Urteil des BVerwG vom 11.09.2008

Kausalität, Kollegialgericht, Mitbewerber, Verschulden

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 69.07
OVG 1 A 2117/05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz sowie
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. März 2007 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf die Streitwertstufe bis 40 000 € festge-
setzt.
G r ü n d e :
Die auf die Revisionszulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO
gestützte Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.
Der Kläger, der am 1. April 2007 im Amt eines Baudirektors (BesGr. A 15) in
den Ruhestand trat, begehrt Schadensersatz wegen unterbliebener Beförde-
rung zum Ministerialrat auf einer Referatsleiterstelle (BesGr. A 16/B 3). Klage
und Berufung blieben erfolglos. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen
ausgeführt:
Die Bewerberauswahl sei zwar objektiv fehlerhaft gewesen, weil die Beurteilung
des Klägers mit einem Mangel behaftet gewesen sei. Es fehle jedoch nach der
sogenannten Kollegialgerichtsregel an einem Verschulden der Beklagten. Zu-
dem könne nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger ohne den
Rechtsverstoß das Amt übertragen worden wäre. Denn selbst wenn er eine um
eine Notenstufe bessere Beurteilung erhalten hätte, wären zwei Mitbewerber
noch immer besser beurteilt gewesen. Dass der Kläger eine noch bessere Be-
urteilung hätte erhalten können, sei angesichts seiner Beurteilungen in den bei-
den nachfolgenden Beurteilungszeiträumen unwahrscheinlich. Zudem habe die
Beklagte ohne Rechtsfehler annehmen und entscheidend darauf abstellen dür-
fen, dass die beiden Mitbewerber mit Blick auf das Anforderungsprofil besser
qualifiziert und damit geeigneter gewesen seien.
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1. Der Kläger rügt, dass die Auslegung der Nichtbenachteiligungserklärung
durch das Berufungsgericht mit allgemeinen Auslegungsgrundsätzen nicht zu
vereinbaren sei. In diesem Zusammenhang wirft er mit der Grundsatzrüge
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Fragen auf,
welche Bedeutung eine im Beurteilungsrechtsstreit abge-
gebene Nichtbenachteiligungserklärung für den Scha-
densersatzprozess wegen Nichtbeförderung hat, insbe-
sondere ob im Schadensersatzprozess aufgrund einer
solchen Erklärung zumindest zu unterstellen ist, dass der
Kläger mit dem Konkurrenten gleichsteht, ihm aber jeden-
falls nicht vorgehalten werden kann, dass seine Beurtei-
lung schlechter als die des Konkurrenten gewesen wäre.
Mit diesen Rügen kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche
Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden all-
gemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Recht-
sprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren
bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer,
diese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG
8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr).
Das Revisionsgericht ist bei der Auslegung einer Erklärung grundsätzlich an die
nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB durch das Berufungsgericht erfolg-
te Auslegung gebunden, da es sich bei der Ermittlung des „gewollten“ Inhalts
materiellrechtlich erheblicher Willenserklärungen um Tatsachenfeststellungen
im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO handelt (vgl. Urteile vom 27. Mai 1981
- BVerwG- Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 17 S. 4 <5 f.>, vom
19. Februar 1982 - BVerwG 8 C 27.81 -<69>, vom 1. Dezem-
ber 1989 --<162>, vom 19. Januar 1990
--<264 f.>, vom 23. Oktober 1996
-- Buchholz 448.11 § 24 ZDG Nr. 10 S. 1 <6 f.> und vom
20. März 2003 - BVerwG 2 C 23.02 - Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 14).
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Dies gilt nur dann nicht, wenn die Auslegung des Tatsachengerichts einen Ver-
stoß gegen revisibles Recht oder gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkge-
setze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (stRspr; vgl. Urteile vom 27. Mai
1981, vom 19. Februar 1982, jeweils a.a.O. m.w.N., vom 1. Dezember 1989
a.a.O., vom 29. April 1993 -- Buchholz 112 § 11 VermG
Nr. 1 S. 1 <3> m.w.N., vom 23. Oktober 1996 a.a.O. S. 7 und vom 20. März
2003 a.a.O.; Beschluss vom 24. Januar 1991- Buchholz
316 § 54 VwVfG Nr. 6 S. 11 <13 f.>).
Einen solchen Fehler des Berufungsgerichts bei der Auslegung der Nichtbe-
nachteiligungserklärung hat der Kläger nicht dargelegt. Das Berufungsgericht
hat der im vorausgegangenen Beurteilungsrechtsstreit in der Berufungsinstanz
abgegebenen Erklärung der Beklagten,
„Mit Blick auf die vom Senat dargelegten Besonderheiten
des Einzelfalles verpflichtet sich die Beklagte, aus der
streitbefangenen Beurteilung keine negativen Konsequen-
zen für den Kläger, insbesondere auch bei künftigen Per-
sonalentscheidungen, zu ziehen.“,
eine lediglich in die Zukunft gerichtete Bedeutung beigemessen. Es hat hierbei
auf den Zusatz „insbesondere bei künftigen Personalentscheidungen“ abgestellt
sowie auf die erkennbare Zielsetzung der Erklärung. Diese habe darin bestan-
den zu verhindern, dass dem Kläger bei künftig anstehenden Besetzungs- und
Beförderungsentscheidungen aus der Beurteilung Nachteile erwachsen. Des-
halb ergebe sich aus der Erklärung nicht, dass dem Kläger für den Beurtei-
lungszeitraum automatisch eine bessere oder überhaupt eine bestimmte Beur-
teilungsnote fiktiv zuzuordnen wäre.
Diese einerseits am Wortlaut der Erklärung und andererseits an der Zielsetzung
des Beurteilungsrechtsstreits orientierte Auslegung ist plausibel. Der Kläger legt
nicht dar, dass das Berufungsgericht auslegungserhebliche Umstände außer
Acht gelassen oder ihre Bedeutung verkannt hat. Vielmehr setzt er dem Ergeb-
nis der Auslegung des Berufungsgerichts eine andere, naturgemäß für ihn
günstigere Auslegung entgegen. Diese liegt schon deshalb fern, weil die Be-
klagte durch eine Erklärung des Inhalts, dem Kläger werde ohne erneute Beur-
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teilung fiktiv eine bessere Endnote zugeordnet, offensichtlich gegen Grundsätze
des Beurteilungswesens und damit gegen den Leistungsgrundsatz gemäß
Art. 33 Abs. 2 GG verstoßen hätte (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2004 - BVerwG
2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <151>).
Die weiteren mit der Grundsatzrüge im Zusammenhang mit der Nichtbenachtei-
ligungserklärung aufgeworfenen Fragen würden sich in dem erstrebten Revisi-
onsverfahren nicht stellen. Denn sie gehen von einem Erklärungsinhalt aus, der
dem Berufungsurteil nicht zugrunde liegt.
2. Auch die weiteren mit der Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) aufge-
worfenen Fragen,
wie detailliert der Kläger zur Erfüllung des Anforderungs-
profils eines Konkurrenten vortragen muss oder ob hier
nicht im Ergebnis eine Beweislastumkehr greift, weil der
Kläger die maßgeblichen Daten regelmäßig nicht zur Ver-
fügung hat,
und sinngemäß: wie ein konstitutives von einem nicht kon-
stitutiven Merkmal in einem Anforderungsprofil abzugren-
zen ist,
sind einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugäng-
lich, da ihre Beantwortung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab-
hängt. Auch mit den insoweit erhobenen Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3
i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG) kann der Kläger nicht durch-
dringen.
Das Berufungsgericht hat bei der Frage, ob die Mitbewerber das Anforderungs-
profil erfüllten, einen weiteren Fehler im Bewerbungsverfahren nicht erkennen
können. Es ist dabei davon ausgegangen, dass mit Ausnahme des Ausbil-
dungserfordernisses für die übrigen Merkmale allenfalls eine „Grundeignung“
erfüllt sein müsse. Hierauf gestützt hat es unter detaillierter Auseinanderset-
zung mit der Argumentation des Klägers, auch gestützt auf Bewertungen des
Referats Rü I 2 angenommen, dass die beiden Mitbewerber das Anforderungs-
profil dem Grunde nach erfüllten. Es hat sich also gerade mit dem vom Kläger
vorgelegten tabellarischen Bewerbervergleich und seinem sonstigen Vortrag
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auseinandergesetzt, insbesondere auch die Merkmale „mehrjährige Tätigkeit in
den Bereichen wehrtechnische Forschung, Entwicklung und Beschaffung, mög-
lichst im BMVg“ und „querschnittliche internationale Rüstungszusammenarbeit“
als „im Kern“ bei den Mitbewerbern erfüllt angesehen und - ebenfalls anders als
dies die Beschwerde darzustellen versucht - hierbei abschließend auf Stellung-
nahmen aus dem BMVg zurückgegriffen. Dieser fallbezogenen rechtlichen
Würdigung des Berufungsgerichts setzt der Kläger eine eigene Würdigung ent-
gegen, ohne darzulegen, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner
Rechtsauffassung wesentliche Tatsachen nicht berücksichtigt oder Aufklä-
rungsmaßnahmen unterlassen hat.
3. Die außerdem von der Beschwerde aufgeworfenen Grundsatzfragen,
ob der Kläger den hypothetischen Kausalverlauf im Scha-
densersatzprozess nachweisen muss oder ob es nicht
ausreichend ist, wenn er nachweist, dass jedenfalls nicht
ausgeschlossen ist, dass er befördert worden wäre,
und inwiefern bei fehlender dienstlicher Beurteilung vom
Kläger der Nachweis eines hypothetischen Kausalverlaufs
verlangt werden kann, zumal wegen der Nichtbenachteili-
gungserklärung eine neue dienstliche Beurteilung nicht er-
stellt werden musste,
betreffen die vom Berufungsgericht verneinte Kausalität. Das Berufungsgericht
hat aber einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Nichtbeförderung
nicht nur mangels Kausalität verneint, sondern daneben - selbständig tragend -
auch deshalb, weil es ein Verschulden der Beklagten verneint hat, ohne dass
insoweit ein Revisionszulassungsgrund gegeben ist.
Hierzu wirft die Beschwerde als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig die Frage
auf,
ob ausgehend von den Prüfungsmaßstäben im einstweili-
gen Rechtsschutzverfahren die Kollegialgerichtsregel
auch dann anwendbar ist, wenn die den Schadensersatz
auslösende Handlung in der Nichtberücksichtigung einer
rechtmäßigen dienstlichen Beurteilung liegt,
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und erhebt zugleich eine Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) im Hinblick
auf das Urteil des Senats vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 -
(BVerwGE 124, 99).
Diese Rügen gehen jedoch ins Leere, denn das Berufungsgericht hat die Kolle-
gialgerichtsregel nicht auf die Entscheidung im Konkurrentenstreitverfahren ge-
stützt. Es hat ausdrücklich dahinstehen lassen, ob der im vorläufigen Rechts-
schutzverfahren ergangene Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom
21. August 1997 zur Anwendung der Kollegialgerichtsregel führt (UA S. 24).
Vielmehr greift diese Regel nach seiner tragenden Rechtsauffassung aufgrund
des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1998 im Berufungs-
rechtsstreit ein. Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde nicht.
Ist ein Urteil - wie im vorliegenden Fall - auf mehrere selbstständig tragende
Begründungen gestützt, kann die Revision nur dann zugelassen werden, wenn
im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend ge-
macht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 9. April 1981
- BVerwG 8 B 44.81 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 197).
Hinzu kommt, dass die von der Beschwerde zu den Anspruchsvoraussetzungen
des Verschuldens und der Kausalität aufgeworfenen Fragen, soweit sie nicht
nur den Einzelfall betreffen, keiner grundsätzlichen Klärung mehr bedürfen. Sie
lassen sich anhand der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 17. August
2005 a.a.O. beantworten:
Zur Kausalität hat der Senat dort ausgeführt:
Die schuldhafte Verletzung des Anspruchs eines Beamten
auf leistungsgerechte Berücksichtigung bei der Besetzung
eines Beförderungsamtes löst einen Schadensersatzan-
spruch aus, wenn der Rechtsverstoß adäquat kausal für
die Nichtbeförderung war. Dies ist der Fall, wenn der Be-
amte bei Vermeidung des Rechtsverstoßes voraussicht-
lich ausgewählt und befördert worden wäre. Hierfür muss
festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlauf
bei rechtmäßigem Vorgehen des Dienstherrn voraussicht-
lich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre
(Urteile vom 25. August 1988 a.a.O. und vom 29. August
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1996 - BVerwG 2 C 23.95 - Buchholz 237.95 § 10
S-HLBG Nr. 2).
Grundsätzlich obliegt dem Beamten, der einen Leistungs-
anspruch geltend macht, die materielle Beweislast dafür,
dass er bei rechtsfehlerfreier Behandlung seiner Bewer-
bung um ein Beförderungsamt voraussichtlich zum Zuge
gekommen wäre. Aus dem Gebot des effektiven Rechts-
schutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2
GG folgt aber, dass dem Beamten nicht die Beweislast für
diejenigen zur Beurteilung des hypothetischen Kausalver-
laufs erforderlichen Tatsachen auferlegt werden darf, de-
ren Ermittlung ihm aus tatsächlichen Gründen unmöglich
ist. Dies gilt jedenfalls für alle Vorgänge aus dem Verant-
wortungs- und Verfügungsbereich des Dienstherrn, die
dem Einblick des Beamten entzogen sind. Insoweit trifft
die Behörden eine Darlegungspflicht (§ 86 VwGO) und
findet im Falle der Nichterweislichkeit dieser Tatsachen
eine Umkehr der materiellen Beweislast zu Lasten des
Dienstherrn statt (Urteil vom 21. August 2003 a.a.O.
<378>; BGH, Urteil vom 6. April 1995 - III ZR 183/94 -
BGHZ 129, 226 <234>).
Ist die Feststellung eines hypothetischen Kausalverlaufs
nicht möglich, weil der Dienstherr seiner Mitwirkungspflicht
bei der Aufklärung der internen Entscheidungsfindung
nicht nachgekommen ist, so haftet er jedenfalls denjeni-
gen Bewerbern auf Schadensersatz, deren Beförderung
ohne den schuldhaften Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG
nach Lage der Dinge ernsthaft möglich gewesen wäre
(vgl. Urteil vom 21. August 2003 a.a.O. <379>).
Zur Kollegialgerichtsregel hat der Senat in dieser Entscheidung festgehalten,
dass ein Verschulden entfallen kann, wenn ein mit mehre-
ren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstä-
tigkeit als objektiv rechtmäßig gebilligt hat. Ihr liegt die Er-
wägung zugrunde, dass von einem Beamten eine bessere
Rechtseinsicht als von einem Kollegialgericht nicht erwar-
tet und verlangt werden kann (Urteil vom 21. September
2000 - BVerwG 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG
Nr. 10 S. 16; BGH, Urteile vom 6. Februar 1986 - III ZR
109/84 - BGHZ 97, 97 <107> und vom 16. Oktober 1997
- III ZR 23/96 - NJW 1998, 751 <752>).
Danach fehlt es an der inneren Rechtfertigung für die An-
wendung der Kollegialgerichtsregel jedenfalls dann, wenn
es sich um grundlegende Maßnahmen oberster Dienst-
stellen handelt, die durch Auswertung allen einschlägigen
Materials und erschöpfende Abwägung aller Gesichts-
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punkte vorbereitet werden (BGH, Urteil vom 21. Dezember
1961 - III ZR 174/60 - NJW 1962, 793 <794> und vom
28. Juni 1971 - III ZR 111/68 - NJW 1971, 1699 <1701>).
Auch greift die Kollegialgerichtsregel nicht aufgrund ge-
richtlicher Entscheidungen ein, denen nur eine summari-
sche Prüfung der Sach- und Rechtslage zugrunde liegt.
Dies betrifft insbesondere Entscheidungen über die Ge-
währung vorläufigen Rechtsschutzes (Beschluss vom
23. März 1993 - BVerwG 2 B 28.93 - juris; BGH, Urteil
vom 20. Februar 1992 - III ZR 188/90 - BGHZ 117, 240
<250>). Allerdings sind solche Entscheidungen in beam-
tenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten grundsätzlich für
die Anwendung der Regel geeignet. Denn hier fordert das
Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4
Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG von den Gerichten im Ver-
fahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine eingehende
tatsächliche und rechtliche Prüfung des Anspruchs auf
leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl,
weil unterlegenen Bewerbern regelmäßig nur dieses Ver-
fahren zur Verfügung steht (BVerfG, Kammerbeschluss
vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 - NVwZ 2003,
200; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - BVerwG 2 C
14.02 - BVerwGE 118, 370 <373>).
Im Übrigen hängt die Anwendung der Kollegialgerichtsre-
gel im Einzelfall nach ihrem Sinn und Zweck davon ab, ob
die gerichtliche Entscheidung, die eine behördliche Maß-
nahme als rechtmäßig gebilligt hat, ihrerseits auf einer
umfassenden und sorgfältigen Prüfung der Sach- und
Rechtslage beruht. Daran fehlt es in tatsächlicher Hinsicht,
wenn das Kollegialgericht seiner rechtlichen Würdigung
einen unzureichend ermittelten Sachverhalt zugrunde ge-
legt oder den festgestellten Sachverhalt nicht sorgfältig
und erschöpfend gewürdigt hat. In rechtlicher Hinsicht sind
die Voraussetzungen für das Eingreifen der Regel nicht
gegeben, wenn das Kollegialgericht bereits in seinem
rechtlichen Ausgangspunkt von einer verfehlten Betrach-
tungsweise ausgegangen ist oder wesentliche rechtliche
Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat (Urteil vom
21. September 2000 a.a.O.; BGH, Urteile vom 24. Januar
2002 - III ZR 103/01 - NJW 2002, 1265 <1266> und vom
18. November 2004 - III ZR 347/03 - DVBl 2005, 312
<313>).
Diese Rechtsgrundsätze hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung
zugrunde gelegt und fallbezogen angewandt. Einen weitergehenden Klärungs-
bedarf zeigt der Kläger nicht auf.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Herbert Dr. Heitz Thomsen
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