Urteil des BVerwG vom 02.10.2008

Rechtliches Gehör, Anschluss, Ehepartner, Verfahrensmangel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 7.08
OVG 21 A 3699/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Oktober 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 2007 wird zurück-
gewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 30 000 €festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte
Beschwerde ist unbegründet. Die Berufungsentscheidung wirft weder eine bis-
lang ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf noch beruht sie
auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler.
1. Mit der Grundsatzbeschwerde, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO gerecht wird, will der Kläger geklärt wissen, ob der die Beru-
fungsentscheidung tragende Rechtssatz mit Bundesrecht übereinstimmt. Dieser
Rechtssatz lautet: Die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohlichen Cha-
rakters der Erkrankung des Beamten im Zeitpunkt der Eheschließung schließt
die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe i.S.v. § 19
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG in der durch Art. 1 Nr. 15 des Versorgungsände-
rungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926) geänderten
Fassung regelmäßig aus, es sei denn, dass sich die Eheschließung als konse-
quente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung dieser Kenntnis bestehen-
den Heiratsentschlusses darstellt.
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Die begehrte revisionsgerichtliche Überprüfung ist entbehrlich. Die geltend ge-
machte Rechtsfrage ist in der Senatsrechtsprechung grundsätzlich geklärt. Im
Urteil vom 18. April 1991 - BVerwG 2 C 7.90 - (Buchholz 310 § 86 Abs. 1
VwGO Nr. 230) ist der Senat bei der Interpretation des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BeamtVG davon ausgegangen, dass die Kenntnis einer lebensbedrohlichen
Erkrankung des künftigen Ehepartners von entscheidender Bedeutung für die
Widerlegbarkeit der gesetzlichen Vermutung ist, die Eheschließung diene
hauptsächlich der Versorgung.
In dem damaligen Rechtsstreit war das Berufungsgericht zu dem Schluss ge-
kommen, die gesetzliche Fiktion einer Versorgungsehe sei widerlegt, ohne hin-
reichend aufgeklärt zu haben, ob die Ehefrau des später verstorbenen Beamten
von dessen lebensbedrohlicher Krankheit schon vor der Eheschließung
Kenntnis hatte. Wegen dieses Aufklärungsmangels wurde das Berufungsurteil
aufgehoben und an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Sei nämlich,
so der Senat in der damaligen Entscheidung, davon auszugehen, dass der
Ehegatte des verstorbenen Beamten von dessen lebensbedrohlicher Erkran-
kung Kenntnis gehabt habe, sei die Annahme des Berufungsgerichts hinfällig,
die damalige Klägerin habe den Beamten nicht in Versorgungsabsicht geheira-
tet.
Auch ohne dass der Senat in der zitierten Entscheidung vom 18. April 1991
(a.a.O.) einen Rechtssatz ausdrücklich formuliert hat, ergibt sich dieser ohne
Weiteres aus der Urteilsbegründung. Diese erging zwar noch unter der Geltung
der früheren Fassung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG, doch betreffen
2. Unbegründet ist auch die Verfahrensrüge. Davon abgesehen, dass es der
Kläger versäumt hat, den Verfahrensmangel zu bezeichnen (§ 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO), ist ein solcher auch nicht ersichtlich. Die beanstandeten Passa-
gen des Berufungsurteils beruhen auf keiner Verletzung des Anspruchs des
Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO). Für die Annahme auf Sei-
te 9 des Berufungsurteils, es habe „im Anschluss an die bereits im Januar 2002
getroffenen Regelungen somit alles dafür (gesprochen), im Hinblick auf die sich
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zuspitzende lebensbedrohliche Entwicklung die bisher gegen eine Eheschlie-
ßung sprechenden Gründe zurückzustellen, die Beziehung förmlich zu besie-
geln und dem Kläger eine weitere wirtschaftliche Absicherung zu verschaffen“,
bieten die im Berufungsurteil referierten Zeugenaussagen eine hinreichende
Grundlage. Das gilt ebenso für die weitere Beweiswürdigung des Berufungsge-
richts auf Seite 10 des Berufungsurteils, für die Entscheidung zur Eheschlie-
ßung sei „wesentlich mitbestimmendes Bedürfnis beider Ehepartner“ die Ver-
besserung der wirtschaftlichen Situation des Klägers gewesen. Hiervon abge-
sehen sind beide Schlussfolgerungen des Oberverwaltungsgerichts weder will-
kürlich noch beruhen sie auf einer Verletzung allgemeiner Denkgesetze.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertent-
scheidung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.
Herbert Prof. Dr. Kugele Thomsen
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