Urteil des BVerwG vom 02.02.2010

Lehrer, Pflichtstundenzahl, Besoldung, Unterliegen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 86.09
VGH 4 S 174/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Februar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Dr. Maidowski
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 23. Juni 2009 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf 1 152,80 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Die geltend gemachten
Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz
gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO liegen nicht vor.
Durch das Berufungsurteil hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche
Urteil bestätigt, wonach dem zur Hälfte teilzeitbeschäftigten Kläger, einem
Oberstudienrat, vor Vollendung des 60. Lebensjahres keine Dienstbezüge von
mehr als der Hälfte (12,5/25), nämlich von 12,5/24,5 der Dienstbezüge eines
vollbeschäftigten Oberstudienrats zustanden. Die vom Kläger beanspruchte
Unterrichtsermäßigung von einer halben Unterrichtsstunde pro Woche habe die
Höhe seiner Dienstbezüge nicht verändern können, weil derartige Ermäßigun-
gen keine Arbeitszeitregelungen seien.
1. Mit der Divergenzrüge macht der Kläger geltend, der Verwaltungsgerichtshof
weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005
- BVerwG 2 C 21.04 - (BVerwGE 124, 11) ab. Danach stelle die Verminderung
der Pflichtstundenzahl für Lehrer eine Kürzung der Arbeitszeit im Sinne von § 6
Abs. 1 BBesG dar. Demgegenüber vertrete der Verwaltungsgerichtshof die Auf-
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fassung, die Arbeitszeit werde durch die Gewährung einer Unterrichtsermäßi-
gung aus Altersgründen nicht gekürzt, obwohl diese Ermäßigung nach der
Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums Baden-Württemberg über die
Arbeitszeit der Lehrer an öffentlichen Schulen eine Arbeitszeitregelung darstel-
le.
Eine Divergenz im Sinne vom § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die
Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im
Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in
Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen beiden Ge-
richten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsge-
halt einer Rechtsvorschrift bestehen. Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn die
Vorinstanz einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall
rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht,
die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl.
nur Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310
§ 133 n.F. VwGO Nr. 26).
Danach besteht die vom Kläger behauptete Divergenz nicht. Vielmehr stimmt
die Auslegung des § 6 Abs. 1 BBesG durch den Verwaltungsgerichtshof mit
derjenigen des Senats überein.
In dem Urteil vom 23. Juni 2005, a.a.O., hat der Senat ausgeführt, bei der Er-
mäßigung der Unterrichtsverpflichtung, die älteren Lehrern nach dem Bremi-
schen Landesrecht gewährt werde, handele es sich nicht um eine Kürzung der
Arbeitszeit im Sinne von § 6 Abs. 1 BBesG, sondern um eine Maßnahme der
Arbeitserleichterung. Älteren Lehrern könne ein geringer Teil ihrer Unterrichts-
verpflichtung im Hinblick auf die altersbedingten besonderen Belastungen der
Unterrichtstätigkeit erlassen werden. Daher führe eine derartige Unterrichtser-
mäßigung nicht zu einer Änderung der Höhe der Dienstbezüge teilzeitbeschäf-
tigter Lehrer (vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 C 16.06 -
Buchholz 237.3 § 71b BrLBG Nr. 1 Rn. 8 f.).
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Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, auch die in Baden-Württemberg
vorgesehene Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen sei keine Arbeitszeitre-
gelung, sondern eine Maßnahme der Arbeitserleichterung. Daher hält das Ge-
richt diese Ermäßigung in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats nicht
für eine Kürzung der Arbeitszeit im Sinne von § 6 Abs. 1 BBesG und misst ihr
keine Bedeutung für die Höhe der Dienstbezüge teilzeitbeschäftigter Lehrer bei.
Der Verwaltungsgerichtshof stützt seine Auffassung über den Zweck der Unter-
richtsermäßigung auf eine Auslegung der maßgebenden Verwaltungsvorschrift
des Kultusministeriums Baden-Württemberg. Die Bestimmung des Inhalts von
Verwaltungsvorschriften durch ein Tatsachengericht ist revisionsrechtlich nicht
Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung. Verwaltungsvorschriften
sind als Willenserklärungen zu behandeln, die auf eine bestehende oder beab-
sichtigte tatsächliche Verwaltungspraxis schließen lassen. Sie unterliegen der
revisionsgerichtlichen Prüfung nur insoweit, als es um die Einhaltung der für
Willenserklärungen geltenden allgemeinen Auslegungsgrundsätze geht (Urteile
vom 29. März 1968 - BVerwG 4 C 27.67 - BVerwGE 29, 261 <269>, vom
26. April 1979 - BVerwG 3 C 111.79 - BVerwGE 58, 45 <49> = Buchholz 424.3
Förderungsmaßnahmen Nr. 4 S. 19 und vom 7. Mai 1981 - BVerwG 2 C 5.79 -
Buchholz 232 § 25 Nr. 1; stRspr). Daher sind Einwendungen gegen die Ausle-
gung des Tatsachengerichts nicht geeignet, eine Divergenz im Sinne von § 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO darzulegen.
2. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage,
ob die Festlegung der regelmäßigen Pflichtstundenzahl
eine Regelung der Arbeitszeit im Sinne des § 6 Abs. 1
BBesG darstellt, sodass ihre Verringerung oder Erhöhung
bei teilzeitbeschäftigten Lehrern zu einer entsprechenden
Verringerung oder Erhöhung der Dienstbezüge führt,
hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ihre Beantwortung ist nicht entscheidungserheblich, weil der Verwaltungsge-
richtshof festgestellt hat, dass es sich bei der altersbedingten Unterrichtsermä-
ßigung gerade nicht um eine besoldungsrelevante Festlegung der Pflichtstun-
denzahl handelt. Die Ausführungen des Klägers, die Auffassung des Verwal-
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tungsgerichtshofs beruhe auf einem unzutreffenden Verständnis der maßgebli-
chen Verwaltungsvorschrift, begründen keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungs-
bedarf, weil sie nicht die Auslegung revisiblen Rechts betreffen. Ungeachtet
dessen hätte die vom Kläger vertretene Einordnung der Ermäßigung als Ar-
beitszeitregelung zur Folge, dass teilzeitbeschäftigten Lehrern nur noch Dienst-
bezüge auf der Grundlage eines individuellen Teilzeitanteils zustünden, der im
Verhältnis zur Regelarbeitszeit für Vollbeschäftigte geringer wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes folgt für das Beschwerdeverfahren aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3,
Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG. Danach ist der zweifache Jahresbetrag der Diffe-
renz zwischen der gewährten und der beanspruchten Besoldung festzusetzen.
Herbert
Dr. Heitz
Dr. Maidowski
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