Urteil des BVerwG vom 10.03.2004

Formelles Gesetz, Erlass, Ermächtigung, Exekutive

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 8.04
OVG 1 A 1870/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. B a y e r
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 12. November 2003 wird zu-
rückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 110,44 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Der Sache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist der geltend gemach-
te Verfahrensfehler ausreichend dargelegt.
Die Frage, ob dem Land die Kompetenz für kostendämpfende Regelungen über Bei-
hilfen in Krankheitsfällen an Beamte zusteht, bedarf keiner Klärung. Sie ist bereits in
der Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Das
Bundesverfassungsgericht hat die Frage in seinem Beschluss vom 7. November
2002 - 2 BvR 1053/98 - (BVerfGE 106, 225 <242 f.>) nochmals zusammenfassend
erörtert und dabei festgestellt, dass der Landesgesetzgeber ungeachtet der Zustän-
digkeit des Bundes für den Bereich der Besoldung (Art. 74 a Abs. 1 GG) befugt ist,
die durch die Fürsorgepflicht gebotene Ergänzung der Regelalimentation mittels Bei-
hilfen für Krankheitsfälle durch eigene Vorschriften festzulegen, weil der Bundesge-
setzgeber insoweit seine Gesetzgebungskompetenz nicht ausgeschöpft hat. Hiervon
geht in ständiger Rechtsprechung auch der Senat aus (vgl. Urteil vom 3. Juli 2003
- BVerwG 2 C 36.02 - Buchholz 237.6 § 87 c NdsLBG Nr. 1).
Es ist auch nicht klärungsbedürftig, ob der Nordrhein-Westfälische Landtag befugt
war, die fragliche Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Beihilfeverordnung
durch formelles Gesetz zu erlassen, wobei es nicht darauf ankommt, ob durch dieses
Gesetz die bestehende Beihilfeverordnung nur geändert oder inhaltlich neu erlassen
wurde. Die von der Beschwerde hiergegen erhobenen verfassungsrechtlichen Be-
denken sind von den Vorinstanzen umfassend gewürdigt und unter Hinweis auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückgewiesen worden. Auch das
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Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Frage befasst (vgl. Urteil vom 16. Januar
2003 - BVerwG 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313 <317 f.>) und keine durchgreifenden
Bedenken gegen die Handlungsweise des Gesetzgebers gesehen, ein zum Erlass
einer Verordnung ermächtigendes Gesetz zu beschließen und in diesem Gesetz
selbst auch die Verordnung zu erlassen. Hierin liegt nicht der von der Beschwerde
erblickte Widerspruch, dass der Gesetzgeber der Exekutive eine Befugnis überträgt,
die er sogleich selbst ausübt. Vielmehr liegt in diesem Verfahren die Ausübung der
vollen Gesetzgebungsbefugnis. Der Gesetzgeber macht in diesem Falle nicht von
der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch, wozu er in der Tat
nicht befugt wäre (vgl. BVerfGE 22, 330 <346>). Vielmehr wird der Inhalt der Verord-
nung zunächst als Gesetz und deshalb ohne Bindung an Art. 80 GG erlassen; erst
die anschließende "Entsteinerungsklausel" führt die materiell als Gesetz erlassene
Regelung auf den Verordnungsrang zurück und eröffnet somit dem Verordnungsge-
ber die in der Ermächtigung liegende Befugnis, die Verordnung aufzuheben oder zu
ändern. Die Beschwerde zeigt keine neuen Gesichtspunkte auf, die in einem Revisi-
onsverfahren geklärt werden müssten.
Die Frage, ob es eindeutig sein müsse, wer - Exekutive oder Legislative - für den Er-
lass einer Rechtsnorm zuständig ist, würde sich in einem Revisionsverfahren in die-
ser Form nicht stellen. Sie hat - entgegen der Auffassung der Beschwerde - auch
keine Bedeutung wegen des einzuschlagenden Rechtswegs. Dass für die Anfech-
tung eines Beihilfebescheides der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist, bedarf keiner
Klärung. Ob die Rechtsgrundlage, auf die sich der Beihilfebescheid stützt, ein Gesetz
oder eine Verordnung ist (was die Beschwerde ebenfalls für klärungsbedürftig hält),
hat für die Frage des Rechtswegs keine Bedeutung.
Keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfen ferner die Fragen, ob die Vor-
abkürzung der beihilfefähigen Aufwendungen für ärztliche Wahlleistungen und für die
Unterbringung in einem Zweibett-Zimmer mit dem Begriff des "Gewährens" zu ver-
einbaren ist. Es ist der Gestaltungsfreiheit des Normengebers überlassen, wie er die
Höhe einer Leistung, die er zu gewähren hat, sprachlich definiert; er kann dies durch
Angabe einer Rechenoperation tun. Wenn er den Betrag der Beihilfe zunächst nach
abstrakten Merkmalen bestimmt und ihn anschließend nach ebenfalls abstrakten
Merkmalen oder durch feste Beträge verringert, dann ist der sich aus dieser Rechen-
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operation ergebende Betrag derjenige, den er "gewährt". Auch dies ist - wenn auch in
anderem Zusammenhang - in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. Urteil
vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 2 C 34.01 - BVerwGE 117, 305 <311>).
Schließlich bedarf es auch keines Revisionsverfahrens, um der Frage nachzugehen,
"ob Leistungskürzungen von z.B. 1 % rechtmäßig, von 1,5 oder 2 % hingegen schon
rechtswidrig sind". Die Beschwerde legt weder dar, inwiefern diese Frage für den
konkreten Fall des Klägers entscheidungserheblich ist, noch wie sie in fallübergrei-
fender Weise in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte.
Die Frage, "ob eine Beihilfekürzung (Eigenbeteiligung) allein mit dem Hinweis ge-
rechtfertigt werden darf, dass Wahlleistungen bei stationärer Heilbehandlung nicht
beihilfefähig sein müssen", würde sich nicht stellen. Das Berufungsgericht hat die
Rechtmäßigkeit der lediglich partiellen Beihilfefähigkeit der Wahlleistungen nicht al-
lein mit einem Hinweis auf das Fehlen einer Verpflichtung zur vollständigen Erstat-
tung gerechtfertigt, sondern § 4 Abs. 1 Ziffer 2 Buchst. a BHV NRW umfassend auf
seine Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht geprüft.
Der Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht in einer den Bezeich-
nungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt.
Die Beschwerde führt nicht aus, inwiefern die nach Ansicht der Beschwerde gebote-
ne Verbindung der Rechtsstreitigkeiten zu einem für den Kläger günstigeren Ergeb-
nis geführt haben würde.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 13 Abs. 2 GKG.
Albers Prof. Dawin Dr. Bayer