Urteil des BVerwG vom 24.01.2008

Rückforderung, Verwaltungsakt, Rückzahlung, Verjährungsfrist

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 72.07
OVG 1 R 22/06
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Januar 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
des Saarlandes vom 27. April 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 305,17 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet; sie führt nicht zur Zulassung der Revision.
1. Der Kläger erhielt zwischen dem 1. August 1999 und dem 30. September
2003 den Familienzuschlag der Stufe 1 gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG, ob-
gleich er von seiner Ehefrau geschieden war und diese mit einem anderen
Mann wieder verheiratet war. Mit Bescheid vom 18. Februar 2005 hob der Be-
klagte die Festsetzung über die Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1
vom 18. Juni 1985 rückwirkend für den genannten Zeitraum auf und forderte
den Kläger gemäß § 12 Abs. 2 BBesG auf, zu viel bezahlte Dienstbezüge in
Höhe von 5 314,43 € zurückzuzahlen.
Das Verwaltungsgericht hat den Aufhebungsbescheid des Beklagten vom
18. Februar 2005 und den Rückforderungsbescheid in der Gestalt des Wider-
spruchsbescheids vom 7. Juni 2005 mit der Begründung aufgehoben, der Be-
klagte habe die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 SVwVfG nicht beachtet. Auf
die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht dieses Urteil ge-
ändert, soweit die Festsetzung über die Gewährung des Familienzuschlags der
Stufe 1 vom 18. Juni 1985 aufgehoben und ein Betrag von mehr als 5 305,17 €
zurückgefordert wurde.
2. Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der
Revision mit der Begründung, das angefochtene Urteil werfe Fragen von
rechtsgrundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.
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Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur
dann, wenn sie grundsätzliche, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte
Rechtsfragen aufwirft, deren im künftigen Revisionsverfahren zu erwartende
Entscheidung der Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer
bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts zu dienen geeignet ist (Beschluss
vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr).
Sämtliche vom Kläger aufgeworfene Fragen erfüllen diese Voraussetzungen
nicht.
a) Die Frage, ob das Schreiben der Oberfinanzdirektion Saarbrücken vom
18. Juni 1985 einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 SVwVfG darstellt oder nicht,
müsste in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Läge ein Festset-
zungs- oder Bewilligungsbescheid vor, müsste dieser zwar als möglicher
Rechtsgrund der Zahlung aufgehoben werden, um eine Rückforderung nach
allgemeinen Grundsätzen rechtfertigen zu können. Darum geht es hier aber
nicht. Ein solcher Bescheid liegt nicht vor. Dienstbezüge werden auf der Grund-
lage des Bundesbesoldungsgesetzes grundsätzlich ohne vorhergehenden
Festsetzungs- oder Bewilligungsbescheid gewährt. An diese Rechtslage knüpft
§ 12 Abs. 2 BBesG an und sieht daher von einer Aufhebung eines solchen Be-
scheides als Voraussetzung einer Rückforderung ab. Dass hier auch nicht etwa
ausnahmsweise ein Festsetzungsbescheid ergangen ist, hat das Berufungsge-
richt nach den Umständen des Einzelfalls gewürdigt, ohne dass dadurch ein
Bedarf nach einer rechtsgrundsätzlichen Klärung aufgeworfen wäre. Es käme
also auch in einem Revisionsverfahren nur darauf an, ob die Rückforderung zu
viel bezahlter Dienstbezüge mit § 12 Abs. 2 BBesG vereinbar ist oder nicht. Ob
die der Zahlung zugrunde liegende Maßnahme des Dienstherrn einen Verwal-
tungsakt oder einen bloßen kassenrechtlichen Vorgang darstellt, spielt insoweit
keine Rolle. Der Kläger wird außerdem durch die Aufhebung der erstinstanzli-
chen Entscheidung nicht in seiner Rechtsstellung berührt. Die Rückforderungs-
entscheidung hängt nicht von der Rechtsnatur der behördlichen Entscheidung
ab, dem Kläger den Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG (jetziger
Fassung) zu gewähren. Sie beruht ausschließlich auf den in § 12 Abs. 2 BBesG
genannten Voraussetzungen.
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b) Die Frage, wann der Kläger hätte erkennen müssen, dass ihm nach den be-
amtenrechtlichen Bestimmungen der Familienzuschlag der Stufe 1 nicht mehr
zustand, kann nicht abstrakt und damit auch nicht rechtsgrundsätzlich geklärt
werden, sondern hängt von den jeweiligen Konstellationen des Einzelfalls ab.
§ 12 Abs. 2 BBesG enthält hierzu unbestimmte Rechtsbegriffe, die auf den Ein-
zelfall anzuwenden sind.
c) Zur Beantwortung der weiteren Frage, wann unter besonderer Berücksichti-
gung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom Beginn der regelmäßigen
Verjährungsfrist auszugehen ist, bedarf es keiner Durchführung eines Revisi-
onsverfahrens. Diese Frage kann durch unmittelbare Anwendung der entspre-
chenden Überleitungsvorschriften ohne Weiteres beantwortet werden. Davon
abgesehen ist es im Rahmen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich, die
grundsätzliche Bedeutung der Sache darzulegen. Daher wäre es geboten ge-
wesen, eine für rechtsgrundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage im Rahmen
der Überleitungsbestimmungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zu
formulieren. Dieser Verpflichtung ist die Beschwerde mit ihrem pauschalen Hin-
weis auf dieses Regelwerk, obgleich anwaltlich vertreten, nicht einmal im An-
satz nachgekommen.
d) Das Gleiche gilt für die letzte als vermeintlich rechtsgrundsätzlich aufgeworfe-
ne Frage, inwieweit Billigkeitserwägungen im Rahmen der Rückforderung
überzahlter Bezüge es geboten erscheinen ließen, auf eine Rückzahlung ganz
oder teilweise zu verzichten. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann mit der
Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Behörde
aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen
werden. Ob aber Billigkeitsgründe vorliegen, kann nicht allgemein, sondern nur
bezogen auf den Einzelfall entschieden werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 52 Abs. 3 i.V.m. § 47 Abs. 3
GKG.
Albers Prof. Dr. Kugele Thomsen
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