Urteil des BVerwG vom 31.03.2011

Gesetzlicher Vertreter, Nebentätigkeit, Vergütung, Juristische Person

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 12.09
OVG 1 A 2938/07
Verkündet
am 31. März 2011
Stowasser
Obersekretär
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Thomsen, Dr. Eppelt und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberver-
waltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger ist hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt …. 2001 wurde er zum
Mitglied eines Regionalbeirates einer Tochtergesellschaft der RWE AG beru-
fen. … ist an der RWE AG beteiligt und Gesellschafterin des Verbandes der
Kommunalen RWE - Aktionäre GmbH. Nach den Berufungsgrundsätzen des
Vorstandes der RWE - Tochtergesellschaft werden in die Regionalbeiräte, die
auch dem Dialog zwischen der Gesellschaft und ihren kommunalen Aktionären
dienen, u.a. Bürgermeister berufen, deren Kommunen mehr als 10.000 RWE
Aktien halten und Mitglieder in einem Verband kommunaler Aktionäre sind.
Durch Leistungsbescheid verpflichtete die Beklagte den Kläger zur Abführung
der Vergütung für die Beiratstätigkeit in den Jahren 2004 und 2005.
Nach erfolglosem Widerspruch hat das Verwaltungsgericht der auf Aufhebung
der Bescheide und auf Rückzahlung des unter Vorbehalt gezahlten Betrages
gerichteten Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewie-
sen:
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Dahinstehen könne, ob die Beiratstätigkeit zu den Pflichten des Hauptamtes
des Klägers zähle. Jedenfalls sei sie durch § 3 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung
über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter im Lande Nordrhein-Westfa-
len vom 21. September 1982 (NtV NRW) einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst
gleichgestellt, so dass § 13 Abs. 2 Satz 1 NtV NRW die Abführung verlange.
Wegen der Funktion der Regionalbeiräte als Gremien des Dialogs mit den
kommunalen Aktionären werde die Beiratstätigkeit im Hinblick auf die dienstli-
che Stellung als Hauptverwaltungsbeamter ausgeübt. Die Berufung von Vertre-
tern der Kommunen erfolge wegen ihrer kommunalrechtlichen Stellung. Bei der
Wahrnehmung dieser Aufgabe sei der Bürgermeister zur Wahrung kommunaler
Belange verpflichtet. Die Gleichstellung mit dem öffentlichen Dienst dürfe als
dem Nebentätigkeitsrecht immanentes Ziel den Aspekt der Verwertung dienst-
lich erworbenen Wissens berücksichtigen. Zwischen der Funktion als Bürger-
meister und der Tätigkeit im Regionalbeirat bestehe ein unmittelbarer Zusam-
menhang. Das Nebentätigkeitsrecht erlaube, dem Beamten die aus der Verwer-
tung von dienstlich erworbenem Wissen erlangte Vergütung nur begrenzt zu
belassen. Dass der Alimentationsgrundsatz nur einmal einen Anspruch auf an-
gemessenen Unterhalt gebe, sei bei Tätigkeiten mit spezifischem Bezug zum
Hauptamt zu berücksichtigen.
Der Kläger rügt die Verletzung von Landesbeamtenrecht.
Er beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 2008 aufzuhe-
ben und die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungs-
gerichts Düsseldorf vom 24. August 2007 zurückzuwei-
sen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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II
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend
entschieden, dass die Verpflichtung des Klägers zur Abführung der Vergütun-
gen aus der Beiratstätigkeit für die RWE - Tochtergesellschaft in den Jahren
2004 und 2005 durch Leistungsbescheid rechtmäßig war.
1. Handelte es sich bei der Beiratstätigkeit des Klägers um eine Nebentätigkeit
im Sinne des § 2 Abs. 1 NtV NRW, so unterläge er keiner Pflicht zur Abliefe-
rung der Vergütung aus § 13 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. in Verbindung mit § 3 Abs. 2
Nr. 3 NtV NRW.
Hiernach hat ein Beamter Vergütungen für Nebentätigkeiten im öffentlichen
Dienst insoweit an den Dienstherrn im Hauptamt abzuführen, als sie für die in
einem Kalenderjahr ausgeübten Tätigkeiten zusammengerechnet die Höchst-
grenze des Absatzes 1 in Höhe von 6.000 € übersteigen. Der Nebentätigkeit im
öffentlichen Dienst steht nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 NtV NRW eine Nebentätigkeit
für eine juristische Person gleich, die der Wahrung von Belangen einer Ge-
meinde dient oder die der Beamte im Hinblick auf seine dienstliche Stellung
ausübt.
Das Berufungsgericht sieht beide Alternativen des § 3 Abs. 2 Nr. 3 NtV NRW
erfüllt. Seiner Auslegung nach dient eine Tätigkeit im Regionalbeirat einer Akti-
engesellschaft in überwiegend privater Hand jedenfalls dann der Wahrung von
Belangen einer Gemeinde (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. NtV NRW), wenn der Haupt-
verwaltungsbeamte sie als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde für die Aktionä-
rin ausübt und dabei auch kommunalrechtlichen Bindungen an gemeindliche
Interessen und Beschlüsse unterliegt. Zudem wird nach Auslegung des Beru-
fungsgerichts eine Tätigkeit dann im Hinblick auf die dienstliche Stellung eines
Beamten ausgeübt (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. NtV NRW), wenn die Stellung eines
Hauptverwaltungsbeamten der Kommune notwendige Bedingung für die Über-
tragung der Tätigkeit durch den Unternehmensvorstand gewesen ist.
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Es kann dahin stehen, ob § 3 Abs. 2 Nr. 3 NtV NRW unwirksam ist, weil er den
dem Verordnungsgeber durch § 75 Satz 2 Nr. 1 des Landesbeamtengesetzes
des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom
1. Mai 1981 (LBG NRW a.F.) eingeräumten Regelungsspielraum überschreitet,
oder ob eine den Rahmen der Verordnungsermächtigung wahrende, ein-
schränkende Auslegung möglich wäre. Jedenfalls steht die Auslegung des § 3
Abs. 2 Nr. 3 NtV NRW durch das Berufungsgericht nicht in Einklang mit § 75
Satz 2 Nr. 1 LBG NRW a.F., der dem Verordnungsgeber in wesentlichen Kon-
turen vorgegeben hat, welche Tätigkeiten im Regelungsbereich des Nebentä-
tigkeitsrechts dem öffentlichen Dienst gleichgestellt werden dürfen.
Mit Beschluss vom 25. November 1980 (2 BvL 7, 8, 9/76 - BVerfGE 55, 207)
hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungskonformität der Vorgänger-
regelung des § 75 Satz 2 Nr. 1 LBG NRW a.F. festgestellt (BVerfG, a.a.O.,
BVerfGE 55, 207 <225>). Hiernach genügt die Norm rechtsstaatlichen Anforde-
rungen an die hinreichende Bestimmtheit deshalb, weil der dem Verordnungs-
geber eröffnete Regelungsbereich in seinen wesentlichen Konturen vorge-
zeichnet ist. Die Zusammenhänge, die dem Gesetzgeber für eine Gleichstel-
lung mit einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst wesentlich sind, leitet das
Bundesverfassungsgericht aus dem systematischen Zusammenhang mit ver-
schiedenen Normen des Landesbeamtenrechts ab und konkretisiert sie in einer
„Tendenzvorgabe“. Die Gleichstellung mit dem öffentlichen Dienst soll demzu-
folge Tätigkeiten auf Arbeitsstellen erfassen, die zum einen bei einer von der
öffentlichen Hand faktisch, sei es auch bloß wirtschaftlich, beherrschten Ein-
richtung bestehen, und für die zum anderen die Vergütung zumindest mittelbar
aus Beiträgen der öffentlichen Haushalte finanziert wird (BVerfG, a.a.O.,
BVerfGE 55, 207 <235>).
Da der hier anwendbare Halbsatz der Verordnungsermächtigung mit dem Wort-
laut der vom Bundesverfassungsgericht geprüften Vorgängernorm identisch ist
und in derselben Regelungstradition steht, gelten die Vorgaben des Bundesver-
fassungsgerichts auch für die Auslegung und Anwendung der Nebentätigkeits-
verordnung vom 21. September 1982.
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Der vom Bundesverfassungsgericht aus dem Regelungszusammenhang der
Verordnungsermächtigung abgeleiteten Vorgabe für den Verordnungsgeber
nach § 75 Satz 2 Nr. 1 LBG NRW a.F. liegt der Grundsatz der Einheit der öf-
fentlichen Kassen zugrunde. Dass gegen die Ablieferungspflicht für Vergütun-
gen aus Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst verfassungsrechtliche Beden-
ken nicht bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2007 - 2 BvR
1188/05 - BVerfGK 10, 186 <191-193>), folgt aus dem Zweck der Abliefe-
rungspflicht: Sie dient innerhalb der Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips
dem legitimen Ziel der Vermeidung einer Doppelalimentation aus öffentlichen
Kassen: Der Dienstherr genügt seiner Alimentationspflicht gegenüber dem Be-
amten, wenn er diesem die ihm zustehende Besoldung in der vollen, durch Ge-
setz festgesetzten Höhe zahlt und andere Bezüge, die die öffentliche Hand
aufgrund eines weiteren Beschäftigungsverhältnisses leistet, bis zu den
Höchstgrenzen der Nebentätigkeitsverordnung zur Entlastung seines öffentli-
chen Haushaltes einfordert (vgl. Beschluss vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 C
17.02 - Buchholz 237.8 § 72 RhPlBG Nr. 1 - Rn. 15). Dagegen ist das Recht
auf entgeltliche Verwertung der eigenen Arbeitskraft des Beamten durch eine
Nebentätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes durch Art. 2 Abs. 1 GG
bzw. Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Der Beamte darf diese Nebentätigkeiten ge-
gen Entgelt ausüben, wenn und soweit öffentliche Belange nicht beeinträchtigt
werden (vgl. Urteile vom 26. Juni 1980 - BVerwG 2 C 37.78 - BVerwGE 60, 254
<255>; vom 6. Dezember 1989 - BVerwG 6 C 52.87 - BVerwGE 84, 194 <197>
und vom 24. November 2005 - BVerwGE 2 C 32.04 - BVerwGE 124, 347
<353>). Die Gleichstellung einer Nebentätigkeit mit einer solchen im öffentli-
chen Dienst durch § 3 Abs. 2 NtV NRW greift in das Grundrecht des betroffe-
nen Beamten ein, weil sie eine Ablieferungspflicht aus § 13 Abs. 2 Satz 1 NtV
NRW begründet. Dies schließt aus, eine Pflicht zur Ablieferung der Vergütung
für eine erlaubte Nebentätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes zu be-
gründen, wenn die Vergütung auch nicht mittelbar aus öffentlichen Kassen
stammt. Eine derartige Pflicht würde gegen Art. 2 Abs. 1 bzw. Art. 12 Abs. 1
GG und als Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem auch gegen Art. 3
Abs. 1 GG verstoßen.
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Hiernach setzt § 75 Satz 2 Nr. 1 LBG NRW a.F. für die Gleichstellung einer Tä-
tigkeit eines Beamten für ein privates Unternehmen mit einer Nebentätigkeit im
öffentlichen Dienst voraus, dass das private Unternehmen faktisch, zumindest
wirtschaftlich von der öffentlichen Hand beherrscht wird und Vergütungen für
die Nebentätigkeit jedenfalls mittelbar aus Beiträgen der öffentlichen Hand fi-
nanziert. Die Auslegung und Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 3 NtV NRW durch
das Berufungsgericht stellt aber nicht darauf ab, dass und ob die RWE AG bzw.
eine ihrer Tochtergesellschaften zumindest wirtschaftlich von der öffentlichen
Hand beherrscht wird und Vergütungen für Mitglieder ihrer Regionalbeiräte zu-
mindest mittelbar aus öffentlichen Kassen finanziert. Dem Berufungsgericht
geht es bei Auslegung und Anwendung der Nebentätigkeitsverordnung aus-
drücklich nicht um die Vermeidung von Doppelzahlungen aus öffentlichen
Haushalten. Vielmehr stellt es fest, dass die Vergütung der Regionalbeiratstä-
tigkeit aus Mitteln der RWE Tochtergesellschaft und also nicht aus einem öf-
fentlichen Haushalt aufgebracht wird. Damit trägt die Auslegung und Anwen-
dung von § 3 Abs. 2 Nr. 3 NtV NRW durch das Berufungsgericht dem Grund-
satz der Einheit der öffentlichen Kassen als tragendem Aspekt der Gleichstel-
lung nicht Rechnung und überschreitet deshalb den gesetzlichen Rahmen der
Verordnungsermächtigung.
2. Das angegriffene Urteil ist aber aus anderen Gründen im Ergebnis zutreffend
(§ 144 Abs. 4 VwGO). Denn aus den Feststellungen des Berufungsgerichts
ergibt sich, dass die von ihm offen gelassene Frage nach der Zuordnung der
Regionalbeiratstätigkeit zum Hauptamt des Klägers mit der Folge zu bejahen
ist, dass eine Ablieferungspflicht mindestens in der durch den Leistungsbe-
scheid festgesetzten Höhe besteht. Ist die Tätigkeit Teil der Aufgaben des
Hauptamtes, so kann sie sie entgegen der Annahme des Berufungsgerichts
keine Nebentätigkeit darstellen (vgl. § 2 Abs. 2 NtV NRW).
Es kann dahinstehen, ob sich diese Rechtsfolge auch aus dem vom Beru-
fungsgericht angeführten § 76 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz LBG NRW a.F. in Ver-
bindung mit §§ 73 ff StGB ergibt. Jedenfalls greift hier § 75a LBG NRW a.F.
(nunmehr § 58 LBG NRW) ein. Hiernach hat ein Beamter eine Vergütung an
den Dienstherrn abzuführen, wenn er sie für eine Tätigkeit erhält, die er wie
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eine Nebenbeschäftigung ausübt, die aber zu seinen dienstlichen Aufgaben im
Haupt- oder Nebenamt gehört. Die Norm konkretisiert das allgemeine Verbot,
Belohnungen für eine zum Hauptamt gehörende Tätigkeit anzunehmen (vgl.
Urteil vom 23. April 1998 – BVerwG 2 C 19.97 – BVerwGE 106, 324 zu § 84
des Saarländischen Beamtengesetzes). Sie trägt dem Umstand Rechnung,
dass der Beamte für die Ausübung seines Amtes angemessen bereits durch
seine gesetzlich festgesetzte Besoldung alimentiert wird und stellt sicher, dass
der Beamte für die Wahrnehmung der Aufgaben seines Dienstpostens nicht
dadurch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Entgelt erhält, dass Teile seines
Pflichtenkreises unter Umgehung der strikten Gesetzesbindung des Besol-
dungsrechts als Nebenbeschäftigung behandelt werden.
Zwar nimmt die Zuordnung einer Aufgabe zu einem Hauptamt oder ihre Aus-
gestaltung als Nebenamt oder Nebentätigkeit grundsätzlich der Dienstherr kraft
seiner Organisationsgewalt vor (Urteile vom 17. Dezember 1981 - BVerwG 2 C
3.81 - Buchholz 237.6 § 80 LBG Niedersachsen Nr. 1 S. 2 m.w.N. und vom
23. April 1998 - BVerwG 2 C 19.97 - BVerwGE 106, 324 <326>). Hier ist jedoch
zu berücksichtigen, dass der Kläger als Bürgermeister Hauptverwaltungsbeam-
ter und nicht Laufbahnbeamter, sondern kommunaler Wahlbeamter ist. Damit
nimmt er eine besondere Stellung im demokratischen Gefüge ein (vgl. Urteil
vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 C 47.07 - Buchholz 239.1 § 66 BeamtVG Nr. 2
m.w.N.), ist er doch unmittelbar demokratisch legitimiert und Organ der Ge-
meinde. Dieser besondere Status schließt es aus, die Zuordnung einer einzel-
nen Tätigkeit zum Hauptamt des Bürgermeisters stets von einer Organisations-
entscheidung des Gemeinderates abhängig zu machen. Vielmehr bestimmt der
Amtsträger innerhalb der durch das Kommunalverfassungsrecht gezogenen
Grenzen selbst, welche konkreten Aufgaben mit kommunalem Bezug er in sei-
ner Amtszeit übernimmt und damit zum Teil seines Hauptamtes macht. Wird
einem Hauptverwaltungsbeamten die Übernahme eines an seine Amtsstellung
gebundenen Mandates im Beirat eines privaten Unternehmens, an dem die
Gemeinde beteiligt ist und dessen Leistungen zudem im Zusammenhang mit
der gemeindlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge stehen, angeboten, so nimmt
er mit der Annahme dieses Angebotes seine Befugnis wahr, den Pflichtenkreis
seines Hauptamtes zu konkretisieren. Jedenfalls dann, wenn die Amtsträger-
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schaft notwendige Voraussetzung der Berufung in einen Beirat eines Unter-
nehmens mit kommunaler Beteiligung ist, ist die Übernahme der Tätigkeit durch
einen Bürgermeister nicht mehr dem privaten Bereich und der Freizeit des Be-
amten zuzuordnen, in der er seine Arbeitskraft ohne Ablieferungspflichten ent-
geltlich verwerten darf.
Hier ergibt sich aus den die Anwendung von § 3 Abs. 2 Nr. 3 NtV NRW durch
das Berufungsgericht tragenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsur-
teils, dass die Regionalbeiratstätigkeit des Klägers seinem Hauptamt zuzuord-
nen ist:
Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung die Feststellung zugrunde, dass
die Position als Hauptverwaltungsbeamter notwendige Bedingung für die Beru-
fung in den Regionalbeirat durch den Unternehmensvorstand ist. Es schließt
dies aus dem Inhalt eines Schreibens des Unternehmensvorstandes an den
Kläger und aus den für die Berufung maßgeblichen Satzungsbestimmungen
des Unternehmens zur Funktion der Beiräte und zu den Anforderungen an ihre
Mitglieder. Die tatsächlichen Feststellungen zum Inhalt des Schreibens und der
Satzungen bzw. Berufungsgrundsätze des Unternehmens sind vom Kläger
nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden. Ihre Würdigung verstößt nicht
gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze und allgemeine Auslegungsgrundsätze
und ist daher nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Revisionsgericht bindend. Dass
die Amtsträgerschaft notwendige Bedingung der Berufung war, stellt die Revisi-
on im Übrigen nicht in Abrede. Ob weitere personenbezogene Auswahlkriterien
für die Berufung konkreter Personen hinzutreten, ist für die Amtsbezogenheit
der Berufung und damit der Tätigkeit unerheblich.
Ist der Kläger hiernach gerade in seiner Eigenschaft als Hauptverwaltungsbe-
amter und gesetzlicher Vertreter einer Gemeinde als Aktionärin in den Beirat
berufen worden, so geht das Berufungsgericht weiter zutreffend davon aus,
dass die Tätigkeit nicht als privat einzustufen ist. Dass die Wahrnehmung der
Beiratstätigkeit einen kommunalen Bezug aufweist, ergibt sich schon daraus,
dass die Kommune Gesellschafterin des fraglichen Unternehmens ist und dass
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dieses im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit Leistungen im Bereich der Da-
seinsvorsorge für Gemeindeeinwohner erbringt.
Das Berufungsgericht hat das nicht revisible Kommunalverfassungsrecht, ins-
besondere die §§ 63, 113 GemO NRW, in dem Sinne ausgelegt, dass es einer
Berufung des Klägers in den Beirat eines privaten Unternehmens und der
Wahrnehmung der Aufgabe durch ihn nicht entgegen steht. Die von der Revisi-
on aufgeworfene Frage nach dem Vorrang des Aktiengesetzes als Bundesrecht
vor landesrechtlichem Kommunalverfassungsrecht stellt sich im Zusammen-
hang mit der Frage nach der Zuordnung der Tätigkeit zum Hauptamt eines
Bürgermeisters nicht. Das Berufungsgericht geht jedenfalls ohne Verletzung
revisiblen Rechts davon aus, dass allein die Möglichkeit des Entstehens einzel-
ner Kollisionen von Pflichten aus unterschiedlichen Rechtskreisen nicht schon
für sich genommen die Wahrnehmung der Beiratstätigkeit durch einen Haupt-
verwaltungsbeamten ausschließt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Herbert
Dr. Heitz
Thomsen
Dr. Eppelt
Dr. Fleuß
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Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Beamtenrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
LBG NRW a.F.
§ 75 Satz 2 Nr. 1
§ 75a
§ 76 Abs. 2
NtV NRW
§ 2
§ 3 Abs. 2 Nr. 3
§ 13 Abs. 2 Satz 1 1. Alt.
Stichworte:
Abführung; Ablieferung; Nebentätigkeit; Vergütung; Aktiengesellschaft; Regional-
beirat; Beirat; Gesellschaft; privates Unternehmen; kommunale Beteiligung; kom-
munale Aktionäre; Bürgermeister; Hauptverwaltungsbeamter; öffentlicher Dienst;
Gleichstellung; öffentliche Hand; öffentliche Kassen; Hauptamt; Alimentation; Be-
soldung; kommunaler Wahlbeamter; Organisationsentscheidung; kommunaler
Bezug.
Leitsätze:
1. Die Tätigkeit eines Beamten im Beirat eines privaten Unternehmens darf einer
Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst nach § 75 Satz 2 Nr. 1 LBG NW a.F. nur
dann gleichgestellt werden, wenn das Unternehmen von der öffentlichen Hand
zumindest wirtschaftlich beherrscht wird und Vergütungen jedenfalls mittelbar aus
Beiträgen der öffentlichen Hand finanziert.
2. Ist das Amt eines Bürgermeisters notwendige Bedingung für die Berufung in
den Beirat eines privaten Unternehmens mit kommunaler Beteiligung, so ordnet
die Übernahme des Beiratsmandats durch den Bürgermeister diese Tätigkeit sei-
nem Hauptamt zu. Eine für die Beiratstätigkeit von dem privaten Unternehmen
gezahlte Vergütung ist nach § 75a LBG NW a.F. an den Dienstherrn abzuführen.
Urteil des 2. Senats vom 31. März 2011 - BVerwG 2 C 12.09
I. VG Düsseldorf Urteil vom 24.08.2007 - Az.: 26 K 1055/07 -
II. OVG Münster
Urteil vom 17.12.2008 - Az.: 1 A 2938/07 -