Urteil des BVerwG vom 28.10.2013

Brief, Postsendung, Gerichtsakte, Glaubhaftmachung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 84.12
OVG 83 D 1.12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Oktober 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts Berlin-Brandenburg vom 16. August 2012 wird zu-
rückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Die geltend
gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfah-
rensfehlers im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO, § 69 BDG liegen
nicht vor.
Der Beklagte ist Ruhestandsbeamter; er stand als Polizeihauptmeister im
Dienst der Klägerin. Im Disziplinarklageverfahren hat ihm das Verwaltungsge-
richt das Ruhegehalt aberkannt. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat das
Oberverwaltungsgericht mit Beschluss als unzulässig verworfen, weil sie nicht
fristgerecht begründet worden sei; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei
nicht zu gewähren.
Der Beklagte sieht die grundsätzliche Bedeutung und einen Gehörsverstoß da-
rin, dass das Berufungsgericht unter Hinweis auf einen Beschluss des Bundes-
arbeitsgerichts vom 21. Dezember 1987 - 4 AZR 540/87 - (juris) und ohne Be-
rücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Be-
schluss vom 21. Dezember 1995 - VII ZB 17/95 - ) ent-
schieden habe. Er habe seinen Wiedereinsetzungsantrag ausführlich, den Dar-
legungserfordernissen des Bundesgerichtshofs entsprechend, begründet. Es
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gebe zudem Anhaltspunkte für einen Verlust der Postsendung. Der verspätete
Eingang seines Antrages auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ma-
che zudem eine Entscheidung über ihn nicht entbehrlich.
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 69 BDG) hat eine
Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnen-
de - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage
aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Wei-
terentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die
Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, u.a. Beschluss
vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Es fehlt
bereits an der Formulierung einer Rechtsfrage. Im Übrigen lassen sich die al-
lenfalls sinngemäß aufgeworfenen Fragen anhand des Gesetzes beantworten
und sind auch bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
geklärt.
Nach der Rechtsprechung (auch) des Bundesverwaltungsgerichts können Män-
gel der postalischen Beförderung, insbesondere ein Verlust auf dem Postweg,
einem Beteiligten nicht zugerechnet werden, wenn er die Sendung den postali-
schen Bestimmungen entsprechend - also korrekt frankiert und adressiert - zu
einem Zeitpunkt abgesandt hat, zu dem unter Berücksichtigung der üblichen
Postlaufzeiten - innerhalb des Bundesgebiets spätestens innerhalb von drei
Werktagen - mit einem rechtzeitigen Eingang bei dem Empfänger gerechnet
werden darf (vgl. Urteile vom 20. Juni 2013 - BVerwG 4 C 2.12 - NVwZ 2013,
1288 ff. Rn. 8, vom 21. März 2013 - BVerwG 3 C 10.12 - juris Rn. 11 und vom
23. September 2010 - BVerwG 3 C 37.09 - BVerwGE 138, 21 = Buchholz
442.151 § 45 StVO Nr. 45, jeweils Rn. 9, Beschlüsse 16. Januar 2012
- BVerwG 4 B 1.12 - juris Rn. 2, vom 9. November 2009 - BVerwG 7 B 10.09 -
Buchholz 310 § 118 VwGO Nr. 5 Rn. 9 und vom 9. Januar 2008 - BVerwG 3 B
118.07 - juris Rn. 3). Insoweit genügt aber nicht die bloße Behauptung in einem
Wiedereinsetzungsantrag, sondern es bedarf der Darlegung, wann, durch wen
und wo der Brief bei der Post abgeliefert worden ist (zu diesem Erfordernis vgl.
insbesondere Beschluss vom 9. Januar 2008 a.a.O.). Dies folgt aus § 60 Abs. 2
Satz 2 VwGO, der zudem verlangt, dass die Tatsachen zur Begründung des
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Wiedereinsetzungsantrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den
Antrag glaubhaft zu machen sind.
Das Berufungsgericht hat hiervon ausgehend ohne Rechtsverstoß - und damit
auch ohne Verfahrensfehler - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abge-
lehnt; einer gesonderten Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag nach
§ 64 Abs. 1 Satz 3 BDG bedurfte es nicht mehr. Zwar hat der Beklagte in sei-
nem Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, der Verlängerungsantrag für die
Berufungsbegründung sei am 23. April 2012 verfasst und am selben Tag zur
Post gegeben worden, so dass er innerhalb von maximal drei Tagen und damit
vor Ablauf der Begründungsfrist am 26. April 2012 bei Gericht hätte eingehen
müssen. Dieser Vortrag war jedoch schon nicht hinreichend substantiiert, um
eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen zu können. Es fehlte
jede Darlegung, durch wen und wo der Brief mit dem Verlängerungsantrag bei
der Post abgeliefert worden ist. Erst recht fehlte die nach § 60 Abs. 2 Satz 2
VwGO erforderliche Glaubhaftmachung (vgl. ebenso: Beschluss vom 9. Januar
2008 a.a.O.).
Abgesehen davon, dass es danach für die vom Beklagten mit der Beschwerde
geltend gemachten Anhaltspunkte für einen Verlust der Postsendung nicht
mehr ankommt, weil diese nicht glaubhaft gemacht sind, gehen seine Hinweise
auch am Akteninhalt vorbei. Der Beklagte verweist auf die Anfrage eines ande-
ren Verwaltungsgerichts auf Aktenübersendung, die weder ihm noch seinem
Prozessbevollmächtigten vom Oberverwaltungsgericht mitgeteilt worden sei, so
dass nicht ausgeschlossen sei, dass auch dieses Schreiben beim Oberverwal-
tungsgericht nicht eingegangen oder durch ein Versehen der Geschäftsstelle
mit dem Schreiben der Bevollmächtigten des Beklagten vom 23. April 2012 irr-
tümlich an das anfragende Verwaltungsgericht gesandt worden sei. Tatsächlich
ist aber ausweislich der Gerichtsakte vom Oberverwaltungsgericht zu keinem
Zeitpunkt eine Weiterleitung dieser Anfrage des Verwaltungsgerichts an den
Beklagten oder seinen Bevollmächtigten verfügt worden. Auch hat danach die
Berichterstatterin zunächst mit dem anfragenden Gericht telefoniert und die
Antwort des Beklagten auf den gerichtlichen Hinweis auf die Versäumung der
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Berufungsbegründungsfrist abgewartet, bevor die vom Verwaltungsgericht an-
geforderten Beiakten an dieses übermittelt worden sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 BDG. Ein Streit-
wert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil die Ge-
richtskosten gesetzlich betragsgenau festgesetzt sind (§ 85 Abs. 12, § 78
Satz 1 BDG, Nr. 11 und 62 Gebührenverzeichnis zum BDG).
Domgörgen Thomsen Dr. Hartung
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