Urteil des BVerwG vom 26.10.2011

Grundsatz der Unmittelbarkeit, Rechtliches Gehör, Grundsatz der Gleichbehandlung, Beweisantrag

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 69.10
VGH 28 A 2577/09.D
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Oktober 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
beschlossen:
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
2. Juni 2010 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof
zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung
vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf 53 138,80 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der Rechts-
streit gemäß § 73 HDG, § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist. Die Voraus-
setzungen des § 73 HDG, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen vor, weil das Beru-
fungsurteil auf Verfahrensfehlern beruht.
1. Der Beklagte war Lehrer im Landesdienst. Mit Ablauf des Monats März 2007
wurde er vorzeitig in den Ruhestand versetzt. In einem kurz darauf rechtskräftig
gewordenen Strafbefehl wurde wegen eines Vergehens nach § 176 Abs. 1
Alt. 1 und 2 StGB zu Lasten einer zu Beginn der Tathandlungen 13-jährigen
Schülerin gegen ihn eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt, deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; zugleich wurde ihm die Zah-
lung einer Geldbuße von 5 000 € auferlegt. Im Disziplinarklageverfahren, das
sexuelle Handlungen in der Schule an und mit der Schülerin, teilweise gegen
ihren Willen, zwischen dem 17. Juli 1991 bis zum Ende des Schuljahres
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1994/1995 zum Gegenstand hat, ist auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt
worden.
2. a) Die Beschwerde rügt mit Erfolg, dass die Klageschrift hinsichtlich des Tat-
komplexes 2 (sexuelle Handlungen bis in das Schuljahr 1993/1994) an einem
wesentlichen Mangel leidet (Verstoß gegen § 57, § 60 Abs. 1 HDG), auf dem
das Urteil beruht. Der Mangel der Klageschrift hätte von Amts wegen berück-
sichtigt werden müssen.
Im zweiten Tatkomplex wird dem Beklagten mit der Klage vorgeworfen, dass er
„über den oben bezeichneten Tatzeitraum hinaus - jeden-
falls bis in das Jahr 1994/1995 - die Schülerin W. in der
…-Schule regelmäßig zum Oralverkehr gezwungen, an
der Schülerin sexuelle Handlungen ausgeführt und an sich
von ihr ausführen hat lassen.“
Eine weitere Konkretisierung findet sich in der Klageschrift nicht.
Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 HDG muss die Klageschrift u.a. die Tatsachen, in de-
nen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Be-
weismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die
Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich
heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen
müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar
beschrieben werden (Urteile vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - juris
Rn. 14 ; vom
25. Januar 2007 - BVerwG 2 A 3.05 - Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 27;
Beschlüsse vom 13. März 2006 - BVerwG 1 D 3.06 - Buchholz 235 § 67 BDO
Nr. 1 Rn. 13, vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - Rn. 22, 23
weit nicht veröffentlicht in Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1> und vom 21. April
2010 - BVerwG 2 B 101.09 - juris Rn. 6; jeweils zur inhaltsgleichen Vorschrift
des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG bzw. zu dessen Vorgängernorm § 65 Halbs. 2
BDO). Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die dis-
ziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann (Urteile vom 23. Novem-
ber 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - Rn. 14, 15
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Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 12>, vom 25. Januar 2007 a.a.O. und vom 29. Juli
2010 - BVerwG 2 A 4.09 - juris Rn. 146, Beschlüsse vom 8. März 1985
- BVerwG 1 DB 16.85 - BVerwGE 76, 347 <349> und vom 13. März 2006 a.a.O.
Rn. 13). Auch tragen die gesetzlichen Anforderungen an die Klageschrift dem
Umstand Rechnung, dass sie Umfang und Grenzen der gerichtlichen Diszipli-
narbefugnis festlegt. Denn gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 HDG dürfen nur Handlun-
gen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in
der Klage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden (Urteile vom 25. Januar
2007 a.a.O. und vom 29. Juli 2010 a.a.O. Rn. 147). Nach alledem muss aus der
Klageschrift unmissverständlich hervorgehen, welche Sachverhalte angeschul-
digt werden. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, wenn bei verständiger
Lektüre aus der Klageschrift eindeutig hervorgeht, welche konkreten Handlun-
gen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden (zum Ganzen
vgl. auch Beschluss vom 28. März 2011 - BVerwG 2 B 59.10 - juris Rn. 5).
Zum zweiten Tatkomplex genügt die Klageschrift diesen Anforderungen nicht.
Weder sind Ort und Zeit der einzelnen Handlungen konkret angegeben noch
die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben. Zwar bedürfen die den
Gegenstand der Disziplinarklage bildenden Vorgänge keiner tagesgenauen Fi-
xierung, aber die bloße Nennung eines ungefähren Anfangs- und eines unge-
fähren Endzeitraums (über einen unbekannten Tag zwischen dem 17. Juli 1991
und dem 16. Juli 1992 hinaus bis jedenfalls in das Jahr 1994/1995) mit der An-
gabe, die sexuellen Handlungen seien regelmäßig (täglich, wöchentlich, monat-
lich, jährlich?) ausgeführt worden, lässt offen, wie oft es in etwa zu sexuellen
Handlungen gekommen sein soll. Auch der Ort (in der ...-Schule) hätte ange-
sichts seiner Größe näher eingegrenzt werden müssen. Welche weiteren se-
xuellen Handlungen der Beklagte neben dem Oralverkehr an der Schülerin
ausgeführt und an sich von ihr hat ausführen lassen sollen, bleibt ebenfalls im
Ungewissen. An keiner Stelle in der Klageschrift findet sich eine nähere Präzi-
sierung der Umstände (Tageszeit, was ging voraus, was passierte im Einzel-
nen?).
Soweit das Berufungsgericht darauf verweist, dass dem Beklagten ohnehin aus
dem Disziplinarverfahren bekannt gewesen sei, welches Verhalten ihm im Rah
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men der Disziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werde, vernach-
lässigt es die Aufgaben des behördlichen Verfahrens und der Klageschrift. Im
behördlichen Verfahren hat der Dienstherr zu ermitteln, welche Vorwürfe sich
voraussichtlich erweisen lassen werden. Zudem darf der Dienstherr aus den
voraussichtlich beweisbaren Vorwürfen auch nur Dienstpflichtverletzungen und
nicht jedes missliebige Verhalten zum Gegenstand der Disziplinarklage machen
(Begrenzungsfunktion der Disziplinarklageschrift). Von dieser Begrenzungs-
funktion hat der Dienstherr im Übrigen insoweit Gebrauch gemacht, als er nur
Oralverkehr unter Zwang zum Gegenstand der Klage gemacht hat. Was aller-
dings „gezwungen“ bedeutet, ob körperlicher oder psychischer Zwang und ins-
besondere wodurch der Zwang ausgeübt worden sein soll, bleibt ebenfalls im
Unklaren.
Diese Unbestimmtheit des Vorwurfs führt hier zudem zu Unstimmigkeiten im
Berufungsurteil: Während die Zeugin bei ihrer behördlichen Vernehmung kör-
perlichen Zwang geschildert hat, hat sie dies in der mündlichen Verhandlung
vor dem Verwaltungsgericht ausdrücklich verneint. Hätte das Berufungsgericht
entsprechend seiner Auffassung die Vorwürfe der Zeugin im behördlichen Ver-
fahren zur Konkretisierung der Klageschrift herangezogen, so hätte es den Be-
klagten deshalb im zweiten Tatkomplex hinsichtlich des durch körperliche Ge-
walt „erzwungenen“ Oralverkehrs gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 HDG vom Vorwurf
einer Dienstpflichtverletzung freistellen müssen. Stattdessen hat es den fortlau-
fenden Oralverkehr erschwerend in seine Gesamtwürdigung einbezogen. Die-
ser sei „ohne intensive körperliche Gewalt“ durch den Beklagten initiiert worden.
Das Berufungsgericht lässt offen, welche weniger intensive körperliche Gewalt
ausgeübt wurde, und gelangt zur Aberkennung des Ruhegehalts, weil es sich
„allein schon aufgrund des sich über Jahre ersteckenden regelmäßigen Oral-
verkehrs um einen außergewöhnlich schweren Fall des sexuellen Missbrauchs
einer Schülerin im Schulbereich durch einen dort bediensteten Lehrer“ handele.
b) Ebenfalls mit Erfolg rügt die Beschwerde, dass das Berufungsgericht die ihm
obliegende Aufklärungspflicht (§ 63 Abs. 1, § 6 HDG, § 86 Abs. 1 VwGO) ver-
letzt habe, weil es keine weiteren Beweise erhoben habe, obwohl sich dies ihm
hätte aufdrängen müssen.
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Gemäß § 63 Abs. 1 HDG erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise. Dem-
nach hat es grundsätzlich selbst diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den
Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme
von Bedeutung sind. Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Ver-
pflichtung, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich
nach Lage der Dinge aufdrängen. Dies gilt gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 HDG
auch für die Berufungsinstanz (vgl. zu den wortgleichen Vorschriften der § 58
Abs. 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG: Beschlüsse vom 19. Dezember 2007
- BVerwG 2 B 34.07 - juris Rn. 5 m.w.N. und vom 4. September 2008 - BVerwG
2 B 61.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4 Rn. 7, vgl. auch zu § 86 Abs. 1
VwGO Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 28.10 -
der Entscheidungssammlung und in der Fachpresse vorgesehen> juris
Rn. 24 ff.).
Zwar verletzt das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht grundsätzlich nicht,
wenn es von einer Beweisaufnahme absieht, die weder von einem Beteiligten in
der mündlichen Verhandlung beantragt worden ist noch sich den Umständen
nach aufdrängt (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B
81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265, vom 14. Juni 2005 - BVerwG
2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 = NVwZ 2005, 1199, vom 19. Au-
gust 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26, vom
19. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 6 und vom 13. Oktober 2008 - BVerwG 2 B
119.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 5 Rn. 4). Hier hat sich eine weitere Be-
weisaufnahme jedoch aufgedrängt, ohne dass der Beklagte sie förmlich bean-
tragen musste. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung drängt sich auch ohne
ausdrücklichen Beweisantrag dann auf, wenn das Gericht auf der Grundlage
seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung sehen muss, wenn also
die bisherigen Tatsachenfeststellungen eine Entscheidung noch nicht sicher
tragen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter ge-
gen das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Einwände erhebt.
Denn in einem solchen Fall ist das Gericht gehindert, seine Entscheidung unter
Übergehung der Einwände auf das angegriffene Beweisergebnis zu stützen
(vgl. zum Ganzen Urteil vom 28. Juli 2011 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).
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So verhält es sich hier. In Anbetracht der sehr späten Strafanzeige, vorhande-
ner - kleinerer - Unstimmigkeiten im Aussageverhalten der Zeugin W. und der
Konstellation Aussage gegen Aussage hätte das Berufungsgericht zur Aufklä-
rung der entscheidungserheblichen Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugin W.
und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen durch Vernehmung derjenigen Zeugen
weiter nachgehen müssen, denen sich die Zeugin W. seinerzeit anvertraut ha-
ben will (die von der Schweigepflicht entbundenen Ärzte und der von der
Schweigepflicht entbundene Therapeut, die Mutter der Zeugin W., die Mitarbei-
terinnen des Jugendamtes G. und R., das Ehepaar Wi., die in der mündlichen
Berufungsverhandlung von der Zeugin W. benannte Frau P., die in der mündli-
chen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht von der Zeugin W. benannten
Lehrerinnen R. und H.-B., Frau S. von der Opferhilfe Frankfurt).
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass von einigen Zeugen schriftliche
Erklärungen vorlagen oder Vernehmungsprotokolle aus dem behördlichen oder
anderen Verfahren. Der in § 63 Abs. 1 HDG statuierte Grundsatz der Unmittel-
barkeit der Beweiserhebung verpflichtet das Gericht, alle erforderlichen Bewei-
se selbst zu erheben. Eine bestrittene, beweisbedürftige Tatsache kann des-
halb grundsätzlich nicht durch Verlesen von Vernehmungsprotokollen des be-
hördlichen Disziplinarverfahrens oder anderer gesetzlich geordneter Verfahren
festgestellt werden. Von Zeugen hat es sich in der mündlichen Verhandlung
selbst einen unmittelbaren persönlichen Eindruck zu verschaffen (zum Ganzen:
Beschluss vom 4. September 2008 - BVerwG 2 B 61.07 - Buchholz 235.1 § 58
BDG Nr. 4 Rn. 7; vgl. zum Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme
auch Urteil vom 28. Juli 2011 a.a.O. juris Rn. 18 ff.). Etwas anderes gilt zwar für
die Berufungsinstanz nach § 70 Abs. 4 HDG in Bezug auf vom Verwaltungsge-
richt erhobene Beweise. Das Verwaltungsgericht hat jedoch keinen dieser Zeu-
gen vernommen.
3. Die übrigen Verfahrensrügen (§ 73 HDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
und die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bleiben demgegenüber ohne
Erfolg.
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a) Die Beschwerde rügt, dass das behördliche Verfahren durch die Ablehnung
der Beweisanträge (auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens und auf
Vernehmung dreier Zeugen) und die Befangenheit des mit der Führung der Er-
mittlungen betrauten Schulamtsmitarbeiters an wesentlichen Mängeln leide, die
im gerichtlichen Verfahren nach § 60 Abs. 3 HDG fortwirkten.
Es kann dahinstehen, ob die Ablehnung der Beweisanträge einen Fehler des
behördlichen Verfahrens darstellt. Nach § 27 Abs. 3 HDG ist im behördlichen
Disziplinarverfahren über einen Beweisantrag der Beamtin oder des Beamten
nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Satz 1). Dem Beweisantrag ist
stattzugeben, soweit er für die Tat- oder Schuldfrage oder für die Bemessung
der Art und Höhe einer Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sein kann
(Satz 2). Der Senat hat insoweit zur wortgleichen Vorschrift des § 24 Abs. 3
BDG entschieden, dass die Verletzung dieser Regelungen letztlich sanktionslos
bleibt, weil der angeschuldigte Beamte im gerichtlichen Verfahren den Antrag
wiederholen kann und im Übrigen das Gericht von Amts wegen (§ 6 HDG i.V.m.
§ 86 VwGO) die erforderlichen Beweise zu erheben hat (§ 63 Abs. 1 HDG; vgl.
Urteil vom 29. Juli 2010 - BVerwG 2 A 4.09 - juris Rn. 133, 138 und Beschluss
vom 16. Februar 2010 - BVerwG 2 B 62.09 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG
Nr. 9 Rn. 11).
Nichts anderes gilt, wenn es um die Befangenheit des mit der Führung der Er-
mittlungen betrauten Schulamtsmitarbeiters geht. Im Übrigen lagen keine An-
haltspunkte für eine Befangenheit des Mitarbeiters (§ 6 HDG i.V.m. § 21 Abs. 1
Hess VwVfG) vor, da der Befangenheitsantrag ausschließlich mit der - aus der
Sicht des Beklagten fehlerhaften - Ablehnung der Beweisanträge durch den
Schulamtsmitarbeiter begründet worden ist. Meinungsunterschiede über die
konkrete Ausgestaltung der Ermittlungspflicht begründen - von besonderen
Umständen des Einzelfalles abgesehen - nicht schon generell den Vorwurf der
Befangenheit (vgl. Urteil vom 29. Juli 2010 - BVerwG 2 A 4.09 - juris Rn. 124).
b) Ebenso ohne Erfolg bleibt die Rüge, das Berufungsgericht habe den in der
mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag auf Einholung eines aussa-
gepsychologischen Sachverständigengutachtens verfahrensrechtswidrig - und
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zwar unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO
sowie gegen seine Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß
Art. 103 Abs 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO - abgelehnt.
Nach § 63 HDG erhebt das Gericht im Disziplinarklageverfahren die erforderli-
chen Beweise. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das
Gericht, einem Beweisangebot nachzugehen, wenn die unter Beweis gestellte
Tatsache zu einem Rechtsstandpunkt erheblich ist und die Nichtberücksichti-
gung des Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. Be-
schluss vom 29. Mai 2009 - BVerwG 2 B 3.09 - Buchholz 235.1 § 58 Nr. 5
= NJW 2009, 2614, zuletzt Beschluss vom 1. April 2011 - BVerwG 2 B 84.10 -
Rn. 5 m.w.N.).
Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit vernommener Zeugen sowie der Glaubhaf-
tigkeit ihrer Aussagen unter Berücksichtigung der vom Beklagten erhobenen
Einwände ist grundsätzlich Sache des Gerichts (Urteil vom 29. Juli 2010
- BVerwG 2 A 4.09 - juris Rn. 158). Ausnahmen können dann gerechtfertigt
sein, wenn besondere, in erheblicher Weise von den Normalfällen abweichen-
de, Umstände vorliegen, deren Würdigung eine spezielle Sachkunde erfordert,
die dem Gericht nicht zur Verfügung steht (stRspr des BGH, vgl. Beschluss vom
28. Oktober 2009 - 5 StR 419/09 -, NStZ 2010, 100 und Urteil vom 18. August
2009 - 1 StR 155/09 - NStZ 2010, 51 jeweils m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Be-
schluss vom 7. Juli 1999 -BVerwG 9 B 401.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1
VwGO Nr. 304 = juris Rn. 4 m.w.N.). Dies kommt überwiegend bei Verdachts-
momenten für eine die Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigende Erkrankung
in Betracht, nicht aber bereits bei den hier zur Begründung des Beweisantrags
vorgetragenen sonstigen Umständen (die Zeugin sei bereits im Kindesalter Op-
fer anderweitiger sexueller Übergriffe von Erwachsenen geworden, bei ihr liege
langjähriger Drogenkonsum mit anhaltender Abhängigkeit und Alkoholmiss-
brauch vor, sie habe eine höchst problematische Entwicklung im Kindes- und
Jugendlichenalter durchlaufen
Heimaufenthalte, zeitweise Prostitution>, sie stehe langfristig und andauernd in
psychotherapeutischer Behandlung, sie habe die Strafanzeige gegen den Be-
klagten erst Jahre nach dem streitigen Tatzeitraum gestellt, sie habe freiwillig
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die Beziehung zu dem Beklagten aufrecht erhalten, sei mit diesem im Erwach-
senenalter eine intime Beziehung eingegangen, es fänden sich signifikante Wi-
dersprüche in ihren Aussagen und die mündliche Verhandlung vor dem Beru-
fungsgericht habe die begründeten Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage
und ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit nicht ausräumen können). Das Beru-
fungsgericht durfte daher den Beweisantrag ohne Verstoß gegen das Prozess-
recht ermessensfehlerfrei mit der Argumentation ablehnen, es liege - ungeach-
tet des nicht unproblematischen Werdegangs der Zeugin W. - insgesamt noch
keine Sachlage vor, nach der eine Bewertung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussa-
gen und ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit fremder Sachkunde bedarf. Soweit
sich die Beschwerde mit der näheren und sehr ausführlichen Begründung des
Berufungsgerichts auseinandersetzt, setzt sie nur ihre eigene Beurteilung ge-
gen diejenige des Berufungsgerichts, ohne einen Ermessensfehler darzutun.
Insbesondere ist das Berufungsgericht nicht von einer die Wahrnehmungsfä-
higkeit beeinträchtigenden, nicht näher bekannten psychischen Erkrankung der
Zeugin ausgegangen, sondern hat - ebenso wie das Verwaltungsgericht - fest-
gestellt, dass diese an einem posttraumatischen Psychosyndrom leidet, und
zwar aufgrund des fortwährenden sexuellen Missbrauchs durch den Beklagten.
Eine solche Erkrankung ist eine typische Folge eines traumatischen Erlebnis-
ses. Sie führt nicht dazu, dass ein Gericht verpflichtet wäre, ein aussagepsy-
chologisches Sachverständigengutachten einzuholen.
c) Die Ablehnung des Antrags auf Beiziehung der Akten des Jugendamts der
Stadt Frankfurt betreffend die Zeugin W. lässt ebenfalls keinen Verfahrenfehler
erkennen. Das Berufungsgericht durfte den Antrag im Einklang mit dem Pro-
zessrecht mit der Begründung ablehnen,
er genüge bereits formal nicht den
Anforderungen der § 6 HDG, § 86 Abs. 2 VwGO, weil weder eine bestimmte zu
beweisende Tatsache noch ein klares Beweisthema benannt werde; es handele
sich um einen unzulässigen Ausforschungsantrag.
Soweit die Beschwerde meint, die Beiziehung der Jugendamtsakte sei von
Amts wegen geboten gewesen, vermag sie auch damit nicht durchzudringen.
Diese Argumentation der Beschwerde beruht auf der Annahme, dass es in Fäl-
len sexuellen Missbrauchs einer Schülerin durch einen Lehrer immer zum
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Schulwechsel kommt. Diese Annahme ist aber weder zwingend noch ist sie
Gegenstand der Befragung des Zeugen M. in der mündlichen Verhandlung vor
dem Berufungsgericht gewesen.
d) Ebenfalls nicht dargelegt ist, dass der Beweisantrag betreffend die Zeugin
S.-B.
verfahrensrechtswidrig vom Berufungsgericht abgelehnt worden ist. Zur
fehlenden Entscheidungserheblichkeit des Beweisantrags setzt die Beschwerde
lediglich ihre Würdigung gegen diejenige des Berufungsgerichts.
e) Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103
Abs. 1 GG, § 6 HDG, § 108 Abs. 2 VwGO) vernachlässigt, dass grundsätzlich
davon auszugehen ist, dass ein Gericht Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis
nimmt und in seine rechtlichen Erwägungen einbezieht. Es ist nicht gehalten,
das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu
jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Das Gericht kann sich auf
die Darstellung und Würdigung derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Ge-
sichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entschei-
dungserheblich ankommt (vgl. § 6 HDG, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der An-
spruch auf rechtliches Gehör ist nur dann verletzt, wenn im Einzelfall besondere
Umstände deutlich machen, dass das Gericht nach seinem Rechtsstandpunkt
zentrale Argumente eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder sich
mit ihnen nicht auseinandergesetzt hat (stRspr, Urteil vom 13. Mai 1976
- BVerwG 2 C 26.74 - Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1, zuletzt Beschlüsse
vom 19. April 2011 - BVerwG 2 B 60.11 - juris Rn. 7 und vom 20. Juli 2011
- BVerwG 2 B 32.10 - juris Rn. 3).
Deshalb kann insbesondere aus einer von der Ansicht eines Beteiligten abwei-
chenden Beweiswürdigung eines Gerichts nicht auf einen Gehörsverstoß ge-
schlossen werden. Im Übrigen ist die Beweiswürdigung aufgrund des § 73
HDG, § 137 Abs. 2 VwGO revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob Be-
weiswürdigungsgrundsätze wie etwa Auslegungsregeln, Denkgesetze und all-
gemeine Erfahrungssätze verletzt sind (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 26. Fe-
bruar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Rn. 34 = ZBR 2008, 257 <260>; insoweit
nicht in Buchholz abgedruckt). Dies ist nicht dargelegt. Insbesondere liegt ein
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Verstoß gegen die Denkgesetze nach der ständigen Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts nur dann vor, wenn ein Schluss aus Gründen der Logik
schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht aber schon dann, wenn das Ge-
richt andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfah-
rensbeteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn der vom Verfah-
rensbeteiligten favorisierte Schluss vielleicht sogar näher liegt als der vom Ge-
richt gezogene (vgl. Beschluss vom 21. September 1982 - BVerwG 2 B 12.82 -
juris Rn. 7 ).
Sind bei der Beweiswürdigung mehrere Folgerungen denkgesetzlich möglich,
so ist es nicht nur verfahrensfehlerfrei, wenn das Tatsachengericht unter meh-
reren möglichen eine Folgerung wählt, sondern gerade auch seine ihm durch
§ 6 HDG, § 108 Abs. 1 VwGO übertragene Aufgabe, sich unter Abwägung ver-
schiedener Möglichkeiten seine Überzeugung zu bilden. Das Beschwerdevor-
bringen legt insoweit keinen Verfahrensfehler dar.
Von einer weiteren Begründung der Ablehnung der Verfahrensrügen wird ge-
mäß § 73 HDG, § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO abgesehen.
4. Gleichfalls ohne Erfolg wirft die Beschwerde schließlich als grundsätzlich be-
deutsam die Frage auf,
ob einem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt ohne wei-
tere Voraussetzungen oder Einschränkungen selbst bei
lang zurückliegender Tat aberkannt werden kann, wenn
er, wäre er noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis
hätte entfernt werden müssen.
Hierzu weist sie darauf hin, dass zwischen Beginn der Tat 19 Jahre und deren
Ende 15 Jahre vergangen seien bis zur Aberkennung des Ruhegehalts, so dass
diese Disziplinarmaßnahme bei einem Beamten, der ansonsten unbescholten
geblieben sei, unverhältnismäßig erscheine. Dies gelte insbesondere bei einem
Ruhestandsbeamten, der nicht mehr die Möglichkeit habe, sich andere Er-
werbsquellen zu erschließen. Nach dem Eintritt in den Ruhestand bestünden
nur noch beschränkte Beamtenpflichten.
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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 73 HDG, § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO), wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche
Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden all-
gemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Recht-
sprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren
geklärt werden muss (stRspr, vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG
8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Diese
Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn die von der Beschwerde aufgeworfe-
nen Rechtsfragen bereits geklärt sind oder sich anhand der bisherigen Recht-
sprechung unter Zuhilfenahme des Gesetzestextes ohne Durchführung eines
Revisionsverfahrens eindeutig beantworten lassen. So verhält es sich hier.
Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 HDG, der mit § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG inhaltlich über-
einstimmt, setzt die Aberkennung des Ruhegehalts voraus, dass die Entfernung
aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt wäre, falls der Ruhestandsbeamte
sich noch im Dienst befände. Danach gelten die Bemessungsgrundsätze des
§ 16 Abs. 2 Satz 1 HDG auch für die Bestimmung der erforderlichen Diszipli-
narmaßnahme gegen einen Ruhestandsbeamten, der während seiner aktiven
Dienstzeit ein schweres Dienstvergehen begangen hat. Der nachträgliche Ein-
tritt in den Ruhestand führt weder zur Anwendung anderer Bemessungsmaß-
stäbe noch stellt er einen mildernden Umstand dar.
Den gesetzlichen Regelungen liegen zum einen generalpräventive Erwägungen
zugrunde. Es wären Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität des Be-
rufsbeamtentums zu erwarten, wenn ein Ruhestandsbeamter, der wegen eines
schweren Dienstvergehens als aktiver Beamter nicht mehr tragbar wäre, wei-
terhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbe-
zeichnung zu führen. Dies gilt unabhängig davon, ob das Dienstvergehen in der
Öffentlichkeit bekannt geworden ist und wann es begangen wurde. Zum ande-
ren gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG,
dass ein Beamter, der in den Ruhestand tritt, nachdem er ein zur Auflösung des
Beamtenverhältnisses führendes Dienstvergehen begangen hat, nicht besser-
gestellt wird als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens
im aktiven Dienst verbleibt (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 22. November
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2001 - 2 BvR 2138/00 - NVwZ 2002, 467 und vom 9. August 2006 - 2 BvR
1003/05 - DVBl 2006, 1372 <1373>; BVerwG, Urteile vom 23. November 2006
- BVerwG 1 D 1.06 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 12 Rn. 28, vom 24. Mai 2007
- BVerwG 2 C 25.06 - juris Rn. 17
235.1 § 13 BDG Nr. 4> und BVerwG 2 C 28.06 – juris Rn. 17 sowie vom 28. Juli
2011 - BVerwG 2 C 16.10 - juris Rn. 32; Beschlüsse vom 13. Oktober 2005
- BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 6, vom 28. August
2007 - BVerwG 2 B 26.07 - juris Rn. 3 und vom 26. August 2009 - BVerwG 2 B
66.09 - juris Rn. 10).
Schließlich ist geklärt, dass weder eine lange Dauer des Verfahrens noch das
lange Zurückliegen des Dienstvergehens es rechtfertigen, von der Entfernung
aus dem Beamtenverhältnis oder der Aberkennung des Ruhegehalts abzuse-
hen, wenn diese Maßnahme geboten ist. Zwar kann eine pflichtenmahnende
Disziplinarmaßnahme in diesen Fällen unvereinbar mit dem Grundsatz der Ver-
hältnismäßigkeit werden. Bei Fortbestand des Beamtenverhältnisses kann das
durch ein Dienstvergehen ausgelöste Sanktionsbedürfnis gemindert werden
oder sogar entfallen, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen wirt-
schaftlichen und dienstlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt ha-
ben, sodass sie eine günstigeres Persönlichkeitsprognose ermöglichen. Dem-
gegenüber geht es bei der Dienstentfernung darum, das Beamtenverhältnis in
Fällen besonders schwerwiegender Dienstvergehen zu beenden, weil der Be-
amte im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist. An dem endgültigen Ver-
trauensverlust, den er durch sein Fehlverhalten herbeigeführt hat, vermögen
eine lange Verfahrensdauer oder ein langes Zurückliegen des Dienstvergehens
nichts zu ändern. Das verlorene Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wieder-
hergestellt werden. Dies gilt gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG, § 16 Abs. 2 Satz 2
HDG gleichermaßen für die Aberkennung des Ruhegehalts (BVerfG, Beschluss
vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <28 f.>; Kammerbe-
schluss vom 9. August 2006 a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2005
- BVerwG 1 D 30.03 - juris Rn. 80 und vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 -
juris Rn. 27; Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 a.a.O. Rn. 8, vom 28. Oktober
2008 a.a.O., vom 26. August 2009 a.a.O. Rn. 11 und vom 16. Februar 2010
- BVerwG 2 B 62.09 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 9 Rn. 5 und 6). Aus
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diesem Grunde gibt es auch für die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und
die Aberkennung des Ruhegehalts - anders als für die pflichtenmahnenden Dis-
ziplinarmaßnahmen - kein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs nach
§ 18 HDG (§ 15 BDG).
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur
überlangen Verfahrensdauer (Art. 6 Abs. 1 und 13 EMRK) vermag hieran nichts
zu ändern. Ob eine überlange Verfahrensdauer Auswirkungen auf die materielle
Rechtslage hat, bestimmt sich allein nach innerstaatlichem Recht. Der Ge-
richtshof kann aber nach Art. 41 EMRK den Staat zum Ersatz des immateriellen
Schadens verurteilen (vgl. EGMR, Urteil vom
= NVwZ 2010, 1015 ff.).
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 82 Abs. 1 HDG i.V.m. § 52 Abs. 5
Satz 1 Nr. 1 GKG analog.
Herbert Thomsen Dr. von der Weiden
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