Urteil des BVerwG vom 27.01.2005

Beamtenverhältnis, Versorgung, Zusicherung, Zusage

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 80.04
OVG 5 OB 197/04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Januar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. K u g e l e und G r o e p p e r
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2004
wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 331,32 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger verlangt mit seiner Klage die Erstattung von 1 656,58 €, die er auf Grund
einer Nebenabrede in seinem Arbeitsvertrag vom 4. Juli 2001 an das Land Nieder-
sachsen gezahlt hat. Der Anstellungsvertrag enthält in § 5 eine "Nebenabrede" mit
folgendem Wortlaut:
"Zwischen den Arbeitsvertragsparteien besteht Einvernehmen darüber, dass
das Arbeitsverhältnis mit dem Ziel einer späteren Übernahme in das Beamten-
verhältnis auf Probe geschlossen wird. Der Arbeitgeber sichert zu, dass er den
Angestellten zu Beginn des Schuljahres 2002/2003 bei Vorliegen der beamten-
rechtlichen Einstellungsvoraussetzungen in das Beamtenverhältnis mit der
Möglichkeit der Vollbeschäftigung berufen wird.
Der Arbeitgeber gewährleistet dem Angestellten mit dem Tage der Begründung
des Arbeitsverhältnisses eine Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter
Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung nach beam-
tenrechtlichen Vorschriften. Aufgrund der Gewährleistung dieser Versorgungs-
anwartschaft besteht Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversiche-
rung, so dass insoweit Arbeitnehmeranteile von dem Angestellten nicht zu ent-
richten sind. Für diese Zusicherung (Vollzeitbeschäftigung als Beamter und ent-
sprechende Altersversorgung unter Anrechnung der Beschäftigung im Ange-
stelltenverhältnis) verpflichtet sich der Angestellte zu einer Gegenleistung in
Höhe von 270,00 DM monatlich. Dieser Betrag wird mit den laufenden Vergü-
tungsansprüchen verrechnet.
Diese Nebenabrede kann nicht gesondert gekündigt werden."
Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat auf die Rüge der Beklagten durch Be-
schluss den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für zulässig erklärt. Die dage-
gen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und
gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht
zugelassen.
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II.
Die gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das
Verwaltungsgericht hat den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten hinsichtlich der
mit der Klage geltend gemachten Forderung zu Recht bejaht.
Die Verweisung eines Rechtsstreits ist nach § 17 a Abs. 2 GVG nur dann zulässig
und geboten, wenn der von dem Rechtsschutzsuchenden beschrittene Rechtsweg
schlechthin, d.h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Rechts-
grundlagen, unzulässig ist (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 1992 - BVerwG 5 B
144.91 - Buchholz 300 § 17 a GVG Nr. 5 mit weiteren Nachweisen). Bei der von dem
Kläger geltend gemachten Forderung handelt es sich um einen Anspruch, der im
"Beamtenverhältnis" wurzelt und deshalb nach § 126 Abs. 1 BRRG im Verwaltungs-
rechtsweg zu verfolgen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für
solche Streitigkeiten eröffnet, die sich als Folge eines Sachverhaltes darstellen, der
nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Soweit keine ausdrückliche gesetzliche
Rechtswegzuweisung besteht, ist die Natur des Rechtsverhältnisses maßgebend,
aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten
Gerichtshöfe des Bundes, Beschlüsse vom 4. Juni 1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE
37, 292, vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 - BVerwGE 74, 368 <370> = BGHZ 97,
312 und vom 29. Oktober 1987 - GmS-OGB 1/86 - BGHZ 102, 280 <283>). Dabei
kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in
einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der
Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öf-
fentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtli-
chen Regelungen unterstellt (vgl. Gemeinsamer Senat, Beschluss vom 29. Oktober
1987 a.a.O., S. 283 mit zahlreichen Nachweisen).
Dem Kläger geht es um die Rückabwicklung der Zahlungen, die er auf der Grundlage
der Nebenabrede in § 5 Abs. 3 des Arbeitsvertrages geleistet hat. Diese Rückgewähr
folgt den Regeln des öffentlichen Rechts über die Erstattung rechtsgrundlos erbrach-
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ter Leistungen, da die Zahlungen auf der Grundlage einer dem öffentlichen Recht
zuzuordnenden Vereinbarung, nämlich der Nebenabrede in dem Arbeitsvertrag be-
ruhten (vgl. Urteil vom 20. März 2003 - BVerwG 2 C 23.02 - Buchholz 316 § 54
VwVfG Nr. 14 S. 2 mit Nachweisen).
Eine beamtenrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 126 Abs. 1 BRRG setzt nicht vo-
raus, dass ein Beamtenverhältnis bereits besteht (vgl. Urteil vom 22. Februar 1996
- BVerwG 2 C 12.94 - BVerwGE 100, 280). Vielmehr sind auch Streitigkeiten über die
ein solches Rechtsverhältnis vorbereitenden Maßnahmen und Verabredungen beam-
tenrechtlicher Natur (vgl. Urteil vom 19. Januar 1967 - BVerwG 6 C 73.64 - BVerwGE
26, 31 <33>). Wird um die Zulässigkeit oder den verbindlichen Inhalt einer Vereinba-
rung oder einer Zusage gestritten, die auf die Begründung eines Beamtenverhältnis-
ses gerichtet ist, handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Sowohl der
Vertrag als auch die Zusage sind dem Verwaltungsrecht geläufige Handlungsformen
(vgl. §§ 38, 54 ff. VwVfG). Insoweit ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Verabre-
dung isoliert oder zusammengefasst mit weiteren rechtsgeschäftlichen Erklärungen
getroffen worden ist.
Die in dem Anstellungsvertrag enthaltene Nebenabrede hat mehrere Gegenstände,
nämlich die Zusicherung einer späteren Übernahme des Klägers in ein Beamten-
verhältnis, die weitere Zusicherung einer Anwartschaft auf Versorgung bei verminder-
ter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung nach beam-
tenrechtlichen Vorschriften und die Verpflichtung des Klägers, für diese Zusicherun-
gen "(Vollzeitbeschäftigung als Beamter und entsprechende Altersversorgung unter
Anrechnung der Beschäftigung im Angestelltenverhältnis)" 270 DM pro Monat als
"Gegenleistung" zu zahlen. Zentraler Punkt dieser Vereinbarung ist die Verpflichtung
der Beklagten, den Kläger später als Beamten einzustellen. Dieser maßgebliche Ver-
tragsgegenstand ist dem Beamtenrecht zuzuordnen (vgl. Urteil vom 20. März 2003
a.a.O., S. 3 mit Nachweisen). Das durch den Gesamtvertrag begründete Arbeitsver-
hältnis sollte dem dem öffentlichen Recht zugeordneten Statusverhältnis nur vorläufig
vorausgehen. Zwar hat die Zusicherung einer Anwartschaft auf Versorgung nach
beamtenrechtlichen Vorschriften nicht als solche öffentlich-rechtlichen Charakter,
sondern gestaltet ausschließlich das Arbeitsverhältnis, auf das sie bezogen ist, und
hat Konsequenzen im Hinblick auf die Beitragspflicht zur Rentenversicherung (vgl.
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§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Die von den Parteien getroffene Abrede hat aber
auch insoweit keine selbstständige Bedeutung, sondern ist ebenfalls dem Ziel unter-
geordnet, später ein Beamtenverhältnis zu begründen. Ohne eine dahingehende
verbindliche Zusage wäre die Verpflichtung nicht eingegangen worden, eine Versor-
gung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zu gewährleisten.
Dass die Nebenabrede Teil eines - im Übrigen privatrechtlichen - Arbeitsvertrages ist,
hindert nicht die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges. Streitigkeiten über den In-
halt und die Wirksamkeit einzelner Klauseln im Hinblick auf die Gegenstände additi-
ver Verträge können verschiedenen Rechtswegen zugewiesen sein (vgl. Urteil vom
1. Februar 1980 - BVerwG 4 C 40.77 - Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 19 und vom
1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 44.88 - BVerwGE 84, 183 <185 ff.>; Beschluss vom
24. Februar 1994 - BVerwG 4 B 40.94 - Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 10; BGH,
Urteil vom 12. Juli 1971 - III ZR 252/68 - BGHZ 56, 365). Der von den Parteien des
vorliegenden Verfahrens geschlossene Vertrag, mit dem ein Arbeitsverhältnis be-
gründet und ausgeformt werden sollte, gebietet nicht eine einheitliche rechtliche Be-
urteilung entweder durch die Arbeitsgerichte oder durch die Verwaltungsgerichte. § 5
des Vertrages enthält nämlich einen selbstständigen Regelungskomplex, der nicht in
einem unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis mit den vorhergehenden Vertragstei-
len steht und der deshalb einer isolierten rechtlichen Betrachtung zugänglich ist. Die
Bestimmung ist als "Nebenabrede" bezeichnet, woraus sich bereits der Wille zu einer
gegenüber dem übrigen Vertragsinhalt eigenständigen Bestimmung ergibt. Der Klau-
sel, dass die Nebenabrede "nicht gesondert gekündigt werden" kann, hätte es nicht
bedurft, wenn dieser Vertragsteil ohnehin mit dem weiteren Vertragswerk eng ver-
knüpft wäre. Schließlich löst sich die Nebenabrede ihrem Inhalt nach von dem übri-
gen Vertragsteil, da die Berufung in das Beamtenverhältnis von dem Vorliegen der
beamtenrechtlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Die nur unter dieser
Bedingung zugesicherte Berufung in das Beamtenverhältnis berührt nicht die Wirk-
samkeit der weiteren vertraglichen Absprachen und steht hierzu auch nicht in einem
unlösbaren Zusammenhang.
Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist entgegen der Auf-
fassung der Beklagten nicht anzurufen. Die Voraussetzungen des § 2 des Gesetzes
zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des
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Bundes, wonach der Gemeinsame Senat entscheidet, wenn ein oberster Gerichtshof
in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder
des Gemeinsamen Senats abweichen will, liegen nicht vor. Eine solche Entscheidung
hat die Beklagte auch nicht bezeichnet. Dass das LAG Niedersachsen (Urteil vom
14. September 1999 - 13 Sa 2894/98 - NdsVBl 2000, 102) und auch das
Bundesarbeitsgericht mit einer ähnlichen Vertragsgestaltung befasst waren und im
arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Sachentscheidung ergangen ist, begründet keine
Divergenz. Die Rechtsmittelgerichte waren an die Entscheidung erster Instanz ge-
mäß § 17 a Abs. 5 GVG gebunden. Die nachfolgenden Entscheidungen enthalten
keine Ausführungen zum richtigen Rechtsweg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Danach ist der Streitwert auf
20 v.H. des Wertes der Hauptsache festzusetzen (vgl. Beschlüsse vom 14. Dezem-
ber 1998 - BVerwG 8 B 125.98 -
und vom 25. Juni 2002 - BVerwG 8 B 15.02 -
Nr. 3 nicht abgedruckt>; vgl. auch die frühere Nr. I 9 des Streitwertkataloges für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von Januar 1996, NVwZ 1996, 563).
Albers
Dr. Kugele
Groepper