Urteil des BVerwG vom 24.07.2014

Persönliche Anhörung, Körperschaden, Magnetresonanztomographie, Überzeugung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 85.13
OVG 1 A 14/13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juli 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Dollinger
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
des Saarlands vom 17. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Be-
schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Der 1961 geborene Kläger steht als Polizeikommissar im Dienst des Beklag-
ten. Im Januar 2009 rutschte er auf dem Weg in den Dienst mit dem linken Fuß
auf glattem Untergrund aus. Er zog sich am linken Knie eine Innenbandteil-
ruptur und eine Meniskusruptur zu. Der Beklagte anerkannte das Ereignis als
Dienstunfall. Nach Ablauf der Marcumartherapie stellte sich der Kläger im Sep-
tember 2009 zur polizeiärztlichen Untersuchung vor. Danach habe er über drei
Wochen Schmerzen am linken Knie gehabt. Die beantragte Anerkennung des
Ablaufs der Untersuchung als Dienstunfall oder hilfsweise als mittelbare Folge
des Unfalls vom Januar 2009 lehnte der Beklagte ab.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwal-
tungsgericht hat darauf abgestellt, dass die polizeiärztliche Untersuchung im
September 2009 keinen Körperschaden beim Kläger verursacht habe. Der Klä-
ger habe einen Kausalzusammenhang zwischen der Untersuchung und einem
Körperschaden nicht bewiesen. Ebenso wenig habe er die Möglichkeit eines
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abweichenden Geschehens dargelegt und damit den typischen Geschehensab-
lauf in Frage gestellt. Dies folge sowohl aus den Feststellungen des im Verwal-
tungsverfahren eingeholten orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgutachtens
von Prof. Dr. P. als auch aus dem Ergebnis der vom Oberverwaltungsgericht
durchgeführten Zeugenvernehmung des den Kläger untersuchenden Polizeiarz-
tes.
2. Der Kläger hat keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO bezeichnet, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Mit der
vom Kläger erhobenen Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Sachver-
halt nicht ausreichend erforscht und seine Entscheidung auf ein Gutachten ge-
stützt, das zur Vermittlung der notwendigen Sachgrundlagen ungeeignet gewe-
sen sei, sind die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht in einer den An-
forderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise aufgezeigt.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht den entscheidungserheblichen
Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Fehlt dem Gericht die hierfür erfor-
derliche Sachkunde, muss es sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen.
Kommt es maßgeblich auf den Gesundheitszustand eines Menschen an, ist
daher regelmäßig die Inanspruchnahme ärztlicher Fachkunde erforderlich. Für
die hier entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen gibt es keine
eigene, nicht durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten
vermittelte Sachkunde des Richters (vgl. Beschluss vom 24. Mai 2006
- BVerwG 1 B 118.05 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 16 Rn. 3
= NVwZ 2007, 345 m.w.N. und jüngst Beschluss vom 25. Februar 2013
- BVerwG 2 B 57.12 - juris Rn. 4).
Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach
seinem Ermessen (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Die unterlassene
Einholung zusätzlicher Gutachten kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft
sein, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen,
dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts
erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die
Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen (vgl. Urteil vom
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4. Oktober 2012 - BVerwG 1 C 13.11 - BVerwGE 144, 230 = Buchholz 402.242
§ 55 AufenthG Nr. 14 jeweils Rn. 11).
Das Vorliegen eines solchen Mangels zeigt die Beschwerde nicht auf. Soweit
der Kläger weitere Aufklärung zur möglichen Ursächlichkeit des in der Magnet-
resonanztomographie festgestellten Bone-bruise-Läsion für seine Kniebe-
schwerden nach der polizeiärztlichen Untersuchung vermisst, hat er es im Beru-
fungsverfahren versäumt, seine prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen
und die persönliche Anhörung von Prof. Dr. P. zur Erläuterung seines Gutach-
tens zu beantragen. Einem solchen Antrag hätte das Oberverwaltungsgericht
stattgeben müssen, wenn der Kläger die allgemeine Richtung der weiteren Auf-
klärung angegeben hätte. Denn das Tatsachengericht ist gemäß § 98 VwGO,
§§ 402, 397 ZPO in der Regel verpflichtet, das Erscheinen des bestellten Sach-
verständigen in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung seines schriftli-
chen Gutachtens anzuordnen, wenn ein Verfahrensbeteiligter diese Anordnung
beantragt, weil er dem Sachverständigen Fragen stellen will (stRspr; vgl. nur
Urteil vom 9. März 1984 - BVerwG 8 C 97.83 - BVerwGE 69, 70 <77>
= Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 158 S. 22 und Beschluss vom 16. Juli
2007 - BVerwG 2 B 55.07 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 95 Rn. 7). Erst nach
einer mündlichen Gutachtenserläuterung durch Prof. Dr. P. hätte sich ggf. die
Frage einer ergänzenden oder alternativen Neubegutachtung durch einen an-
deren Sachverständigen entscheidungserheblich stellen können. Die Aufklä-
rungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse in der Tatsacheninstanz wett-
zumachen (stRspr; vgl. Beschluss vom 16. Juli 2007 a.a.O. Rn. 5).
Vor diesem Hintergrund kann dem Oberverwaltungsgericht nicht vorgeworfen
werden, seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verletzt zu haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Domgörgen Dr. Heitz Dollinger
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