Urteil des BVerwG vom 03.06.2009

Versetzung, Überzeugung, Amt, Erwerb

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 91.08
VGH 1 A 414/08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Juni 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Burmeister
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Hessischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 30. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 18 184,79 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf alle drei Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte
Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob die Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung des
Beamten nur zum Zeitpunkt des Beginns des Ruhe-
standsversetzungsverfahrens zu prüfen sei oder ob diese
Vorgabe auch bei Erlass des Ruhestandsversetzungsbe-
scheides noch vorliegen müsse.
Die Frage ist nicht klärungsbedürftig; sie ist vielmehr ohne Weiteres zu bejahen
und ist, was die Beschwerde verkennt, auch vom Berufungsgericht nicht im ge-
genteiligen Sinne beantwortet worden. Alle Voraussetzungen, die die Rechtmä-
ßigkeit eines Verwaltungsaktes begründen, müssen in dem Zeitpunkt erfüllt
sein, zu dem sich der Verwaltungsakt Wirkung beimisst; in der Regel - und so
auch hier - also in dem Zeitpunkt, in dem er erlassen wird. Etwas anderes kann
nur gelten, wenn der Verwaltungsakt seinem Inhalt nach erst zu einem späteren
Zeitpunkt wirksam werden soll.
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Nach der im Zeitpunkt der Versetzung des Klägers in den Ruhestand geltenden
Fassung des § 51 Abs. 3 HBG soll von der Versetzung des Beamten in den
Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn ihm ein anderes
Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. In den
Fällen von Satz 1 ist die Übertragung eines anderen Amts ohne Zustimmung
des Beamten zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn
gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das
bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass der Beamte den gesundheitlichen
Anforderungen des neuen Amts genügt; Stellenzulagen gelten hierbei nicht als
Bestandteile des Grundgehalts. Besitzt der Beamte nicht die Befähigung für die
andere Laufbahn, hat er an Maßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung
teilzunehmen. Dem Beamten kann zur Vermeidung seiner Versetzung in den
Ruhestand unter Beibehaltung seines Amts ohne seine Zustimmung auch eine
geringerwertige Tätigkeit innerhalb seiner Laufbahngruppe im Bereich dessel-
ben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht
möglich und dem Beamten die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Be-
rücksichtigung seiner bisherigen Tätigkeit zuzumuten ist.
Danach ist die Versetzung des Beamten in den Ruhestand nur rechtmäßig,
wenn die Übertragung eines anderen Amts ausscheidet. Diese Voraussetzung
muss in dem Zeitpunkt erfüllt sein, zu dem die Versetzung in den Ruhestand
wirksam werden soll.
Soweit die Beschwerde unterstellt, das Berufungsgericht habe die von ihr auf-
geworfene Frage im gegenteiligen Sinne entschieden, beachtet sie nicht genü-
gend, dass das Berufungsgericht ausdrücklich ausgeführt hat, die Suche nach
einer anderen „leidensgerechten“ Einsatzmöglichkeit dürfe sich nicht auf Stellen
beschränken, die gerade frei seien, sondern müsse zumutbare Änderungen der
Geschäftsverteilung innerhalb des Geschäftsbereichs des Dienstherrn mit in
den Blick nehmen (UA S. 11). Zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers
seien Positionen, die der Kläger noch hätte wahrnehmen können, nach den
glaubhaften Darlegungen des Beklagten nicht verfügbar gewesen (UA S. 12).
Mit der Einbeziehung möglicher organisatorischer Änderungen hat das Beru-
fungsgericht zu erkennen gegeben, dass es nicht auf den bei Einleitung des
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Zurruhesetzungsverfahrens bestehenden Ist-Zustand abstellt, sondern die Be-
rücksichtigung einer zeitlichen Perspektive für geboten hält, die auch organisa-
torische Änderungen umfasst. Die Kritik der Beschwerde setzt in erster Linie
daran an, dass sich das Berufungsgericht mit den Angaben des Beklagten be-
gnügt hat, deren Richtigkeit der Kläger bestritten hat; hierdurch wird jedoch
nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründet.
Der beschließende Senat hat erwogen, ob die angegriffene Entscheidung eine
nachträgliche Divergenz zu der neueren, zur Veröffentlichung bestimmten Ent-
scheidung des Senats vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - aufweist, die
auch ohne entsprechende Rüge die Zulassung der Revision rechtfertigen könn-
te. In der genannten Entscheidung hat der Senat für die dem § 51 HBG ver-
gleichbare Regelung des § 42 Abs. 3 BBG a.F. dargelegt, dass nicht nur der
Geschäftsbereich des Dienstherrn in den Blick zu nehmen ist, dem der dienst-
unfähige Beamte angehört, sondern der gesamte Geschäftsbereich. Zum Be-
reich des Dienstherrn gehören somit alle Bereiche der Landesverwaltung und
damit auch solche, in denen eine über die Anforderungen des § 51 Abs. 1 HBG
hinausgehende Dienstfähigkeit nicht erforderlich ist. Andererseits verlangt § 42
Abs. 3 BBG a.F. - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht, dass
der Dienstherr Änderungen der Geschäftsverteilung trifft. Vielmehr kommt es
innerhalb des in den Blick zu nehmenden Bereichs des Dienstherrn nur auf sol-
che Stellen an, die im Zeitpunkt der beabsichtigten Versetzung des Beamten in
den Ruhestand frei und besetzbar sind oder innerhalb der für den Erwerb einer
anderen Laufbahnbefähigung erforderlichen Zeit sein werden. Diesen Anforde-
rungen wird das angegriffene Urteil im Ergebnis gerecht, weil es einen Lauf-
bahnwechsel, ohne den der für den Vollzugsbereich ausgebildete Kläger nicht
hätte anderweitig eingesetzt werden können, aus tatsächlichen Gründen für
ausgeschlossen gehalten hat.
2. Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht weiche
von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab, indem es nicht die
volle Überzeugung von der Wahrheit des Vorbringens des Obsiegenden (hier:
des beklagten Landes) erlangt habe. Mit dieser Rüge macht die Beschwerde im
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Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht habe sich mit mündlichen Erläute-
rungen des Beklagten zu streitigen Tatsachen begnügt.
Das Berufungsgericht hat an keiner Stelle im Sinne eines abweichenden
Rechtssatzes zum Ausdruck gebracht, es begnüge sich für seine Überzeu-
gungsbildung mit einem herabgesetzten Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Vielmehr
ist den Entscheidungsgründen ohne Weiteres zu entnehmen, dass das Beru-
fungsgericht die volle richterliche Überzeugung von den Tatsachen gewonnen
hat, die es seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Es hat dargelegt, dass
und warum es die Bekundungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung
für glaubhaft angesehen und zur Grundlage seiner Überzeugungsbildung ge-
macht hat. Ob es diese Überzeugung zu Recht oder in verfahrensfehlerhafter
Weise gewonnen hat, ist keine Frage, die die Zulassung der Revision wegen
Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigen könnte.
3. Schließlich rügt die Beschwerde erfolglos als Verfahrensfehler, das Beru-
fungsgericht habe pflichtwidrig nicht ermittelt, ob eine Verwendung des Klägers
in der Zentrale möglich sei, sofern dort keine Notwendigkeit bestehe, unmittel-
baren Zwang anzuwenden. Das Berufungsgericht hätte dabei auch prüfen müs-
sen, welche Organisationsänderungen dem Beklagten möglich gewesen wären.
Bei der Prüfung eines Verfahrensfehlers ist von der Rechtsauffassung des Be-
rufungsgerichts auszugehen. Das Berufungsgericht hat, wie bereits dargelegt,
bei seinem Verständnis des § 51 Abs. 3 HBG nicht verkannt, dass die aus den
Akten zu entnehmenden Bemühungen des Beklagten, für den Kläger eine an-
dere Verwendungsmöglichkeit zu finden, dürftig waren. Es hat sich aber für be-
rechtigt gehalten, den daraus folgenden Aufklärungsbedarf durch nachgescho-
bene Erläuterungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu befriedi-
gen. Letztlich hat es aus diesen Ausführungen die Überzeugung gewonnen,
dass zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers geeignete Aufgabenberei-
che, die der Kläger trotz seines Krankheitsbildes noch hätte wahrnehmen kön-
nen, nicht verfügbar waren. Soweit das Berufungsgericht dabei zu Unrecht be-
stimmte Einsatzbereiche außerhalb des Justizvollzugsdienstes nicht in den
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Blick genommen haben sollte, handelte es sich dabei um Fehler bei der An-
wendung des materiellen Rechts, nicht des Verfahrensrechts.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung
des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 5
Satz 2, Satz 1 Nr. 1 GKG.
Herbert Groepper Dr. Burmeister
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