Urteil des BVerwG vom 15.09.2011

Lehrer, Gleichstellung, Gleichbehandlung, Belastung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 67.10
OVG 3 A 1159/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. September 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski und Dr. Fleuß
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 2010 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf die Streitwertstufe bis 6 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
und auf Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist
unbegründet.
Die Klägerin ist angestellte Lehrerin an einer Ersatzschule, die bis zum Ende
des Jahres 2005 in der Trägerschaft des D… P… W…verbandes, Landesver-
band N…-W… e.V., stand und seither von der S… D… gGmbH getragen wird.
Im Hinblick auf die Gleichstellung der Beschäftigung bei einer überwiegend
durch öffentliche Zuschüsse unterhaltenen Ersatzschule mit einer Verwendung
im öffentlichen Dienst nahm der Beklagte den der Klägerin zuvor gewährten
Mindestbehalt von 20 v.H. der Hinterbliebenenversorgung nach ihrem im Jahre
2002 verstorbenen Ehemann, einem Beamten im Ruhestand, zurück. Wider-
spruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat an-
genommen, der Ausschluss des Mindestbehalts stehe mit höherrangigem
Recht in Einklang. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die sinngemäß als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
ob § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG i.V.m. § 105 Satz 2 Nr. 5
BeamtVG i.V.m. § 168 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b LBG NRW
in der bis zum 31. Dezember 1976 geltenden Fassung mit
Art. 33 Abs. 5 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG
vereinbar sind,
rechtfertigt die Durchführung eines Revisionsverfahrens nach § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO nicht. Die Frage, ob die Anrechnung von Erwerbseinkommen aus
einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst oder diesem gleichgestellten Bereichen
mit oder ohne Mindestbelassung mit Verfassungsrecht vereinbar ist, ist in der
Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. Urteile vom 10. März 1987 - BVerwG
2 C 21.85 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 6 S. 2 ff. m.w.N., vom 1. Sep-
tember 2005 - BVerwG 2 C 15.04 - BVerwGE 124, 178 <182 ff.> = Buchholz
239.1 § 53 BeamtVG Nr. 14 Rn. 17 ff. und vom 21. September 2006 - BVerwG
2 C 22.05 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 15 Rn. 20 ff.). Die von der Be-
schwerde aufgezeigten Gesichtspunkte geben keine Veranlassung zu einer
erneuten Erörterung dieser Frage in einem Revisionsurteil.
1. § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG i.V.m. § 105 Abs. 2 Nr. 5 BeamtVG i.V.m. § 168
Abs. 5 Satz 2 Buchst. b LBG NRW a.F. verletzen den durch Art. 33 Abs. 5 GG
gewährleisteten Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation nicht, soweit
sie auch Bezüge aus der Beschäftigung an einer überwiegend aus Haushalts-
mitteln unterhaltenen Ersatzschule der Anrechnung unterwerfen. Art. 33 Abs. 5
GG verpflichtet den Gesetzgeber, den Kernbestand der Strukturprinzipien, wel-
che die Institution des Berufsbeamtentums tragen und während eines längeren,
Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Weimarer Reichsverfas-
sung als verbindlich anerkannt sind, zu beachten und zu wahren; ihm verbleibt
dabei jedoch ein weiter Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er
die Versorgung der Beamten regeln kann. Hierzu gehört auch, dass sich der
Dienstherr von der Alimentationspflicht dadurch entlasten darf, dass er den Ver-
sorgungsberechtigten auf andere Einkünfte aus öffentlichen Kassen verweist,
sofern diese ebenfalls seiner Existenzsicherung und derjenigen seiner Familie
zu dienen bestimmt sind (Urteile vom 19. Februar 2004 - BVerwG 2 C 20.03 -
BVerwGE 120, 154 <164> = Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 8 S. 17, vom
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1. September 2005 a.a.O. S. 183 bzw. Rn. 18, vom 21. September 2006 a.a.O.
Rn. 17 ff., vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 32.06 - Buchholz 239.1 § 53
BeamtVG Nr. 17 und vom 28. April 2011 - BVerwG 2 C 39.09 - juris Rn. 17).
Innerhalb dieses Gestaltungsspielraums durfte es der Gesetzgeber als notwen-
dig (BTDrucks 7/2505 S. 60) bzw. sachgerecht (BRDrucks 349/74 S. 46) anse-
hen, die Beschäftigung bei einer überwiegend durch öffentliche Zuschüsse un-
terhaltenen Ersatzschule in § 168 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b LBG NRW a.F. einer
Verwendung im öffentlichen Dienst gleichzustellen. Ebenso wie § 53 Abs. 5
BeamtVG dient auch § 168 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b LBG NRW a.F. der Vermei-
dung einer zweifachen Belastung der als Einheit zu betrachtenden öffentlichen
Kassen durch gleichzeitige Zahlung von Verwendungseinkommen und Versor-
gungsbezügen (LTDrucks 4/208 S. 73). Im Lichte dieses Normzwecks ist die
mit dem Ausschluss des Mindestbehalts einhergehende Belastung mit dem
Alimentationsgrundsatz vereinbar, da der Versorgungsanspruch lediglich ruht
und damit dem Grunde nach bestehen bleibt (Urteil vom 21. September 2006
a.a.O. Rn. 18 f.).
2. Art. 14 Abs. 1 GG wird durch die angegriffenen Normen nicht berührt, da
Art. 33 Abs. 5 GG diesem, soweit vermögensrechtliche Ansprüche der Beamten
oder ihrer Hinterbliebenen betroffen sind, als lex specialis vorgeht (BVerfG, Ur-
teil vom 21. April 1964 - 2 BvR 203/62 u.a. - BVerfGE 17, 337 <355>).
3. Die von § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG i.V.m. § 105 Satz 2 Nr. 5 BeamtVG
i.V.m. § 168 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b LBG NRW a.F. angeordnete Anrechnung
von Bezügen aus der Beschäftigung an einer überwiegend aus Haushaltsmit-
teln finanzierten Ersatzschule ist auch mit dem allgemeinen Gleichbehand-
lungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Dieser ist nur verletzt, wenn die
Verschiedenheit der gleich geregelten Sachverhalte so bedeutsam ist, dass ihre
Gleichbehandlung mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrach-
tungsweise unerträglich erscheint (Urteil vom 1. September 2005 a.a.O. S. 184
f. bzw. Rn. 21 m.w.N. und vom 17. Dezember 2008 - BVerwG 2 C 26.07 -
BVerwGE 133, 25 <30 Rn. 16> - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 17 Rn. 16).
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Die Gleichstellung einer Beschäftigung an einer überwiegend durch öffentliche
Zuschüsse unterhaltenen Ersatzschule mit einer Verwendung im öffentlichen
Dienst bewirkt keine willkürliche Schlechterstellung versorgungsberechtigter
Ersatzschullehrer in Nordrhein-Westfalen gegenüber Ersatzschullehrern in an-
deren Ländern. Ohne Verstoß gegen revisibles Recht hat das Berufungsgericht
angenommen, die Gleichbehandlung sei unter dem Gesichtspunkt des Vertrau-
ensschutzes zugunsten von Ersatzschullehrern aus solchen Ländern, deren
Landesrecht die Gleichstellung mit einer Verwendung im öffentlichen Dienst im
Zeitpunkt der Neuregelung des Beamtenversorgungsrechts nicht vorsah, ge-
rechtfertigt. Dem ist die Beschwerde mit dem Hinweis auf die Vergleichbarkeit
ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung nicht in erheblicher Weise entge-
gengetreten. Denn die Entscheidung des Gesetzgebers, die Fortgeltung des
§ 168 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b LBG NRW a.F. als notwendig anzusehen, um
eine Doppelalimentation zu vermeiden, stellt sich im Lichte des vorstehenden
Prüfungsmaßstabs jedenfalls nicht als sachwidrig dar. Die in diesem Zusam-
menhang lediglich vorsorglich erhobene Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO geht ins Leere. Sie legt nicht dar, welche Aufklärungsmaßnahmen
im Hinblick auf die wirtschaftliche und rechtliche Stellung von Ersatzschulleh-
rern in anderen Bundesländern geboten gewesen wären. Auch die Rüge, das
Oberverwaltungsgericht habe der Klägerin das rechtliche Gehör verweigert, weil
es seine Erörterungspflicht (§ 104 VwGO) verletzt habe, führt nicht zur Zulas-
sung der Revision. Die Klägerin hatte auf mündliche Verhandlung verzichtet,
und die Frage eines möglichen Gleichheitsverstoßes war schriftsätzlich erörter-
ter worden, so dass kein Anlass bestand, trotz des Verzichts auf mündliche
Verhandlung eine solche durchzuführen.
Ohne Erfolg rügt die Beschwerde, § 105 Satz 2 Nr. 5 BeamtVG i.V.m. § 168
Abs. 5 Satz 2 Buchst. b LBG NRW a.F. stelle diejenigen nordrhein-westfä-
lischen Ersatzschullehrer, die nicht Inhaber einer Planstelle sind, sonstigen Be-
ziehern von Verwendungseinkommen gleich, ohne dass beide Gruppen auch
im Übrigen rechtlich und wirtschaftlich gleichgestellt seien. Dem ist das Beru-
fungsgericht unter Hinweis auf die engen Bezüge zwischen öffentlichen Schu-
len und Ersatzschulen und die Vergleichbarkeit des Dienstes an diesen Schulen
entgegengetreten. Dagegen wendet die Beschwerde ohne Erfolg ein, dass eine
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Gleichwertigkeit der rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung allenfalls für Plan-
stelleninhaber, nicht aber für angestellte Lehrkräfte anzunehmen sei. Dem steht
bereits § 102 Abs. 3 Satz 1 und 4 SchulG NRW i.d.F. vom 15. Februar 2005
(GV.NRW. S. 102), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 9. Oktober
2007 (GV.NRW. S. 394), entgegen. Danach muss die wirtschaftliche und recht-
liche Stellung der Lehrer an Ersatzschulen derjenigen von Lehrern an ver-
gleichbaren öffentlichen Schulen gleichwertig und das Anstellungsverhältnis der
an der Ersatzschule beschäftigten Lehrer, die nicht Planstelleninhaber sind,
demjenigen von Beschäftigten im öffentlichen Dienst vergleichbar sein. § 111
Abs. 1 Satz 1 und 3 SchulG NRW begründet für den Fall der Auflösung einer
Ersatzschule die Pflicht, für eine anderweitige entsprechende Verwendung der
hauptberuflichen Lehrer im Schuldienst des bisherigen oder eines anderen Er-
satzschulträgers zu sorgen, hilfsweise zu prüfen, inwieweit eine Unterbringung
im öffentlichen Schuldienst auf freien und besetzbaren Stellen ermöglicht wer-
den kann.
Soweit die Beschwerde eine Ungleichbehandlung angestellter Lehrer an einer
überwiegend durch öffentliche Zuschüsse getragenen Ersatzschule gegenüber
anderen durch staatliche Zuwendungen begünstigten Berufsgruppen (Bergleu-
te, Landwirte und Betreuer in Behinderteneinrichtungen) rügt, fehlt es bereits an
einer inhaltlichen und funktionellen Vergleichbarkeit der Lebenssachverhalte.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2
VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festset-
zung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und
3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
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Dr. Maidowski
Dr. Fleuß
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