Urteil des BVerwG vom 22.03.2005

Übereinstimmung, Erfahrung, Unterlassen, Dienstzeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 8.05
OVG 5 LB 10/04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. März 2005
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n , Dr. K u g e l e
und Dr. B a y e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsge-
richts vom 14. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
- 2 -
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 1 019 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO, gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Die Beschwerde wirft als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf,
ob zu den Sorgfaltspflichten des Versorgungsempfängers zur Abwendung des
Vorwurfs grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG/
§ 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG auch gehört, in dem ihm möglichen und zumut-
baren Rahmen einen ihm erteilten Bewilligungsbescheid nicht nur auf dessen
sachlichen Inhalt hin, sondern auch auf Übereinstimmung mit den dem Be-
scheid zugrunde liegenden Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften zu
überprüfen.
Diese Frage könnte in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden,
denn sie würde sich nicht stellen. Das Berufungsgericht hat die grob fahrlässige Un-
kenntnis des Klägers vom Fehlen eines Rechts auf den vollen Familienzuschlag der
Stufe 1 nicht daraus hergeleitet, dass der Kläger es unterlassen hat, "den Bewilli-
gungsbescheid … auf Übereinstimmung mit den dem Bescheid zugrunde liegenden
Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften zu überprüfen". Zu einer derartigen
Überprüfungspflicht hat sich das Berufungsgericht nicht geäußert. Es hat die be-
hauptete Unkenntnis des Klägers vielmehr deshalb als grob fahrlässig gewertet, weil
dieser den Grundsatz, dass dann, wenn beide Ehegatten im öffentlichen Dienst be-
schäftigt sind oder einer von ihnen bei Weiterbeschäftigung des anderen im öffentli-
chen Dienst sich im Ruhestand befindet, der Familienzuschlag der Stufe 1 jedem von
ihnen nur zur Hälfte zusteht, "aus eigener Erfahrung kannte". Mit dieser "eigenen
Erfahrung" meint das Berufungsgericht, dass der Kläger erlebt und registriert hatte,
dass ihm wegen der Beschäftigung auch seiner Ehefrau im öffentlichen Dienst der
Familienzuschlag sowohl während seiner aktiven Dienstzeit als auch während seines
Ruhestands nur zur Hälfte gezahlt werden durfte. Damit hat das Berufungsgericht die
grobe Fahrlässigkeit des Klägers nicht darin gesehen, dass er es unterlassen hat,
- 3 -
den Bewilligungsbescheid anhand einer Prüfung der Auslegung und Anwendung der
ihn stützenden Rechtsnormen auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Maßgeben-
der Grund für die Wertung der Unkenntnis des Klägers als grob fahrlässig war, dass
der Kläger die durch eigene Anschauung und eigenes Erleben erlangte Kenntnis von
der nur hälftigen Zahlung des Familienzuschlags an ihn in der Vergangenheit nicht
zum Anlass genommen hat, die Rechtmäßigkeit der mit dieser ihm bekannten Praxis
nicht zu vereinbarenden Zahlung des vollen Zuschlags ab dem 1. Januar 2000 in
Zweifel zu ziehen. Gegen diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts
zum Kenntnisstand des Klägers hat die Beschwerde keine Revisionsrügen erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streit-
werts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dawin Dr. Kugele Dr. Bayer