Urteil des BVerwG vom 09.04.2014

Abgeltung, Verjährungsfrist, Urlaub, Verfall

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 95.13
OVG 6 A 2338/10
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. April 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und Dollinger
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Juli 2013
wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf die Wertstufe bis 6 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Der Kläger war ab Mitte März 2005 bis zu seiner mit Wirkung zum 1. August
2007 verfügten Versetzung in den Ruhestand fortlaufend dienstunfähig er-
krankt. Im November 2007 beantragte er die finanzielle Abgeltung von krank-
heitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaubs. Die Beklagte lehnte die
Gewährung eines finanziellen Ausgleichs zunächst ab, erkannte im Berufungs-
verfahren jedoch einen Anspruch auf Abgeltung von 31,7 Urlaubstagen an. Für
das Jahr 2006 legte die Beklagte dabei 20 Urlaubstage zugrunde, für das Jahr
2007 den nach dem Anteil von 7/12 errechneten Satz von 11,7 Urlaubstagen.
Hinsichtlich des im Berufungsverfahren noch weiterverfolgten Urlaubs aus den
Jahren 2004 und 2005 sowie zusätzlich geltend gemachter 8,3 Urlaubstage aus
dem Jahr 2007 blieb die Klage auch im Berufungszug erfolglos. Zur Begrün-
dung verwies das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen auf die Ausführun-
gen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 (- BVerwG
2 C 10.12 - NVwZ 2013, 1295).
2. Die Beschwerde des Klägers hat keine grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage ist bereits nicht benannt. Soweit sich dem
Vorbringen die Frage entnehmen lässt, nach welchem Zeitraum der Urlaubsan-
spruch verfällt und die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs damit
ausgeschlossen ist, hat der Senat diese in dem benannten Urteil bereits beant-
wortet. Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelun-
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gen, tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Ur-
laubsanspruchs 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein (Urteil vom
31. Januar 2013 a.a.O. Rn. 22). Neuen Klärungsbedarf hierzu zeigt die Be-
schwerde nicht auf.
Die Erkenntnis, dass Art. 9 Abs. 1 der Übereinkommens-Nr. 132 der Internatio-
nalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 eine entsprechende Rechtsfolgen-
regelung nicht unmittelbar enthält, lag dem Urteil bereits zugrunde. Die Bezug-
nahme auf den dort benannten Zeitraum ist aber nicht auf eine ausdrückliche
(normierte) Verfallsregelung gestützt, sondern auf die Rechtsprechung des
EuGH, wonach der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der benannten
Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann. Dies und nicht eine etwaige
Rechtsfolgenregelung rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch bei
Fehlen anderweitiger Regelungen 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres
verfällt.
Soweit die Beschwerde auf die dreijährige Verjährungsfrist aus § 195 BGB Be-
zug nimmt (die auch für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch gilt,
Urteil vom 31. Januar 2013 a.a.O. Rn. 28), übersieht sie den unterschiedlichen
Regelungsbereich von Verjährung einerseits und Verfall andererseits. Der Ur-
laubsanspruch kann grundsätzlich nicht unbeschränkt auf künftige Jahre über-
tragen werden. Urlaub, der während des laufenden Jahres nicht genommen
wurde, verfällt daher bei Fehlen einer anderweitigen Regelung 18 Monate nach
Ende des Jahres. Damit entfällt auch die Grundlage für einen finanziellen Ab-
geltungsanspruch krankheitsbedingt nicht genommener Urlaubstage, sodass
ein entsprechender Anspruch bereits nicht entsteht. Die Verjährung dagegen
setzt einen bestehenden Anspruch voraus, sie begründet nach Ablauf der Ver-
jährungsfrist aber aus Gründen der Rechtssicherheit ein Leistungsverweige-
rungsrecht des Schuldners. Die Rechtsinstitute sind daher von unterschiedli-
chem Charakter, sodass aus der Länge einer Verjährungsvorschrift kein Hin-
weis auf den (zulässigen) Verfallszeitraum abgeleitet werden kann.
3. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenzen zuzu-
lassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Die Beschwerde verkennt bereits, dass die Behauptung einer fehlerhaften oder
unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsge-
richt in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, den Zulässigkeitsanforderungen
einer Divergenzrüge nicht genügt (stRspr; Beschluss vom 17. Januar 1995
- BVerwG 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55). Ein abs-
trakter Rechtssatz, den das Oberverwaltungsgericht in Abweichung von einem
durch das Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz aufgestellt ha-
ben sollte, wird aber nicht benannt.
Unabhängig hiervon hat das Oberverwaltungsgericht die von der Beschwerde
gerügten Punkte im Ergebnis durchweg in Übereinstimmung mit den Vorgaben
des Bundesverwaltungsgerichts entschieden. Der Urlaubsanspruch für die Jah-
re 2004 und 2005 war im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts - unabhängig vom
Zeitpunkt der nachfolgenden Antragstellung - bereits verfallen. Mangels Ur-
laubsanspruch bestand damit auch keine Grundlage für das Begehren einer
finanziellen Abgeltung. Auch die Berechnung des abgeltungsfähigen Mindest-
urlaubs im Jahr 2007 ist in Übereinstimmung mit den Vorgaben der bundesver-
waltungsgerichtlichen Entscheidung erfolgt (vgl. zur Bruchteilsberechnung Urteil
vom 31. Januar 2013 a.a.O. Rn. 34 f.). Eigenständige Ausführungen zur Ein-
kommensberechnung enthält die Entscheidung bereits nicht; insoweit ist alleine
die Passage aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zitiert. Eine Diver-
genz scheidet deswegen aus.
4. Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht auch nicht dadurch einen Verfah-
rensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begangen, dass es über
die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 130a
VwGO entschieden hat.
Zwar ist der Anwendungsbereich des § 130a VwGO auf einfach gelagerte
Streitsachen beschränkt, in denen keine streitigen Tatfragen zu entscheiden
sind (Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <215>,
zuletzt Beschluss vom 3. Dezember 2012 - BVerwG 2 B 32.12 - juris Rn. 5 f.
m.w.N.). Diese Voraussetzungen waren indes erfüllt. Die für die Entscheidung
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über die Berufung maßgeblichen Rechtsfragen sind bereits durch das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 beantwortet worden, die für
die Entscheidung des Berufungsgerichts relevanten Tatfragen standen eben-
falls fest.
Aus den mit der Beschwerde vorgebrachten Gesichtspunkten folgt nichts ande-
res: Die Zahl der abgeltungsfähigen Urlaubstage ergibt sich bereits aus der Vor-
gabe, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch auf die vier Wochen Erholungs-
urlaub beschränkt ist. Die Ermittlung, wie viele Urlaubstage der Kläger genom-
men hatte, erübrigte sich angesichts der Tatsache, dass er seit März 2005 fort-
laufend dienstunfähig erkrankt gewesen war und im entscheidungserheblichen
Zeitpunkt daher keinen Urlaub nehmen konnte. Eine Einkommensberechnung
war nicht erforderlich, weil das Oberverwaltungsgericht den noch rechtshängi-
gen Abgeltungsanspruch bereits dem Grunde nach abgewiesen hat. Auch wann
und in welcher Form der Kläger die Abgeltung der Urlaubsansprüche beantragt
hatte, war für die Entscheidung unerheblich.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m.
§ 52 Abs. 1 GKG.
Domgörgen Dr. Kenntner Dollinger
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