter des Senats der Hochschule und des Fachministeriums fünf mit
dem Hochschulwesen vertraute, der Hochschule nicht angehörende Personen.
Die Mitglieder werden vom Fachministerium im Einvernehmen mit dem Senat
der Hochschule bestellt und können vom Fachministerium aus wichtigem Grund
entlassen werden. Sie sind ehrenamtlich tätig und an Aufträge und Weisungen
nicht gebunden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 bis 3 NHG).
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Dem Stiftungsrat sind bedeutende Aufgaben in Angelegenheiten der Hoch-
schule übertragen. Wie bereits dargestellt führt er die Rechtsaufsicht über die
Hochschule, d.h. auch über das Präsidium (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7, Abs. 3
NHG). Er ernennt oder bestellt und entlässt die Mitglieder des Präsidiums der
Hochschule, das zugleich Organ der Stiftung ist (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 38
Abs. 2 Satz 1 NHG). Er wirkt an der Berufung der Professoren mit (§ 58 Abs. 2
Satz 1 bis 4 NHG). Der Wirtschaftsplan des Präsidiums unterliegt seiner Zu-
stimmung (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, § 57 Abs. 1 NHG).
Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert,
Entscheidungs- und Mitwirkungsbefugnisse in wissenschaftsrelevanten, d.h.
Forschung und Lehre betreffenden Angelegenheiten der Hochschule auf Gre-
mien zu übertragen, die sowohl gegenüber dem Fachministerium als auch ge-
genüber den Organen der Hochschule unabhängig sind. Eine verfassungs-
rechtliche Grenze ist ihm aber insoweit gesetzt, als von gesetzlichen Regelun-
gen der Hochschulorganisation keine strukturelle Gefährdung der durch Art. 5
Abs. 3 Satz 1 GG geschützten freien wissenschaftlichen Betätigung ausgehen
darf. Der Gesetzgeber muss die Wissenschaftsadäquanz der Entscheidungen
in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten sicherstellen. Dies betrifft etwa die
Forschungsplanung, die Planung des Lehrangebots, die Abstimmung zwischen
Forschungsvorhaben und Lehrangeboten, Errichtung und Einsatz wissenschaft-
licher Einrichtungen, die Studien- und Prüfungsordnungen sowie Personalent-
scheidungen. In diesen Bereichen muss der Gruppe der Hochschullehrer zu-
mindest maßgebender, in Fragen der Forschung ausschlaggebender Einfluss
eingeräumt werden. Dies ist der Fall, wenn dieser Gruppe die absolute Mehrheit
der Stimmen in dem entscheidungszuständigen Gremium zusteht (BVerfG,
Urteil vom 29. Mai 1973 a.a.O. <119 ff.>; Beschluss vom 26. Oktober 2004
a.a.O. <363 f.>).
Danach kann die in §§ 55 ff. NHG vorgesehene Übertragung von Aufgaben auf
den Stiftungsrat noch hingenommen werden, wenn dem Senat der Hochschule
dauerhaft ausschlaggebender Einfluss auf die personelle Zusammensetzung
des Stiftungsrats eingeräumt wird. Die maßgebenden Vorschriften sind einer
derartigen Auslegung zugänglich. Im Senat stellt die Gruppe der Hochschulleh-
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rer die absolute Mehrheit der Mitglieder mit Stimmrecht (§ 41 Abs. 4 Satz 5
NHG), sodass die nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gebotene Mitwirkung dieser
Gruppe gewährleistet wird.
Die Mitglieder des Stiftungsrats werden vom Fachministerium im Einvernehmen
mit dem Senat der Hochschule bestellt (§ 60 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NHG). Somit
kann niemand gegen den Willen des Senats Mitglied des Stiftungsrats werden.
Jede Bestellung setzt voraus, dass ihr der Senat vorab zugestimmt hat. Daher
obliegt dem Senat zu beurteilen, ob eine zur Bestellung anstehende Person das
gesetzliche Anforderungsprofil der Vertrautheit mit dem Hochschulwesen erfüllt.
Erforderlich ist eine besondere Sachkunde auf dem Gebiet des Hoch-
schulwesens.
Jedes Mitglied des Stiftungsrats kann vom Fachministerium aus wichtigem
Grund entlassen werden (§ 60 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NHG). Bei der Auslegung
des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes ist dem verfassungs-
rechtlich gebotenen Einfluss des Senats Rechnung zu tragen. So kann der Se-
nat die Voraussetzungen einer Entlassung in der Grundordnung der Hochschu-
le konkretisieren (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und 2 NHG). Unabhängig davon muss
dem Votum des Senats maßgebende Bedeutung für die Entscheidung des
Fachministeriums zukommen. Dies gilt sowohl für Entlassungsverlangen des
Senats als auch für dessen Ablehnung einer vom Fachministerium ins Auge
gefassten Entlassung.
d) Auch die gesetzlichen Regelungen für die Wahl des Präsidiums der Hoch-
schule können so ausgelegt werden, dass der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ge-
forderte Einfluss des Senats sichergestellt wird.
Bei Hochschulen in Trägerschaft einer Stiftung ist das Präsidium kraft Gesetzes
zugleich Organ der Stiftung (§ 59 Abs. 1 NHG). Das Niedersächsische Hoch-
schulgesetz vom 24. Juni 2002 hat die Befugnisse des Präsidiums der Hoch-
schule erheblich ausgeweitet (§ 37 NHG). Seine Stellung ist zu Lasten des Se-
nats erheblich gestärkt worden (Ipsen, NdsVBl 2002, 257 ff.). Aus diesem
Grund ist es unabdingbar, dass die Besetzung des Präsidiums dem ausschlag-
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gebenden Einfluss des Senats unterliegt (vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973
a.a.O. <144>).
Dem Präsidium gehören der Präsident und die Vizepräsidenten an, deren Zahl
die vom Senat erlassene Grundordnung bestimmt (§ 37 Abs. 4 Satz 1 und 2,
§ 41 Abs. 1 Satz 2 NHG). Sie werden vom Stiftungsrat auf Vorschlag des Se-
nats ernannt oder bestellt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 NHG, § 38 Abs. 2 Satz 1,
§ 39 Satz 1 NHG). Die verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschriften
ergibt, dass der Stiftungsrat an den Vorschlag des Senats gebunden ist. Er
muss den vom Senat vorgeschlagenen Bewerber ernennen, wenn der Ernen-
nung oder Bestellung keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Weiterhin
setzt die Sicherung des Einflusses des Senats voraus, dass dieser nicht an den
Vorschlag der Findungskommission gebunden ist, ihn vielmehr aus nachvoll-
ziehbaren Gründen zurückweisen kann (§ 38 Abs. 2 Satz 2 bis 5, § 39 Satz 1
NHG).
Der Senat kann ein Mitglied des Präsidiums abwählen und damit dem Stif-
tungsrat die Entlassung vorschlagen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 40 Satz 1
NHG). Der Stiftungsrat muss dem Vorschlag Folge leisten, wie durch das ge-
setzliche Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit für den Abwahlbeschluss un-
terstrichen wird (vgl. Ipsen, NdsVBl 2003, 1 <2>). Die Bindung der Abwahl an
eine qualifizierte Mehrheit kann in Anbetracht der auf sechs, bei Wiederwahl auf
acht Jahre begrenzten Amtsdauer der Mitglieder des Präsidiums hingenommen
werden (§ 38 Abs. 3 Satz 1, § 39 Satz 3 NHG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es ent-
spricht der Billigkeit, dem Kläger nicht die außergerichtlichen Kosten des Beige-
ladenen aufzuerlegen, weil dieser keinen Sachantrag gestellt und damit kein
Kostenrisiko eingegangen ist.
Herbert
Groepper
Dr. Heitz
Thomsen
Dr. Maidowski
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