Urteil des BVerwG vom 24.09.2009

Stationäre Behandlung, Beamtenverhältnis, Gleichwertigkeit, Beamter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 65.09
OVG 3d A 1009/08.BDG
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. September 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister und
Dr. Maidowski
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. März 2009 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die 1954 geborene Beklagte steht seit August 1970 als Angestellte und seit
1975 als Beamtin im Dienst der Klägerin. Sie ist als Fernmeldebetriebsinspek-
torin im Bereich der Deutschen Telekom AG eingesetzt und unter Berufung auf
privatärztliche Bescheinigungen dem Dienst seit dem 25. September 2003 fern-
geblieben. Den auf die Ergebnisse amtsärztlicher Untersuchungen gestützten
Weisungen der Klägerin vom 26. Oktober 2005 und 2. Dezember 2005, sich zur
Vorbereitung eines Wiedereingliederungsversuchs in den Arbeitsprozess einer
stationären Behandlung zu unterziehen, ist sie nicht nachgekommen. Seit März
2008 ist die Beklagte vorläufig ihres Dienstes enthoben, seitdem wird ein Teil
ihrer Dienstbezüge einbehalten.
Der von der Klägerin im Juni 2007 erhobenen Klage auf Entfernung der Beklag-
ten aus dem Beamtenverhältnis hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Das
Oberverwaltungsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen.
Es sei erwiesen, dass die von der Klägerin geforderte Sanatoriumsbehandlung
der Beklagten erforderlich sei. Die entsprechenden Stellungnahmen sowohl des
ärztlichen Dienstes der Klägerin als auch des Amtsarztes stünden auch nicht
mit den Aussagen des die Beklagte behandelnden Arztes in Widerspruch. Die
Weigerung der Beklagten, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen, be-
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gründe einen Verstoß gegen die Verpflichtung des Beamten, seine Gesundheit
wiederherzustellen; zudem habe die Beklagte eine rechtmäßige Weisung miss-
achtet. Die Beklagte habe dabei mindestens bedingt vorsätzlich und schuldhaft
gehandelt. Dies rechtfertige die Entlassung der Beklagten aus dem Beamten-
verhältnis.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelas-
sen. Die hiergegen gerichtete, auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzli-
chen Bedeutung und der Divergenz gestützte Beschwerde der Beklagten hat
keinen Erfolg.
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung nac
liegt nicht vor. Die Beschwerde lässt nicht erken-
nen, wodurch das angefochtene Urteil von tragenden Rechtssätzen der Ent-
scheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2006 - BVerwG
1 D 10.05 - (Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 30), vom 8. März 2001 - BVerwG 1 DB
8.01 - (Buchholz 235 § 121 BDO Nr. 15) und vom 11. März 1997 - BVerwG 1 D
68.95 - (juris) abweicht. Eine Abweichung ist nur gegeben, wenn das Beru-
fungsgericht in einer die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtsfrage bei
Anwendung derselben Rechtsvorschrift einen Rechtssatz aufgestellt hat, der
einem abstrakten, die genannten Divergenzentscheidungen tragenden Rechts-
satz widerspricht. Von der Beschwerde wird ein solcher Rechtssatzwiderspruch
nicht vorgetragen. Sie wendet sich vielmehr dagegen, dass das Berufungsge-
richt der amtsärztlichen sowie der Stellungnahme des arbeitsmedizinischen
Dienstes, die eine stationäre Behandlung für erforderlich erachtet haben, mehr
Gewicht beigemessen hat als der privatärztlichen Stellungnahme, welche hin-
sichtlich der Therapie nach Auffassung des Berufungsgerichts mit den sonsti-
gen ärztlichen Stellungnahmen jedenfalls nicht in Widerspruch stand. Das Be-
rufungsgericht hat die privatärztliche Stellungnahme ausweislich der Urteils-
gründe ausführlich gewürdigt. Wenn diese Würdigung nicht in dem von der Be-
klagten erwarteten Sinne ausfiel, belegt dies allein noch keine Abweichung des
Berufungsgerichts von den Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht
zur Gewichtung von amtsärztlichen Stellungnahmen und zur Würdigung privat-
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ärztlicher Atteste aufgestellt hat, selbst unter der Voraussetzung nicht, dass die
Würdigung des Berufungsgerichts fehlerhaft gewesen sein sollte.
Sollte die Beschwerde in diesem Zusammenhang sinngemäß außerdem einen
Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend machen, wür-
de ihr Vorbringen auch insoweit nicht zur Zulassung der Revision führen. Die
tatrichterliche Beweiswürdigung ist in aller Regel dem materiellen Recht zuge-
ordnet. Einen Verfahrensfehler, der die Revisionszulassung eröffnet, kann nur
eine solche Sachverhaltswürdigung ergeben, die auf einer unzutreffenden oder
unzureichenden Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen oder auf
einem Verstoß gegen die Denkgesetze beruht. Keine dieser Voraussetzungen
ist von der Beschwerde dargelegt worden. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze
liegt nur vor, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin
nicht gezogen werden kann. Es reicht nicht aus, dass das Gericht andere
Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten
hätten gezogen werden müssen. Dies gilt selbst dann, wenn die von diesem
favorisierte Schlussfolgerung näher liegen sollte als diejenige des Gerichts (Be-
schluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - ZBR 2008, 257 <260>
insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2). Einen
derartigen Verstoß hat die Beklagte nicht dargelegt. Vielmehr setzt sie der Be-
weiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts ihre eigene Beweiswürdigung ent-
gegen, indem sie aus den Aussagen des sie behandelnden Arztes ihr günstige-
re Schlussfolgerungen zieht.
Die Zulassung der Revision wegen Grundsätzlichkeit (§ 69 BDG in Verbindung
mit § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist auch nicht im Hinblick auf die von der Beklag-
ten aufgeworfenen Fragen, ob
- der Dienstherr selbst bei Bestehen einer ambulanten
Behandlungsmöglichkeit ohne Angabe von besonderen
Gründen die Durchführung einer stationären Heilbehand-
lung anordnen und ihre Verweigerung disziplinarrechtlich
ahnden darf, wenn die Meinungen des privaten Facharz-
tes und des nicht fachspezifisch gebildeten Amtsarztes
über die Gleichwertigkeit der Behandlungen auseinander
gehen und der Dienstherr kein fachmedizinisches Gutach-
ten eingeholt hat,
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- ein gesundheitlich eingeschränkter Beamter von sich aus
seinem Dienstherrn Vorschläge zu unterbreiten hat, wie
die Dienstzeit leidenskonform abgeleistet werden kann,
gerechtfertigt. Beide Fragen würden sich in einem Revisionsverfahren schon
nicht stellen. Die erste Frage deshalb nicht, weil das Berufungsgericht in einer
für das Revisionsgericht bindenden Weise (§ 137 Abs. 2 VwGO) gerade fest-
gestellt hat, dass eine stationäre Behandlung erforderlich war, mithin gerade
(besondere) Gründe für deren Anordnung vorlagen. Die zweite Frage würde
sich deshalb nicht stellen, weil sie nach dem vom Berufungsgericht festgestell-
ten Sachverhalt, der einem Revisionsverfahren zugrunde zu legen wäre, nicht
entscheidungserheblich sein würde. Die Klägerin hat die Beklagte nicht ange-
wiesen, die in der aufgeworfenen Frage unterstellten Vorschläge zu unterbrei-
ten. Die Beklagte ist vielmehr nach den tatsächlichen Feststellungen des Ober-
verwaltungsgerichts den Weisungen der Klägerin, sich der amtsärztlich als er-
forderlich erachteten stationären Behandlung zu unterziehen, schuldhaft nicht
nachgekommen und stattdessen - trotz Belehrung durch die Klägerin über die
möglichen disziplinarischen Folgen - dem Dienst jahrelang ferngeblieben. Die
Fragen, ob die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme und die prognostische
Würdigung der Persönlichkeit durch das Berufungsgericht den gesetzlichen
Anforderungen genügen, hat die Beschwerde nicht aufgeworfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 BDG.
Herbert
Dr. Burmeister
Dr. Maidowski
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