Urteil des BVerwG vom 23.09.2008

DDR, Besoldung, Beamtenverhältnis, Dienstverhältnis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 80.07
OVG 4 B 23.05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg vom 3. Mai 2007 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 51 628,18 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger, der seit März 1994 Lebenszeitbeamter bei der Beklagten ist, wurde
im Januar 1992 in das Beamtenverhältnis auf Probe (Landespolizeidienst in
Sachsen) berufen. Seitdem wurde er in Sachsen eingesetzt. Seit dem 14. Ja-
nuar 2002 ist der Kläger bei der Grenzschutzstelle in G. tätig, die auf polni-
schem Hoheitsgebiet liegt (sogenannte vorgeschobene Grenzdienststelle). Die
Klage auf Zahlung einer nicht nach § 2 der Zweiten Verordnung über besol-
dungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutsch-
lands (2. Besoldungs-Übergangsverordnung - 2. BesÜV -) gekürzten Besoldung
blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos.
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche
Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden all-
gemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Recht-
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sprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren
bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer,
diese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG
8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr). Hieran fehlt es.
Die Beschwerde bezeichnet sinngemäß als klärungsbedürftig, ob zwölf Jahre
nach dem Ende der in Art. 143 GG genannten Übergangsfrist eine pauschale
Absenkung der Besoldung für das Beitrittsgebiet noch gerechtfertigt sei. Der
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 - 2 BvR
709/99 - (BVerfGE 107, 257) habe die Besoldungsabsenkung nur aufgrund der
damaligen Lebensverhältnisse gebilligt. Diese träfen heute nicht mehr zu, im
Gegenteil übertreffe in einigen Regionen und Ländern der Lebensstandard so-
gar das Westniveau.
Diese Frage bedarf schon deswegen keiner Klärung in einem Revisionsverfah-
ren, weil nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Be-
rufungsgerichts wesentliche Veränderungen oder neue Tatsachen seit den bei-
den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003
(a.a.O.) und - 2 BvL 3/00 - (BVerfGE 107, 218) in den Lebensverhältnissen
nicht eingetreten sind. Weitere Feststellungen hierzu enthält das Berufungsur-
teil nicht, Verfahrensrügen sind nicht geltend gemacht worden.
Die Beschwerde will weiter sinngemäß geklärt wissen, ob die einseitige Be-
nachteiligung der Bürger im Beitrittsgebiet durch die 2. BesÜV gegen Art. 39
Abs. 2 EG-Vertrag verstoße. Es liege eine sogenannte verdeckte oder mittelba-
re Diskriminierung der früheren Bürger der DDR vor und keine zulässige Inlän-
derdiskriminierung. Die DDR-Bürger seien ehemalige Drittstaatsangehörige, die
über Art. 116 GG von Geburt an Träger von EU-Rechten seien und die die Bun-
desrepublik Deutschland aufgrund ihrer Herkunft bei gleicher Tätigkeit schlech-
ter entlohne als die in Westdeutschland geborenen Bürger.
Zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage bedarf es
nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens und ggf. der anschließenden
Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, da sie ohne Weiteres zu verneinen
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ist. Die Bezahlung abgesenkter Dienstbezüge gemäß der 2. Besoldungsüber-
gangsverordnung an Beamte mit dienstlichem Wohnsitz im Gebiet der ehema-
ligen DDR verstößt nicht gegen Art. 39 Abs. 2 EG-Vertrag, weil die Freizügigkeit
des Klägers nicht beschränkt wird. Die Absenkung der Besoldung auf der
Grundlage des § 73 BBesG i.V.m. der Zweiten Besoldungs-Übergangsverord-
nung knüpft nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern dem Grundsatz nach an
den Ort der Verwendung (vgl. § 1 der 2. BesÜV) an und weist keinerlei Aus-
landsberührung auf (Beschluss vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 B 60.04 -).
Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob sich Bürger der DDR seinerzeit im
Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland auf Rechte nach den Gemein-
schaftsverträgen hätten berufen können. Für den durch das Merkmal der
„Staatsangehörigkeit“ (Art. 39 Abs. 2 EG-Vertrag) vorgegebenen persönlichen
Anwendungsbereich ist maßgeblich die Rechtslage, die im Zeitpunkt der An-
wendung der potentiell freizügigkeitsbeschränkenden Vorschrift gilt. Als das
Beamtenverhältnis des Klägers begründet wurde, bestand keine besondere
DDR-Staatsbürgerschaft mehr, da die DDR mit dem Wirksamwerden des Bei-
tritts am 3. Oktober 1990 untergegangen war und die Staatsangehörigkeitsvor-
schriften der Bundesrepublik Deutschland übergangs- und einschränkungslos
auch auf diejenigen anzuwenden waren, die zuvor den staatsbürgerschaftlichen
Bestimmungen der DDR unterfielen (vgl. Art. 8 Einigungsvertrag). Jedenfalls ab
diesem Zeitpunkt waren alle Bürger der Bundesrepublik Deutschland in staats-
angehörigkeitsrechtlicher Hinsicht originär gleichgestellt. Das Gemeinschafts-
recht schließt eine unterschiedliche Besoldung der Bürger eines Staates nicht
allgemein aus. Art. 39 EG-Vertrag statuiert keine Pflicht der Mitgliedstaaten, die
eigenen Staatsbürger unter Einengung von Spielräumen, die das nationale Ver-
fassungsrecht belässt, strikt gleich zu behandeln (vgl. zum Ganzen: Beschluss
vom 28. Oktober 2004 a.a.O.).
Schließlich wirft die Beschwerde die Frage als klärungsbedürftig auf, ob die Tä-
tigkeit auf dem Territorium der Volksrepublik Polen wegen der Nähe zur
deutsch-polnischen Grenze so verstanden werden müsse, dass es sich hierbei
um eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet handele. Die 2. Besoldungs-Übergangsver-
ordnung kenne die Begriffe „im Beitrittsgebiet“ und „außerhalb des Beitrittsge-
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biets“, so dass die Verwendung des Klägers in Polen nach dem eindeutigen
Wortlaut außerhalb des Beitrittsgebiets erfolge. Hierdurch würde eine weitere
besoldungsrechtliche Grauzone um die Bundesrepublik Deutschland gezogen,
die zudem der Schreibtischtheorie des Berufungsgerichts widerspreche.
Der Kläger sieht mithin die Frage als klärungsbedürftig an, ob er dadurch, dass
er seinen Dienst in der gemeinsamen deutsch-polnischen, auf polnischem Ter-
ritorium gelegenen Grenzabfertigungsstelle verrichtet, nicht im Beitrittsgebiet
verwendet wird, sondern, wie er meint, Dienst im Ausland leistet. Diese Frage
lässt sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Re-
geln sachgerechter Interpretation ohne Weiteres beantworten, ohne dass es der
Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Die Bestimmungen des
deutsch-polnischen Abkommens vom 29. Juli 1992, wonach in den gemeinsa-
men Grenzdienststellen auf dem Territorium eines der beiden vertragschlie-
ßenden Staaten auch die Bediensteten des anderen Staates tätig sein dürfen,
stellen Regelungen zu Gunsten der vertragschließenden Staaten dar. Art. 3
Abs. 3 des genannten Abkommens enthält lediglich eine hoheitsrechtliche Zu-
ordnung und keine dienstrechtliche Regelung. Das Dienstverhältnis der in der-
artigen gemeinsamen Grenzdienststellen eingesetzten Bundespolizeibeamten
wird durch den Vertrag nicht gestaltet, insbesondere wird nicht ihr Dienst im
Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland als ihrem Dienstherrn als ein Dienst
im Ausland definiert. Die finanziellen Leistungen bei einem Dienst, den der Be-
amte im Ausland leistet, sind in dienst- und besoldungsrechtlichen Gesetzen
und Verordnungen, vorrangig dem Bundesbesoldungsgesetz (vgl. §§ 52 ff.) und
der Auslandsverwendungszuschlagsverordnung, geregelt. Diese sind hier nicht
einschlägig. Der Kläger fällt insbesondere nicht unter die besoldungsrechtliche
Sonderregelung für Beamte, die sich wegen ihrer Tätigkeit im Grenzverkehr im
Ausland aufhalten; die dafür maßgebliche Regelung knüpft an einen dienstli-
chen Wohnsitz in einem ausländischen Ort in Grenznähe an (§ 52 Abs. 3
BBesG). Liegt besoldungsrechtlich kein Auslandsdienst und keine Verwendung
im Ausland vor, kann es sich nur um eine Verwendung entweder im bisherigen
Bundesgebiet oder aber im Beitrittsgebiet handeln. Zu der Auslegung, dass die
Verwendung als eine solche in der Gemeinde der Bundesrepublik Deutschland
zu betrachten ist, in deren Bereich sich der Grenzübergang befindet, bietet das
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Besoldungsrecht keine sinnvolle Alternative. Die 2. Besoldungs-Übergangs-
verordnung kennt als geografische Differenzierungskriterien nur das „bisherige
Bundesgebiet“, das „Beitrittsgebiet“ und - im Falle einer nur vorübergehenden
Verwendung - den Begriff „außerhalb des Beitrittsgebiets“ (vgl. § 1 Satz 2
2. BesÜV), nicht aber das „Ausland“ (vgl. zum Ganzen: Beschluss vom 8. März
2007 - BVerwG 2 B 5.07 -).
Die Beschwerde macht ferner geltend, dass die Absenkung der Ostbesoldung
gleichheitswidrig sei. Damit wird keine in einem Revisionsverfahren klärungs-
bedürftige verfassungsrechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufge-
zeigt. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass der Besol-
dungsgesetzgeber das Alimentationsprinzip nicht verletzt, wenn er bei der Be-
messung der Bezüge der Beamten, die das gleiche Amt innehaben, an Wohn-
sitz oder Dienstort anknüpfende Abstufungen vorsieht, sofern sich solche regi-
onalen Unterscheidungen nach Anlass und Ausmaß der Differenzierung vor Art.
3 Abs. 1 GG rechtfertigen lassen (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2
BvL 3/00 - a.a.O.). Der Gesetzgeber überschreitet die Grenzen der ihm
zustehenden weitgehenden Gestaltungsfreiheit mit der Folge einer Verletzung
des Art. 3 Abs. 1 und 2 GG erst dann, wenn die ungleiche Behandlung der ge-
regelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst
liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrach-
tungsweise nicht mehr vereinbar ist; mit anderen Worten, (wo) bezogen auf den
in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuch-
tender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt, es sich also um Rege-
lungen handelt, die unter keinem sachlich vertretbaren Gesichtspunkt gerecht-
fertigt erscheinen, so dass die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung evident
ist (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 25. Februar 1988 - BVerwG 2 C 65.86 -
Buchholz 240.1 BBesO Nr. 2 m.w.N., vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom
12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - und - 2 BvR 709/99 - a.a.O. und vom 9. Sep-
tember 2004 - 2 BvR 669/02 - juris). Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungs-
gericht hat zutreffend ausgeführt, dass im Gegenteil die Auffassung des Klägers
mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar wäre. Denn diejenigen
Bediensteten, die auf den vorgeschobenen Grenzdienststellen an der Grenze
zu Polen in Polen ihren Dienst verrichteten, dürfen nicht anders behandelt wer-
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den als diejenigen, die auf den nicht vorgeschobenen, weiterhin im Beitrittsge-
biet belegenen Grenzdienststellen an der Grenze zu Polen tätig sind. Hiermit
setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Im Übrigen ist es im Hinblick auf
Art. 3 GG unmaßgeblich, ob der Gesetzgeber die vom Kläger erstrebte Rege-
lung hätte treffen können. Denn es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Ge-
setzgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lö-
sung gefunden hat (vgl. u.a. Urteile vom 22. März 1990 - BVerwG 2 C 11.89 -
Buchholz 240 § 19a BBesG Nr. 10 und vom 25. April 1996 - BVerwG 2 C
27.95 - BVerwGE 101, 116 <123> je m.w.N., BVerfG, Beschlüsse vom 12. Fe-
bruar 2003 und vom 9. September 2004 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG (Diffe-
renzbetrag für den Zeitraum vom 1. März 1994 bis zum 30. Dezember 2007).
Herbert Thomsen Dr. Burmeister
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