Urteil des BVerwG vom 28.02.2011

Versetzung, Kosovo, Dienstleistung, Überzeugung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 83.10
OVG 2 A 389/09
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Februar 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Dr. Maidowski
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 25. August 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf 4 841,76 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Die geltend gemachten
Verfahrensmängel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
Der Kläger beansprucht für die Zeit ab 1. November 1999 Dienstbezüge ohne
Besoldungsabsenkung, weil er ab diesem Zeitpunkt dauerhaft nicht mehr im
Beitrittsgebiet verwendet worden sei. Der Kläger leistete vom 4. November
1999 bis zum 15. Mai 2000 Dienst beim Einsatzkontingent KFOR im Kosovo.
Zuvor war er mit Wirkung vom 1. November 1999 für eine voraussichtliche
Verwendungsdauer bis zum 31. Mai 2000 vom Standort seines militärischen
Verbandes in L. zu dessen Standort in K. versetzt worden. Der Kläger meldete
sich dort am 3. November 1999 zum Dienst und flog tags darauf in den Kosovo.
Dort wurde ihm die Verfügung über seine Kommandierung zum Einsatzkontin-
gent für die Zeit vom 4. November 1999 bis zum 31. Mai 2000 ausgehändigt.
Nach Beendigung des Auslandseinsatzes leistete der Kläger bis zu seiner Pen-
sionierung Dienst bei seinem militärischen Verband am Standort L..
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil
heißt es, die Voraussetzungen für die Absenkung der Besoldung des Klägers
nach der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung - 2. BesÜV - seien durch
den Einsatz im Kosovo nicht entfallen, weil er nur vorübergehend außerhalb
des Beitrittsgebiets verwendet worden sei. Die Einordnung einer Verwendung
als dauerhaft oder vorübergehend richte sich nach dem Ergebnis einer Ge-
samtwürdigung aller für die Verwendung bedeutsamen Umstände. Der Be-
zeichnung der Personalmaßnahme, die der Verwendung zugrunde liege, kom-
me nur indizielle Bedeutung zu. Die Verwendung des Klägers im Kosovo sei
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vorübergehend gewesen, weil sie in den Verfügungen über die Versetzung und
die Kommandierung ausdrücklich bis Ende Mai 2000 befristet worden sei. Der
Kläger habe erkennen können, dass er nicht nach K. versetzt worden sei, um
dort Dienst zu leisten. Vielmehr habe die Versetzung seiner Eingliederung in
das Einsatzkontingent gedient, das vom …kommando in K. gesteuert worden
sei.
Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, das Oberverwaltungsgericht ha-
be den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Es
habe seine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines falschen und unvoll-
ständig ermittelten Sachverhalts vorgenommen. Das Oberverwaltungsgericht
habe verkannt, dass es für die Bestimmung einer Verwendung als dauerhaft
oder vorübergehend nicht auf den inneren Willen des Dienstherrn, sondern
ausschließlich auf dessen Erklärungen gegenüber dem Soldaten ankomme.
Das Oberverwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass durch eine Ver-
setzung stets dauerhafte Rechtswirkungen herbeigeführt werden sollten. Daher
legten die Durchführungshinweise des Bundesministeriums des Innern zur
2. BesÜV fest, dass eine Versetzung an einen Dienstort außerhalb des Bei-
trittsgebiets den Betroffenen aus dem Anwendungsbereich der 2. BesÜV he-
rausnehme. Zudem habe das Oberverwaltungsgericht übersehen, dass aus der
Versetzungsverfügung nicht hervorgehe, dass der Kläger nur befristet außer-
halb des Beitrittsgebiets verwendet werden sollte. Die nachfolgende Komman-
dierungsverfügung habe nicht berücksichtigt werden dürfen, weil sie dem Klä-
ger erst nach dem Dienstantritt im Kosovo bekannt gegeben worden sei.
Mit diesem Vorbringen hat der Kläger weder einen Verstoß gegen den Über-
zeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO noch eine Verletzung
des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO darge-
tan:
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien,
aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus
folgt die Verpflichtung, den im Verfahren festgestellten Sachverhalt der Über-
zeugungsbildung vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf
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nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststel-
lungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht,
insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm
hätte aufdrängen müssen. In derartigen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tat-
sachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn
die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden
ist. Der Überzeugungsgrundsatz kann nur verletzt sein, wenn das Gericht tat-
sächliche Umstände nicht in den Blick genommen hat, auf die es nach seinem
materiellrechtlichen Standpunkt entscheidungserheblich ankommt. Der Grund-
satz verlangt nicht, dass das Gericht bei seiner rechtlichen Würdigung Umstän-
de einbezieht, die nach seiner Rechtsauffassung für den Ausgang des Rechts-
streits unerheblich sind. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Rechtsauffas-
sung einer Überprüfung standhält (Urteile vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C
134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 145
S. 36 f. und vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200
<208 f.> = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 26 f.; Beschluss vom
18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1
Rn. 27).
Auch der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Gewährung rechtlichen Ge-
hörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verlangt nicht, dass das
Gericht dessen gesamtes Vorbringen in den Entscheidungsgründen wieder-
zugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen hat. Viel-
mehr sind nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeu-
gung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und
Würdigung derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschrän-
ken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich an-
kommt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Daher kann aus dem Umstand, dass
das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Urteilsgrün-
den nicht abgehandelt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen As-
pekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Ge-
richts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (BVerfG, Beschluss vom
19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom
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5. Juli 1994 a.a.O. S. 209 f. und S. 27 f., Beschluss vom 21. Juni 2007
- BVerwG 2 B 28.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 3 Rn. 6; stRspr).
Nach dem Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts ist über den vorü-
bergehenden Charakter einer Verwendung aufgrund einer Gesamtwürdigung
aller damit in Zusammenhang stehenden Umstände zu entscheiden. Diese
Auslegung des Begriffs der vorübergehenden Verwendung im Sinne von § 1
Satz 2 2. BesÜV hat das Oberverwaltungsgericht folgerichtig auf den von ihm
festgestellten Sachverhalt angewandt. Es hat der Versetzung an den Standort
K. keine Bedeutung beigemessen, weil damit nach den tatsächlichen Feststel-
lungen von vornherein keine Dienstleistung des Klägers an diesem Standort
beabsichtigt war und der Kläger dies erkennen musste. Die Versetzung habe
lediglich die Grundlage für die Verwendung des Klägers im Rahmen der Aus-
landsmission im Kosovo geschaffen. Deren vorübergehender Charakter ergebe
sich daraus, dass der Verwendungszeitraum in den Verfügungen über Verset-
zung und Kommandierung auf den 31. Mai 2000 befristet gewesen sei. Die tat-
sächlichen Feststellungen, die dieser rechtlichen Würdigung zugrunde liegen,
sind gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend.
Die Behauptung des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe auf den inne-
ren, nicht aber auf den ausdrücklich erklärten Willen des Dienstherrn abgestellt,
lässt sich nicht mit den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zum Erklä-
rungsinhalt der Versetzungsverfügung vereinbaren. Danach wurde der Ver-
wendungszeitraum bereits in dieser Verfügung bis zum 31. Mai 2000 befristet.
Auch erscheint es nicht nachvollziehbar, dass sich der Kläger nicht darüber im
Klaren gewesen sein soll, dass er nicht für die Dienstleistung am Standort K.,
sondern für einen zeitlich begrenzten Auslandseinsatz im Kosovo vorgesehen
war.
Das weitere Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, einen Verstoß gegen
den Überzeugungsgrundsatz oder das Gehörsgebot darzutun, weil der Kläger
nicht wie erforderlich auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Oberverwal-
tungsgerichts zum Begriff der vorübergehenden Verwendung im Sinne von § 1
Satz 2 2. BesÜV, sondern auf der Grundlage einer davon abweichenden
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Rechtsauffassung argumentiert. Danach soll eine vorübergehende Verwendung
ausscheiden, wenn der Verwendung eine Versetzung zugrunde liegt. Damit
wendet sich der Kläger in der Sache gegen die Auslegung des § 1 Satz 2
2. BesÜV durch das Oberverwaltungsgericht, die aber für die Beurteilung der
Sachverhaltswürdigung des Gerichts maßgebend ist. Im Übrigen mag für den
Regelfall zutreffen, dass eine Versetzung auf eine dauerhafte Verwendung ab-
zielt. Der Kläger nimmt jedoch nicht in den Blick, dass bereits die Wirksamkeit
der Versetzung des Klägers nach dem festgestellten Sachverhalt ausdrücklich
auf die Zeit bis zum 31. Mai 2000 beschränkt war. In der Kommandierungsver-
fügung wurde diese Befristung lediglich bestätigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Herbert
Dr. Heitz
Dr. Maidowski
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