Urteil des BVerwG vom 19.09.2007

Treu Und Glauben, Rechtliches Gehör, Befragung, Verwaltung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 88.07
BVerwG 2 B 39.07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. September 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kugele und Dr. Heitz
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des
Senats vom 5. Juli 2007 wird als unbegründet zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens der Anhö-
rungsrüge.
G r ü n d e :
Die Rüge ist unbegründet. Der Beschluss vom 5. Juli 2007 - BVerwG 2 B
39.07 - verletzt nicht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör. Nach Auf-
fassung der Klägerin stellt dieser Beschluss insbesondere durch seine Ausfüh-
rungen im letzten Absatz eine Überraschungsentscheidung dar. Der Senat ha-
be die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts gebilligt, ohne dem tatsächli-
chen Parteiwillen Bedeutung beizumessen. Damit habe die Klägerin nicht rech-
nen können.
Die Beschwerde hatte unter Ziffer I. des Begründungsschriftsatzes vom 4. April
2007 im Hinblick auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Auslegung
der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag der Klägerin gerügt, dass das Berufungs-
gericht von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Ja-
nuar 2005 - BVerwG 2 B 94.04 -, vom 20. März 2003 - BVerwG 2 C 23.02 - und
vom 12. Januar 1973 - BVerwG 7 C 3.71 - abgewichen sei.
Hierzu heißt es in dem Beschluss vom 5. Juli 2007 - BVerwG 2 B 39.07 -:
Die geltend gemachte Divergenz zum Urteil des Senats vom 20. März 2003
- BVerwG 2 C 23.02 - (Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 14) bestehe nicht, weil der
Wortlaut als falsa demonstratio des übereinstimmend Gewollten seine Be-
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deutung für die Auslegung verloren habe. Der von der Beschwerde genannte
Satz aus dem Urteil vom 20. März 2003 (a.a.O.) gelte nur für behördliche Äuße-
rungen, bei denen wegen ihres unklaren Wortlauts ein eindeutiges, von beiden
Vertragsparteien geteiltes Verständnis nicht zu ermitteln sei. Bei der Nebenab-
rede zum Arbeitsvertrag der Klägerin sei aber der Wortlaut, weil er eine falsa
demonstratio des Gewollten sei, ohne jeden Belang für die Interpretation.
Der Rechtssatz aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Januar
1973 - BVerwG 7 C 3.71 - (BVerwGE 41, 305) betreffe eine „nach ihrem objek-
tiven Erklärungsinhalt missverständliche Willensäußerung der Verwaltung“, die
von der Klägerin akzeptierte Nebenabrede sei aber nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts nicht unklar.
In dem Beschluss des Senats vom 27. Januar 2005 - BVerwG 2 B 94.04 -
(Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 22) habe der Aussage dazu, was zentraler
Punkt der Nebenabrede sei, deren für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO
verbindliche, weil nicht mit Revisionsrügen angegriffene Auslegung durch das
Berufungsgericht in seinem damaligen Urteil zugrunde gelegen. Wenn dieses
Gericht in seinem Urteil die Nebenabrede anders auslege und dabei ein ande-
res Element als deren zentralen Punkt erkannt habe, vertrete es dadurch keine
andere Rechtsauffassung als das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluss
vom 27. Januar 2005 (a.a.O.).
Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass der Senat in dem Beschluss vom 5. Juli
2007 (a.a.O.) die Divergenzrügen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen
hat. Im Übrigen gibt die Anhörungsrüge dem Senat Anlass zu dem Hinweis,
dass durch den die Nichtzulassungsbeschwerde ablehnenden Beschluss vom
5. Juli 2007 (a.a.O.) keine Sachentscheidung über das Klagebegehren getroffen
worden ist. Auch wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass das
Oberverwaltungsgericht in dem Berufungsurteil eine „Kehrtwendung“ vollzogen
hat, so vermag dies für sich genommen keinen Zulassungsgrund gemäß § 132
Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO zu begründen. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfah-
ren gemäß §§ 132, 133 VwGO überprüft das Bundesverwaltungsgericht aus-
schließlich, ob innerhalb der Begründungsfrist ein Grund für die Zulassung der
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Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO dargelegt worden ist. Aus dem
Umstand, dass der Senat die Beschwerde ablehnt, kann nicht gefolgert werden,
er habe sich die tragenden Erwägungen des Berufungsurteils zu eigen
gemacht.
Dies gilt auch, soweit die Klägerin mit der Anhörungsrüge geltend macht, dass
der tatsächliche Parteiwille hätte erfragt werden müssen. Die Beschwerde hatte
unter Ziffer II. des Begründungsschriftsatzes vom 4. April 2007 einen Verfah-
rensfehler darin gesehen, dass das Oberverwaltungsgericht der Klägerin einen
Parteiwillen unterstelle, ohne nachzuforschen, ob dieser überhaupt gegeben
gewesen sei. Auch diesen Vortrag hat der Senat abgehandelt, d.h. in seine Er-
wägungen einbezogen:
Im Beschluss des Senats vom 5. Juli 2007 (a.a.O.) ist hierzu im Einzelnen aus-
geführt, dass ein solcher Verfahrensfehler nicht gegeben ist. Das Berufungsge-
richt sei nicht gehalten gewesen, bei der Auslegung der Nebenabrede unter
maßgebender Berücksichtigung des Willens und der Interessenlage der Betei-
ligten den Willen der Klägerin durch ihre Befragung zu ermitteln. Bei der Ausle-
gung empfangsbedürftiger Willenserklärungen komme es auf den objektiven
Erklärungswert an, also darauf, wie sich die Erklärung für den Empfänger nach
Treu und Glauben darstelle. Das Vorbringen in der Anhörungsrüge gibt keinen
Anlass zu einer anderen Sichtweise. Das Recht auf Gewährung rechtlichen
Gehörs gibt keinen Anspruch auf eine bestimmte rechtliche Würdigung des je-
weiligen Vorbringens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfest-
setzung bedarf es nicht, da sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400
der Anlage 1 zum GKG ergibt.
Dr. Kugele Dr. Heitz Thomsen
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