Urteil des BVerwG vom 06.08.2004

Arglistige Täuschung, Entlassung, Bestechung, Zwang

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 68.04
VGH 3 B 00.47
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. August 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. B a y e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 28. April 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 16 766 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, mit der allein der Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Be-
deutung, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, geltend gemacht wird, ist unbegründet.
Dem Beschwerdevorbringen mag sich entnehmen lassen, dass als rechtsgrundsätz-
lich klärungsbedürftig die Frage aufgeworfen wird, ob die Frist nach § 47 Abs. 3 SG,
innerhalb derer die Entlassung eines durch Zwang, arglistige Täuschung oder Beste-
chung in das Dienstverhältnis gelangten Berufssoldaten verfügt werden muss, zu
laufen beginnt, wenn der Bundesminister der Verteidigung Kenntnis von der began-
genen arglistigen Täuschung, dem Zwang oder der Bestechung erlangt. Zur Klärung
dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, denn sie
lässt sich ohne weiteres anhand des Gesetzeswortlauts beantworten.
Nach § 47 Abs. 3 SG muss die Entlassung des Berufssoldaten in den Fällen des
§ 46 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SG innerhalb einer Frist von sechs Monaten verfügt werden,
nachdem das Bundesministerium der Verteidigung oder die Stelle, der die Ausübung
der Befugnis zur Entlassung übertragen ist, von dem Entlassungsgrund Kenntnis
erhalten hat. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 SG ist ein Berufssoldat zu entlassen, wenn er
seine Ernennung durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt
hat.
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Soweit die von der Beschwerde aufgeworfene Frage dahingehen sollte, ob die Frist
auch zu laufen beginnt, wenn der Geheimschutzbeauftragte beim Bundesministerium
der Verteidigung Kenntnis von dem Entlassungsgrund nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 SG
erlangt hat, bedarf es ebenfalls nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.
Auch diese Frage kann ohne weiteres anhand des Gesetzes beantwortet werden.
Kommt die an der Sicherheitsüberprüfung eines Beamten oder Soldaten mitwirkende
Behörde (§ 3 Abs. 2 SÜG) zu dem Ergebnis, dass kein Sicherheitsrisiko nach § 5
Abs. 1 SÜG vorliegt, so teilt sie dies der für die Sicherheitsüberprüfung zuständigen
Stelle mit, § 14 Abs. 1 Satz 1 SÜG. Gemeint ist damit die zuständige Stelle im Sinne
von § 3 Abs. 1 SÜG. Fallen Erkenntnisse an, die kein Sicherheitsrisiko begründen,
aber weiterhin sicherheitserheblich sind, so werden diese mitgeteilt, § 14 Abs. 1
Satz 2 SÜG. Die früheren Kontakte des Klägers zum Ministerium für Staatssicherheit
müssen als weiterhin sicherheitserhebliche Erkenntnisse im Sinne des § 14 Abs. 1
Satz 2 SÜG mitgeteilt werden. Eine etwaige, daraus herrührende Kenntnis des Ge-
heimschutzbeauftragten beim Bundesministerium der Verteidigung von den Kontak-
ten des Klägers vermochte die Sechs-Monatsfrist des § 47 Abs. 3 SG jedoch nicht in
Gang zu setzen. Denn dieser Geheimschutzbeauftragte ist zuständige Stelle im Sin-
ne von § 3 Abs. 1 SÜG und die durch die Mitteilung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SÜG
erlangte Kenntnis darf nach § 21 Abs. 1 SÜG nur für die mit der Sicherheitsüberprü-
fung verfolgten Zwecke, zwecks Verfolgung von Straftaten erheblicher Bedeutung
und für die Zwecke parlamentarischer Untersuchungsausschüsse genutzt werden.
Die Bearbeitung von Personalangelegenheiten zählt nicht dazu. Um dies sicherzu-
stellen, sieht § 3 Abs. 1 Satz 3 SÜG vor, dass die Aufgaben der zuständigen Stelle
nach diesem Gesetz von einer von der Personalverwaltung getrennten Organisati-
onseinheit wahrzunehmen sind. Deshalb wäre es sogar unzulässig, wenn der Dienst-
herr das im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung nach Maßgabe des § 14 Abs. 1
Satz 2 SÜG etwa dennoch erlangte Wissen davon, dass ein Soldat seine Ernennung
seinerzeit durch arglistige Täuschung herbeigeführt hat, dazu nutzt, den Soldaten
nach § 46 Abs. 2 SG zu entlassen. Aus der Unverwertbarkeit des so erlangten Wis-
sens von der bei der Einstellung begangenen Täuschung für eine Entscheidung nach
§ 46 Abs. 2 SG folgt, dass auch die Frist, innerhalb derer diese Entscheidung
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zu treffen ist, durch die Kenntniserlangung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SÜG nicht in
Gang gesetzt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung
ergibt sich aus § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b GKG (pauschalierter Halbjahresbetrag
der Dienstbezüge nach A 9 BBesG).
Albers Prof. Dawin Dr. Bayer