Urteil des BVerwG vom 03.07.2003

Vergütung, Verordnung, Bekanntmachung, Besoldung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 15.02
Verkündet
VG 8 A 10/00 MD
am 3. Juli 2003
Schütz
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , Dr. K u g e l e ,
G r o e p p e r und Dr. B a y e r
für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 28. Januar 2002
wird aufgehoben.
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Es wird festgestellt, dass sich die dem Kläger zustehende Vollstre-
ckungsvergütung ohne Anwendung des § 2 Abs. 1 der 2. Besol-
dungs-Übergangsverordnung berechnet.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist Gerichtsvollzieher bei dem Amtsgericht M. Dessen Präsident errechnete die
Vollstreckungsvergütung des Klägers für die Jahre 1998, 1999 und 2000 in der Weise, dass
er den Betrag, auf den sich der dem Gerichtsvollzieher als Vergütung zustehende 15 v.H.-
Anteil der von ihm vereinnahmten Gebühren beläuft, nach der Bemessungsregelung des § 2
Abs. 1 der 2. Besoldungs-Übergangsverordnung kürzte. Mit seiner Klage hat sich der Kläger
gegen diese Kürzung gewandt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zu
Recht habe der Beklagte bei der Berechnung der Vollstreckungsvergütung neben § 1 der
Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung auch § 2 der 2. Besoldungs-Übergangsverord-
nung herangezogen. Weil beide Vorschriften unterschiedliche Zwecke verfolgten, seien sie
nebeneinander anwendbar.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision
eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt
das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 28. Januar 2002
aufzuheben und festzustellen, dass sich die dem Kläger zustehende
Vollstreckungsvergütung ohne Anwendung des § 2 Abs. 1 der
2. Besoldungs-Übergangsverordnung berechnet.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
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II.
Die Revision ist begründet. Die dem Kläger zustehende Vollstreckungsvergütung wird nicht
nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 2. Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen
nach Herstellung der Einheit Deutschlands (2. Besoldungs-Übergangsverordnung
- 2. BesÜV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. November 1997 (BGBl I S. 2764), zuletzt
geändert durch Art. 10 des 6. Besoldungsänderungsgesetzes vom 14. Dezember 2001
(BGBl I S. 3702), gekürzt.
§ 2 Abs. 1 der 2. BesÜV bestimmt, dass sich die Dienstbezüge für Beamte, Richter und Sol-
daten, die von ihrer erstmaligen Ernennung an im Beitrittsgebiet verwendet werden, auf ei-
nen - im Zeitraum 1998 bis 2000 zwischen 85 und 87 liegenden - Vom-Hundertsatz der für
das bisherige Bundesgebiet jeweils geltenden Dienstbezüge belaufen. Bereits aufgrund sei-
nes Wortlauts ist § 2 Abs. 1 Satz 2 2. BesÜV nicht auf die Vollstreckungsvergütung der Ge-
richtsvollzieher anwendbar.
Die Vollstreckungsvergütung gehört zwar zu den Dienstbezügen (§ 1 Abs. 2 Nr. 5, § 49
BBesG). Sie stellt jedoch keine "für das bisherige Bundesgebiet jeweils geltenden Dienstbe-
züge" dar, wie die Bemessungsvorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV dies voraus-
setzt. Eine für das bisherige Bundesgebiet geltende Vollstreckungsvergütung gibt es nicht.
Nach der seit ihrem Erlass in unveränderter Fassung geltenden Vorschrift des § 1 Abs. 1 der
Verordnung über die Vergütung für Beamte im Vollstreckungsdienst (Vollstreckungsvergü-
tungsverordnung - VollstrVergV) vom 8. Juli 1976 (BGBl I S. 1783), nunmehr geltend i.d.F.
der Bekanntmachung vom 6. Januar 2003 (BGBl I S. 8), erhalten die im Außendienst be-
schäftigten Gerichtsvollzieher (planmäßige und hilfsweise beschäftigte Beamte) als Vergü-
tung einen Anteil an den vereinnahmten Gebühren, der im gesamten Bundesgebiet 15 v.H.
der tatsächlich erzielten Gebühreneinnahmen beträgt (vgl. § 1 Abs. 2 VollstrVergV). Diese
Bemessungsgrundlage ist eine variable Größe. Mit der Vollstreckungsvergütung partizipiert
der Gerichtsvollzieher an den Einnahmen, die er aufgrund eigener Anstrengungen dem Staat
verschafft hat. Die Höhe der Vergütung ist von dem wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit
abhängig. Dieser "Erfolg" hängt von zahlreichen Faktoren wie der gesetzlich festgesetzten
Höhe der Gebühren, der Anzahl und der Art der Aufträge, der Zahlungsfähigkeit der
Vollstreckungsschuldner und dem Einsatz des Gerichtsvollziehers ab. Die Vollstreckungs-
vergütung ist deshalb eine "Anspornvergütung", die den Gerichtsvollziehern von jeher die
Möglichkeit eröffnet hat, durch Tüchtigkeit und rationelles Wirtschaften ein wesentlich über
ihren festen Dienstbezügen liegendes Einkommen zu erzielen (vgl. Urteil vom 25. Oktober
1972 - BVerwG 6 C 25.70 - BVerwGE 41, 95 <98>).
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Die von den individuellen Verhältnissen abhängige Vollstreckungsvergütung gehört nicht zu
den Dienstbezügen, die für das bisherige Bundesgebiet jeweils gelten. Diese Regelung er-
fasst nicht sämtliche Bezüge, die als Besoldung auch in den neuen Bundesländern gezahlt
werden. § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV normiert kein allgemeines Prinzip der Besoldungsabsen-
kung. Vielmehr beschränkt sich die Kürzungsregelung auf solche Besoldungsbestandteile,
die der Höhe nach bestimmt und in dieser Höhe prinzipiell einheitlich für das bisherige Bun-
desgebiet festgesetzt sind. Nur diese Bezüge können allgemein und ohne Rücksicht auf die
Verhältnisse im Einzelfall prozentual verringert werden.
Eine Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV auf die Vollstreckungsvergütung der
Gerichtsvollzieher wäre auch vom Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht mehr gedeckt. Sie
schreibt die Ermäßigung der Dienstbezüge der in den neuen Bundesländern tätigen Beam-
ten wegen der dort unterschiedlichen allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhält-
nisse vor (BVerfG, Beschluss vom 12.Februar 2003 - 2 BvL 3/00 -
vorgesehen>; Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 2 C 27.95 - BVerwGE 101, 116 <121 ff.>).
Diesen besonderen Verhältnissen ist bei der Besoldung der Gerichtsvollzieher bereits durch
die Absenkung der Vollstreckungsgebühren durch § 1 der Verordnung zur Anpassung der für
die Kostengesetze in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet geltenden
Ermäßigungssätze (Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung - KostGErmAV) vom 15. April
1996 (BGBl I S. 604) Rechnung getragen. Nach § 1 dieser Verordnung sind die Vollstre-
ckungsgebühren um 10 % ermäßigt, so dass schon aus diesem Grunde die Gebühren der
Gerichtsvollzieher in den neuen Bundesländern reduziert sind. Eine weitere Absenkung wäre
auch mit dem Anliegen einer Anspornvergütung schwerlich vereinbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Dr. Silberkuhl Prof. Dawin Dr. Kugele
Groepper Dr. Bayer
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B e s c h l u s s
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 1 140 €
(entspricht 2 332 DM) festgesetzt (vgl. die Aufstellung Bl. 22 ff., 103 ff. der Gerichtsakten).
Dr. Silberkuhl Prof. Dawin Dr. Bayer
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Besoldungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
2. BesÜV
§ 2 Abs. 1
BBesG
§ 1 Abs. 2 Nr. 5, § 49
VollstrVergV § 1
KostGErmAV § 1
Stichworte:
Vollstreckungsvergütung der Gerichtsvollzieher; Bemessung nach der 2. BesÜV; Vollstre-
ckungsgebühren; Ermäßigung der – im Beitrittsgebiet.
Leitsatz:
Die Vollstreckungsvergütung der Gerichtsvollzieher in den neuen Bundesländern unterliegt
nicht der Bemessungsregelung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV.
Urteil des 2. Senats vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 C 15.02
I. VG Magdeburg vom 28.01.2002 - Az.: VG 8 A 10/00 MD -